Zitat:
Fiete erblickte vor rund 45 Sommern, am 15. Querlar, das Licht der Welt. Schreiend und quengelnd landete er aus dem gemütlichen und schützenden Schoß der Mutter, ein einer kleinen, müffigen Barracke. Das erste menschliche Wesen das er sah, war seine Mutter. Sie war dick, wenn nicht zu sagen überfett, hatte einen Körperbau, wie man ihn nach 12 Geburten nunmal hat und wenn sie lachte, klang es wie verrostetes Fuhrwerk. Sein Vater war kurz vor seiner Geburt an einer Übermenge Rum verstorben. Man fand ihn am nächsten Tage tot neben dem Donnerbalken des Dorfes. Da er als Letzter in diese Familie namens Butterblom hineingeboren wurde, war es sein Schicksal immer den Kürzeren zu ziehen. In seinen jungen Jahren war er immer der Kleinste und Schmächtigste und konnte sich nie richtig gegen seine 12 Geschwister Gretl, Heinz, Karl, Hubert, Franz, Sepp, Kathi, Gundl, Trudi, Alfons, Irmi und Rainer behaupten. Sie alle wohnten, wie erwähnt, in einer Art Barracke. Kein großes Haus und man musste zu dritt in einem Bett auskommen. Das Hüttchen lag in einem siffigen Dorf an der Küste. Ein Fischerdörfchen nähe Raufels.
Dort wuchs er auf. Immerhin sollte Fiete auch lernen wie man auf mit Wurfnetzen umzugehn hat oder wie man größere Meerestiere niederringt. Also beschloss sein großer Bruder Heinz, ihn mit seinen 6 Sommern auf die erste Schiffsfahrt mitzunehmen, denn früh übt sich. Unglücklicherweise kam während dem Auswerfen ein Sturm auf und eine größere Welle spülte den kleinen Fiete von Bord. Das fiel Bruder Heinz erst auf, als er schon wieder im Heimathafen anlegte und die Netze einzog, denn Fiete blieb mit seinem rechten Bein in einer Schlaufe hängen, weitgehend unversehrt. Seitdem humpelt er jedoch ein wenig, was ihm den Beinamen `Krüppelhaxn` verschaffte. Nichtsdestotrotz gab sich Fiete immer große Mühe alles richtig zu machen, immer war er mit Feuereifer bei der Sache. So kam es, dass er sich mit 14 Sommern in die Schankmaid der Taverne verguckte. Ein dralles und keckes Weibsbild namens Liesl. Er vergötterte sie. Jede einzelne Bewegung ihrer herausragenden Rundungen, jedes Lächeln das sie ihm schenkte, wenn er sich wieder und wieder einen Krug Met oder Rum bestellte und auch jedes einzelne Barthäärchen, der ihr in dunklem Flaum um die Oberlippe wuchs. Natürlich wollte er sie irgendwie beeindrucken, aber da er nicht gerade viel besaß und auch sonst nicht wirklich etwas bieten konnte, entschloss er sich seinen schmächtigen Körper auf Vordermann zu bringen. So nahm er sich Arbeit als Holzfäller in der nächstgelegenen Ortschaft und hackte, sägte und zertrümmerte dort die Bäume. Mit der Zeit wuchsen sogar tatsächlich Muskeln an seinem Körper und er war ziemlich stolz darauf. Als er mit 19 Sommern, braungebrannt und sichtlich nicht verachtenswert für Frauen, wieder in die Taverne kam, fand er die Liesl aber erst nach einer großen Suche mit dem Wirt im Heu.
Was für eine Enttäuschung! Das Weibsbild hatte ihm doch tatsächlich seine gerade erst aufkeimenden Gefühle versengt. Wie ein begossener Pudel stand er da.
Selbstvorwürfe plagten ihn eine lange, lange, lange Zeit. Und in dieser Zeit verkümmerte das kleine Herz zu einer trockenen Wüstenblume, geradezu nach Liebe und Verständnis dürstend. Immer wieder suchte er Schutz und Seelenheil in einem Tempel oder legte als Opfergabe für seine zweite Geliebte, wie er die Göttin Vitama immer heimlich nannte, Fisch in den Spendenkorb.
Leute kamen und Leute gingen.. und als seine Mutter nach und nach alle Kinder aus dem Haus trieb um ihrem dicken Hintern mehr Platz zu verschaffen, packte er seine Sieben Sachen in ein Tuch, knotete es zusammen, band es sich an seinen Hacklstecken und stapfte das erstemal in seinem Leben am Dorfgrenzstein vorbei.
Und was es da nicht alles zu sehen gab! Auf seiner Wanderschaft veränderte sich die Welt um ihn rum rapidar. Nicht nur die Menschen, sondern auch die Häuser und Wälder sahen von Ort zu Ort verschieden aus.
