Wie so häufig durchlebte der Zwerg eine unruhige Nacht. Fast vier Menschenleben in der Wache, im steten Kampf gegen die Gefahren der gewaltigen und wilden Drachenschwingen hinterlassen ihre Spuren. Denn die Narben des Fleisches verheilen schneller als die des Geistes. Es sind die fast schon allnächtlichen Albträume die ihn heimsuchen, zusammenhangslose Bildfetzen die sich rasch ablösen.
...mit einem Zischen brennt sich das glühende Eisen in die grüne, borstigen Haut des wütend brüllenden Orks...kaum hat seine Axt den Bauch des Ogers aufgerissen stülpt sich eine blutige Darmschlinge nach außen und baumelt grotesk im Todeskampf des Ungetüms umher...das Knacken und Brechen von Skelettknochen unter schweren Hammerschlägen...ein Schrei eines verwundeten Zwergen in einer stinkenden Höhle während die anderen Zwerge hilflos zu Boden blicken und Stoßgebete für den Sterbenden gen Arkadon schicken...
Doch der Traum wird intensiver, die Eindrücke immer länger. Dazu immer stärkere Sinneseindrücke
In Begleitung von fünf anderen Zwergen stapft er durch die Ferrinhöhle, an seiner Axt bereits Blut. Plötzlich hat er einen metallischen Geschmack im Mund und er schmeckt das Blut, sein Blut, obwohl er unverletzt ist. Vor ihm liegt der qualvoll verendete Leib eines Ferrins. War er es? Nein, DIE waren es...es war so schwer auseinander zu halten. Vor seinem Auge wird ein Ausschnitt des Ferrinkörpers immer größer: ein Peitschenhieb, der die strubbelig-pelzige Haut durchdrang und das Fleisch durchschnitten hatte. Er sieht die Fliegen, fette schwarze Fliegen auf der Wunde sitzen. In seinem Kopf ertönt ein leises Brummen, das immer weiter anschwillt, als flögen 100 dicke Fliegen in seinem Schädel herum.
Nun sieht er sich vor der Säule stehen. Drei täuschend echte Statuen von Sammlern stehen darum. Sie wirken so echt, so lebendig. Er staunt über ihre Handwerkskunst, die denen eines Zwergen-Steinmetzes gleich kam. Dann durchzuckt ein stechender Gedanke seinen Traum: es ist Dwarschim-Arbeit. Und für den Bruchteil einer Sekunde sieht er einen seiner Kameraden, wie er mit nacktem Leib unter Peitschenhieben einen rohen Fels bearbeitet.
Der Gedanke verschwimmt, abgelöst von einem dumpfen Pochen im Schädel. Sein Blick gleitet über die Säule. Darum windet sich eine riesige, steinerne Schlange. Die Schuppen sind so fein, so exakt gearbeitet, dass sie gradezu hervorstechen und in seinen Augen brennen als der Anblick seine ganze Sicht ausfüllt. Plötzlich sieht er sich von außen, sieht sich selbst wie er hypnotisiert vor der Säule steht und die Schlange anstarrt. Und die Schlange erwacht zum Leben, beugt ihren schweren Leib herab, öffnet ihr Maul mit den spitzen Giftzähnen weit...LAUF, LAUF ENDLICH will er sich zurufen, doch der Zwerg, er selbst, rührt sich nicht...Gemächlich, ganz ohne Hast stülpt die Schlange ihr Maul um den kleinen Zwerg, verschlingt ihn gänzlich, während vier andere Zwerge in den Uniformen der Talwache vergeblich auf die Steinsäule einschlagen.
Der schlafende Zwerg wirft seinen Kopf hin und her, unter den Lidern bewegen sich die Augen panisch hin und her. SCHLAG ZUUUU, LAAAAUUFF
Er sieht sich im Tal stehen. Der Schmerz nimmt ab, das Brummen im Kopf verschwunden. Ganz das Gegenteil, sein Kopf scheint wie in Watte gehüllt, alle Geräusche dringen gedämpft zu ihm vor. Doch der metallische Geschmack von Blut im Mund stößt ihm nun fast übel auf.
