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 Betreff des Beitrags: Thjarnulf Jernsvärd ~ Eine Chargeschichte in 4 Kapiteln
BeitragVerfasst: 20.07.08, 05:24 
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Thjarnulf Jernsvärd ~ Eine Charaktergeschichte in 4 Kapiteln


Dies ist die Charaktergeschichte für den noch zu erstellenden Nortravenkoch "Thjarnulf Jernsvärd". Freischalter fühlen sich bitte frei schon jetzt anzufangen zu lesen und ggf. Bedenken anzumelden. Wird nämlich etwas länger. Alle anderen möchte ich an dieser Stelle ebenfalls höflich um eventuelles Lob oder Kritik bitten :)

  • Kapitel 1: veröffentlicht
  • Kapitel 2: veröffentlicht
  • Kapitel 3: veröffentlicht
  • Kapitel 4: veröffentlicht
  • Epilog: veröffentlicht

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 Betreff des Beitrags: Re: Thjarnulf Jernsvärd ~ Eine Chargeschichte in 4 Kapiteln
BeitragVerfasst: 20.07.08, 05:25 
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Kapitel 1: 10 nach Hilgorad

Die kalte, sternenklare Nacht spiegelte sich auf der glatten Wasseroberfläche des Meeres wieder. Salzige Seeluft und kühle Brisen umwehten das stolze Drachenboot, welches unbeirrt jene eisige See durchkreuzte, die die Nortraven ihre Heimat nennen.

Der rothaarige Hüne stand an der Reling des Schiffes und blickte in die Ferne, in der er und seine Männer das heimische Festland vermuteten. Seit Monden waren sie unterwegs und jede Nacht war er wieder und wieder ans Deck gekommen, während die anderen bereits schliefen. Er mochte die Einsamkeit, sie gab ihm die Zeit, die er zum Nachdenken brauchte. Zeit, die er sich im Kampf zu nehmen nicht leisten konnte. Und so stand er abermals an Deck. Thjarnulf Jernsvärd war ein nachdenklicher Mensch. Nein, ein nachdenklicher Nortrave.

Erst als er die festen Schritte hinter sich auf den Planken hörte, holte er sich wieder aus seinen Gedanken zurück und begann zu lächeln. Ohne sich umzusehen, wusste er, wer sich zu ihm ans Deck begeben hatte: „Weißt du, Wotgar, Asgorn war noch nie so hell zu dieser Zeit“, sagte er und spürte wie die Blicke seines Freundes nach oben zu den Sternen wanderten. „Der Rätselstein gibt wahrlich Rätsel auf diese Nacht.“

Er drehte sich um und lachte seinem untergestellten Offizier und langjährigen Kameraden entgegen. „Sieh dich an Wotgar, stehst da wie ein Halbling und schaust hinauf zu den Großen.“

Der Mann, ebenfalls ein Nortrave, grinste ertappt und gesellte sich zu seinem Gegenüber an die Reling, wo sie sich beide anlehnten. Sie ließen ihre Blicke über das Deck schweifen und schauten in die rabenschwarze Nacht. Dass sie ihren Atem vor Kälte bereits sehen konnten, war nichts Besonderes in dieser Gegend – überhaupt war es nichts Besonderes für die beiden in der Kälte gut zurechtzukommen, ganz im Gegenteil. Thjarnulf konnte sich kaum vorstellen in sehr warmen Gefilden zu leben – dass sich seine Meinung bald schon ändern würde, wusste er noch nicht.

„Der Hauptmann sagt wir haben das Piratenpack in wenigen Tagen eingeholt“, eröffnete der jüngere der beiden das Gespräch. „Wir sollten die Bande bald in Reichweite haben, dann gilt es nur noch zuzuschlagen.“

Thjarnulf lächelte. Diesen Kampf erwarteten sie nun schon seit Monaten. Nach wochenlangen Irrfahrten und Fehlschlägen schien es nun, als seien sie ihrem Ziel zum Greifen nahe. Es war das Jahr Neun nach Hilgorad gewesen als die „Widjö“ – das Schiff auf dem Thjarnulf derzeit diente – zum Kampf gegen die Piraten aufgerufen wurde und ihr Hauptmann und Kapitän die Segel gesetzt hatte. Der Nortrave musste schmunzeln. Wenn er daran dachte, wie lange sie schon ohne richtigen Kampf auf See verbracht hatten, verwunderte ihn, dass er den Krieg gar nicht vermisst hatte. Erst jetzt spürte er wieder den Kampfgeist in ihm aufflammen – und das keinen Tag zu früh, wie es schien.

