Zurück in Ersont.
Stirnrunzelnd stand Vincent vor den Toren der Burg Ebenstein nahe der Stadt Ersonts End. Er konnte sich nicht erklären, warum sein Onkel ihn zu sich hatte rufen lassen, war das Verhältnis zwischen ihnen doch Bestenfalls als “unterkühlt” zu bezeichnen. Eigentlich hatte Vincent gar nicht vorgehabt die 4 wöchige Reise auf sich zu nehmen, aber es war so ungewöhnlich, dass sein Onkel ihn zu sehen wünschte, dass er neugierig geworden war. In der Burg wurde ihm Eintritt gewährt und der Dienstbote führte ihn ins Wartezimmer.
Die Stunden vergingen und Vincent war sich sicher, dass sein Onkel sich einfach einen Spaß daraus machte, ihn warten zu lassen. Schließlich wurde er in das Arbeitszimmer bestellt und trat zögernd ein in die Umgebung, die er in seiner Jugend zu hassen gelernt hatte. Sein Onkel saß hinter einem viel zu protzigen Schreibtisch und bedachte den Eintretenden mit einem abfälligen Blick, ehe er Vincent mit einer abfälligen Geste zu sprechen aufforderte. Vincent deutete eine nicht sehr respektvolle Verbeugung an als er zu sprechen begann. “Ich bin eurem Ruf gefolgt, Onkel Victor, nun sagt mir, weshalb ihr mich herbestellt habt.” Der Angesprochene zog die Augenbrauen zweifelnd zusammen und bedachte Vincent mit dem gleichen missbilligenden Blick, den er aus seiner Jugend kannte. “Zunächst einmal, habt ihr mich mit Freiherr von Ebenstein anzusprechen, denn ich weigere mich nach wie vor anzuerkennen, dass ihr vom gleichen Blute seid wie ich. Und zweitens ist der Grund dessen, dass ich euch herbestellte euer Bruder, aber ihr seid wie immer unzuverlässig und zu spät gekommen, wie ich es nicht anders erwartet habe.” Die Nachricht, dass sein Bruder nach ihm verlangt hatte, ließ Vincent den Ärger über die vorangegangene Schmähung überhören, als er herausplatzte: “Was wünscht mein geliebter Bruder von mir?” “Euer Bruder ist letzte Woche verschieden. Damit ist der einzige Spross meiner Schwester, der zu irgendwas taugte von uns gegangen. Er wollte euch sehen, die Götter mögen wissen, weshalb, wenn ich stürbe, wärt ihr der Letzte, dessen Visage ich sehen wollte. Wie auch immer. Wie schon beim Tod eurer Mutter seid ihr auch dieses mal zu spät gekommen und habt wie immer selbst bei der einfachsten Aufgabe versagt.” Die Nachricht über den Tod seines Bruders ließ die Farbe aus Vincents Gesicht weichen. “Wo ist er? Was ist mit ihm geschehen?” “Nun amüsanter Weise ist er von genau dem ungläubigen Pack umgebracht worden, dass ihr einst verschontet und damit die Familie entehrtet.” Vincent erinnerte sich daran, wie er in der Ersonter Armee gedient hatte und den Befehl verweigert hatte, ein friedliches Dorf der Nortraven auszuräuchern. Die Unehrenhafte Entlassung aus dem Dienst war die Folge gewesen. Nun war sein Bruder, Feldmarschall der Truppen offensichtlich in einem Kampf gegen die Norländer verwundet worden und in der Burg seiner Familie gestorben. “Wo ist er?” “Großmütig wie ich nun mal bin, habe ich ihn wie auch deine Mutter, meine Schwester in der Familienkrypta unterbringen lassen.” “Ihr seid nicht großmütig, sondern anmaßend, ihr wisst dass euer Titel und die Burg rechtmäßig meiner Mutter zustanden!” “Hätte eure Mutter sich nicht mit einem Bürgerlichen eingelassen und den Bastard gezeugt, der ihr seid, würde ich dieses Erbrecht vielleicht anerkennen, aber mit dem Tod eures Bruders ist nun meine Linie offiziell und rechtmäßig in diese Position getreten.” Das hämische Lächeln seines Onkels trieb die Zornesröte ins Gesicht von Vincent. Natürlich konnte er nicht beweisen, aber es hätte ihn nicht überrascht, wenn ein gedungener Mörder das Leben seines Bruders beendet hätte. “Euch wird irgendwann einmal Gerechtigkeit widerfahren, Onkel Victor. Und wenn ich persönlich die Klinge schwingen muss, die euch diese Gerechtigkeit bringt.” Mit einer abfälligen Handbewegung wurde Vincent, begleitet von einem herablassenden Lächeln hinauskomplimentiert, doch er drehte sich noch einmal um bevor er das Zimmer verließ: “Merkt euch meine Worte, Freiherr” Das letzte Wort spie er aus, ehe er hinausstürmte.
Vincent verbrachte mehrere Tage abwechselnd in der Krypta und seinem Gemach, dass sein Onkel ihm zur Verfügung stellte um zu trauern, ehe er wieder aufbrach. In Ersont hielt ihn nichts mehr, die einzige wahre Familie die er hatte war auf Siebenwind. Es gab keinen anderen Ort, an dem er akzeptiert wurde.
Eines Tages würde Gerechtigkeit geübt werden.
_________________ UO is not dead
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