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 Betreff des Beitrags: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
BeitragVerfasst: 21.06.08, 02:53 
Einsiedler
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*Haldur saß auf der Pritsche im Schlafwagen und stöberte versonnen in alten Briefen, aber auch Schriftstücken neueren Datums herum. Ein zusammengeschnürtes Bündel von solchen Briefen schien ihn in längst vergangene Zeiten entführen zu wollen. Und ohne große Gegenwehr ließ er es zu, indem er lächelnd begann zu lesen...*

Meine Teuerste,

es sind erst Stunden vergangen, seid ich in Euren Augen das sah, was ich gern
und mehr als mir das Schicksal schuldig wäre, meine Zukunft nennen möchte.
Ich vermag mir keinen göttlicheren Ort vorzustellen, als die mit Euch geteilte
Zweisamkeit. Ich möchte gar soweit gehen - und glaubt mir, nichts liegt mir
und meinem Herzen ferner, als die profane Übertreibung abgestandener Liebes=
lyrik - und sagen: es gibt seit den Wochen Eurer Bekanntschaft keine Heimat mehr
für mich, verlasst Ihr mein Leben durch eine eilig aufgestoß'ne Türe, einer eben
angespannten Kutsche oder mit den zarten, lieblichen Schritten, die nur Euch zu
eigenen sein scheinen. Von Zeit zu Zeit begebe ich mich dann in die Gesellschaft
neuer oder bereits tot geblaubter Bekanntschaften, um mich ein wenig vom Leid
Eurer Abwesenheit zu erholen. Doch die einst guten Freunde, den einen, ein blasser,
sarkastischer, rufen seine Freunde Wein, die andere, die stillere, doch nur auf den
ersten Eindruck schüchternere, nennt man Melancholie. Es verwundert mich nicht,
dass beide stets gemeinsam mich und meine Einsamkeit besuchen. Und will ich ihnen
Freundliches nachsagen, dann möchte ich glauben, sie wollen mir und meinen kummer=
vollen Stunden gut sein. Doch seid versichert, der Trostlosigkeit dieser Zeit kann auch
mein weißer Freund nicht die Stirne bieten, noch mag ein herzzerreißend Klagen, mich
mit mir und meiner fehlend Zweisamkeit vertragen. Denn dies vermag nur eine Macht,
der einzigen, der ich mein kleines Lichte unterstelle, der einzigen, vor der ich tief be=
wegt mein Haupte neige und alle Macht, die all das aus mir macht, sie wohnt in Euren
Augen, lebt in Eurem Haar, sie atmet Eure Stimme, die mir im Traume nah, sie ist es,
die meinen Geist, gar meinen Körper in Bewegung hält, Ihr seht, es ist nur gut um mich
bestellt, darf ich in Eurer Nähe weilen.

Auf ewig unterwegs, um zu Euch zu eilen

Haldur Toda


*Lächelnd ließ er den Brief sinken und schien in Gedanken in der Zeit zurückgereist zu sein...*


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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
BeitragVerfasst: 24.06.08, 00:28 
Einsiedler
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Als wäre es gestern gewesen erinnerte er sich an ihre letzten gemeinsamen Stunden und an das letzte Mal, da er ihr gegenüber saß...

"Seid Ihr Euch sicher?"
"Ja, das bin ich und nichts wird mich davon abbringen können."
"Sagt so etwas nicht, Ihr kennt ihn nicht, er wird nichts unversucht lassen, um Euch hinfortzujagen."
"Ja glaubt Ihr denn, diese meine Beine werden imstande sein, von Eurer Seite zu weichen?
Seht in mir nicht den unentschlossenen, kleinen Jungen, der Euch vor Jahren einst sein Herz
geschenkt und der es wieder und wieder tun würde, schlüge ein weiteres in seiner Brust, das er in Eure Hände legen könnte."
"Redet nicht so! Ihr wisst, schneller ist es wieder um mich geschehen, schneller als uns lieb sein kann."
"Verzeiht, doch selbst im Rosengarten rede ich auf die lieblichste Blüte ein, ist sie noch scheu geschlossen, auf dass sie ihre Pracht mir preis gebe."
"Haldur!"
"An Eurem Lächeln erkenne ich, was ich von dieser Art Empörung halten darf."
"Ich bin schon wieder ein Buch für Euch?"
"In dem ich ständig neues lese und welches ich nicht aus den Händen zu legen bereit bin."
"Ach wäre unsere Zukunft nur allzu gewiss wie unsere Herzen nah beinander..."

Lächelnd saß er noch - verschränkt die Beine - auf dem Bett, als er nach und nach zurück fand zur Gegenwart. Und mit ihr hielt die Traurigkeit über Verlorenes Einzug in die kleine Kammer, in der er in Momenten wie diesen zu ersticken drohte...

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Haldur schreit's raus: Aus dem Liebesleben eines Dichters...


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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
BeitragVerfasst: 27.06.08, 20:47 
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Und in der Tat hatte es nicht lange gedauert.

Der angekündigte Herr Papa ließ es sich nicht nehmen, eilig seine Grüße auszurichten, freilich überbracht von drei eilfertigen Dienstboten, die derart wichtige Kunde, weder aufgeschrieben noch mündlich überbringen und doch im Stande sind, klar zu machen welches Anliegen ihr Auftraggeber zu haben scheint.
Denn obwohl nur wenige Worte die Münder und Ohren der Anwesenden wechselten, blieb Haldur nur allzu schmerzlich bewusst, was der Graf sich für seine Tochter nicht wünscht.
Auf seine mehrmaligen Versuche sein Veto vorzubringen, brachten die Schergen immer bessere Gegenargumente zum Vorschein, und nicht wenige Teile seines Körpers sind seither nicht besonders gut auf ihn zu sprechen, wünschten sie sich doch, er hätte damals auf seinen Verstand gehört, der immer wieder nur die Worte 'Ausweglos' und 'Rückzug' stammeln konnte, anstatt seinem Herzen und mit ihm der Uneinsichtigkeit das Wort zu erteilen.

