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Ragnar taumelte vorwärts durch die nächtliche und spärlich beleuchtete aber stimmungsvolle Stadtkulisse, die für ihn gerade die Verkörperung von Tare war.

Vorbei an schmucklos-ärmlich wirkenden Hütten, an denen schon der Zahn der Zeit genagt zu haben schien, folgte er dem dürftig befestigten Schlammpfad. Jener zog seine Windungen immer tiefer in die, von sporadisch vorhandenen Lichtquellen beleuchteten, schattenhaft zuckenden Eingeweide des Viertels. Schwelende Dämpfe drangen an seine Nase…Geräuchertes und Verbranntes.

Er schwankte vorwärts und kam schlussendlich an der gesuchten Tür an.
Er gab dieser einen leichten Tritt und brachte jene dazu ihm nachzugeben. Der Raum erschloss sich seinem Blick, der sondierend den ersten Eindruck in sich aufsog. Er bewegte sich zielstrebig-schwankend Richtung Theke und bahnte sich, gemäß vorherrschender Etikette, nicht zu grob aber bestimmt seinen Weg durch die Menschenmasse. Am Ort der Durststillung angekommen brachen sich zwei wohlgeformte Rundungen auf Hüfthöhe ihren Weg in seine Aufmerksamkeit, und erfüllten somit voll und ganz seine momentane Welt.

Eh er sich versah, hatte er bereits seine Hand für einen anständigen Klapser erhoben und ließ diese genüsslich auf die Fleischbacke prallen. Die Hand schmetterte - stärker als beabsichtigt - auf die wohlgeformte Rundung und ließ diese erbeben.

Erst jetzt wurde ihm das Gesamtbild gewahr. Eine dralle Dirne hatte sich gerade - vornüber gebeugt - einem hühnenhaften Nordraven versprochen und schreckte ob des unerwarteten penetrierens einer ihrer hervorstechenden Merkmale mit überraschtem Schrei hoch und suchte das Weite.
Der Hühne fand diese Unterbrechung seines werbens alles andere als lustig und beantwortete diese mit physischer Empörung, indem er von seiner Holzbank hochschnellte.

Mit stierendem alkoholgeschwängertem Blick spukte er ihm die Worte entgegen:
„Verfatz dich elender Hundsfott!
Du hast mich, Wulf (!)…“ schaut kurz in die Runde, „…gerade Met für 5 Dukaten gekostet und eine vergnügliche Nacht dazu.
Wie gedenkt er dies wider zurechtzurücken?!“

Ragnar wusste Entschuldigungen würden nicht ziehen. Und wenn er dem Hühnen auch 10 Dukaten als Entschädigung geben würde, hätte dieser den Hals noch nicht voll. Ragnar hatte sein Vergnügen für heute von dannen geschickt, jetzt war er Wulfs Vergnügen.

Er versuchte nichtsagend dreinzuschauen, als er dem Fleischberg mit Wucht sein Bein zwischen seine schnellen ließ. Er würde dann einfach schnell verschwinden und hätte noch einen guten Schnitt gemacht…

Schade nur, dass dieser wohl mit dieser Art der Problembewältigung bereits Bekanntschaft gemacht hatte. Ragnars Bein prallte gegen eine harte Platte die das Gemächt des anderen, unterhalb des Rockes, umfing.
"Hoch gespielt und nun verloren?!" Die Erkenntnis der Lage durchdrang mehr und mehr den geistigen Met-Vorhang.

Mit einem spitzen Schreckensschrei zog der emporgewachsene Kontrahent zielsicher einen Stachelfäustling aus seiner rückwärtigen Ledertasche. Gleich einer Katze sank dieser gespannt in die Knie, nur um im nächsten Moment empor zu schnellen.
Der Stachelfäustling schnitt durch die Luft und fand ein Ziel, jedoch nicht das beabsichtigte. Ragnar war zur Seite ausgewichen und hatte der stattlich-behandschuhten Faust den Weg zum Hintermann freigegeben. Dieser, aufgeschreckt durch den Spontanschrei Wulfs, schaute überrascht, just in dem Moment des Duckens von Ragnar, in die Richtung seines Ursprungs.
Die knochenhafte Dornenmasse des Hühnen - seine Faust -, traf das Gesicht des bis jetzt vom Met genüsslich-angetrunkenen Seemans.

„Am Anfang war es nur ein sanftes kitzeln, einem streicheln gleich“, dachte sich dieser in seinem Momentrausch, als die volle Wucht in sein Anlitz krachte. Gleich einer Verlangsamung der Zeit wurde dieser vom Boden erhoben und sein Gesicht gen Decke geschickt. Eine Blutfontäne, begünstigt durch die Aufwärtsbewegung von Faust, Körper und Kopf, fand ihre Bogenbewegung und zog diese farbig durch den Raum. Die Anwesenden, zwangsläufig fasziniert durch derlei farbenfrohe Ausbrüche, bildeten Geschwind einen Kreis.

Manch einer hätte vermutet, dass jene sich zurückhalten wollten um zu beobachten, zu schwadronieren oder gar durch die Stadtwache für Ordnung sorgen zu lassen. Weit gefehlt!
Das Schauspiel faszinierte und manch einer suchte sich eine genüßlich-bequeme Lehnposition um mit seinem Nebenmann eine Wette abzuschließen. Andere dagegen, besonders jene die „ungewollt in diese kameradschaftliche Auseinandersetzung hineingezogen wurden“, gönnten sich die eine oder andere kleine Protestaktion…

Die Körperteile flogen durch den Raum (!), wie auch vielartige zweckentfremdete Gegenstände, und suchten sich, was sie kriegen konnten. Die lebhafte Szenerie schwankte durch den sich bewegenden Kronleuchter und manigfaltige Lebenslaute drangen an das Ohr der Zuhörenden und Mitwirkenden…

“Das ist das wahre Leben!“ dachte sich Ragnar freudig erregt. Er hatte es im allgemeinen Tumult vollbracht aus dem Sichtbereich des um sich wütenden Wulfs zu entschwinden. Unter einem Tisch kauernd hatte er sich mit einem vollen Krug Met bewaffnet und konsumierte dessen wärmespendenden Inhalt. Mit jedem weiteren Schluck fühlte er sich unantastbarer …Freudig grinsend stand er schwankend auf und schmetterte dem Nächstbesten das nur leere Tongefäß über den Hinterkopf. Ein Schatten überkam ihn, der Schmerz folgte.

Als sich Ragnar auf dem Boden seiner Situation kurz gewahr wurde, bestand Tare für ihn nur noch aus Wulfs Stiefel, der niederschnellte. Es wurde dunkel…