"Welch verrückte Welt!" [ruft Haldur aus, die Beine auf dem Tisch, die Flasche in der Hand und ein wirres Lächeln im Gesicht]
"Mein Freund" [dabei wendet er sich der Flasche zu]
"was würdest Du von einer reizenden, wohlgeformten Flasche halten, die sich nur für.." [wieder muss er lachen]
"Irgendwann hinkt jeder Vergleich, nicht wahr?" [Er führt den Flaschenhals zum Mund und nimmt noch einen kräftigen Schluck]
"Weißt Du was ich glaube? Nein! Weißt Du nicht! Aber ich werde es Dir verraten, mein Freund" [er stutzt]
" mein halbleerer Freund." [Abermals führt er den neugewonnen Kumpanen zum Mund]
"Wo war ich? Ach ja, ich werde Dir sagen, was Du nicht wissen kannst. Manches Mal denke ich und in letzter Zeit denke ich es öfter, ich denke manches Mal, dass diese ganze Schreiberei aus mir einen sehr unglücklichen Menschen gemacht hat." [Haldur stößt auf und verzieht das Gesicht]
"Entschuldige! Wäre ich doch Schreiner geworden, wie Onkel Tordur. Oder Koch wie sein nichtsnutziger Sohn. Stattdessen schreibe ich mir die Seele aus dem Leib und rede mit einer Weinflasche. Fällt Dir auf was daran nicht stimmen mag?" [Der Dichter nickt zufrieden und nimmt noch einen Schluck aus der verwirrt wirkenden Flasche]
"Du siehst, was nützt mir mein Geschick, wenn ich hier drinnen Kummer brauche, um es zu Nutze mir zu machen." [Dabei schlägt er sich mit der flachen Rechten auf die linke Brust. Schwankend steht er auf und geht einige Schritte im Raum auf und ab]
"Doch was das beste ist: da stehe ich nun Tag für Tag vor ihrem Haus und nichts tut sich mehr, außer dass mir die Hand wund vom Klopfen wurde." [Er ballt die Faust und hebt sie gen Zimmerdecke]
"Toda, der Dichter ohne Hand, die er sich am Tore der Einen abgeschlagen!" [Theatralisch hebt er den Kopf und verweilt einen Moment in dieser Pose]
"Doch es kommt noch besser, sage ich dir, noch viel besser. Du wirst es nicht glauben." [Wieder ein wirres Lachen auf seinen Zügen]
"Als ich plötzlich Licht am Ende des dunklen Tales sehe, sie, die eines Tages mir im Wolf begegnen sollte, die mir fähig schien den Frühling einzuleuten. Diese, so riet man mir, sollte ich besser meiden, wären doch die Herren," [ein lautes Auflachen, unterbrochen von einem erneuten Schluck aus der Flasche]
"nicht von Interesse für sie." [Abermals ein belustigtes, bitteres Lachen des Dichters]
"Sollte ich beizeiten in die Not kommen, ein Schauspiel zu schreiben, ich würde mir die Hauptrolle damit auf den Leib schreiben." [Kurz darüber nachgedacht, scheint ihm der Gedanken zu gefallen]
"Was rede ich da? Verstehe mir einer das Leben. Ach Leben, erzähl' mir nichts vom Leben!" [Schlurfend geht er zum Stuhl und lässt sich darauf fallen. Die Flasche stellt er auf den Tisch und sieht sie sich abwartend an]
"Du bist nicht gerade das, was man eine große Hilfe nennt. Du sprichst nicht viel, nicht wahr?" [Da nimmt er sie und leert sie in einem Zug. Dann geht er an den Schreibtisch und beginnt einen Brief]
...
Mein bester Freund,
zweimal sah ich den bleichen Freund bereits wieder voll am Himmel stehen, seit ich das Schiff betrat und Du mir alles Gute für die Reise wünschtest. Nun, ich will es nicht schlimmer machen als es war: ich habe entgegen allen Erwartungen auch dieses Mal wieder die Überfahrt überstanden. Gleichwohl brauchte mein Magen viel Gutes Zureden, damit er bereit war sich diesem Urteil anzuschließen. Viel ist geschehen, mein Bester und doch mag ich Dich nicht mit Nebensächlichkeiten langweilen. Du erinnerst Dich an jene Eine, die ich Dir mehrfach in allen Farben Mutter Naturs ausmalte. Die ich mehrmals besang als unser'n weißen Freund von dem wir vor nich allzu langer Zeit noch die ein oder andere Flasche leerten? Die Zeit des Wartens auf ein Wiedersehen scheint nun vergangen und ebenso, Du hältst den Be= weis soeben in den Händen, das Warten auf die Rückkehr meiner lyrischen Schaf= fenskraft. Doch will ich - entgegen der mir eigenen Gewohnheit - der Reihe nach berichten. Es tat die Tür sich auf und dort stand sie, als wäre sie nie fort gewesen. Und dennoch, ich komme nicht umhin sie mir meilenweit entfernt nicht mehr aus dem Kopfe schlagen zu können. Ich weiß, wir sprachen darüber und wenn mich das was sich, meinen be= scheidenen Mitteln entsprechend, mein Gedächtnis schimpft nicht wieder zum Narren hält, dann erinnere ich mich, Dir erging es bei der Deinen Einen nicht anders. Es ist als stünde sie im Geiste vor mir und doch erinnere ich mich nur an die Gischt einer Welle, welche wie Zufall ihre Form angenommen haben mochte. So streune ich des Tages wie ein Schaf und des Nächtens einsam wie ein Wolf durch die Straßen und ende nicht selten in den Gasthäusern dieser neuen Heimat. Doch - und sieh meinen er= hobenen Finger - ich lasse nicht nur diesen von unserem Freund, er hat mir nicht selten die Seele unangreifbar, doch stets den Kummer greifbarer gemacht. Ich weiß Du lachst nun über Deinen alten Freund und sei Dir sicher, wie gerne würde ich einstimmen in ein freundschafltiches Gelächter, sei gar ich der Narr über den so herlich Spaß ge= trieben wird.
Ich will ein Ende einleiten, doch kann ich Dich nicht in Dein Tun & Treiben entlassen, ohne Dir folgende Zeilen zuzutragen:
Der Vogel Glück
Flieg nicht fort, kleiner Vogel Glück, bleib hier - bleib hier, komm gar zurück, lass micht nicht steh'n lass mich nicht einsam hier mit mir verlorengeh'n ich bin nicht recht, bin ich allein mit mir, nimm mich zu Dir, die kahlen Wände, sie fangen mich, sie sprachen laut von meinem Ende.
Kleiner Vogel Glück sei so gut, komm her, zurück und lass dein Lied nicht schon verklingen sei bitte der, der mir verriet, ob ihr Herz will wie meines springen, hört sie dich laut von Liebe singen.
Unterstehe Dich im Übrigen, mein Bester, sie zu Geld machen zu wollen. Sie sind allein für Deine Augen bestimmt und im besten aller Fälle für ihre Ohren.
Es endet in vermisster Freundschaft
Dein Freund Haldur, König der Narren und so manches König Narr...
_________________ Haldur schreit's raus: Aus dem Liebesleben eines Dichters...
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