„ ‚Piratenpack‘ – Das sagst du so verächtlich“, stellte Thjarnulf ruhig fest. „Auch noch so barbarisch, stecken doch gute Kämpfer in ihnen.“ Wotgar schüttelte den Kopf: „Du weißt, dass ich es anders meinte. Wir kennen uns lang genug, dass du mich besser kennen müsstest, Jörn.“

Er grinste, als ihn Wotgar bei seinem Rufnamen nannte. In der Tat, die beiden kannten sich nun schon seit vier Jahren, seit er auf die „Widjö“ versetzt wurde, kurz nach seiner Beförderung, kurz nach dem Tod seines Vaters.
Das war irgendwann im Bellum gewesen, sechs nach Hilgorad, und Thjarnulf tat seit jeher so als hege er keinen Groll gegen die Seeräuber, denn Leben und Sterben war nun mal der Lauf der Dinge, sagte er sich. Doch insgeheim spürte er den verdeckten Zorn von damals wieder in sich aufkommen. Bis er nicht das Blut wenigstens eines Piraten an seiner Klinge hatte, würde er wohl nicht mehr zur Ruhe kommen.

Der mehr als zwei Schritt große Nortrave strich sich langsam durch den langen Bart und dachte über Wotgars freundschaftliche Begrüßung nach. Im Dienst konnten sie sich so nicht gegenübertreten, denn an Deck herrschte eiserne Disziplin und Gehorsam. Doch ihre Freundschaft pflegte sich seit Jahren bei nächtlichen Gesprächen und festigte sich im Kampf. „Jörn der Rote“ wurde er jedoch nicht nur von Wotgar genannt, schon seit jeher kannte man ihn unter diesem Titel. Die einen sagen es sei wegen seines roten Bartes, die anderen wegen seiner unstillbaren Blutgier. Wotgar jedoch war dies einerlei, er stand seinem Freund in der Schlacht gern zur Seite.

Der ältere Nortrave schmunzelte. In seinen 13 Jahren als Soldat hatte er schon viele Freunde wie Wotgar kennen- und schätzen gelernt und sie doch alle im Laufe der Zeit an seinen jeweiligen Feind verloren. Ob es nun Barbaren, Räuber oder eben Piraten gewesen waren spielte für ihn schon lange keine Rolle mehr. Eines Tages würde auch Wotgar im Kampf fallen. Thjarnulf erwartete nicht mehr und nicht weniger.

„Die Piraten haben meinen Vater geholt, Wotgar. Ich vergelte es ihnen mit barer Münze, doch respektlos sollte man keinem Krieger gegenüberstehen. Es könnte jederzeit dein letzter Kampf sein.“

Als er mit 22 Jahren – eigentlich recht spät – in die Armee gekommen war, wusste er noch nicht so recht, was aus ihm werden würde, er ging seiner Pflicht als Nortrave nach und fand Gefallen an der Arbeit des Soldaten. Während in Galadon ein neuer König die Krone empfing und so Hilgorad I. Ap Mer an die Macht kam, wurde Thjarnulf unter Hetmann Wulfhold zum Soldat auf See gemacht und auf diverse Schiffe für den Kampf an Küsten gegen Räuber- und Piratendörfer geschickt. Lange Zeit fühlte er sich fehl am Platze, doch sein Glaube und das sanfte Meer ließen ihn durchhalten. Erst sehr viel später, als er das erste Mal den Kampf auf hoher See erfuhr, entfalteten sich die wahren Fähigkeiten des „Roten“, welcher mit 31 Jahren dann aufgrund herausragender Leistungen im Kampfe zum Offizier befördert wurde.

Die Versetzung auf die „Widjö“ dann war das jüngste Ereignis in Thjarnulfs Lebenslauf gewesen und er hoffte, dass es nicht das letzte war. Während er sich Wotgars neugierigem Blick gewahr wurde, lächelte er in die Dunkelheit. Thjarnulf Jernsvärd war ein nachdenklicher Mensch. Er brauchte diese Zeit um seine innere Ruhe zu finden, schon bald würde sie aus dem Gleichgewicht gebracht werden.