Haldur hingegen, ist bis heute noch immer der Meinung, er hätte deutlicher machen müssen, wie ernst es ihm mit der Tochter des Grafen war und wie sehr sie ihm nicht nur am Herzen lag sondern wie sehr sie schon Teil des selbigen geworden war.

...

So war sie dahin gegangen. Sie, der Grund sicht mit dem Rest der kommenden Jahre am Ende doch noch zu versöhnen. Was aber blieb war eine weitere Kerbe, die ihm das Schicksal in den Lauf der Zeit geschlagen hatte. Es war nicht die Art des Haldur Todas Verzicht an den Freuden des Diesseits zu üben, doch nach dieser Prüfung folgten bescheidene Dichterjahre.

Das war auf den Tag genau vor neun Jahren. Er öffnete die Augen und versuchte durch das dichte Geäst der Kastanie das Blau des Himmels zu erspähen. Mit der rechten wedelte er ein brummendes Insekt hinfort. Müde lächelnd zählte er die Jahre wie zur Sicherheit nach und konnte nur bestätigen, dass die Zeit nahezu alle Wunden heilen ließ. Er lachte leise und murmelte:"Die Zeit, Wundheilerin zu Todas Gnaden." Er lachte abermals wie jemand, der sich selber einen köstlichen Scherz erzählt hat, den doch sonst niemand verstehen würde.

Die dürftigen Nachrichten, die er von Zeit zu Zeit über einen alten Freund auf dem Festland bekam, hatten mehr oder weniger nur klar gestellt, dass sie ihr Glück auch ohne ihn gefunden hatte. Vor Jahren noch undenkbar, kam nun doch so etwas wie Freude darüber auf.

Da fiel sein Blick auf einen huschenden Schatten, der zwischen den bereits hinuntergefallenen Kastanien umher irrte. Er kniff die Augen zusammen und erkannte das bräunliche Fell einer flinken Feldmaus. Schon war der Anlass dieses traurigen Jahrestages fast vergessen. Die Maus war entweder eine besonders ignorante Vertreterin ihrer Gattung oder eine blinde. Sie blieb an Ort und stelle hocken und besah sich den Baum. Haldurs Atem ging ruhig, noch immer sah er gespannt, ja interessiert, zu, was die kleine Maus nun anstellen wollte. Nichts geschah, das einzige was sich bewegte waren die Blätter des Baumes. Bis eine herunterfallende Kastanie das Schauspiel beendete. Die Maus drehte sich und beschleunigte in atemberaubender Geschwindigkeit. Schmunzelnd sah Haldur ihr hinterher. Noch Minuten sah er in die Richtung ihrer Flucht. Dann ging alles sehr schnell. Haldur erhob sich und ging eilig in Richtung Stadt. "Daraus lässt sich sicher etwas machen", murmlte er vor sich hin. "Die Geschichte von der starrenden Maus", er schüttelte den Kopf. " Nein, das ist nicht gut. Die Maus, die mich nicht sah", wieder ein Kopfschütteln. "Die Maus, die mich liebte", ein Lachen, dann ein Kopfschütteln. "Eine Maus unter dem Kuckucksnest", wieder schien er unzufrieden. Brummend entschied er sich über den Titel der Geschichte später nachzudenken. Als er den Türgriff der Gaststätte in der Hand hielt fiel ihm ein Name ein. "Die Geschichte von der Maus und dem Baum".

Und so schrieb er sie auch nieder...

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Haldur schreit's raus: Aus dem Liebesleben eines Dichters...


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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
BeitragVerfasst: 30.06.08, 08:13 
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"Und wie soll ich dich nennen?"
"Mhhh", überlegte die Stimme,"nennt mich einfach eure innere Stimme."
Haldur musste lachen:"Meine innere Stimme seid ihr - soso." Mehr wusste er jedoch mit dieser Neuigkeit vorerst nicht anzufangen.
"Und was um Riens Willen macht ihr in meinem Kopf?"
"Ich sehe mich nach brauchbarem um. Ihr glaubt gar nicht wie interessant längst Vergessenes sein kann."
"In meinem Kopf soll es längst Vergessenes zu finden geben?"
Ein trockenes Auflachen der Stimme. "Gerade in eurem. Unmengen möchte ich sogar behaupten. Nein, versichern."
Der Dichter schaute skeptisch drein, erwiderte jedoch nichts.
"Ihr scheint mir keinen glauben schenken zu wollen."
"Nun, ich hege gewisse Zweifel, ob ihr der oder die rechte seid, die dies beurteilen kann."
"Wer könnte das eurer Meinung nach besser beurteilen als ich?", wollte die Stimme mit sarkastischem Unterton wissen.
"Ich selber natürlich."
"Hahaha.....entschuldigt mein impertinentes Lachen, aber ihr seid der letzte, der zu beruteilen vermag, was in euch vorgeht. Gerade jetzt im Moment"
"Was soll das nun wieder heißen", brummte Haldur verstimmt. "Erklärt euch gefälligst!"
"Verzeiht, aber ich kann nicht glauben, dass Ihr nicht wisst, warum wir _wieder_ miteinander reden."
"Wir reden nicht, wir streiten!"
"Nennt es wie ihr wollt, ich bin hier und ihr wisst was dies heißt."
Die innere Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass sie sich sicher war, warum dieses Gespräch stattfand.
"Ich will nichts mehr hören", erwiderte der Dichter bestimmt.
Stille.
"Also gut, ich weiß warum ihr hier seid. Doch ich möchte betonen, dass ihr dem ganzen zu viel Bedeutung beimesst", stellte Haldur klar.
"Tue ich das? Auch das glaube ich besser zu wissen. Erinnert Euch wie es damals war. Es hat nicht weniger harmlos angefangen. Auch damals ergab sich wie zufällig das ein oder andere Gespräch und schon war es wieder um den Dichter geschehen. Glaubt mir, mir macht ihr nichts vor. Ich würde sogar sagen, es ist deutlich schlimmer diesmal....
"...JETZT IST ES ABER GENUG!" Haldur schrie ungehalten vor die kahle Wand der Herberge.
Stille.

