Zweiter Tag
Am nächsten Morgen - er hatte auf seinem Fell vor ihrem Ofen geschlafen, zugedeckt mit einer besonders warmen Wolldecke, hörte er schon allerlei Lärm und Gerede aus dem unteren Geschoss. Noch ganz schlaftrunken taumelte er die Stufen hinunter und sah den Laden der Schneiderin voller Kunden. Er kam sich ein wenig Fehl am Platze vor und so fragte er sie nur, wo er denn ein wenig Holz und Werkzeug fände.
Ein wenig kurz angebunden, bedeutete ihm die Schneiderin in den Keller zu gehen, dort werde er schon alles finden.
Am vergangenen Abend hatte sie ihm recht stolz vom Aufbau ihrer Schneiderei berichtet, der erst einige Monde zurücklag und wie schwer es doch sei gute Zimmerleute und Schreiner zu finden.
Kurzerhand hatte Pupo ihr versprochen ihr ein kleines Hängeschränkchen und ein einfaches Regal zu bauen.
Diese Zeit könne er sich vor seinem richtigen Aufbruch zu den Bärtings durchaus nehmen, schließlich habe er ihr sein Leben zu verdanken und das in einem besonders schwerwiegenden Unglücksfall - wie es Vertrinkungen ja immer waren!
Seine Kleider waren inzwischen wieder trocken und er hatte sich mit einer kleinen Geste für die Trogerrettung bedankt.
Nun wollte er sich kundig machen, welcher Weg ebenfalls zu den Bärtings führte – denn er hatte gehört, ein weiterer, aber weniger gefährlicher Weg führe ebenfalls bis zu ihren Sheduns.
Mit diesem Vorsatz und einem frisch gefüllten Proviantkörbchen marschierte Pupo nun durch die weiten Straßen des großen Entingduns.
Er kam an einigen Ständen am Tauscherplatz vorüber, blickte zu den wild gestikulierenden, ihre Waren anpreisenden Tauscher, doch kein Bärting war heut unter ihnen.
Die Tauscher hatten meist wenig Zeit für Fragen, die sich nicht um ihre Waren drehten und dafür hatte er durchaus Verständnis.
Er bog schließlich in die Straße nach Westen ab, die genau auf das Westtor zu führte. Und nach einer Weile kam er an einer kleinen Schaukel vorbei.
Sie schwang noch etwas, als habe eben noch ein Kind darauf gesessen.
Die Taue knarrten leicht bei jeder Bewegung und so wurde die Aufmerksamkeit des Hobbits in diese Richtung gelenkt.
Er beschloss eine Weile auszuruhen und kletterte auf die Schaukel, was ihm nicht weiter schwer fiel, denn sie war wohl für Kinder gemacht.
Er schaukelte gemächlich, schloss die Augen und stellte sich die Stadt der Bärtings dabei vor.
Ganz aus Stein war sie sicherlich, denn die Bärtings waren weithin berühmt für ihre Steinmetze.
Oder schmiedeten sie ihre Häuser gar aus festem Isen?
Mit Sicherheit waren ihre Häuser nicht aus Holz, denn für Holzarbeiten waren die Bärtings nicht gerade bekannt, auch wenn sie, so wusste der Hobbit, immer sagen würden, dass sie es in jedem Handwerk zur höchsten Kunstfertigkeit brachten.
Irgendwo hatte Pupo einmal aufgeschnappt, dass die Bärtings ihre Smials tief in den Shedun gruben, sie reich schmückten mit allerlei Mathoms des Sheduns, dass es nur so schimmerte und glitzerte.
Bald schon würde er sich selbst davon überzeugen können, wenn er erst den beschwerlichen und weiten Weg bis nach Kesselklamm hinter sich gebracht hatte.
Leises Stimmengemurmel drang durch den dünnen Vorhang seiner Gedanken und ließ ihn aufhorchen.
Es kam aus Richtung des hinter ihm liegenden Hofes, der zum einen durch den gewaltigen Tempel, zum anderen von den Gebäuden rechts von Pupo begrenzt wurde.
Er drehte sich herum, um auszumachen, von wem dieses Gemurmel stammte. Die Taue der Schaukel ächzten leise, als er sich von ihr herunter gleiten ließ.
Wer viel murmelte hatte viel zu sagen und wer viel zu sagen hatte, der hatte sicher viel gesehen und wer viel gesehen hatte, der wusste mit Sicherheit den Weg zu den Bärtings, dachte sich Pupo und lief geschwind auf nackten Sohlen über den Hof.
Da entdeckte er auch schon die Quelle (war das Wort wohl passend, denn es handelte sich ja um einen Mann?!) des Gemurmels.