Denn gierig schon lauerte der Krieg.

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 Betreff des Beitrags: Re: Thjarnulf Jernsvärd ~ Eine Chargeschichte in 4 Kapiteln
BeitragVerfasst: 20.07.08, 08:08 
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Kapitel 2: 15 nach Hilgorad

Das erste was Thjarnulf spürte war das brackige Salzwasser, welches eiskalt in sein Gesicht geschüttet wurde und sich wie tausend Scherben auf seiner Haut anfühlte. Das ebenso gehässige wie schmierige Gesicht des Piraten, der sich mit dem dreckigen Eimer über ihn gebeugt hatte, griente ihm verächtlich entgegen bevor der narbenversehrte Mann dem es gehörte, sich gehässig lachend zurückzog um seinen Gefangenen dort liegen zu lassen.

Thjarnulf, seinem unruhigen Schlaf abermals entzogen, begann die Welt um ihn herum wieder klarer wahrzunehmen. Die rauen Planken unter ihm, das Schwanken des Schiffes, die brennende Sonne und seine trockene Kehle. Drei Jahre war er nun schon in Gefangenschaft und er verfluchte sich selbst über seine Dummheit und Leichtsinnigkeit, die er damals im Kampf gezeigt hatte.

Seine Haut war inzwischen ledrig und wettergegerbt, zu oft hatten sie ihn schon an Deck, ohne Schutz vor der Sonne angekettet, zu oft schon hatten sie seine Ausdauer und seinen Willen gebrochen. Jetzt rappelte er sich langsam auf, stützte sich mit den Händen ab und bemühte sich einen klaren Kopf zu bekommen, während er sich hochzustemmen versuchte.
Plötzlich wurde der Nortrave durch einen dumpfen Schlag zu Boden gerissen. Hustend blieb er liegen, der Schmerz durchfuhr seinen gesamten Körper. „Haha, keine Muskeln in dem starken Körper, hä?“, hörte er das feindselige Lachen eines weiteren Piraten. Diese Männer waren keine Nortraven und machten es sich zum Spaß, ihn seiner Herkunft wegen zu verhöhnen.

Thjarnulf konnte einhundert Peitschenhiebe aushalten, doch Spott und Hohn und diese unsägliche Hitze brachen seinen Geist, wie es kein Schmerz und kein Tod der Welt geschafft hätten. Ob Thjarek um sein Schicksal wusste, vermochte er nicht zu sagen. Sein Glauben hielt ihn am Leben, doch schon manches Mal war er beinahe von ihm abgefallen. Es gab Zeiten zu denen er die Götter gar verfluchte, hatte er doch alle möglichen Qualen erlitten und das zu keinem Grund. Er wusste nicht, wie er Thjarek verärgert haben sollte, galt doch sein ganzes Leben dem Kampf und der Ehre seines Gottes, doch irgendwann musste er einen Fehler gemacht haben. Irgendetwas musste er vergessen haben. Sein ganzes Streben drehte sich nur um diesen einen Punkt. Er hatte etwas übersehen.

Die galadonischen Piraten schliffen ihn übers Deck wieder hinunter in seine Zelle. Der Nortrave schaffte es nicht einmal auf seine Koje, sondern sank direkt auf dem Boden zusammen. Erneut hatte er einen Tag lang an den Ketten verbringen müssen, als er sich dem Rudern verweigerte. Die Sonne hatte sein Fleisch teilweise verbrannt, doch das war Thjarnulf bereits gewohnt. Sein mittlerweile von unzähligen Peitschenhieben gekennzeichneter Rücken war bereits narbenversehrt und würde, so viel stand fest, niemals mehr heilen. Er war gebrandmarkt und für sein Leben an seine Gefangenschaft erinnert, sollte er dieses Schiff überhaupt einmal lebend verlassen. Die Segelgaleere auf die er kurz nach dem vernichtenden Kampf im Nordmeer gebracht worden war, gehörte nicht den nortravischen Piraten, die sie erwartet hatten, sondern einer galadonischen Schmugglerbande, die vom Norland bis ins ferne Endophal alles schmuggelte, was ihnen irgendwie Profit erbrachte. Und das war es wohl, was Thjarnulf wirklich zu schaffen gemacht hatte, denn das letzte Mal, dass er das eisige Norland gesehen hatte, war bereits zwei Jahre her. Zwei lange Jahre, geprägt von Rudern und Bestrafung, nur getrieben durch Rachegedanken, Selbstzweifel und den blanken Überlebenswillen.