"Ich will doch nur zur Vorsicht mahnen", die innere Stimme schien ein wenig kleinlaut geworden.
"Ich will keinen Ton mehr von Euch hören." Toda erlsoch das trübe Licht der Kandelaber und legte sich zur Ruhe.

Sehr leise - der Dichter war bereits eingeschlafen - spukte es noch einmal durch seinen Kopf: "Wir werden uns wiedersprechen."

...

*Und als ihm scheinbar kein Ausweg mehr zu bleiben schien, begann er zu schreiben. Mit Herzblut reihte sich Zeile an Zeile, Absatz an Absatz.*


Madame,

verzeihen Sie mir, doch wie könnte ich verhindern, dass meine Hand zur Feder greift
und ich mit fiebrigem Glanz in den Augen nach einem unbeschriebenen Blatt Ausschau
halte? Ich will nicht länger verschweigen: Sie nicht mir gegenübersitzend zu wissen,
muß einen so sensiblen Menschen wie mich um den Verstand bringen, doch ebenso ver=
ließe Selbiger mich, säßet Ihr vor mir und strahltet heller als die Sonne in meine Augen,
die geblendet von Eurer Schönheit, dennoch nicht den Blick von Euch lassen können. Die
Sonne selbst scheint dann vor mir gelandet und der Mond muß ihre Schicht mit übernehmen,
so sieht er leicht verärgert, doch mit vollstem Verständnis, auf uns herab. Wie jedoch
könnte ich Euch für mich gewinnen - verzeiht -doch wer möchte nicht nach den Sternen
greifen, um dann plötzlich die Sonne in Armen halten zu können?
Die Angst, Ihr könntet Euch gänzlich von mir abwenden, möchte mich umbringen, doch
ist nicht genau diese das Salz in der Suppe? Ist nicht die Ungewißheit das schönste Ge=
schenk, daß die Zeit uns machen kann, freilich nur, um sich schüchtern zu entschuldigen
und unseren Wünschen nachzugeben? Wie Erdbeben möchten meine Gefühle Reißaus nehmen,
wie Wirbelstürme zu Euch eilen und in Eure Worte tauchen, die wie Lava glühen vor Wärme
und Macht, Neues zu erschaffen und Altes ungeschehen zu machen. Doch wie so oft bleibt
mir nur Euch meine Träume zu widmen, um mich täglich daran zu erinnern, Ihr könntet eines
Tages mein werden. Und leset Ihr diese Zeilen bevor ich Euch alles gestehen konnte, so muß
ich Euch bitten, nicht durch Leichtdahergesagtes, mir die Möglichkeit zu nehmen, eben diese
Träume wahr werden zu lassen. Oft möchte ich mich strafen, muß doch jedes Eurer Gefühle
sich davon machen, sieht es wie an Anzahl die meinen überlegen sind, ich sehe mich oft mit der
Tür in Euer Haus einfallen und vor lauter Schwung direkt zur Hintertür entschwinden.
Doch genau wie die Liebe blind macht, scheint sie auch schnell zu machen und wer anders als
Ihr könntet sie bremsen? Sei es durch ein bestimmtes Wort der Ablehnung oder ein sanftes
Lächeln, welches um Eure Lippen schleicht, die mir flüsternd Euer Einverständnis erklären.
Und wie Ihr leicht ersehen könnt, will mein Verstand mich wieder mit auf die Reise zu entle=
genen Plätzen nehmen, dort wo die Sonne eine Zwillingsschwester hat, die für Sie einspringt,
lebt Ihr erst einmal an meiner Seite. Doch soll das heißen, daß nie wieder die Sonne den Tag
einläutet und der Mond für ewig Überstunden schieben muß, werde ich mein Möglichstes ver=
suchen Euch glücklich zu machen und für Euch ein Leben lang zu strahlen, damit der Mond nicht
immer auf uns verärgert herab sehen muß, um sein karges bißchen Helligkeit über uns zu verschütten.

Scheu ob soviel Offenheit verbleibt nun endlich in sich ruhend


Haldur Toda

*schwungvoll unterzeichnet*


*Als er geendet hatte, starrte er - noch immer die weiße Feder in der Hand - ungläubig auf das beschriebene Blatt. Wem wollte er eine solche Nachricht anvertrauen? Wo waren die Götterboten, wenn man sie wirklich brauchte...*

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Haldur schreit's raus: Aus dem Liebesleben eines Dichters...


Zuletzt geändert von Haldur Toda: 7.07.08, 00:40, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
BeitragVerfasst: 3.07.08, 01:32 
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Auf dem Fußboden sitzend, kratzte Haldur mit seiner Feder auf den Seiten eines kleinen Buches herum. Nachdenklich hatten ihn die letzten Tage gemacht. Vertraute Bekannte, ja ihm freundschaftlich Verbundene hatten sich als größere Enttäuschung erwiesen, als der unangenehmste seiner Feinde. So war es immer und so wird es wieder kommen, rief ihm die abgeklärte Stimmung zu, die seit einiger Zeit die Oberhand gewonnen hatte. Naivität und der Glaube an das Gute, mussten sich nun eingestehen, dass sie - wenn nicht den Krieg - so doch aber die Schlacht verloren hatten. Haldur schnaubte. "Was bilden die sich ein!" Kurz schmunzelte er, war es doch das erste Mal, dass er seine Stimme in den eigenen Wänden erhob. Kein Herbergsvater, der unwirsch gegen die Tür klopft und nach Ruhe verlangte.
Er schüttelte verärgert den Kopf und konzentrierte sich wieder auf den zu schreibenen Text.

Als er geendet hatte, stand nun in diesem kleinen Buch folgendes zu lesen:

Den Kleingeistigen das Himmelreich

Nich auszudenken sitze ihnen ein Wind quer
Oder gar eine Laus lief über die Leber
Ist ihnen der Alltag fad und schwer
Schuld daran ist neben den Göttern einjeder.

Es scheinen die Quirligen, gut in der Drehung
Oder sind es die Freundlichen und die Übergerechten
Nein, es müssen die sein ohne Vergebung
Die noch das letzte bischen Anstand knechten.