Es ist ein sonniger Tag, es regnet nicht. Er sieht sich wieder von außen, von hinten, wie er erwartungsvoll auf die Taverne zustapft. Darin lachen und reden und trinken seine Brüder, feiern den gewonnenen Kampf in der Ferrinhöhle wo sie mindestens 8 der Schlangen töteten. "Tragen wir den Krieg zu ihnen, dann haben wir Frieden im Tal" rief einer von ihnen aus. Er sieht sich wie er von hinten auf die Feiernden zugeht, wie er plötzlich eine Axt in der Hand hält
SCHLAG ZU, JA SCHLAG ZU WIE DU ES IMMER TUST, DU WILLST BLUT, DU WOLLTEST ES IMMER
hallt es durch seinen Kopf, es ist seine eigene Stimme...und er schwingt die Axt voran, trennt mit einem gezielten Schlag einem der Zwerge den Kopf vom Rumpf. Eine Blutfontäne spritzt aus dem Hals empor...
BRUDERMÖRDER!!!
schallt es plötzlich durch seinen Kopf, löst das Gefühl des überschwänglichen Glücks ab.
Die Szene verschwimmt und er sieht sich vor einer Streitmacht stehen. In den Reihen der Feinde sieht er die Ordenszeichen der Bellumskrieger, Standarten mit den Zeichen der Viere flattern im Wind. Die Szene wird größer, der Blickwinkel dreht sich und er erkennt, dass der Zwerg, er selbst, inmitten einer zusammengewürfelten Streitmacht steht. Nortraven neben Menschen neben Zwergen neben Elfen. Sie alle sehen merkwürdig aus, er erkennt nicht was es ist. Das Bild wird schärfer, und er erkennt sich inmitten einer Horde Untoter...dann fährt sein Blick näher heran, er sieht sein eigenes Gesicht von vorne...und während er es ansieht ändert es sich...
Die Farbe aus seinen Wangen schwindet, er wird bleich. Seine Barthaare werden spärlicher bis nur noch struppige Bartbüschel bleiben. Die Haut an den Wangen fällt ein, löst sich allmählich auf. Fleisch verschwindet, gibt den Anblick auf den Knochen frei. Als Höhepunkt der gespenstischen Verwandlung reißt er seinen Mund auf und die eiserne Zahnschiene darin grinst ihn höhnisch an, lacht ihn aus...
Mit einem lauten Schrei erwacht er endlich aus dem Traum. Er ist schweißgebadet, der Blick geistert ziellos umher. Fast blind tastet er nach den beiden eisernen Zahnschienen auf dem Nachttisch. Kaum hält er sie in den Händen, schleudert er sie panisch in die Ecke, schüttelt die Hand die sie hielt heftig. Und der alternde Zwerg beginnt für einige Momente zu wimmern wie ein kleines Elfenkind, bevor er sich über die schweißnasse Stirn streicht und sich zusammenreißt.
_________________ Wow! Bestens recherchiert, prima belegt durch Zitate von Leuten, die es einfach wissen müssen, und voll mit Situationen, die wohl jeder kennt. Hat mich sehr berührt, vor allem innerlich - wunderschön! Da kam wirklich alles vor: Dieses autistische Mädchen da, ihre Freundschaft mit dem Delphin, die Außerirdischen, der liebe Gott, stundenlange Reflexionen, Verben, Interpunktion... Ein Beitrag, der mitunter zu Tränen rührt. Danke! "Fili" (IRC), Spieler von Solice Aurora (Dank an Awa fürs Portrait) Johann Cassius Thorgat
Zuletzt geändert von Kaputter Typ: 9.08.07, 14:34, insgesamt 1-mal geändert.
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