Thjarnulf lag mit dem Rücken auf dem Boden seiner Zelle und starrte an die Decke. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Angst. Angst seine Heimat nicht wiederzusehen, seiner Mutter nicht Lebewohl sagen zu können, seine Schwester nicht wieder in die Arme schließen zu können.

Die Gefangenschaft hatte ihn gebrochen. Und in diesem Moment hisste am Horizont, unbemerkt von den Piraten, ein Schiff der Nortraven seine Kriegsflagge.

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 Betreff des Beitrags: Re: Thjarnulf Jernsvärd ~ Eine Chargeschichte in 4 Kapiteln
BeitragVerfasst: 20.07.08, 18:01 
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Kapitel 3: 123 nach Gernod

„Jörn, komm herbei, hilf deiner Mutter.“ Die strenge Stimme des alten Mannes rief mahnend die Treppe hinauf gen Dachboden, auf dem der vierzehnjährige Nortravenjunge mit den roten Haaren an einem Holzstück schnitzte. Das rostige Messer half ihm kaum dabei, doch er stellte sich geschickt an. Die Stimme des Vaters jedoch lies ihn verärgert sein Werkzeug fallen lassen und folgen.

„Da bist du ja endlich. Sei so gut, hilf deiner Mutter.“ Die schulmeisterliche Stimme des Mannes war das einzige was der Junge noch von ihm mitbekam, als er die Treppe herunter kam, schon war sein Vater aus der Tür verschwunden. Thjarnulf seufzte. Viel Zeit hatte sein Vater noch nie gehabt, stets lief er mit dem Morgengrauen und dem ersten Fischerboot aus und kam erst spät abends zurück. Manchmal verwunderte ihn, dass seine Mutter noch immer mit ihm zusammenlebte oder zumindest dass sie noch glücklich war, doch die beiden schienen so verliebt wie am ersten Tage.

„Thjarnulf Jernsvärd, verschlafen hast du und ungewaschen bist du auch noch!“, hörte er seine Mutter hinter ihm in einem typisch mahnenden Tonfall, den eben nur Mütter einschlagen konnten.
Wenn doch nur ein wenig von dieser Liebe auf ihn übergehen würde, schoss es Thjarnulf durch den Kopf und er musste grinsen, als er seiner Mutter mit der Arbeit zur Hand ging. Nein, ganz im Gegenteil, seine Eltern liebten und umsorgten ihn gut, zugegeben teils waren sie streng, doch eine strenge Erziehung war vor allem im Volk der Nortraven nichts unbedingt nachteiliges.

Seit er Laufen und Denken konnte, waren Thjarnulf und seine Schwester von ihrer Mutter mit in die Hausarbeit eingebunden worden. Die zwei Jahre jüngere Ada war begeistert, während Thjarnulf eher gezwungenermaßen mithalf, denn für die Arbeit seines Vaters, die des Fischers, war er bisher noch zu jung gewesen, doch auch das sollte sich nächstes Jahr, zu seinem 15ten Geburtstag ändern. Doch bis dahin galt es die Tage zu zählen, Körbe mit Pflanzen zu tragen und die Mixturen seiner Mutter bestaunen. Tamma Jernsvärd war Kräuterkundige, leidenschaftliche Köchin und eine experimentierfreudige Alchemistin. Und obwohl sich Thjarnulf nie wirklich für die Kunst der Alchemie interessiert hatte, war es dennoch immer etwas Besonderes gewesen, ihr beim Brauen des stadtbekannten Kräuterschnapses zuzusehen, der ganz nach eigenem Rezept gebraut wurde. Der Junge konnte das Gebräu zwar noch nicht trinken, doch allein der Geruch war etwas besonderes, für das sich der Aufwand im Haus lohnte. Und obwohl das zwar nicht sehr groß war, sorgte es dennoch tatsächlich immer für genug Arbeit. Die urgemütliche Fischerhütte, die inmitten vieler anderer Fischerhütten irgendwo am Rande einer Straße im beschaulichen Dornwald lag, hatte jedoch trotz oder gerade wegen ihrer geringen Größe einen ganz besonderen Charme.

