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 Betreff des Beitrags: Waffenwacht
BeitragVerfasst: 22.04.09, 17:29 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 19.04.09, 11:24
Beiträge: 1
Wie geheißen hatte er sich in dem Turmschrein eingefunden, den man Bellum geweiht hatte. Wie geheißen hatte er seine Waffen, ein generationenverzehrtes Langschwert und einen schartigen Schild vor sich ausgebreitet. Wie geheißen würde er in sich gehen, die Worte derer dadurch ehren, die den Segen des ewiggerechten Feldherrn bereits empfangen hatten und dadurch gleichwohl seinem designierten Herren die unablässige Folgsamkeit beweisen, die zu schwören er seit mehr als einem Leben vorbereitet hatte – so zumindest fühlte es sich an. Und wie er also dort auf den Knien verharrte, empfand er diesen Gedanken keinesfalls als falsch. Das Leben in der bekannten Ferne Galadons, hinter den Nordwinden zum Trotz errichteten Mauern von Ersonts Tal – ein Leben der unbewussten und auch unentschlossenen Vorbereitung auf den Weg, den zu gehen ihn Entbehrungen und Opfer gekostet hatte und noch unzählige Opfer fordern würde.

Er konnte diejenigen verstehen, die ein Leben in Frieden, fernab des Kampfes vorzogen. Fernab dessen was die Essenz der Tapferkeit und des Mutes war, die man nur im Angesicht einer unsäglich widernatürlichen Dunkelheit spüren konnte, die einem widerum den Schweiß der Todesangst auf die Haut als Mahnmal eines ewigwährenden Kampfes trieb – des Kampfes der reinen Seele wider der niederen, instinktgesteuerten, alles verschlingenden Dunkelheit, die sich in die reifen und frischen Seelen all derer einzunisten suchte, die nach nichts weiter als perfektem Frieden strebten. Ein Leben, welches in einer aus der Balance geworfenen Welt stattfinden würde, da die Weltenwaage nur noch mit Lichte beschwert und von der Dunkelheit getilgt, gereinigt, in wundervollsten, goldenen Glanz poliert wurde. Eine Welt, in der Aequitarius Klingenbruchs Vergangenheit niemals möglich gewesen wäre.

Es war genau dieser Umstand, der das tiefe Verständnis für diejenigen hervorrief, die sein Leben nicht führen würden, sondern sich im Scheine der Diener des großen Hochgerechten entwickeln und sonnen würden. Sie waren zugleich Entlohnung, Bestätigung und Grund für den Streiter, diesen Pfad einzuschlagen.

Es brauchte nicht der Gesten und Worte der Ordensbrüder und Schwestern um ihm zu zeigen, dass seine Entscheidung die richtige gewesen ist und doch vermochte alles was er sah und zu hören bekam, in ihm den flammenden Willen zu entfachen, einzig und alleine Bellum zu dienen, obschon er vieles noch diffus und wenig greifbar wahrnahm, aber als allumfassend richtig erkannte. Die ehrwürdige Dienerin Akatris, die ihm das Tor zum Orden aufgetan und ihm auf sein Bitten die Möglichkeit eröffnet hatte, sich vor dem Orden Bellums zu beweisen, vermochte es zu Beginn seiner Andacht noch ihm das Gefühl zu vermitteln, am Ende eines langen Weges gestanden zu haben und nach einer langen Reise endlich in der Lage sein zu können, einen riesigen, aber wundervollen Berg besteigen zu können, von dessen Spitze man auf nicht weniger als eine Zukunft von einzigartiger Schönheit herabblicken konnte.

So hatte er dort verharrt, seinen Gedanken die Möglichkeit gegeben, von selbst die Ruhe zu finden, die nötig sein würde um eine Nacht vor Bellums Angesicht alleine zu verbringen und nur ihm alleine aufzuzeigen, dass er nicht nur oberflächlich, sondern selbst in den Untiefen von Seele und Herz den Dienst am hochgerechten Feldherrn ersehnte. Die Gedanken kreisten um diesen Wunsch, eigene Gedanken, die den eigenen Wunsch umspielten, wie eine Schar frohlockender Kinder, die an einem warmen Tag des Jahres einen Brunnen mit kühlendem Wasser umtanzten, ehe sich eines der Kinder auch in das kühle Nass wagen würde. Es war die erfrischende Vorfreude, die sich im Geist des Streiters breitmachte und die ihn zu nicht weniger als einer tiefen Erkenntnis führen würde, die er selbst bald schon nicht mehr in Händen halten würde. Man konnte den Brunnen umtanzen, konnte sich in dessen Wasser erfrischen und darin baden, doch keinesfalls konnte man den Lauf des Wassers beeinflussen – genauso wenig wie man die göttliche Hand Bellums vorsehen oder darauf Einfluss nehmen konnte, am allerwenigsten er, Aequitarius Klingenbruch, der am Fuße des großen Berges stand, der seinen Weg im Glauben darstellte. Alles was er tun konnte, war sich weiter um diesen Wunsch zu drehen, bis sein Geist nicht mehr von bewussten Gedanken geleitet würde, sondern alles Unbewusste an die Oberfläche hervorzubrechen beginnen würde und sich sein wahres Ich offenbaren würde.

