Dieser Thread soll ein Kompendium verschiedener, fiktionaler Geschichten rund um die Welt Siebenwinds werden. Sie können in der Zukunft und der Gegenwart spielen, je nach belieben. Mein erster Beitrag spielt ungefähr 20 Jahre in der Zukunft. Viel Spaß damit.
hArHarhaRHaR.
"Was haben wir," fragte der Leutnant, als er den Raum betrat. "Wie das letzte Mal. Ein berühmtes Opfer. Die selben Requisiten." Er nickte zum Bericht des Gefreiten und kniete sich neben dem Leichnahm hin. Die Kehle des Mannes war durchgeschnitten, auf seiner Brust lag ein hoher Hut mit kreisrunder Krempe. Im Hutband steckte eine Karte. Er zog die Karte heraus und betrachtete sie. Darauf stand: Seht hinter den Spiegel und ihr werdet mein Lachen hören. Der Nächste wird bald mein sein. Sucht im Bildnis des wilden Feuerspeiers. Wie stets bei den Spielen der Modistin, wusste er erst einmal nichts mit dem Hinweis anzufangen. Sicherlich. Sehr originell oder subtil war diese gewiefte Mörderin nicht, aber dennoch war sie ihnen stets einen Schritt voraus. Anfangs hatte er gehofft, daß ihr Sinn für Theatralik ihre größte Schwäche wäre, aber da hatte er sich sensationell geirrt. Trotz der Tatsache, daß sie sich häufiger zeigte und sich selbst über Gebühr inszenierte, konnte niemand etwas mit ihrem Gesicht oder ihrer Person anfangen. Sie war wie ein Schatten ohne greifbare Identität. "Sie will wieder spielen," murmelte der Leutnant und der Gefreite nickte lediglich.
Sein Name war Marius Alekar und er stammte ursprünglich aus Morthum. Er kannte den Wahnsinn des Menschen. Der schwarze Tod und die große Armut in seiner Heimat, hatten sehr eigenartige Früchte getragen. Er konnte sich gut vorstellen, daß die Modistin, wie er sie nannte, eine Morthumerin war. Dafür sprach ihr völlig verdrehter Sinn für Humor. Vor ihm auf dem Schreibtisch lagen fast ein Dutzend Karten. Alle waren mit der verzerrten Krakelschrift der Mörderin beschrieben. Auf einem Regal neben dem Tisch stand die exakt gleiche Anzahl an Hüten aller Art. Immer wieder las er die rätselhaften Botschaften, die die Modistin auf den Karten hinterlassen hatte:
... Eins, zwei, drei, beim Gossenhexer schau ich vorbei... ... Scharf wie ein Hund, vom Volk verehrt. Der stärkste seiner Art. Seine Tunika bald roter als zuvor... ... Ein Falke wird fliegen, doch seine Flügel sind gebrochen...
Das erste Opfer. Toran Dur. Durch ihn wusste man, daß die Modistin magiebegabt war. Es sah am Tatort aus als habe sie sich mit ihm duelliert. Regale waren zersprungen, Vorhänge in Flammen aufgegangen. Die Südmauer war zusammen gebrochen und die untersuchenden Gardisten der Grauen Garde hatten unüblich starke Rückstände von arkanem Wirken festgestellt.
Das nächste Opfer war der amtierende Cho der Orken. Anscheinend hatte die Modistin ihn im Duell, eins gegen eins, völlig zerfetzt. Er wies mehrere, schlimme Schnittwunden auf, außerdem waren seine Arme und Beine gebrochen. Sie hat ihn gequält, bevor sie seinem Leiden ein Ende setzte.
Das dritte Opfer war der Sohn der amtierenden Großmeisterin der Ritterschaft. Finian Lasar war vom höchsten Turm der Burg gestoßen worden. Um die Hüfte trug er ein Seil. Vermutlich hatte die Modistin Spaß daran ihn mehrmalig herab stürzen zu lassen, um ihn wieder aufzufangen. Bis sie seinen Körper auf den Felsen zerschellen ließ.
Mehrmals war er der Modistin zuvor gekommen. Er hatte ihre bizarren Hinweise durchschaut und die Tatorte gefunden. Doch als Sie dann auftauchte, verwandelte Sie jeden Ort in einen Hort des Chaos. Mittlerweile wusste er, daß sie zwar von menschlicher Gestalt war, aber sonst keinerlei Natürlichkeit in sich trug. Er wusste nicht genau was sie war (natürlich ahnte er es ansatzweise, aber ein Beweis fehlte), aber dies spielte auch eine eher untergeordnete Rolle. Er musste sie aufhalten. Besonders jetzt, wo ihm die Bedeutung des letzten Hinweises aufging. Die Wahnsinnige hatte sich die zweitmächtigste Person der Insel zum Opfer erkoren. Sollte sie diesmal wieder Erfolg haben, wäre seine Karriere entgültig vorbei.