Diesen Morgen war Thjarnulf jedoch nicht im Haus beschäftigt, sondern hatte die Aufgabe den Hinterhof zu fegen. Die eigentlich unangenehme Aufgabe war für ihn jedoch keine Last, hatte ihr Hof doch einen erheblichen Vorteil gegenüber der meisten anderen. Im Gegensatz zu den qualmenden Höfen der Räucherstuben, der penetrant stinkenden Färbergassen oder der giftigen Höfe der Gerber roch es bei ihnen stets angenehm nach Kräutern und Gekochtem, leckerem Fisch oder schlicht Salzwasser und dem Meer.

Selbst in dreißig Jahren, das schwor Thjarnulf sich, wollte er diesen Geruch nicht mehr vergessen. Dass sich allerdings so viel in seinem Leben ändern würde, hätte er sich selbst in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können.

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 Betreff des Beitrags: Re: Thjarnulf Jernsvärd ~ Eine Chargeschichte in 4 Kapiteln
BeitragVerfasst: 31.07.08, 14:41 
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Kapitel 4: 19 nach Hilgorad
Rülpsend torkelte der verdreckte Nortrave aus der ranzigen Spelunke, schwenkte die bauchige Flasche billigen Rums und stürzte vornüber mit dem verfilzten Bart in die nächste dreckige Lache Schweinescheiße. Blubbernd schüttelte der Mann den Kopf, um sich mit trüben Augen, immer noch im Dreck badend, schwach blinzelnd umzusehen. Träge registrierte er die umstehenden Menschen, die ihn geflissentlich ignorierten, als gehöre er schon wie selbstverständlich zum Straßeninventar dazu. Mit dreckiger Kralle klammerte er sich krampfhaft an die Rumflasche, die seinen Sturz jedoch nicht überstanden hatte. Lediglich der abgebrochene Flaschenhals befand sich noch in den versteiften Fingern seiner rechten Hand, während die linke immer noch ihren Weg aus dem Dreck suchte, um sich irgendwo abzustützen. Kaum hatte der aufgedunsene Leib des lahmen Nortraven es geschafft sich ansatzweise hochzuhieven, erfasste ein Beben dessen Körper. Thjarnulf Jernsvärd zitterte. Er musste sich über seine eigenen Arme übergeben.

Es war ein Mondtag Morgen. Thjarnulf stank.

Heute auf den Tag war es vier Jahre her, dass er von der Mannschaft der „Jarle“ aus der Gefangenschaft erlöst worden war. Damals hatte er die Hoffnung schon aufgegeben gehabt. Allein der Gedanke von seinen Fesseln befreit zu werden hielt er für bloßen Wahnsinn, sodass er sich schon widerwillig mit seinem Schicksal abgefunden hatte. Er hatte Thjareks Willen in Frage gestellt und das genau in dem Moment, als er von ihm errettet werden sollte. Vielleicht war es der Wille der Götter, vielleicht nur Zufall, doch Thjarnulfs Schicksal sollte sich als noch verwobener erweisen, als bisher.

Der trunkene Mann wischte sich das Erbrochene vom Mund und stand nun wirklich auf. Etwas wacklig auf den Beinen wankte er von Laterne zu Laterne und tastete sich trüben Blickes die Straße entlang bis zu seinem maroden Haus. Die ehemals so charmante Fischerhütte war nun ein heruntergekommenes Bauwerk, das kaum an frühere Zeiten erinnerte. Selbst die Küche war so verstaubt wie der Schuppen, die Töpfe hatte schon lange Zeit niemand mehr angerührt.

Der erste wirkliche Freund, den er bei seiner Rückkehr wiedergesehen hatte, war sein alter Kamerad Wotgar, doch dieser erwartete ihn nicht mit guten Neuigkeiten. Wotgar berichtete ihm, dass während seiner Gefangenschaft seine Mutter verstorben war. Und sei dies nicht genug, sei auch seine Schwester in den Piratenkriegen verschleppt worden und vermutlich ebenfalls bereits tot.

