28. Carmer 17 n. H.

Finstere Nacht. Stille. Nur von Zeit zu Zeit ist das Platschen von Paddeln zu hören. Das kleine Ruderboot von dem die Laute ausgehen steuert Siebenwind an.

Auf dem schon alten, schlecht gewarteten Ruderboot befinden sich 3 Matrosen und ein Mann der sich in Sachen Kleidung und verhalten klar von den Seemännern unterscheidet. Zwei der Matrosen, eher schlicht und zweckmäßig gekleidet, rudern gen Insel während der Dritte neben dem, auf die Männer etwas unheimlich wirkenden Fremden sitzt und ihm von Zeit zu Zeit etwas misstrauische, wohl aber auch neugierige Blicke zuwirft.

Der mit einem schwarzen Umhang und schlichter Lederkleidung gekleidete Mann sitzt ruhig in dem etwas schwankenden Ruderboot. Sein Blick ist auf die Insel und die Lichter der Stadt Falkensee gerichtet. Er ist hochkonzentriert. Gedanken und Gefühle schwirren ihm durch den Kopf, derer er Herr zu werden versucht. Trotz der aufkeimenden Gefühle von Neugier, Hoffnung und freudiger Erregung wirkt er nach außen absolut emotionslos.

Nach einiger Zeit des Ruderns und des Schweigens erreicht das Ruderboot schließlich den Hafen von Falkensee, in dem wenig einladenden Vitamaviertel.

Mit erstaunlicher Geschicklichkeit verlässt der Mann das schwankende Boot und begeht zum ersten Mal in seinem Leben eine Insel, oder besser den Hafen einer Insel. Beiläufig schnippt er eine 50 Dukatenmünze über die Schulter welche klimpernd im Boot zum liegen kommt. Rasch beginnen die Matrosen wieder zu ihrem Schiff zu rudern.

Der, den Seemännern, unheimliche Fremde schaut indessen interessiert um sich. Trotz der Finsternis scheinbar vollkommen unbeeinträchtigt.

"Kann ich hier Wrahs Forderung erfüllen?" murmelt der Mann und bahnt sich seinen Weg über Abfall und Tierkadavern hinweg zum Ausgang des Viertels.

*Es ist ein in Leder gebundenes Buch. Der Einband ist vollkommen schmucklos. Keinerlei Runen oder Reliefe wie es bei so manch anderen Büchern der Fall ist, sind zu sehen. Schlägt man das Buch auf so wird man auf der ersten Seite mit roter Tinte "Wrah" lesen können. Blättert man weiter beginnt das eigentliche Buch und ab hier wird der Leser vor ein unlösbares Problem gestellt:



Die Schrift ist absolut unleserlich. Ein Kenner mag vielleicht noch erkennen dass sie uralt ist, mehr aber schon nicht. Es Bedürfte wohl einer längeren Übersetzungsarbeit um den Zeichen entfernt Sinn abzugewinnen.*

30. Carmer, 17 n. Hilgorad

Vorgestern erst kam ich auf der Insel Siebenwind an. Nachdem ich mich erst durch das wenig einladende Vitamaviertel, wie es heißt, durchplagen musste erreichte ich schließlich über einen kleineren Umweg, wie ich später feststellte den Markt der Stadt Falkensee.

Falkensee ist auf Siebenwind die Hauptstadt. Für Festlandverhältnisse keine übermäßig große, aber belebte Stadt. Es war am Tage meiner Ankunft jedoch schon spät und so musste ich mich in Geduld üben.

Am darauffolgenden Tag begann ich die Stadt zu erkunden und schließlich einige interessante Gespräche zu führen. Offenbar ist der Bevölkerung von Siebenwind, zumindest gerüchteweise bewusst, dass die Insel etwas besonderes ist, und ein Geheimnis birgt. Genau ist dieser Frage jedoch wohl noch niemand nachgegangen.

Gerade aber das ist eines meiner ersten Ziele. Warum herrscht gerade hier auf der Insel ein so verbitterter Kampf zwischen denen der Viere und denen des Einen? Und warum hat Hilgorad so großes Interesse an dieser Insel?

