"Ein neuer Tag, ein neues Blatt.
Ich weiß, mein Sohn, ich habe dir schon oft davon erzählt, von der Ersten Überfahrt, aber gelesen, hast du davon noch nie. Und hier, auf ferner See, wo man die salzigen Winde schmeckt, an ihrem Entstehungsort also, wurde diese Geschichte noch nie niedergeschrieben. Es hat seinen Reiz... selbst für meine müden Hände.
Wo soll ich beginnen?
In den kurzen Jahren, bevor unser König König wurde und Holz und Takelage in Küstennähe versenkte, dass über ihn scherzhaft gesungen wurde, in den Süßen Gärten? Von den Verhandlungen, die mit dem eisigen Norden geführt wurden, die Träume des gekrönten Herrn der Menschheit wahr zu machen? Nein.. das ist langweilig und bekannt.
Ich will erzählen, von unserer Verabschiedung in Venturia, denn sie war ein wahres Wunder an Begeisterung und Glorie...
...Glocken erklangen aus den geöffneten, schwarzen Toren der Tempel, deren Sandsteinfasaden in der Sonne glommen wie Gold.
Bänder und Wimpel flatterten, jeder Stein im Pflaster und jedes Gesicht schien geputzt und sauber. Posaunen und Hörner erklangen und, das Schönste, mein Sohn: Zauberei ließ von den höchsten Bannern des Reiches einen sanften, steten Strom von Rosenduft und hellen Blütenblättern wehen - Naschwerk, für die Augen gedacht, doch zusammen mit dem Jubel des Volkes und den Reden der Mächtigen war es Nahrung für das unstete Herz.
An die Worte, die von der Bühne kamen, deren Holz so jung war, dass es weiß erstrahlte, will ich mich nicht erinnern; Grillengezirpe. Schön um einen Zweck, aber nur ein kleiner Beitrag zum Wunder eines Sommerabends..
Ich.. schweife wieder ab...
Die Essenszeit an Bord habe ich verpasst, träumend.
Vermischt haben sich die Erinnerungen von Venturia mit Bildern meiner Lieben in Sae und den lauen Tagen des Astrael..
Man ist jetzt verstimmt ob meiner Träumereien, die mich schweigend in die Leere blicken lassen,... in die unsichtbare Welt meines Geistes.
Ach, abenteuerlustiges, junges Volk - sie kennen einen meines Schlages wohl nicht und meinen mich unheimlich.
Wer kann es ihnen verdenken? Die Zeit hat mich so abgeschliffen wie einen Stein im Fluß. Glatt bin ich geworden und rund: Nichts findet mehr Halt an mir, nur der Strom der Welt vermag es, mich zu bewegen.
Wo war ich? Ja.. die Erste Überfahrt.
Kleine Küstenschiffe mit weißen, einfachen Segeln folgten uns die ersten Meilen, so weit sie sich trauten, wie junge Hunde, die dem Jagdmeister nachlaufen; Aber bald ließen wir sie hinter uns, zu schneidig war die Fahrt der Nordwind.
Bald darauf.. verlor sich auch das anhaltende Läuten der Glocken und der Schall der Fanfaren, die man uns nachgesandt, im Rauschen und Rollen des Meeres.
Dieser Augenblick war es, als die überlaute, hungrige Nicht-Stille des Wassers uns umschloß und das Land ein schmaler Streifen wurde, konturlos und dunkel, dass ein Jeder begriff: Wir verlassen die Welt, die uns bekannt.
Die Segenssprüche der Viere, die auf dem bauchigen Außenklüver unserem Bug voranritten, waren die Grenze des Königreichs der Menschen,.. und wir fuhren Westwerts, ein kleiner Fleck nur, die Spitze eines Pfeiles.
Still wurde es auf der Nordwind...
...das knarren der Taue, das Spritzen der Gisch, die rauen Arbeitsgesänge der Nordleute, die jeden Handgriff in ihrer vollmundingen, fremden Sprache mit einem Reim bedachten, die unsteten Reden der Galadonier - Gegen das ungastliche Wogen des Meeres war das alles nichts.
Ein Federstrich auf Pergament, der Herzschlag einer Maus kaum wären sie lauter erschienen...
Musik.
Eben nun dringt sie an mein Ohr. Eine lustige Weise aus den südlichen Hafenstädten. Jemand singt dazu, eine Frau.. Mir denkt, es sind zotige Zeilen, denn die Männer lachen dazu und schwere Krüge und schwere Füße stampfen, fast im Takt, auf Tischen und dem Deck dazu.
Kaum, dass man die Jahre an den Fingern zählen kann...
...und schon ist aus dem größten Wagnis, der Schicksalsfahrt über das Meer, eine Unterhaltung geworden, billiger als der Besuch in einem Spielhaus.
Wohl denn, so geht es wohl zu, auf dieser Welt..
..mein Sohn, es tut mir leid, dass ich wieder mein Schreiben unterbreche, aber die lustigen, frischen Klänge wecken in mir den Durst nach Wein und runden Formen. Ich hoffe, dass deine welthungrige Jugend Nachsicht hat, mit meinem hohen Alter, das sich nurmehr um sich selbst und seine Grillen kümmert.
Sei wohlbehalten - Ich gedenke deiner."
|