Der gebrochene Mann war in seine Heimat zurückgekehrt und fand ein verlassenes Haus und schmerzhafte Erinnerungen vor. Und mit einem Mal war Thjarnulf entsetzt über sein Leben, in dem er immer nur Leben hatte nehmen können, keines geben. Und das machte ihn krank.

Kopfschüttelnd stieß der taumelnde Nortrave die morsche Holztür zu seinem Heim auf. Missmutig wollte er einen Schluck aus seiner zerbrochenen Rumflasche nehmen, doch als ihm kein müder Tropfen entgegenkamen, schmiss er sie wütend in eine Ecke. Er besah beiläufig den verstaubten Topf in dem seine Mutter früher immer den Kräuterschnaps gebraut hatte, und warf sich dann gleich, ungewaschen und faul auf das durchgelegene Bett in der Ecke des Raumes. Er schlief unruhig.

In einem Traum sah er sich selbst, wie er damals nach seiner Rückkehr von Selbstzweifeln geplagt, durch das Haus irrte und die Sachen der Familie ordnete. Wie er schon früher seiner Mutter im Haus geholfen hatte, räumte er auch diesmal das Haus auf, lüftete, reparierte kleinere Schäden. Doch dieses Mal schien es seltsam leer und seine Arbeit sinnlos. Thjarnulf war müde und zornig. Er musste wieder zur See – sei es um wieder in die alte Form zu kommen oder nur um sich abzulenken. Für den Ruhestand war er allerdings noch längst nicht bereit.

Als er zurückkehrte, war jedoch nichts wieder wie vorher. Bei der ehrenhaften Zeremonie der Wiederaufnahme in die Marine des Hetmanns fühlte sich Thjarnulf seltsam fehl am Platze. Seine alte Uniform saß nicht mehr wie früher, der Orden an der Brust kam ihm bizarr vor, hatte er sich seine Gefangennahme doch selbst zu verschulden. Alte Gesichter die ihn vor Wiedersehensfreude anblickten, wirkten plötzlich leer und fremd. Und mit 40 Jahren befand er sich in einem Alter, in das er sich noch nicht so recht einfinden wollte.

Der Mann erwachte. Seine Träume suchten ihn immer noch heim, seine Glieder schmerzten, sein Magen rebellierte und obendrein brummte ihm der Schädel. Doch er kannte dieses Gefühl, bekämpfte es sogleich mit einem mürrischen Griff zum Regal in dem die Wein-, Rum- und Schnapsvorräte gelagert waren. Es wäre wie jeden Morgen in den letzten zwei Jahren gewesen, doch dieses Mal gab es einen feinen Unterschied: seine Hand fasste ins Leere.

Es war eine sehr kalte Nacht im Morsan gewesen, als Thjarnulf seine Schicht hatte. Er befand sich an Bord der „Jarle“ auf die er auf seinen Wunsch hin versetzt worden war, sie durchquerten gerade die Küste des Iswindfjords auf der Suche nach Schmugglerverstecken. Der Nortrave seufzte. Er machte sich nichts vor, dies war eine Routinefahrt und er war Wache, kein Kampf, kein Kommando und mit Sicherheit keine Wiederherstellung seiner Ehre. Er sah sich um. Diese Steilküsten wären ein prima Versteck, zumindest was Festungen anging, denn für Schiffe war es hier viel zu eng. Der Steuermann konnte kaum manövrieren. War es vielleicht leichtsinnig gewesen hier hindurch zu fahren? Thjarnulf verlor sich in seinen Gedanken. Dieser Auftrag war ein Witz! Er war an einem Punkt angelangt an dem er begann sich seiner Arbeit zu schämen.

Wurde ihm nicht extra solche Fahrten anvertraut, damit er immer in der Nähe Sturmbachs war, wenn es mal wieder hieß, man bräuchte eine Marionette um die Armee zu vertreten? Einen Kriegshelden, der auf Festen und Repräsentationen eine gute Figur machte?

