In grade diesem Moment kam es ihm so vor, als sollte dies der härteste Kampf seines Lebens werden: so, jetzt mal ganz langsam...erst das rechte Bein, dann das linke Bein...so, langsam den Oberkörper anheben, Augen öffnen...
...sein Körper rebellierte schon bei dieser kleinen Anstrengung, als er behutsam aus dem Bett steigen wollte. Und so blieb ihm nichts anderes, als hastig nach dem Eimer zu greifen und sich drüber zu beugen, grade rechtzeitig bevor er sich erbrach. Er war körperlich unversehrt, und doch fühlte er sich wie ein geprügelter Hund, sein Schädel dröhnte als wäre eben eine Ogerkeule auf seinen Kopf niedergedonnert. Jedoch war sein Feind nur der Alkohol gewesen, der einzig "übernatürliche" Gegner der Weingeist. Er hatte bei der großartigen Doppelhochzeit aber auch alles getan, um sich amtlich abzuschießen. Einen Schnaps nach dem anderen, und immer einen zwischen dem Met und Bier, richtig schön durcheinander. Er hoffte nur inständig, dass der Elf Lorien gelogen hatte: dass Elfen sehr wohl betrunken werden können. Die Vorstellung, dass dieses Spitzohr keinerlei Auswirkung von ihrem gemeinsamen Gezeche bei der Feier spüren würde war ihm in seinem Zustand unerträglich.
Nachdem er seinen gesamten Mageninhalt und alles an Gallenflüssigkeit in mehreren Schüben ausgespuckt hatte, ging es ihm erst mal wieder besser. Angewidert fischte er die beiden eisernen Zahnschienen aus dem vollgekotzten Eimer, die aus seinem nun "nackten" Mund gefallen waren. Bei Terra, wann war es ihm nach dem Saufen zuletzt so übel gewesen? Er erinnerte sich...
Es war auch bei einer Hochzeit gewesen, wie immer nur eine Fremde. Aber er war auch noch jung gewesen, 56 Jahre erst. In dem Alter heiratet zwerg sowieso noch nicht, und auch Thorgat mochte noch keinen Gedanken daran verschwenden. Während des Festes ging es hoch her: Alle waren sie gekommen, ein jeder der nur jemanden kannte, der wiederum jemanden kannte, der um 3 Ecken herum mit der Familie des Paares verwandt war. So war es Brauch bei den Dwarschim. Eine Hochzeit ist die größte Feier des Lebens, denn immerhin verbinden sich da zwei Seelen zu einem Ganzen, das niemals wieder ohne großen Verlust getrennt werden kann. Und was hatten sie nicht alles angekarrt für dieses Fest: Die Fässer stapelten sich bis hoch unter die Bingendecken, die Stollen bis in den letzten Winkel voll mit Fressalien. Die Talzwerge, die angereist waren, mussten wirklich alles Vieh geschlachtet haben, das sie nur irgendwie noch mit sich tragen konnten. Der Höhepunkt des Spaßes war für gewöhnlich aber folgendes Spiel: Eine Schar unverheirateter Zwergenmänner stellte sich an ein Ende einer langen Bahn. Sie griffen jeder das Ende eines langen Seils. Alle Seile lagen kreuz und quer und ineinander verwunden über die Bahn geschlängelt, sodass es unmöglich war vorauszusagen, wo welches Seil nun enden würde. Und an eben jenem Ende eines jeden Seils wartete eine Überraschung auf den Spieler. Als Hauptgewinn galt natürlich eine dralle und ebenfalls ledige Zwergendame. Nicht selten hatte dieses Spiel schon zukünftige Ehepaare zusammengeführt. Sehr beliebt waren aber auch Fässer voll Met, mit denen man sich wunderbar darüber hinwegtrösten konnte, dass man eben nicht die üppige Jolanda Herdfeuer mit ihren langen roten Doppelzöpfen, dem prall gefüllten Mieder, den ach so herrlich stämmigen Schenkeln und dem niedlichen runden Bäuchlein am Ende des Seils auf sich warten hatte. Auch Thorgat durfte nicht den Abend mit Jolanda verbringen, leider auch nicht mit einem heiß geliebten Metfass...an seinem Seilende stand nur ein abgetragener Stiefel, noch nutzloser als der Holzlöffel, den sein Vetter Isgrimm nun in der Hand hielt. Damit hätte er immerhin allen grölenden Zwergen was auf die Mütze geben können, die ihn nun den Rest des Abends munter verhöhnten, wenn Thorgat mit seinem ollen Stiefel an ihrem Tisch auftauchte. Denn er musste mit diesem Stiefel den Rest des abends verbringen und sich nicht von ihm trennen, so lautete die Spielregel. Und so klang es "He du Stinkstiefel" von links und "Was stinkt denn hier so? Ach, das ist nur Thorgat oder sein Stiefel, schwer zu sagen welches" von rechts. Was also blieb ihm da schon anderes übrig als sich auf das herzlichste zu besaufen. Und zwar so ordentlich, dass auch ein gestandener Bra'gar, der er ja erst noch werden sollte, das Trinkvermögen des jungen Thorgat staunend anzuerkennen hatte.
Er beschloss, seine Beine schleunigst wieder ins Bett zurück zu holen. Nur noch ein bißchen schlafen, bis der gröbste Kater ausgestanden ist. "Aber so im Nachhinein war diese Hochzeit damals doch wirklich lustig, sogar das mit dem blöden Stiefel. Außerdem hat Jolanda sich eh nicht gut weiterentwickelt. Sie wurde Jägerin und hat bei all dem Laufen schrecklich abgenommen, furchtbar!" murmelte er noch zu sich.
Die Hochzeit gestern hatte sein Gemüt so heiter gestimmt, dass er erstmals seit langem nicht an all die Schlachten, das Blut, den Gestank des Todes und auch die Angst dachte, die sein Leben ständig begleitet hatten und auch auf dieser Insel begleiteten, sondern an etwas Schönes aus seiner Vergangenheit. Auch die hämmernden Kopfschmerzen konnten nicht verhindern, dass er mit einem Lächeln auf den Lippen weiter schlief.
_________________ Wow! Bestens recherchiert, prima belegt durch Zitate von Leuten, die es einfach wissen müssen, und voll mit Situationen, die wohl jeder kennt. Hat mich sehr berührt, vor allem innerlich - wunderschön! Da kam wirklich alles vor: Dieses autistische Mädchen da, ihre Freundschaft mit dem Delphin, die Außerirdischen, der liebe Gott, stundenlange Reflexionen, Verben, Interpunktion... Ein Beitrag, der mitunter zu Tränen rührt. Danke! "Fili" (IRC), Spieler von Solice Aurora (Dank an Awa fürs Portrait) Johann Cassius Thorgat
Zuletzt geändert von Kaputter Typ: 29.08.07, 02:13, insgesamt 1-mal geändert.
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