Aequitarius konnte nicht sagen, wann er sich von der Bank gelöst und sich auf die Knie begeben hatte, doch musste es geschehen sein, als sein Wunsch das Tor zu seiner Gedankenwelt offengelegt hatte und sich langsam die Ketten seines alten Lebens im Roste der Vergangenheit zu lösen begannen. Getrieben von der unbewussten Pflicht, war sein Körper dem nachgekommen, was in seiner Vorstellung längst passiert war und was sein aktiver Geist nur vage wahrgenommen hatte: Er war von der Bank auf die Knie hinabgerutscht, sein Langschwert längs vor sich liegend, die Hand auf Griff und Boden aufgestützt, die andere auf Schild und Boden liegend, während der Kopf vor den Reliqiuen des Turmschreines in tiefer Demut gesenkt war. Jegliche weitere Regung war durch seinen Geiste unterbunden worden und im blicklosen Dunkel der geschlossenen Augen, die sonst nichts weiter als die im Scheine des Kohlebeckens liegenden Fliesen gesehen hätten, hatten seine Gedanken zu tanzen aufgehört und das Kinderlachen um den Brunnen war verstummt. Das Wasser hatte zu fließen begonnen, war über die Ränder getreten und hatte seine Welt in einem unwirklichen und hinter selbst der unbewussten Wahrnehmung stattfindenden Sturm überschwemmt. Seine Gedanken gehörten nun dem obersten Schwertmeister, der göttlichen Essenz seines Herrn – und sie würden jede Frage beantworten, die er seiner zu prüfenden Seele auferlegte.

In dieser tiefen Bereitschaft, im tiefen Quell seiner Gedanken verloren und fernab jeglicher Möglichkeit einen Ausgang zu erkennen, den er ohnehin niemals genutzt hätte, schien die Stimme des Schwertmeisters Dalion wie eine perfekte Imitation sein Gehör zu erfüllen. Eine Stimme die nur er hören würde und nur ein Fetzen dessen, was er an diesem Abend gehört hatte, der bald schon zur Nacht geworden war. Eine Nacht, die für ihn keinerlei Dunkelheit barg, sondern nichts außer Erkenntnis und Glaube.

„Lasst eure Vergangenheit ruhen“ waren die weisen Worte, die sich ihm erneut erschlossen und sich gleich einer lupenreinen Erkenntnis um die eigenen erweiterten. Die Vergangenheit würde er nicht ruhen lassen können, wenn er nicht erneut und damit endgültig abgeschlossen hatte. Er würde den Berg ohne Gepäck erklimmen müssen, alle Feindschaften, Traurigkeit, Missgunst und Widerspenstigkeit würde er am Fuße des Berges zurücklassen, allenfalls mit einem kleinen Büchlein und einer Klinge bewaffnet. Einer Klinge, die seinen Glauben in dieses Buch niederzuschreiben in der Lage war. Und so schien es fast, als würde alleine diese Erkenntnis ihn mit Zufriedenheit und Entspannung erfüllen, als sein Geist, gleich einem schweren und tiefen Faustschlag, tiefer in die Welt seiner Erinnerung hinabgerissen ward.

Das geistige Auge des Streiters erkannte die weite Steppe, die trostlose Ebene, die er selbst nie zu Gesicht bekommen hatte, da seine Mutter bereits vor seiner Geburt in die nächste, befestigte Stadt gezogen war. Die weite Ebene um Ersonts End', viel zu nah am Reich der Orken war es, in die er unvermittelt hinabgerissen ward und in der er den kleinen Trupp an Reitern sah, die bald schon die befestigten Tore, die Heimat erreicht haben würden. Drei Reiter, von denen, so wusste Aequitarius schon in diesem Augenblick, von denen nur zwei heimkehren würden, hatten sie doch zwei der widerwärtigen Schwarzpelze übersehen, deren Trupp sie erst kürzlich aufgerieben hatten. Der Situation folgte vollkommen nüchtern Bild um Bild – und beinahe perfide konstruiert wirkte es, wie die Reiter die heranrasende Bedrohung nicht kommen sahen. Keiner bemerkte, wie einer der zwei Versprengten, nach Rache sehnenden, seinen Bogen spannte. Keiner drehte sich um, als der Pfeil des Orken die Sehne des Bogens verließ und als die Spitze des Projektils die Brust des Streiters durchbrochen hatte und selbiger in nichts weiter als Überraschung auf seine Wunde herabblickte, dauerte es noch endlose Augenblicke, bis die Kämpen reagierten. Augenblicke, in denen der Vater der noch unvollständigen Familie Klingenbruch sein Leben ließ und lediglich den Hass auf die Grünhäute vererbte, den er hier gegen etwas neues eintauschen würde. Er erkannte die Augenblicke, in denen er nichts als blinde Rache gewollt hatte – Rache an dem Volk, die ihm einen Teil seiner Familie genommen hatte, Rache an denen die weder Ehre noch Gerechtigkeit verstanden, sondern einzig ihre eigenen, widerlichen Götzen anbeteten – wenn überhaupt.