Thjarnulf schüttelte verächtlich den Kopf. Er ekelte sich vor sich selbst. Damals in Gefangenschaft hatte er sich vorgenommen wieder Großartiges auf See zu vollbringen. Und ja, gleich Morgen würde er der Armee den Rücken kehren. Vielleicht würde er eine Söldnertruppe anführen, vielleicht alleine mit dem Schiff hinausfahren, doch so zurückgedrängt war das Soldatenleben nichts mehr für ihn wert. Er seufzte. Thjarnulf wünschte es wäre tatsächlich so einfach, wie es sich anhörte.

Und in diesem Momenthörte er das grimmige Feuer mehrerer schwerer Ballisten aus der Dunkelheit erklingen. Das Splittern des Eichenholzes und der Schmerz in seinem Bein, als er unter dem Mast begraben wurde ließen ihn das Bewusstsein verlieren. Der Hinterhalt der Schmuggler war perfekt.

Rasend vor Zorn und Kopfschmerzen zertrümmerte der mittlerweile nüchterne Nortrave die Einrichtung seines Hauses. Er fühlte sich hundselend, sein Kater hatte mittlerweile die Größe einer Raubkatze angenommen, er wusste nicht mehr was er tun sollte. Etwas eintauschen konnte er nicht, war er doch als Säufer und Nichtsnutz verschrien. Vermutlich nicht einmal zu unrecht, doch das war nicht das eigentliche Problem. Müde sackte er auf den Boden, rote Augen und leichtes Zittern machten seinen Zustand noch deutlicher und dann fiel sein Blick auf etwas, das ihn aus dieser Lage befreien sollte.

Als Thjarnulf damals im Hospiz erwachte, sah er nur Wotgar neben sich sitzen. Sein ehemaliger Kamerad, den er seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatte wirkte angespannt und wenig vertraut. Er trug seine Uniform, Thjarnulf sah, dass er jetzt befördert worden war. Doch er hatte den Eindruck, Wotgar war nicht als Freund gekommen, sondern offiziell bei ihm. Und tatsächlich, das folgende Gespräch war gezeichnet von Kälte und Förmlichkeit. Wenn man die wenigen Sätze, die sie austauschten überhaupt als Gespräch bezeichnen konnte. Er war gekommen um ihm seine Entlassung zu bescheinigen – was Thjarnulf doch sehr verwunderte, hatte er doch noch gar nicht darum gebeten – doch im nächsten Augenblick wurde ihm der Ausdruck auf Wotgars Gesicht gewahr. Er folgte seinem Blick, der zu seinem linken Bein hin ging und Thjarnulf schrie.

Thjarnulf schrie, wie er noch nie geschrien hatte. Verzweiflung, Zorn und blanke Angst hatten die völlige Kontrolle über ihn ergriffen. Und in dieser Situation verließ Wotgar seinen Freund mit trauriger Miene.

Er klopfte sich gegen sein Holzbein. An Tagen wie diesen, an denen einfach alles schiefging, meinte er schon fast die Schmerzen in seinem Bein wieder spüren zu können. Doch Thjarnulf hatte sich bereits wieder beruhigt, es gab immerhin wieder Alkohol im Haus. Er lächelte, als er den selbstgebrannten Kräuterschnaps seiner Mutter begutachtete. Den ganzen Tag hatte er daran gesessen, hatte seine Schmerzen wieder vergessen – und jetzt, wo er das kühle Destillat in den Händen hielt, merkte er, dass er gar keinen Durst mehr hatte. Sein Kater war verschwunden, sein Geist zumindest im Ansatz wieder klar und sein Bein schmerzte nicht mehr. Mehr aus Gewohnheit nahm er einen kräftigen Schluck und der kühle Schnaps brannte in seiner Kehle wie kein anderer. Und Thjarnulf der Rote kehrte nach kurzem Lichtblick zurück in sein altes Milieu, für ein letztes Mal.