Mir sind es aber die Falschen und schäbig
Die sich auf ein Wort verbiegen und geloben
Solang wir nach Ihrem Gusto sind und im Kopf behäbig
Sonst schreien sie Zeter und Mordio und beginnen zu toben.


Die Tinte war getrocknet und mit zufriedenem Nicken schlug er das Buch zu...
...und da erinnerte er sich an die Worte seiner verstorbenen Tante, die sie ihm so oft mit erhobenem Zeigefinger gepredigt hatte, wenn er als Junge wieder mal allzu schnell mit einer Anschuldigung bei der Hand war:

"Der, der frei von Schuld ist, möge den ersten Stein werfen..!"

...

Tage später, wieder war er ihr begegnet. Und wieder hatter er sich selbst enttäuscht. Da saß er nun. Gleich einem Häufchen Dichter-Elend. Wer mochte jetzt noch sagen können, was da eben geschehen, was noch eben gesagt. Ein Königreich für die rechten Worte, wenn sie von Nöten. Oh ihr Götter im Himmel, was war in ihn gefahren. Ein Kopfschütteln, ein Stirnrunzeln, eine hilflose Geste.

Leise murmelnd begann er mit dem Grafen zu sprechen. Jener, dem er vor Jahren einen Brief geschrieben und von dem er gedacht hatte, er hätte ihn mit seiner Antwort errettet. Es waren wieder graflose Zeiten geworden, schien ihm. Ob er ihm erneut schreiben sollte. Ein Kopfschütteln....

Was sollte das für einen Zweck haben. Es würde nicht wieder funktionieren, der Graf wartete nicht darauf, dass er, der weidwunde Dichter, der am Herzen Verletzte, zum Schreibpult kriechen möge, um sein karges bisschen Traurigkeit auf ein Pergament zu entlassen.

Da musste der andere gute Freund her, der dort drüben auf dem Tisch stand, auf dem Halse einen Korken. Haldurs Grinsen wurde sogleich erwidert und nachdem sie aufeinander zugegangen, teilten sie Ihr Leid und tranken lautstark auf ihre Freundschaft.

Als sein Freund reißaus genommen hatte, begann er lallend zum Grafen zu sprechen...
...so, wie er es vor langer langer Zeit getan hatte:


Ein Schreiben an den Graf von Nirgendwo

was ich wirklich brauche, Herr,
ist ein Ort für mein Herz,
gebt mir ein Stück Land, wo ich
dieses karge Feld in einen Garten
verwandeln darf.
Schenkt mir einige Eurer
Sonnenstrahlen, die sich in mir
verlieren, wenn ich den Morgen
erwachen sehe, wenn ein Lachen
den Tag gewinnt, eine Geste
die Welt erobert.
Zeigt mir Eure Großzügigkeit,
Eure Milde, indem ich sein darf
wie ich bin, dort wo ich sein mag.



Dann schlief er den flüchtigen Schlaf des Enttäuschten...

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Haldur schreit's raus: Aus dem Liebesleben eines Dichters...


Zuletzt geändert von Haldur Toda: 7.07.08, 00:41, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
BeitragVerfasst: 7.07.08, 00:35 
Einsiedler
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Beiträge: 49
"Welch verrückte Welt!"
[ruft Haldur aus, die Beine auf dem Tisch, die Flasche in der Hand und ein wirres Lächeln im Gesicht]

"Mein Freund"
[dabei wendet er sich der Flasche zu]

"was würdest Du von einer reizenden, wohlgeformten Flasche halten, die sich nur für.."
[wieder muss er lachen]

"Irgendwann hinkt jeder Vergleich, nicht wahr?"
[Er führt den Flaschenhals zum Mund und nimmt noch einen kräftigen Schluck]

"Weißt Du was ich glaube? Nein! Weißt Du nicht! Aber ich werde es Dir verraten, mein Freund"
[er stutzt]

" mein halbleerer Freund."
[Abermals führt er den neugewonnen Kumpanen zum Mund]

"Wo war ich? Ach ja, ich werde Dir sagen, was Du nicht wissen kannst. Manches Mal denke ich und in letzter Zeit denke ich es öfter, ich denke manches Mal, dass diese ganze Schreiberei aus mir einen sehr unglücklichen Menschen gemacht hat."
[Haldur stößt auf und verzieht das Gesicht]

"Entschuldige! Wäre ich doch Schreiner geworden, wie Onkel Tordur. Oder Koch wie sein nichtsnutziger Sohn. Stattdessen schreibe ich mir die Seele aus dem Leib und rede mit einer Weinflasche. Fällt Dir auf was daran nicht stimmen mag?"
[Der Dichter nickt zufrieden und nimmt noch einen Schluck aus der verwirrt wirkenden Flasche]

"Du siehst, was nützt mir mein Geschick, wenn ich hier drinnen Kummer brauche, um es zu Nutze mir zu machen."
[Dabei schlägt er sich mit der flachen Rechten auf die linke Brust. Schwankend steht er auf und geht einige Schritte im Raum auf und ab]

"Doch was das beste ist: da stehe ich nun Tag für Tag vor ihrem Haus und nichts tut sich mehr, außer dass mir die Hand wund vom Klopfen wurde."
[Er ballt die Faust und hebt sie gen Zimmerdecke]

"Toda, der Dichter ohne Hand, die er sich am Tore der Einen abgeschlagen!"
[Theatralisch hebt er den Kopf und verweilt einen Moment in dieser Pose]

"Doch es kommt noch besser, sage ich dir, noch viel besser. Du wirst es nicht glauben."
[Wieder ein wirres Lachen auf seinen Zügen]

"Als ich plötzlich Licht am Ende des dunklen Tales sehe, sie, die eines Tages mir im Wolf begegnen sollte, die mir fähig schien den Frühling einzuleuten. Diese, so riet man mir, sollte ich besser meiden, wären doch die Herren,"
[ein lautes Auflachen, unterbrochen von einem erneuten Schluck aus der Flasche]

"nicht von Interesse für sie."
[Abermals ein belustigtes, bitteres Lachen des Dichters]

"Sollte ich beizeiten in die Not kommen, ein Schauspiel zu schreiben, ich würde mir die Hauptrolle damit auf den Leib schreiben."
[Kurz darüber nachgedacht, scheint ihm der Gedanken zu gefallen]

"Was rede ich da? Verstehe mir einer das Leben. Ach Leben, erzähl' mir nichts vom Leben!"
[Schlurfend geht er zum Stuhl und lässt sich darauf fallen. Die Flasche stellt er auf den Tisch und sieht sie sich abwartend an]

"Du bist nicht gerade das, was man eine große Hilfe nennt. Du sprichst nicht viel, nicht wahr?"
[Da nimmt er sie und leert sie in einem Zug. Dann geht er an den Schreibtisch und beginnt einen Brief]

...