Ein Mann mit ein wenig fettigem Haar (Pupo wollte nicht wissen, wie das Seine im Moment unter der Mütze aussah), stand mit dem Rücken zum Hobbit und unterhielt sich mit einem stillen Herrn, der auf den Stufen eines Hauses saß.
Der Hobbit wartete eine kleine Pause im Gespräch der beiden Männer, das wohl eher ein Monolog war, ab, entbot beiden dann höflich die Tageszeit und verbeugte sich tief.
Er erklärte ihnen nun ausführlich sein Anliegen, erzählte die Geschichte der Dunauer Ponys, die eine eigene Hobbitzucht darstellten, erklärte ihnen wie wichtig seine Reise sei und dass der direkte Weg ihm doch all zu gefährlich erschien. Und zu seiner großen Freude erklärten sie ihm nun, wie er die Stadt gen Westen verlassen, die kleine hölzerne Brücke über den Fluss nehmen und dem Weg dann eine Weile folgen müsse, eh er rechts gen Norden hin abbiegen und dem Weg bis fast zu einem so genannten Schlachtenpass folgen müsse.
Einige Namen und Begriffe sagten ihm wenig oder nichts und so fragte er einige Male nach, bis er glaubte verstanden zu haben.
Am Schlachtenpass dann wieder einem Weg zurück, aber weiter nach Osten hin, an einem kleinen Schrein der Viere vorbei, zu einer Feste Seeberg.
Er hoffte, dass er sich all diese Namen und Örtlichkeiten genau genug merken konnte, damit er nicht in die Irre ging.
Er bedankte sich artig und verließ die beiden freundlichen Herren, um durch das Westtor in Richtung des Seepasses aufzubrechen - ja, kaum hatte er sie verlassen verdrehte er auch schon die Wegbeschreibung – oweh.
Pupo beschloss, an der Brücke, noch in Sichtweite von Dunquell seine Vorräte durch frischen Fisch zu ergänzen und ärgerte sich jetzt schon, dass er an kein Dreibein gedacht hatte.
Er suchte sich also nicht weit von der Brücke eine Stelle am Fluss, an der es einigermaßen Eben war um sich dort sein weiches Kopfkissen ins Gras zu legen.
Dann suchte er erstmal am Chetrand nach geeigneten Ködern.
Hob verschiedene Steine hoch, schälte Rinde von einigen Bäumen und grub zuletzt ein Loch in den Boden, in das er einen kleinen Stock steckte.
Dann schlug er mit seinen Fingern dagegen und wartete eine Weile, bis einige Regenwürmer an die Oberfläche kamen, die warf er zu den anderen Insekten, die er gefunden hatte, in seinen kleinen Eimer.
Die Köder würden für heute reichen um ein paar schöne Fische zu fangen.
Oh, er freute sich schon sehr auf frisch gebratene Bachforelle oder einen Wels gar. Wobei er als Hobbit recht großen Respekt vor gewissen Fischen hatte, waren sie doch oft groß genug einen kleinen Hobbit wie ihn in den Fluss oder See zu ziehen, wenn man nicht sehr aufpasste.
Und so band sich Pupo ein Seil ans Rückenkreuz seiner Hosenträger, befestigte das andere Ende am Geländer der nahen Brücke und fühlte sich schon viel sicherer.
Es dauerte gar nicht lang, da biss schon der erste Fisch. Zu Pupos Enttäuschung, war es aber nur eine noch recht klein gewachsene Zope, die am Ende seiner Schnur zappelte.
Was solls, dachte er sich, ein paar davon waren sicher auch eine Mahlzeit. Und so schnitt er der Zope den Kopf ab und legte sie neben sich ins Gras.
Schon bald hatte er eine stattliche Zahl dieses Karpfenfisches gefangen.
Er überlegte, ob er sich daraus eine kleine Suppe bereiten solle, mit allerlei Wildkräutern und Gemüse, oder sie nicht doch besser an einem Stock über dem Feuer braten solle.
Die Stockvariante gewann schließlich die Oberhand und so konnte man, nicht weit vom Wege, nicht weit von der kleinen hölzernen Brücke, nicht weit vom beschaulichen Dunquell den schmackhaften Geruch von Bratfisch in der abendlichen Luft bemerken.
Pupo bereitete sich, nach seiner sättigenden Mahlzeit noch sein Nachtlager, nur eine Armlänge vom leise knackenden Lagerfeuer und schloss die Augen in der wohligen Erwartung einer erfolgreichen Reise.
Und so endete der zweite Tag.
Kleines Hobbitwörterbuch:
Bärting: Zwerg/Dwarschim/die Bärtigen
Shedun: Berg
Smials: Wohnungen, Häuser, speziell in Hobbitbauweise
Mathoms: Kostbarkeiten
Chetrand: Waldrand
Zope: kleiner Karpfenfisch - normaler Name (nicht Halblingisch)