Er betrachtete stumm das Mädchen. Ein hübsches Ding, mit drallen Brüsten, ausladenden Hüften und vollkommen nackt, wie sie vor ihm stand. Er war nicht tatsächlich im Stande, es zu genießen, wie sie sich langsam vornüberbeugte, ihm das nackte Gesäß verheißend entgegenreckte und doch völlig ahnungslos war, dass er sie beobachten konnte. Hier, hinter dem Vorhang, wo sich ein jeder heimliche Zuschauer sicher fühlen konnte, verharrte er und beobachtete ihr tun. Eleganzlos, in nüchterner, gar militärischer Sachdienlichkeit kleidete sie sich nun an, keine Bewegung zuviel verschwendend, keinen Blick dem trostlos an die Wand verbannten Spiegel schenkend, ehe sie eilig das Haus verließ, sich auf das rostrote Pferd schwang und davon preschte. Ach, was waren die Menschen ruhelos.

Er trat mit sanften Schritten durch die Tür und die Kellertreppe herab, sah sich einen Moment lang um. Als er den Schlafzimmerschrank entdeckt hatte, schlich er näher, verstohlen, um jede Aufmerksamkeit sich zierend. Er fand das Fach mit ihrer Unterwäsche und wollte gerade wie ein Lausbub zu wühlen beginnen, da die Wachglocke erklang. Er seufzte. Sie konnten ihn nicht sehen, doch sahen sie ihn überall. Er eilte dem Klang nach.

Es bot sich ihm stets das gleiche Bild. Er war ein leidenschaftlicher Zuschauer, doch was ist es schon, da man zuschaut, wenn niemand sich des Zuschauers gewahr wird? Eine Braut wird erst beginnen, sich in lasziver Schönheit zu entkleiden, zu spielen und zu reizen mit dem Unsichtbaren, wenn sie sich seiner Anwesenheit versichert hat. Ein Mann von stählerner Brust und nacktem Oberkörper wird die Hacke erst mit der rechten Leidenschaft, der rechten Anstrengung, der rechten Anmut in den Fels schlagen, wenn er weiß, dass der Aufseher der Minen ihm zusieht. Doch was ist es schon für ein geheimes Zuschauen, wenn man sich bemerken lässt?

Nein, das Dasein als verborgener Zuschauer kennt keine Schönheit. Es ist ein stetiges Betrachten der schmutzigen Geheimnis, jener Dinge, welche ein jeder am meisten zu verbergen wünscht - erst, wenn der Zuschauer tatsächlich geheim, wenn der Beschaute tatsächlich sicher ist, dass niemand ihn betrachtet - erst dann zeigen sie ihre eigentliche, langweilige, facettenlose Unförmigkeit, ihr ödes Gesicht, ihre wahre, flachbrüstige, von Faulheit zu Orangenhaut und triefendem Fett verkommene Erscheinung.

Nur die Kinder sind anders. Ein Kind spielt in einem Sandkasten, und es ziert sein Spiel erst dann wahrhaftige Begeisterung, wenn es sich allein wähnt, oder wenn es vergessen hat, wer alles um ihn ist. Dann wird wahre Schönheit offenbar, die stetige Gier nach dem rechten Spiel, nach der rechten Sandburg, nach dem rechten Wort, das der Hund aus Stoff in seiner Hand zu der Tomate, die doch ein Pferd ist, sein soll. So spielen die Kinder, ungeachtet dessen, was sie tatsächlich in der Hand halten, frei von den Zwängen, denen die Erwachsenen unterliegen, und gleichsam wie es ihnen scheint, scheint auch dem verborgenen Beobachter ihr Sandkasten nicht zwei mal zwei Schritt groß, sondern eine ganze Welt zu beherbergen, ein ganzes Universum, das gefangen ist in einem kleinen Fenster, so winzig und niedrig. Und doch birgt es ganze Welten, den Zauber der Feen und Geister.

Hustend verschluckte sich der verborgene Beobachter, als die Glocke erneut erschellte. Vor Träumerei hatte er den Wachdienst beinahe vergessen, und so eilte er zu dem Rufenden. Doch als er ankam, da war Syra bereits schneller gewesen.