Mein bester Freund,

zweimal sah ich den bleichen Freund bereits wieder voll am Himmel stehen, seit ich
das Schiff betrat und Du mir alles Gute für die Reise wünschtest. Nun, ich will es
nicht schlimmer machen als es war: ich habe entgegen allen Erwartungen auch dieses
Mal wieder die Überfahrt überstanden. Gleichwohl brauchte mein Magen viel Gutes
Zureden, damit er bereit war sich diesem Urteil anzuschließen.
Viel ist geschehen, mein Bester und doch mag ich Dich nicht mit Nebensächlichkeiten
langweilen. Du erinnerst Dich an jene Eine, die ich Dir mehrfach in allen Farben
Mutter Naturs ausmalte. Die ich mehrmals besang als unser'n weißen Freund von dem
wir vor nich allzu langer Zeit noch die ein oder andere Flasche leerten? Die Zeit des
Wartens auf ein Wiedersehen scheint nun vergangen und ebenso, Du hältst den Be=
weis soeben in den Händen, das Warten auf die Rückkehr meiner lyrischen Schaf=
fenskraft.
Doch will ich - entgegen der mir eigenen Gewohnheit - der Reihe nach berichten. Es
tat die Tür sich auf und dort stand sie, als wäre sie nie fort gewesen. Und dennoch,
ich komme nicht umhin sie mir meilenweit entfernt nicht mehr aus dem Kopfe schlagen
zu können. Ich weiß, wir sprachen darüber und wenn mich das was sich, meinen be=
scheidenen Mitteln entsprechend, mein Gedächtnis schimpft nicht wieder zum Narren
hält, dann erinnere ich mich, Dir erging es bei der Deinen Einen nicht anders. Es ist
als stünde sie im Geiste vor mir und doch erinnere ich mich nur an die Gischt einer
Welle, welche wie Zufall ihre Form angenommen haben mochte. So streune ich des
Tages wie ein Schaf und des Nächtens einsam wie ein Wolf durch die Straßen und
ende nicht selten in den Gasthäusern dieser neuen Heimat. Doch - und sieh meinen er=
hobenen Finger - ich lasse nicht nur diesen von unserem Freund, er hat mir nicht selten
die Seele unangreifbar, doch stets den Kummer greifbarer gemacht. Ich weiß Du lachst
nun über Deinen alten Freund und sei Dir sicher, wie gerne würde ich einstimmen in
ein freundschafltiches Gelächter, sei gar ich der Narr über den so herlich Spaß ge=
trieben wird.

Ich will ein Ende einleiten, doch kann ich Dich nicht in Dein Tun & Treiben entlassen,
ohne Dir folgende Zeilen zuzutragen:

Der Vogel Glück

Flieg nicht fort,
kleiner Vogel Glück,
bleib hier - bleib hier,
komm gar zurück,
lass micht nicht steh'n
lass mich nicht einsam
hier mit mir verlorengeh'n
ich bin nicht recht,
bin ich allein mit mir,
nimm mich zu Dir,
die kahlen Wände,
sie fangen mich,
sie sprachen laut
von meinem Ende.

Kleiner Vogel Glück
sei so gut,
komm her, zurück
und lass dein Lied
nicht schon verklingen
sei bitte der,
der mir verriet,
ob ihr Herz will
wie meines springen,
hört sie dich laut
von Liebe singen.


Unterstehe Dich im Übrigen, mein Bester, sie zu Geld machen zu wollen. Sie sind allein
für Deine Augen bestimmt und im besten aller Fälle für ihre Ohren.

Es endet in vermisster Freundschaft

Dein Freund Haldur,
König der Narren und so manches König Narr...

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Haldur schreit's raus: Aus dem Liebesleben eines Dichters...


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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
BeitragVerfasst: 14.07.08, 23:18 
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Beiträge: 49
Mein lieber Haldur,

es freut mich klaren Blickes über Deine Zeilen zu fliegen. Doch was muss ich lesen? Du weißt,
ich mache mir mehr Sorgen um Dich als Dir lieb ist, dennoch bin ich versucht zu glauben,
dass es Dir an sorgenvoller Obacht mangelt. Ich überlege allen Ernstes auch meiner Angst zu
trotzen und meine stämmigen Beine auf die gebohnerten Planken eines Zweimasters zu stellen,
um Dir einen Besuch abzustatten. Gib mir jedoch noch etwas Zeit bis Du darauf bestehen
magst, es braucht einigen Anlauf für ein solch heldenhaftes Unterfangen.

