Um die Stunden machte er sich schon keine Gedanken mehr, als er eine ganze Weile in dem kleinen Buchhandel saß. Edel war er; das musste er zugeben. Blaue feine Vorhänge an den Wänden und ein gut verarbeiteter Teppich. Und selbst ein Abendmahl hat ihm sein neuer Arbeitgeber zubereitet. Zugegeben: Er machte eher den Eindruck eines guten Bekannten, bei dem man gerne isst, aber irgendwie war nach all den Mühen doch etwas Geschäftliches draus geworden.
"Buchhändler und Schreiber. Ein profitabler Anfang" dachte sich Rufus noch, als er seinen eigens angefertigen Vertrag nach einigen Stunden fertig hatte und unterschrieb. Dumm nur, dass sein Arbeitgeber außer Haus war und er Probleme hatte ihm zu folgen. Als Händler schien ihm das ja schon sehr einleuchtend, dass die Leute ihr Hab und Gut mit Eisentüren und guten Schlössern vor Dieben sichern wollten. "Gefährliche Zeiten. Völlig Verständlich." Etwas unverständlich schien ihm es nur, dass dieses Schloss von beiden Seiten zuschließen musste. Und dann noch ein Klopfen an der Tür.
"Moment, ich suche nur den Schlüssel."
...
"Der Adeptus wird sicher einen Schlüssel für diesen Fall hier aufbewahren"
...
"Bitte wartet noch einen Moment!"
...
Nachdem sich in der Kiste für Nachrichten nichts fand und die Suche im Lager ebenso vergebens war, stutzte der Mann dann doch ein wenig. Ein paar Wortwechsel mit der Tür. Wieder zur Tür und rütteln. Nichts zu machen. Ein dumpfes "Ich komme später wieder" und Rufus war wieder auf sich gestellt. Langsam aber sicher klopfte der Verdacht kalt in seinem Schädel " Wenn der Adeptus nicht kommt, kann ich hier noch länger warten. Sicher kommt er bald."
Ansonsten weck ich Thoralf auf. Kopfschütteln Aber das schickt sich nicht. Ein Händler lebt von seinem Ruf. Was soll der Adeptus denken? Dass ich wegen einer Tür hier wie aufgescheucht herumgacker? Nein. Ein Händler lebt von seinem Ruf. Rufus, du schaffst das schon.
...

Ein Blick auf die Regale und die Arbeit, die noch auf ihn wartet. Zweihundert Werke, die katalogisiert werden wollen. "Nach Verfassung, Gattung und Umfang. Nicht zu vergessen die Preisliste für den Handel." In dieser Nacht schaffte Rufus schon ein ganzes Stück Arbeit. Immerhin musste er erstmal einen Überblick über die Werke kriegen, die ihn anfangs zu erschlagen schienen.
Da war der Grix und der Riesenwurm. Und der König Immergram. Reichlich konfuses Zeug über Magie. Erzählungen von alten Männern aus Endophal. "Ich muss ja wissen was ich katalogisiere" rechtfertigte Rufus sich bei seine Gefühl für seine penible Vorgehensweise.
Vermutlich wäre das alles garnicht so schlimm gewesen, wenn er nicht wüsste das oben ein "Mitarbeiter" schläft der auch mal ein Schwert über seinen Kopf schwingen kann und er mehr oder minder festsaß. Und dann diese Geschichten von Kreaturen, die eher wie an den Haaren herbeigezogen klangen. Und dann der zweite Akt von König Immergram. "Ein König in Lumpen, sehr einfalls reich... Sicher interessanter, wenn der König einen Schlüssel zu jeder Tür hätte.
Das nächste müde Seufzen.

Rufus merkte nicht, ob überhaupt noch Zeit verging. Viel mehr kam es ihm so vor, als würde er in dem Haus wohl noch etwas länger festsitzen. Und je länger er dort saß und anscheinend von endophalischen Riesensandwürmern las, die ihn kein Deut interessierten, kam es ihm so vor als würden sich die Vorhänge wie eine Wand um alles spannen, die Zeilen verfliegen und jeder Buchstabe mitsamt all den Büchern zusammenschrumpeln und sich in jede Menge langweilige Sandkörner endophalischen Wüstensands verwandeln. Und er saß auf diesem Haufen Sandkörner, die von den Vorhängen zusammengepfercht wurden wie es das Glas bei der Sanduhr tut. Rufus, der Herrscher über die stille Sanduhr. Über die Sanduhr, die sich niemals bewegt. Kein Geräusch und nur Bücher.

Klopfen an der Tür. Wieder die Frau. Sprechen mit der kalten eisernen Tür seiner Sanduhr.
Sie werde nach dem Adeptus suchen und ihm Bescheid geben. "Endlich."
Rufus musste einfach raus, auf den Markt, vielleicht auch in die Schenke. Er hatte ja nichts gegen Bücher, aber spätestens nach der ersten Seite einer wirschen "Magietheorie" war es ihm genug. Und dann, endlich, nach endlosen Minuten wieder ein Klopfen:

Fühlend, wie schon die Sanduhr zerbricht, lauscht er der Tür, die ihn bald ins Freie schicken wird. "Der Adeptus ist verhindert"

"Verhindert??"
"Verhindert???"

Erst dachte er er stirbt draußen, nachdem ihn einer dieser Kreaturen mitnimmt, die in den letzten Tagen Falkensee heimsuchten.Jetzt jedoch war er eher panisch und verzweifelt, glaubend er käme nie mehr da raus. "Immer mit der Ruhe. Du kannst das schaffen Rufus. Denk nur an die Dukaten, wenn du das hier durchstehst."
Oh... süße Dukaten... Er wusste garnicht mehr wie, aber letztlich hat er doch weitergearbeitet und die Ruhe bewahrt. "Ein Händler lebt schließlich von seinem Ruf"

Und so kam es, dass Rufus sich am Ende einer langen, durchzechten und etwas ungewöhnlichen Nacht doch noch ausruhte; Zwischen all den Pergamenten, Rollen und Notizen saß er unbequem an der Wand gelehnt. Die Vorhänge wurden sein Nachthimmel und die Blätter sein Sand. Und obgleich Rufus das wohl nie denken würde, hat er seit dieser Nacht wohl mehr mit einem Riesensandwurm gemeinsam, als ihm lieb sein könnte.

Schöne Träume.