Das Klopfen hallte durch den kleinen Audienzsaal. "Herein," sprach die Frau laut. Die schwere Eisentüre wurde aufgedrückt und Leutnant Alekar betrat den Raum. Er verneigte sich vor der Drachenritterin und trat näher heran. "Meine Gräfin, ich grüße Euch." Sie wies auf einen freien Stuhl und er setzte sich. "Gibt es Fortschritte zu vermelden oder nur wieder Rückschläge. Ich bin es langsam leid." Die Kritik schmerzte ihn, obwohl sie allzu berechtigt war. "Ich weiß wer das nächste Opfer sein wird," sagte er. "Wer ist es diesmal. Der Baron?" Marius schüttelt den Kopf und schluckte den Kloß in seinem Hals herab. "Ihr seid es." Klirrend zerbarst das Buntfenster zur Linken der Großmeisterin. Eine bunt gekleidete Gestalt rollte durch die Scherben und landete schließlich anmutig und mit ausgebreiteten Armen auf den Füßen. "Tada!"
Hustend und Blut spuckend robbte er einen halben Dunkelzyklus später zur Treppe. Mit letzter Kraft rollte er jene herab, ehe er keuchend auf dem Hof zum liegen kam. Die wachhabende Gardistin saß an die Mauer gelehnt. Statt einem Gesicht sah man den blanken Schädel, benetzt mit frischem Blut. Die Mordistin hatte heftig gewütet, bevor sie es wagte den Audienzsaal zu überfallen. Zwei weitere Gardisten lagen drüben beim Verwaltungsturm in ihrem eigenen Blut. "Zwölf Stiche und sie steht immer noch," röchelte er vor sich hin, während er, stark blutend, langsam weiter über den Boden robbte. Hinter sich konnte er eine laute Explosion hören, als ein Feuerball den Leib der Großmeisterin durch das zweite Buntglasfenster schleuderte. Im prasselnden Scherbenregen landete sie auf dem Hof, die Glieder verrenkt, die Haut versengt. Im gesprenkten Rahmen des Fensters stand sie. Gehüllt in ihren bunten Flickenmantel. Auf dem Kopf trug sie einen oben gerundeten, halbkugelartigen Hut mit kreisrunder Krempe. Ihr Gesicht war bleich und fahl wie der Mond. Ihre Lippen hatte sie mit grüner Farbe nachgezogen und die Augen mit schwarzem Ruß. Immer zu grinste sie amüsiert und ihre Augen funkelten vor kindlich vergnügtem Wahnsinn. "Immer wieder eine Freude der Obrigkeit einen Besuch abzustatten!" Sie zog ihren Hut und verneigte sich in Richtung des schwer verletzten Leutnants. "Marius, war mir wie immer eine große Freude." Dann begann sie zu lachen. Das Lachen war wirr, langanhaltend und wechselte auf absonderliche Art und Weise mehrmals die Tonlage. Dann wurde es auf einmal dunkler, basslastiger und trieb fort vom vorherigen, femininen Einschlag. Wie im Zeitraffer veränderte sich ihre Gestalt. Durch den Stoff des Flickenmantels stießen am Rücken zwei Schwingen hervor, dann wuchsen immer mehr Hörner aus ihrer Stirn und den Schultern, ehe die Haut ein giftiges Grün annahm und ihr Körper an Masse zu legte. Mit einem grimmigen Schnauben stieß sie sich ab und flug mit schweren Schwingenschlägen in die Dunkelheit davon.
Zwei Jahre später. Es herrschte Ruhe im Sanatorium. Die Vitama Diener spazierten durch die Gänge und verteilten Essen an die geschundenen Seelen und Geister. Marius saß wie meistens an dem vergitterten Rundfenster und schaute hinaus zu den Monden. Ein Speichelfaden lief sein Kinn herab, während er vollkommen lethargisch zum Firmament empor stierte. Jeglicher Glanz war aus seinen Augen verschwunden. Er hatte sich selbst aufgegeben und wartete nun auf die Gnade Morsans. Er verweigerte jede Art von Nahrung, weshalb die Vitama Diener gezwungen waren ihn gewaltsam zu füttern. Jene Fütterung der leeren Hülle, die einst Marius Alekar hieß, stand nun wieder bevor. Die junge Vitama Dienerin kniete sich vor ihm hin und stellte den tiefen Teller mit der Suppe ab. Sie nahm den Löffel und führte ihn an seinen Mund. Da er wusste, daß jeder Widerstand gebrochen wurde, ließ er den Löffel ohne gewaltsames Aufbegehren in seinen Mund führen. "Du hast dich ganz schön gehen lassen, Marius." Er hörte den Worten der zierlichen Vitama Anbeterin nicht zu. "Weißt du, so macht es keinen Spaß dich zu töten. Ich ändere ein bisschen das Konzept. Du lebst und ich habe meinen Spaß daran." Abrupt drehte er den Kopf und blickte ins Angesicht der jungen Frau. Da war es wieder. Dieses Grinsen auf grünen Lippen. Und diese unnatürlich grün leuchtenden Augen. "Ich empfehle mich. War nett, Spielgefährte." Sie tippte an ihre Hutkrempe und erhob sich. "Haltet sie auf. Sie ist des Einen! Ergreift sie!" Vor Verzweiflung brüllend riss er den Kopf hin und her, während die junge Frau sich erhob und lebendigen Schrittes federleicht davon spazierte. Vorbei an den ausgeweideten Leichen der Diener, die sich ihr in den Weg gestellt hatten. haRHarhArhArHar! Ihr Lachen übertönte sogar die verzweifelten Schreie des Leutnants.
_________________
"It seems as if heaven had sent its insane angels into our world as to an asylum, and here they will break out into their native music and utter at intervals the words they have heard in heaven; then the mad fit returns and they mope and wallow like dogs." Ralph Waldo Emerson, 1841
Avatar in voller Größe
|