Was kann ich Dir aus Deiner Heimat berichten? Nichts, was Dein wacher Geist sich nicht selbst
in einer Geschichte erzählen kann. Udor ist verletzt. Er hat es wieder übertrieben und setzte einem
Reisenden die Hörner auf. Ich sage ihm ständig, dass nicht jeder, der auf der Durchreise ist, ein
Taugenichts und Feigling ist. Ich bin nicht sicher, doch ich denke, für einige Zeit wird er seine Lek=
tion gelernt haben. Er humpelt jetzt und alle sind sich einig, es dauert nun noch länger, bis wir bei
ihm unser Essen bekommen. Erinnerst Du Dich an die Dame Lafayette? Sie fragte nach Dir und schien
sehr enttäuscht, als ich Ihr gestand, dass Du Dich wohl endgültig für Deine neue Heimat entschieden
hast. Wenn Du mich fragst war es ein Fehler, Ihre Annäherungen ungeachtet zu lassen. Sie ist eine
äußerst kultivierte Frau und Du weißt, ich vermute einige der Münzen in Deiner Tasche sind noch
von Ihr, wie sehr sie Deine Werke schätzt. Ich will keinen Hehl daraus machen, dass mich Dein
Entschluss ebenfalls getroffen hat. Stets hegte ich insgeheim die Hoffnung, Du mögest eines Tages
wieder vor mir stehen und mit mir auf dieser Terasse alt werden. So muss ich alleine hier
sitzen und mit verkrampfter Hand quälend lange Briefe schreiben.

Doch zum Geschäft: Ich habe wie Du mir aufgetragen hast, einige Deiner letzten Bücher in der
näheren Umgebung angeboten. Auch wenn es zunehmend schwerer wird für die Lyrik zu be=
geistern, haben sich die Exemplare wieder verkaufen lassen. Bitte sende mir mit Deiner kommenden
Nachricht neue Abschriften. Besonders die 'Briefe an die Herzdamen' haben es allen angetan. Sind
auch das die Offenbarungen an die Eine?

Lass von Dir hören, alter Freund.

T.

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Haldur schreit's raus: Aus dem Liebesleben eines Dichters...


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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
BeitragVerfasst: 17.07.08, 23:53 
Einsiedler
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Registriert: 2.08.04, 21:46
Beiträge: 49
Verehrter Herr Toda,

ich weiß, Ihr seid ein viel beschäftigter Mann und bitte glaubt mir, ich habe
es mir nicht leicht mit der Entscheidung gemacht Euch diese Zeilen zu schrei=
ben. Gleichwohl aber haltet Ihr diese nun in Händen und es soll nun gleich=
gültig sein warum das so ist.


*amüsiert und wie es schien freudig überrascht hoben sich Haldurs Mundwinkel und allein die Tatsache, dass er nicht gleich zu beginn sein ganzes Pulver verschießen wollte, hielten ihn von einem wirklichen Lächeln ab.*

Unser gemeinsamer Bekannte offenbarte mir vor einigen Wochen Eure Ent=
schluss in der Fremde zu bleiben. Verzeiht mir, dass ich keine freundlicheren
Worte für Eure neue Heimat finden kann, doch für eine einfache Frau wie mich
ist es schwer vorstellbar an Bord eines Schiffes zu gehen und Heim und Hof
zu verlassen.
Ich muss Euch gestehen, dass ich nicht einmal damit rechnen kann, dieser
Brief möge überhaupt von irgendwem gelesen werden, noch diese Person
könntet Ihr am Ende sein. Verzweifelt versuche ich - da ich diese Zeilen schrei=
be - mich dagegen zu wehren denken zu müssen, Ihr seid nur der Traum, die vage
Erinnerung eines Adressaten und darüber hinaus nie wirklich gewesen.
Entschuldigt, was müsst Ihr von mir halten?! Glaubt mir bitte, ich bin nur
halb so verzweifelt wie sich dies vermutlich lesen lässt. Vielleicht könnt Ihr mir
eine Frage beantworten: hilft mir der Gedanke Euch mit diesem Brief nicht zu
erreichen, mich so vertrauensvoll an Euch zu wenden?


*Haldur las die letzten Sätze erneut und hob verwundert die Brauen. was für eine Perle der eloquenten Konversation fand hier ihren Weg aus der harten Schale? So hatte er sie nicht in Erinnerung gehabt. Wenn er sich nur etwas besser entsinnen konnte wie sie aussah...*

Ich will Euch gestehen, Herr Dichter: Mir ist es gleich! Sollt Ihr über mich den=
ken was Ihr wollt. Sollt Ihr diese Zeilen lesen und Euch ruhig über mich lustig
machen.
Fragt mich bitte auch nicht nach dem eigentlichen Grund dieses Briefes. Ich hege
diesbezüglich einige Theorien, ich möchte jedoch nur eine davon preisgeben. Ich las
viele Eurer Werke. Herr Sinistrus wird es Euch sicher erzählt haben. Und ich hätte
Euch sicher schon zeitiger geschrieben welch glühende Verehrerin Ihr in mir ge=
wonnen habt, doch hegte ich bisher die Hoffnung, ich würde Euch dies eines Ta=
ges persönlich anvertrauen können. Nach Eurer - wie mir berichtet wurde - nun aber
endgültigen Fortreise, will ich es jedoch auf diesem Wege wahr machen. Vor
einigen Wochen erreichten mich Eure "Briefe an die Herzdamen". Nur widerwillig
lässt sich meine Begeisterung in die viel zu starre Form meines bescheidenen
Vokabulars bannen. Mir fehlen schlicht die Worte und das größte aller möglichen
Komplimente, welches ich Euch machen kann ist wohl, dass ich mir als Dame nur
einen einzigen dieser Briefe gewünscht hätte...

Herr Toda, wäre es allzu vermessen und unverschämt auf Antwort von Euch zu
hoffen?

Es verbleibt lesend und verehrend

Madame Lafayette

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Haldur schreit's raus: Aus dem Liebesleben eines Dichters...


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BeitragVerfasst: 31.12.09, 03:37 
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Sei mir gegrüßt Haldur,

ich weiß nicht wie sehr Dich dieses Lebenszeichen von mir schockieren wird,
doch glaube mir, ich hätte geschwiegen, wenn es nicht wirklich wichtig sei.

Vielleicht sollte ich Dich - bevor ich Dir mein Anliegen antrage - daran erinnern,
das ich stets eine ehrbare und rechtschaffende Frau war. Zu jener Zeit, da wir
uns liebten und noch immer bin, jetzt da sich unsere Wege schon so lange
Jahre nicht mehr gekreutzt haben.


