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 Betreff des Beitrags: Von wahren Helden
BeitragVerfasst: 23.03.08, 14:23 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 23.03.08, 14:11
Beiträge: 2
Dort stand er. Der Feind, der Gegner. Der Widersacher. Das raue, borstige Fell stand bedrohlich ab und ließ die Gestalt ungleich größer erscheinen, während zwei finstere Äuglein ihm bis zum Grund seiner Seele zu starren schienen. Dieser Kampf sollte kein gewöhnlicher werden, das wusste Angvar, und doch stand er wacker dort und hielt die Klinge entschlossen mit beiden Händen umfasst. Einen Schritt tat er auf dieses Unding der Schöpfung zu und maß mit jedem weiteren Detail, dass er erkannte, der Frage mehr Bedeutung bei, wessen Wille es dereinst gewesen war, der so etwas hat entstehen lassen können. Konnte es Vitama gewesen sein? Oder war es viel mehr der Wunsch des Namenlosen, so viel Niedertracht auf Tare wandeln zu lassen? Angvar kämpfte die Fragen nieder. Gleich, welche Antwort die Welt dafür bereithielt – er war nun hier, um Leid und Unheil ein Ende zu bereiten. Die hysterische Stimme einer jungen Frau, die unweit des Geschehens stand, stachelte den jungen Mann nur noch weiter an.

„T-tötet es! Tötet es, bei den Vieren!“

Der Wunsch nach Zerstörung war niemals Angvars Natur gewesen. Vernichtung war ein trauriges Werk, vor dem man Respekt und Ehrfurcht zeigen musste, damit sie nicht zur Gewohnheit wurde sondern stets nur Ausnahme blieb. Trotzdem erkannte der Krieger in diesem Moment die Pflicht und die Verantwortung der Welt gegenüber. Hier vollführte er einen waghalsigen Tanz auf Messers Schneide und Angvar wusste, dass nur einer diesen Ort verlassen würde. Seine Zähne mahlten aufeinander und ließen das schmale Gesicht unter dem schwarzen Haarschopf angespannt wirken, während sich der sehnige Leib einen weiteren Schritt an das Geschöpf heranwagte. Aber diese Zähne! Nun erst sah er sie und sofort kamen die Geschichten wieder in seinem Kopf auf. „Alles, nur nicht beißen lassen.“ Ein Stoßgebet an Bellum würde dafür nicht reichen. In Gedanken richtete der wackere Recke somit alle Bitten, die ihm einfielen, an den Gott, dessen Segen über der streitbaren Zunft lag. Mehr denn je wünschte sich Angvar, dass der Segen in diesem speziellen Moment ein wenig stärker auf ihm lag.

„Verdammt! Zögert nicht! Tötet es…! Schnell, sonst entwischt das Vieh!“

Hätte er diesen Auftrag doch niemals angenommen. Nun sah er sich seiner Nemesis gegenüber und fühlte, wie ein eisiger Schauer ihm über den Rücken kroch. Das Schwert in Händen, Zeichen für den ganzen Stolz einer traditionsreichen Familie von königstreuen Soldaten, begann zu zittern. Es fühlte sich mit einem Mal seltsam schwer und klobig an, hatte nichts gemein mit dem blankgeschliffenen Stahl, der es doch noch vor wenigen Momenten gewesen war. Bald schon würde die erste Helligkeit des vierten Zyklus enden und seinem Gegner einen dämonischen Vorteil einbringen. Dies wäre das Ende. Schon wurde der Hinterhof in ein verräterisches Rot getaucht, da fasste Angvar die Entscheidung, anzugreifen. Konzentration, atmen. Beides war wichtig…

„Hackt dieser verdammten Ratte endlich den Kopf ab, oder Ihr könnt Eure Mahlzeit vergessen, Kerl!“

…und beides unerreichbar, wenn die Stimme der Frau den Krieger nur daran erinnerte, wie wenig Mut doch in seinem Herzen war. Es war nicht nur eine Ratte. Sie schien mit Katzen und Kötern um die Wette zu wachsen! Scham und Selbsthass kamen wieder auf und ließen ihn die Augenlider schließen. Sie höhnte über ihn und seine Schwäche. Sie höhnte, wie es sein Vater stets getan hatte. Vor seinem geistigen Auge spielten sich die Szenen seiner Jugend ein weiteres Mal ab: Der plumpe Drill und die Gewalt, die er erfuhr, jedes Mal, wenn Angvar es wagte, seinem Vater den Gehorsam zu verweigern. Die harte Stimme des Mannes mit dem vierschrötigen Gesicht, sie hallte in seinen Ohren wider. „Ein Bengel, der am 29. Sekar auf die Welt kam, dessen Geist kann nicht helle sein! Und die Haare, die verdammten! Wie deine verfluchte Mutter, pah!“ Schon fand Angvar sich wieder in der dunklen Hütte auf dem Hof, den sich sein Vater einst errichtete, um dort mit seiner Frau und ein paar Tagelöhnern den Lebensabend zu verbringen. So hatte er es jedenfalls vor gehabt, „Bis du verdammtes Etwas mir mein Weib genommen hast! Warum ist sie gestorben, diese gute Frau, warum hast du ihren Platz bekommen auf dieser Welt, unnütz, wie du bist?!“ Diese Worte schmerzten, gleich, wie oft er sie hörte, und doch konnte er sie seinem Vater nicht verdenken. Im khalandrischen Grenzgebiet war er geboren worden, wenige Jahre, bevor die große Entdeckung eine neue Zeitrechnung einläutete. Hier war er aufgewachsen, unter Kriegern und Söldnern, vergessenen Helden zahlreicher Scharmützel und als Erbe einer stolzen Linie von königstreuen Soldaten und Verteidigern der Ordnung der Vier. Angvar spürte den frostigen Wind, sah die karge Steppe und spürte wieder die Blicke jener, die ihn verlachten für das fehlende Geschick im einzig brauchbaren Handwerk, hier, fernab großer Städte und finsterer Burgen. Er wollte es nicht mehr sehen. Der junge Mann riss die Augen auf und starrte zur wartenden Ratte, welche sich offensichtlich in Sicherheit wähnte, denn auch der nächste Schritt Angvars brachte sie nicht dazu, quiekend das Weite zu suchen.