Gut, man sagte mir dass die Insel im Seidenhandel eine wichtige Rolle spiele, aber deckt der Seidenhandel wirklich die Kriegskosten? Und warum sollten Angamongläubige Interesse am Seidenhandel zeigen? Angeblich soll sich sogar der gefallene Fürst von Vandrien auf der Insel aufhalten, wie man mir sagte. Warum gerade hier? Gut, Siebenwind ist der entfernteste bekannte Punkt auf Tare, aber dennoch eine Insel und nicht übermäßig groß. Wäre ein Versteck am Festland nicht viel vorteilhafter für diesen Gejagten?

Was also macht diese Insel so besonders dass sie ein derartiges Ballungszentrum aller Götter und Götzen darstellt? Denn nicht nur vieren- und angamongläubige Menschen hat es auf diese Insel verschlagen, nein auch ein Großteil aller anderen Rassen die am Festland vertreten sind, sind hier anzutreffen, wie mir schien.

Von einer Prophezeiung die hier in Erfüllung gehen solle erzählte man mir. Eine Prophezeiung... Nichts genaues ist darüber bekannt. Ich denke ich bin auf dem richtigen Weg. Ich glaube mit Siebenwind habe ich den Ort gefunden an dem zu finden ist was ich so lange gesucht habe. Nun gilt es nur noch herauszufinden was das ist...

Möge Wrah mich in die richtige Richtung lenken, auf dass sein Wille geschehe...

2. Carmar 17 n.H.

Eine dunkelrot berobte Gestalt steht vor einem aus Steinen gelegten Kreis. Rund um den Kreis sind Runen, Zeichen und Symbole in den feinen Staub der Öde gezeichnet.

Die Gestalt scheint hochkonzentriert. Das Gesicht gen Himmel gerichtet, die Augen geschlossen murmelt sie vor sich hin. Wer sich nah genug bei ihr befindet mag Ausdrücke wie "Führe mich Fürst!" und "Sein Ende wird kommen!" verstehen.

Lange steht die Gestalt vor dem Kreis. In der Ferne hört man es donnern und schließlich beginnt es einige Zeit darauf zu regnen. Den Rotberobten scheint das nicht zu stören. Erst nach geraumer Weile lässt er die Arme und den Kopf sinken, die Steine des Kreises wegtretend und die noch nicht vom Regen weggewaschenen Zeichen zu verwischen.

Wandeltag, 7. Carmar 17 nach Hilgorad

*wie schon der erste Eintrag in das mit schlichten Leder gebundene Buch ist auch dieser wieder in einer merkwürdigen Keilschrift verfasst*

Einige Zeit zog ich mich zurück um mich zu sammeln, um Kräfte zu fokusieren und um über vieles nachzudenken. Ich glaube Siebenwind ist der richtige Ort. Der richtige Ort um Wrah den Aufstieg zu ermöglichen.

Diese Prophezeiung von der so viele sprechen, es muss die Erfüllung meiner Aufgabe sein. Es passt alles. So werde ich mich nun daran machen treue Diener zu finden. Diener die nichts zu verlieren haben. Diener die auch von der Macht Wrahs profitieren wollen und werden!

Endtag, 25. Querler 19 nach Hilgorad

Eine gebeugte Gestalt, in einer abgenutzten Lederrüstung, wühlt irgendwo in der Öde im Dreck, wirft Steine zur Seite und schüttet in der Dunkelheit, mit bloßen Händen, Sand umher.

"Da ist es ja endlich!"

Die Gestalt hebt das Buch hoch, pustet Dreck vom Einband und schlägt es auf. Unbeeinträchtigt, trotz Dunkelheit, beginnt er darin zu lesen. Fährt mit dem Zeigefinger Zeile für Zeile entlang und murmelt vor sich hin.

"Zeit, dass es voller wird. So soll's nicht enden, meine Aufgabe!"

Ruckartig wird das Buch zugeschlagen und die Gestalt verschwindet in der Finsternis.