*Haldurs Blick wanderte an das Ende des Briefes und mit gleichsam stirnrunzelndem als auch überraschtem Ausdruck erkannte er, wer ihm da geschrieben hatte. Ein Lächeln, geboren in der Erinnerung, machte sich auf seine Mundwinkel zu erobern.*

Ich will Dich nicht länger raten lassen, weshalb ich Dir Nachricht sende: Du
bist der Vater meines Sohnes.


*Ich will Dich nicht länger raten lassen, weshalb ich Dir Nachricht sende: Du bist der Vater meines Sohnes...Du bist der Vater meines Sohnes...Du bist der Vater meines Sohnes...der Vater meines Sohnes...Vater meines Sohnes... wieder und wieder las Haldur was er doch nicht verstehen konnte.*

Erdur ist heute, da ich diesen Brief schreibe, auf den Tag vor neun Jahren ge-
boren worden. *Haldurs Blick suchte das Datum des Briefes.*
Er ist von kräftigem Wuchs für sein Alter und er ist wissenshungrig und auf-
merksam wie sein Vater.

*Da tropften dann die ersten Tränen auf das Blatt. Die Zeilen verschwammen und es dauerte einen Moment, bis er weiterlesen konnte.*

Er hat vermutlich mein dunkles Haar und ein jeder, der uns des Weges gehen
sieht schwört, er habe meine Augen und meine Nase. Du weißt wie die Leute
sind.


Haldur, Du kennst mich als stolze und aufrechte Person, doch der eigentliche
Grund, warum ich Die diese Zeilen schreibe ist, dass es uns sehr schlecht geht.
Eret, mein Mann, hat vor kurzer Zeit seine Anstellung als Fleischer verloren. Die
Dinge stehen schlecht hier und das wenige was ich verdiene reicht kaum, um uns
am Leben zu halten. Ich bitte daher inständig, Du mögest uns etwas Gold schicken,
auf dass Dein Sohn gesund groß werden kann.

Bitte versuche nicht herzukommen. Erdur weiß nicht davon, dass der Mann in
diesem Haus nicht sein Vater ist. Sei also so gut und verzichte auf ein Erscheinen.
Ich verspreche Dir im Gegenzug, dass er die Wahrheit seiner Herkunft erfährt, wenn
er alt genug dafür ist. 2000 Goldstücke werden uns aus der größten Not helfen. Ich
weiß freilich nicht, ob Du uns soviel geben kannst, glaube aber, dass aus Dir ein
gemachter Mann geworden ist.


In größter Hoffnung

Eleonore


*Das Papier hatte noch nicht ganz den Boden berührt, da saß Haldur bereits unter dem Baum an seinem Haus und öffnete die erste Flasche Wein...angeschlagen und wackeligen Schrittes durchquerte der Dichter den Raum, nahm an seinem Schreibtisch Platz, öffnete das kleine Tintenfass, faltete das Tuch auseinander und holte die weiße Feder hervor, taucht sie in die dunkle Tinte und beginnt zu schreiben*

Stets ist es Ruh

so seht mich an:
noch immer unbeweibt,
unsteter Geist,
der umsichschlagend
durch sein Leben treibt
und furchtsam
neues Land bereist.

so seht mich an:
kindlos, einsam gleich dem Troll
ein König ohne Hof und Staat,
der Ruhe müd, der Stille leid,
ich erinner liebevoll
manches Mal verstreut die Saat,
war's letzlich nur ein Zeitvertreib.

nun erwach ich jäh:
wer wird mir sein und bleiben,
wird sitzen zu Gericht,
soll mir als Strafe gelten,
die Geister die mich täglich treiben,
ich frag die Zeit, ob sie mir bös
um all der Zeit die so verstrich.


*so geendet legte er sich zu Bett und wusste, er würde mit schmerzendem Haupt erwachen*

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BeitragVerfasst: 22.09.10, 00:07 
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*Er saß in einer Taverne und wäre dies eine beliebige gewesen, so hätte er sie als eine von den vielen empfunden, die er in seinem Leben besucht und als Schreibstätte missbraucht hatte. Aber es verhielt sich anders. Dies war ein Ort, den er nach den ersten zwei Schritten, da er die Türschwelle hinter sich gelassen, in sein Herz geschlossen hatte. Da ließ er freilich nicht mehr jeden rein, geschweigen denn Jede.

Der Eindruck einer solchen Jeden war noch nicht ganz verraucht, schon hatte er sich hierher in Sicherheit gebracht. Die Türen der Schenke zwar offen, einer glücklichen Fügung gleichkommend, jedoch nicht mehr bewirtet, konnte er sich nicht um Sinn - und in seinem speziellen Fall - Unsinn trinken, was einer Betäubung gleichkommen konnte. Auch das hatte er noch auf der viel zu langen Schiffsreise enttäuscht festgestellt, als er vergebens versucht hatte, mit den Seeläuten und deren unverschämt durstigen Kehlen mitzuhalten. Er wusste nicht mehr bei welchem Längengrad - oder waren es am Ende doch die Breitengrade, die ihn verhöhnt hatten - die Lichter ausgegangen waren. Als er jedoch am nächsten Mittag mit klammer Kleidung unter Deck wach geworden war, versicherte man ihm glaubhaft (so glaubhaft ein roher Haufen Matrosen denn sein konnte), dass man wegen ihm den legendären Ausruf über das Deck hatte schallen lassen: " Mann über Bord!". Von der Schmach und dem ihn nun fortan begleitenden Tuscheln und Feixen abgesehen, war nicht herumzukommen um die traurige Wahrheit, dass er älter geworden war. Die erschreckende Erkenntnis war, dass er sich von nun an so alt fühlen würde, wie er war. Über die letzten Jahre hatte er es erfolgreich geschafft, sich selber - auch nach eingehender innerer wie äußerer Prüfung - für deutlich jünger zu halten. Die dreisten, grinsenden Seemanssfratzen, die ihn bis in den wohlverdienten Schlaf verfolgten, raubten ihm von nun an die Kraft diesen Zauber aufrechtzuerhalten.