„GAURR!“ hörte er sich schreien, „HUND, ERBÄRMLICHER!“ krächzte es aus seiner rauchigen Kehle und seine vom Alkohol getränkte Stimme hallte in den Gassen wieder. Es war dunkel, er befand sich vor einer Taverne im Schlamm. Erst als er sich so rufen hörte, wurde ihm langsam bewusst was er gerade tat. Er kniete im rasenden Blutrausch über einem anderen Mann, ein Mensch so wie es aussah, und sah seine eigenen Fäuste im Sturm auf ihn niederpreschen. Das blutige, zertrümmerte Gesicht des Mannes war nur noch eine verformte, bizarre Fratze und schon lange, das sah der Nortrave, schon lange gab dieser Mann kein Lebenszeichen mehr von sich. Bevor er einen zweiten Gedanken fassen konnte, bevor er hätte sehen können, dass er selbst von Schnittverletzungen und Stichen gezeichnet war, lies er erschrocken von seinem Opfer ab, stolperte Rückwärts in den Schlamm und blieb neben einer Flasche seines eigenen Kräuterschnapses sitzen und wartete. Wartete Stunden, bis er von mehreren Nortraven dort entdeckt und festgehalten wurde. Thjarnulf sah sein Ende gekommen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Thjarnulf Jernsvärd ~ Eine Chargeschichte in 4 Kapiteln
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Epilog (heute)
Der Mann starrte an die Decke. Es war dunkel in seiner Kammer, die Ratten mussten ganz in der Nähe ein Nest haben, das Quieken hielt schon die ganze Nacht an. Nicht, dass der Nortrave hätte schlafen können, sein Bein schmerzte unaufhörlich, seine Kehle war trocken und ausgedörrt. Doch das was ihn am ehesten wach hielt, waren seine Gedanken. Er grübelte schon die ganze Nacht über sein Leben. Das was gut gewesen war, das was schlecht gewesen war – und das was noch kommen mochte. Jörn schluckte schwer. Er vermisste den Alkohol, doch er hatte sich geschworen, dass er sich beherrschen würde solange es ging. Besiegen konnte er seine Trunksucht noch nicht, doch er würde sie bekämpfen solange er noch Kraft hatte. Das hatte er nicht nur sich selbst, sondern auch dem Gericht geschworen. Tatsächlich war der Mann, den er im Streit erschlagen hatte, ein bekannter Streitsuchender gewesen, der sich mit ihm angelegt hatte. Dennoch hätte es nicht so weit kommen müssen, wäre Thjarnulf nicht trunken und sein Zorn nicht so groß gewesen – er schämte sich. Für seine Taten und seine Strafe: denn obwohl sie seinen Totschlag nicht mit dem Tod vergolten hatten, dachte er, dass es vielleicht anders besser gewesen wäre. Denn die Alternative die sie ihm aufgegeben hatten, war nichts was ein Nortrave so einfach hinnehmen konnte: Verbannung.

Das Gericht hatte ihn vor die Wahl gestellt: ein Leben außerhalb des Norlandes, irgendwo in Falandrien oder aber ins Exil auf die neue Insel Siebenwind. Thjarnulf hatte auf See schon viel von der Insel gehört, so einiges was ihn erstaunte, lebten doch so viele Völker auf engstem Raum, doch er glaubte kaum, dass er sich dort heimisch fühlen würde. Er hätte zwar den Tod vorgezogen, doch besser als in Endophal war es allemal. Er hoffte dass das Gefühl, was er beim Brauen des Kräuterschnapses seiner Mutter empfand, das Gefühl alles wieder klar zu sehen, wiederkehren würde und ihn vielleicht sogar eines Tages heilen könne.

Thjarek jedoch, der schon so viele Spielchen mit ihm getrieben hatte, hatte ihn erst sicher auf ein Schiff zur Insel gebracht, nur ihn dort wieder in den Wahnsinn zu treiben. Es war ein merkwürdiges Spiel, doch er würde es hinnehmen und Thjarek weiterhin vertrauen, so wie er es bisher getan hatte. Sein Leben war nicht mehr das was es einst war, er hatte es damals verloren, als er in Gefangenschaft auf See geriet und dann das Leben eines anderen zum Tausch erhalten. Dafür sollte er dankbar sein, das wusste er, doch Dankbarkeit gehörte nicht mehr zu seiner Person. Er war längst nicht mehr derselbe Mann wie früher, sondern nur noch ein Schatten des Thjarnulf Jernsvärd den man aus den großen Geschichten kannte. Sein fehlendes Bein, sein fehlender Stolz, seine fehlende Ehre und der fehlende Wille hatten ihn zu einem gebrochenen Mann gemacht.

Siebenwind mochte dies heilen – oder ihn in seinen Untergang treiben…

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