„Tötet es! So ein unfähiger Kerl und trotzdem ein Schwert in der Hand! Schämt Euch! Schämt euch bitterlich!“

Es hatte keinen Zweck: Hier half nur die Flucht nach vorn! Angvar stürmte los, die Klinge zum Schlag über den Kopf gehoben, einen Moment nur lies er sich, dann schwirrte der blitzende Stahl hinab und riss den Krieger mit sich, welcher nur stolpernd wieder sein Gleichgewicht fand. Wie immer, hatte er knapp vor dem Hieb die Augen krampfhaft verschlossen und so zeigte sich erst nach einem Moment der Ruhe das Ausmaß der Zerstörung. Angvar wollte die Augen nicht öffnen. Er wollte nicht hinschauen. Der Ruf jedoch bestätigte es: „Sie ist tot! Endlich! Danke Euch, Herr Nymrog! Danke Euch!“ Einzig die Euphorie sorgte dafür, dass das alte Weib ihn nicht weiter anschrie und verhöhnte. Dies würde kaum lange anhalten. Langsam nur klärte sich der Blick des stillen Streiters und sah… eine völlig saubere Klinge, die in zitternden Händen gehalten wurde und sich bereits im weichenden Licht blutrot färbte. War sein Hieb so schnell gewesen, dass kein Blut die Klinge benetzen konnte? „Warum fuchtelt Ihr auch mit einem Schwert herum… haha…!“ Was bedeuteten diese Worte? Ein Gedanke kam und sorgte fast von selber dafür, dass Angvar seinen Blick senkte. Was er dort sah, ließ Übelkeit in ihm aufsteigen. „Ein guter Tritt! So ist’s Recht! Diese Mistviecher, wie ich sie hasse…!“ Die Zwischenrufe der Frau wurden immer dumpfer und schienen aus weiter Ferne zu kommen, obwohl sich diese tonnenartige Gestalt im schlichten Rock aus groben Stoffen und einer unzählbaren Menge an Flicken, mit der Warze unter dem linken Auge und dem feisten, zahnlosen Grinsen ihm näherte. Doch das Blut – es raubte ihm die Sinne. Wieder. Zuerst war es nur die Stimme, die immer leiser wurde, doch dann vergingen ihm auch die restlichen Sinne. Wie und ob er umgefallen war, dass wusste Angvar nicht mehr.

Wieder war er auf dem Hof. Wieder diese Erinnerungen.

Gleich, wie viele Jahre sein Vater und zahlreiche andere Kämpen ihm neben seinen Aufgaben auf einem Bauernhof versuchten, einen ordentlichen Hieb oder die Bedeutung einer Parade beizubringen – der Abscheu, mit dem er bei seinen Versuchen, die Lektionen umzusetzen, bedacht wurde, sprach Bände. Über ein Jahrzehnt wurde man nicht müde, dem heranwachsenden Jugendlichen, dem werdenden Mann, schlussendlich dem jungen Mann die Bedeutung der Kriegerkaste und ihrer Kunst näherzubringen. Das Leben schien nur noch aus den Predigten und dem Schmerz zu bestehen, welcher durch keinesfalls spielerische Duelle mit Eichenholzschwertern und daraus resultierende Schürfwunden und violett verfärbten Schwellungen zu erklären war. Dieses Leben also sollte er führen – Angvar hatte sich damit abgefunden. Die Konditionierung fruchtete irgendwann, denn endlich kam der Tag, als er mit etwas über 23einhalb Morsan den Weg antrat in die Fremde, fort von ewigem Hohn und Spott. Als er nach langen Anstrengungen das Fürstentum Ossian, schließlich den Hafen von Venturia erreichte, hatte er den Umstand bereits erfolgreich verdrängt, dass sein Vater ihn vom Hof geworfen hatte mit nicht mehr als dem Nötigsten. Er wollte nicht daran denken, dass sein Vater sich für ihn schämte, ihn gar verachtete – Angvar wollte sich nicht gänzlich allein wissen auf dieser Welt.

Die Stimme kam wieder näher. Sie, die Stimme aus einer neuen Welt. Die Stimme aus dem Hafen Brandensteins: „Herr Nymrog? Is‘ Ihnen nicht gut? So hungrig? Herr… Herr…?“


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