Stirnrunzelnd starrte er auf die kleine Bühne in der Mitte des Schankraumes und fragte sich, wo der Faden sich wieder diebesgleich davongeschlichen hatte. Ah...ein Erinnern. In Gold nicht aufzuwiegen in diese Zeiten.

Vor wenigen Augenblicken noch, hatte er dieser überaus reizenden Person gegenüber gesessen. Ein Jammer, war er doch offensichtlich wieder um einige Jahre zu spät gekommen. Wie trostlos der Gedanke, dass mit der eigenen Kunst kein Blumentopf zu gewinnen war, war man nicht zur rechten Zeit am rechten Ort.*

Die Feder nahm Reißaus und zauberte für ihn in sein schmales Notizheft jene Zeilen, welche auch von vergangener und sträflich vertaner Zeit zu erzählen wussten:

Die Fichte

Der Reiz dieser Geschichte
begann vor Jahren
unter dieser Fichte.
Es war die Zeit der Zaren
der Standgerichte
der Barbaren.
Es war die Zeit der Hoffnungen
der Gefahren
der Gedichte
und die ihrer Augen.
Ein kleiner Fleck Wiese sollte Zeuge sein
unter einem Baum bei einem Brunnen
ihr Lächeln lud mich zu Ihr ein
unter einem Himmel habe ich das Lied des Glücks gesungen.
Es war die Zeit der Wärme
der leeren Flaschen Wein
aber auch die der Wunden
offen weit lauwarmes Gedärm.
Tote Soldaten
fürchterlicher Lärm.
Ein Schuss Ironie
in ihren Gesichtern
stumpfer Glanz in den Augen
schuld die Idiotie
von selbsternannten Richtern
Henker ihrer Zunft
die nur zum Totmachen taugen.
Es ist heute nicht mehr als diese Zeilen
nicht mehr als ein Gedanke
der sich traut kurz bei der Vergangenheit zu verweilen.
Es ist der Törichte in mir
der vermeindlich Kranke
der nur gesunden kann
ist er bei ihr.
Es ist noch immer dieser Tag
der noch immer lebt unter dieser Fichte
der sich fragt
wann die Geschichte
die so kläglich hat versagt
nicht endlich hat ein Ende.
Und wie sie ihm damals
die Tränen aus den Augen wischte
sich auf den weiten Weg machte
weit weit weg
von dieser Fichte.

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 Betreff des Beitrags: Re: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
BeitragVerfasst: 28.09.10, 19:34 
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Ja, sprich nicht weiter, wir hörten lange nichts voneinander. Und wenn ich eine Ausrede suchen
müsste, würde ich es mit der fehlenden Zeit und Ruhe versuchen. Indes ist die Wahrheit, dass ich
Eitel geworden war und mir einbildete, es schicke sich nicht, Deine Hilfe noch in Anspruch nehmen
zu müssen. Doch als Du mir, alter Freund, vor einigen Wochen wieder in die Hände gefallen bist,
erinnerte ich mich der zahllosen Stunden, die wir miteinander verbrachten. Die Ratschläge, die
Du - entsprechend Deiner Art - mir geduldig zuhörend und mit konsequentem Schweigen gegeben
hast. All die Jahre. Wir haben wahrlich schwere Zeiten durchgemacht. Erinnerst Du Dich? Damals
als mir jenes Mädchen nicht aus dem Kopfe ging und ich mit Dir einen Plan ausheckte, wie wir es
wohl anstellen könnten, dass sie meiner gewahr wird. Und Dein Rat, es mit der Wahrheit zu pro=
bieren und ihr zu sagen, sie habe die schönsten Augen, die ich je gesehen...Du weiß, was geschah,
nicht wahr? Ich erinnere mich, dass ich es Dir erzählt habe. Seite um Seite. Die Zeilen, die ich ihr
schrieb, auf Grund Deines Vorschlages:

Als ich in Deine Augen sah,
Da wurd mir eines gleich gewahr,
Obwohl am Hause gleich ein See,
Entlang ich einen Weg stets geh,
Steine lies ich darauf tanzen
Auf dem Rücken, meinen Ranzen,
Gänse darauf landen sehn,
Hab ich noch nie in einen See gesehn,
dessen Blau war so entzückend,
dessen Blick auf mich so sehr beglückend.

Natürlich hat sie mich belacht, Weißt Du es noch? Oh je, ich habe mich und mein Schicksal nächtelang
verflucht. Bei den Vieren, wie sehr habe ich gelitten. Nie werde ich Lachen und das ihrer Freundinnen
vergessen. Nie wieder wollte ich mein Herz so sehr der Peinlichkeit, der Scham und dem Schmerze preis=
geben. Nie wieder. So hatte ich es niedergeschrieben. Weißt Du noch? Heute, da Du mir wieder in die
Hände gefallen bist und ich diese und andere Geschichten meiner Jugend abermals erlebe, nimmt es mir
das ein oder andere Leid von der Seele, dem ich in den vergangen Jahren begegnete. Wie einfach die
Sorgen zu jener Zeit gewesen und doch, wenn ich es recht betrachten mag, sind sie nicht die wahren
Nöte, die den Blick für die Momente im Leben eines Mannes schärfen, der im Herze nie mehr geworden
ist, als ein Junge, der sein Herz auf der Zunge trägt und seine Einfältigkeit nicht abzulegen wünscht. Ja,
ich weiß was Du sagen willst, früher habe ich nicht so geschwollen daher geschrieben, aber früher war
ich noch nicht verdorben mit all den Worten und Wörtern, die ich in der Zwischenzeit da draußen gefunden.
Du wirst etwas dazu lernen müssen, wenn Du mir in der nächsten Zeit wieder etwas Gesellschaft leisten
möchtest. Wenn ich der Wahrheit indes die Ehre geben möchte, gestehe ich, dass ich Dir keine Wahl lassen
werde. So wie früher, erinnerst Du Dich? So wie früher...


*Daraufhin schloss er das kleine Buch, welches an den Ecken voller Eselsohren, dessen Rücken nicht mehr einwandfrei und dessen Seiten vergilbt waren und strich verträumt über den alt gewordenen Einband*


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