Da saß er nun. Im Dunkeln, im Wald auf einem achtlos umgefällten Baum worauf schon einige Pilze und Moose sich breitgemacht hatten. Drückend schwül lag die Luft, selbst Nachts, auf der Erde und ein leichter dunstiger Nebel, zusammen mit dem Fahlen Lichtschein der Sterne der sich durch die Blätter der Pflanzen brach, gab der Umgebung einen unwirklichen Ausdruck. Verloren, wie eine achtlos liegengelassene Puppe, saß er, mitten in der unheimlichen Stille die sich über den Wald gelegt hatte. Ein Häuflein Elend, das eine Flasche Rum, schon halb geleert, wie den rettenden Anker in den Runzelhänden hielt. Wie lange suchte er jetzt schon? Fünf Jahre? Zehn? Oder doch schon über die Hälfte seines Lebens? Wo war sie? Die Frau fürs Leben, welche sein altes Herz nochmal mit den jungfräulichen Flammen der Liebe entfacht. Wo war sie? Die wunderbare Persönlichkeit, die ihre Schönheit nichteinmal unter einer gealterten Haut verbergen konnte. Wo war sie? Die Frau, die ihn anlächelte, seine Socken vielleicht stopfte und gemeinsam mit ihm vor einem Kamin saß?
War er vergeblich hierhergestapft?
Seine alten Knochen machten sich schmerzhaft bemerkbar von der Herumsitzerei und er verlagerte sein Gewicht auf die andere Pobacke.
Keine war richtig gewesen bisher, oder war schon verheiratet. Ay, eine Liebe zerstören wollte er nicht, und so suchte er weiter. War denn ein bisschen Liebe schon zuviel verlangt?
Er hatte sich extra nach 4 Monden wieder gewaschen und war sich neu einkleiden gegangen. Diese nette und nicht zu verachtende hübsche Dame, hat sich auch noch größtmögliche Mühe gegeben, das Beste aus ihm rauszuholen. Seine Haare waren gekämmt, der Fischmief größtmöglich mit einem Parfum überdeckt und sein Bart sauber gestutzt. Doch bisher.. Nur junge Leute. Große, kleine, dicke, dünne, hübsche und auch häßliche Leute waren ihm begegnet. War es denn zuviel verlangt eine alte, ebenso einsame Frau zu finden? Hielt Vitama nicht eine schützende Hand über ihn, wie der Dorfpfarrer immer zu sagen pflegte wenn er mit seinem Kummer zu ihm kam?
Wieder nahm er einen, seinen Hals hinunterbrennenden Schluck aus der Schnapsflasche. Billiger Fusel!
Vielleicht..vielleicht brauchte er erst eine Wohnstatt, ein wenig Ansehen und genug Gold. Ja.. Das wird es sein. Frauen stehen auf Gold. Je mehr desto bessere Kleider können sie sich kaufen. Ihm sollt es recht sein. Er selbst kauft ja auch nur einmal im Jahr ein wenn er selbst findet er miefe zu arg. Wahrscheinlich schwitzen Frauen mehr, deswegen brauchen sie so oft frische Kleider. Ihm sollt es recht sein.
Er schwankt etwas auf dem morschen Baumstamm, schüttelt brummend seinen behaarten Kopf (abgesehen von der Glatze auf der Schädldecke) und schmeißt darauf entschlossen die Flasche von sich...
Einige der Mitreisenden hingen mit grünumnachteten Gesicht über der Reling und meinten wohl sie würden ihre Innereien hinaus würgen, so wie sie stöhnten.
Fiete dagegen hatte die Augen geschlossen und kraulte sich durch seinen Wind durchwehten Bart. Vielleicht war sie ja dort? Seine große Liebe. Das konnte fast nur so sein, da er jahrelang durch Galadon zog und sie nicht fand. Immernoch hatte er die dicke Liesl im Heu vor Augen. Den Moment, der ihm sein kleines Männerherz brach.
Vielleicht gab es eine treue, dralle Liesl in den Häfen und Städten der Insel. Auf seiner langewährenden Wanderschaft hatte er viel gehört, auch von Siebenwind, wo sein Weg nun hin führte. Seine letzte Hoffnung!
Vor Optimismus nur so strotzend, drückte er seine Brust raus und öffnete die schon angerunzelten Augen um in die Ferne zu sehen.
Nur einen Tag später sollte sein Wunsch in Erfüllung gehen und er das erstemal seit der langen Überfahrt wieder festen Boden unter den Füßen spüren.. Das erstemal in Brandenstein..
OCC: Ähnlichkeiten mit bekannten Personen sind keinerlei Absicht, sondern natürlicher Bestandteil dieser schon 2006 verfassten Charstory.