Der Streiter im Turmschrein spürte sein Herz schneller schlagen, spürte für einen Augenblick den Blutdurst, den er sich über viele Jahre als gottgefällig eingeredet hatte und doch nun zu zweifeln begann. Vor dem Auge seines Herrn knieend, spürte er eine Form der Zustimmung, die jedoch nicht seine Motive billigte, als sähe er auf etwas herab, das hinter einem Schleier verborgen liegt, ein Schleier der die Sicht auf die Wirklichkeit der Dinge noch verbarg. Und so es blanker Hass war, der ihn oftmals in Rede und Tat antrieb, begann sich Aequitarius Klingenbruch schließlich selbst zu fragen, ob er richtig gelegen hatte, denn offenkundig schien etwas in ihm nurmehr seine Ansicht zu missbilligen – zunächst schwach, je stärker er darüber nachdachte, jedoch umso stärker. Waren es doch Kreaturen, die auf zwei Beinen gingen, benahmen sie sich wie Tiere und die Anbetung ihrer Götzen, von denen man sich erzählte, wirkte beinahe wie das Vortäuschen von Intelligenz und Kultur. Sie lebten in falschem Glauben, da sie erwiesenermaßen nicht zu den Vieren beteten, ein Punkt der für den Streiter bislang lediglich den Hass verstärkte, nun aber vollends an dessen Stelle zu treten begann. Hatte er sich im Bestreben, recht und gerecht zu handeln, auf eine Stufe mit den wilden Bestien gestellt, die er so sehr verachtete? Die Frage war für ihn zunächst von einer Naivität geprägt, die es zunächst zu brechen galt, ehe Aequitarius Klingenbruch erkannte, dass nicht Hass und Rache sein Handeln gegen diese Kreaturen antreiben würde, sondern einzig und allein ihr falscher Glaube, der sie zu den widerwärtigsten Taten antrieb. Die aufkeimende Anspannung in seinem Körper hatte sich zu lösen begonnen, wie der Streiter nur vage erkannte und es schien als hätte diese Erkenntnis einen Wasserfall losgebrochen, der sein bisheriges Leben in Etappen, kurzen aber umso kräftiger wirkenden Bildern an ihm vorbeiziehen ließ.

Entbehrungen und Fehltritte, Zweifel und Unentschlossenheit, die mehr und mehr wichen, je stärker er in seinem Leben auf den einen Punkt zusteuerte, an dem er sich nun befand. Ein Nadelöhr, vor dem er nun waffenstarrend kniete und aus dem, gleich des dünnen Halses einer Sanduhr die Geschehnisse seines noch jungen Lebens in den Sand der Zeit hinabflossen, um sich selbst in den tiefen seiner Seele zu vergraben – eine Krypta, die sich als Kabinett der schmerzhaften Lehre nun in seinem innersten verbarg, tief unter der leuchtenden Feste, für die er soeben den Grundstein zu legen begonnen hatte und die irgendwann über seine Vergangenheit hinwegstrahlen würde, auf dass sein jugendliches Ungestüm der Weisheit eines gewachsenen Streiters des hochgerechten Feldherrn weichen sollte. Alle Zweifel waren einer erhabenen Sicherheit gewichen.

Die Nacht, die sich indes wie ein weicher Mantel auf die Insel gelegt hatte, mochte vielleicht ihren Höchststand erreicht haben, die Geräusche der Umgebung dabei auf ein Mindestmaß und lediglich die nötigsten Laute beschränkt, waren Trubel und Treiben der großen Stadt Falkensee beinahe gänzlich verebbt. Lediglich verirrte Seelen, einzelne in Trinkfreude durch die Gassen Taumelnde und jene die ihr Glück im Schatten der Nacht zu suchen gedachten, vermochten sich noch auf den Straßen zu bewegen und schenkten der Stadt den vagen Eindruck, auch hinter dem Frieden der vielen Schlafenden sich etwas Lebendigkeit bewahrt zu haben.

Geschehen, welches fernab der Gedanken des Streiters im Tempel der Viere vor sich ging. Geschehen, welches Aequitarius Klingenbruch nicht einmal wahrgenommen hätte, wenn es sich mit lautem Getöse außerhalb der Tempelmauern abgespielt hätte. Und so ward es erst am nächsten Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen am Horizont heraufgezogen und die ersten Männer und Frauen den Tempel zur Andacht betrachten, dass der Recke Waffe und Schild sorgsam wieder einpackte und den Tempel erschöpft und doch zufrieden verließ.

Zufriedenheit und das Wissen, den richtigen Pfad eingeschlagen zu haben begleiteten den Streiter, als er die Stufen vom Tempel der Viere gen Marktplatz verließ.


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