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 Betreff des Beitrags: Expedition
BeitragVerfasst: 3.05.09, 15:45 
Ehrenbürger
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Prolog:

Nachdenklich sitze ich in meinem Zimmer, die Ausrüstung, die ich mitnehmen werde, vor mir ausgebreitet. Für einen Marsch, wie ich ihn plane, wirkt sie irgendwie fast kläglich. Eine Rüstung aus robustem, aber beweglichem Leder, ein Überwurf mit Kapuze der nicht nur die auch im jetzt eingebrochenen Vitama noch schneidenden Winde über dem Ödland abhalten wird, sondern sich zudem farblich perfekt in dessen grau-braune Einöde einfügt und meine Konturen verwischen. Zwei Dolche als Waffen für den Notfall. Ich habe nicht vor zu kämpfen, und schwerere Waffen werden mich dort eher gefährden als mir helfen. Ein Fernrohr und ein Seil, dazu ein gut gefülltes Bündel mit verschiedenen Heiltränken. Und ein Rucksack mit Proviant und Wasser für mehrere Tage. Die Ausrüstung ist karg und es gibt manches, was ich gerne noch mitnehmen würde. Den Koffer mit Weinflasche, Korkenzieher und Glas zum Beispiel, oder eine schlagkräftigere Waffe, Kleidung zum Wechseln, Seife, Fackeln… aber jeder Stein Gepäck zuviel kann sich als tödlich erweisen, bin ich doch auf Geschicklichkeit und Ausdauer angewiesen, um zu überleben. Sorgfältig lege ich die Rüstung an und verstaue die Ausrüstung. Ein letzter Blick über die Kammer, die über die letzten Monde meine Heimat gewesen war, dann mache ich mich auf den Weg. Zuerst zum Tempel, um dort in stillem Gebet auch die seelische Vorbereitung zu treffen und mit einer Spende das Wohlwollen der Viere zu erbitten, dann zur Palisade, die nach der Zerstörung des Walls die Grenze zum Ödland markiert. Eine Weile verharre ich auf der Brücke, die die Verteidigungsgräben aus dem Dunkeltief überspannt, den kalten, von feinem Staub durchsetzten Ostwind in der Nase, der in der Lunge brennt. Ich denke an die vielen Gelegenheiten, zu denen ich in der Vergangenheit mit ähnlich karger Ausstattung die Zivilisation verlassen hatte. Diesmal bin ich besser vorbereitet, die Ausrüstung von guter Machart und in bestem Zustand, und auch ich selbst bin um einiges erfahrener. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass mir diesmal mehr abverlangt werden wird als je zuvor. Vielleicht sogar zuviel, allein die Gebiete des Ödlands, die ich schon kenne, können es an Lebensfeindlichkeit mit allem aufnehmen, wovon ich auch nur gehört habe. Aber eine Herausforderung ist dafür da, um sie anzunehmen, und man weis es nie, solange man es nicht ausprobiert hat. Ich war bereit, es auszuprobieren.

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freischaffender Schriftsteller & Lebenskünstler
Leitender Redakteur des Siebenwind Boten
ehemaliger Inhaber von "Vitamas Rosengarten"
Feldwebel der Reserve des XIII. Kronregiments
Träger der Leistungsspange ersten Grades


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 Betreff des Beitrags: Re: Expedition
BeitragVerfasst: 3.05.09, 15:50 
Ehrenbürger
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Erster Tag:

2. Trier, drittes Hell – in den Splitterfelsen:
Ich habe Zuflucht in einer Schlucht in den Splitterfelsen gefunden, die nicht von den dortigen Trollen besiedelt wird. Zu meiner großen Überraschung fand ich dort Wasser, das den Tierspuren nach sogar trinkbar ist. Ich habe trotzdem darauf verzichtet, die Verwucherungen und Krankheiten, die man bei den Tieren des Ödlandes immer wieder vorfindet sind Warnung genug. Noch sind meine Vorräte gut bestückt, so dass ich es mir bedenkenlos leisten kann. Das Tal ist verblüffend friedlich, an den vereinzelten Quellen finden sich sogar einige gesund wirkende, grüne Pflanzen. Nur der See mit dem Wasserfall am süd-östlichen Ende erscheint mir bedenklich, die Pflanzen dort wirken entweder dornig oder seltsam schleimig.
Ich habe beschlossen, nur im Dunkeln zu wandern und die Hellzyklen zum Rasten zu nutzen. Keine gute Zeit im Ödland, aber auch hier sind die meisten Kreaturen zum guten Teil auf ihre Sicht angewiesen, und so ist es im Dunkeln wesentlich einfacher, ihnen auszuweichen. Der Geruchsinn der Tiere hier scheint zum Glück weit weniger ausgeprägt als der ihrer Artgenossen im Grünland, was bei der Luft hier aber auch kein Wunder ist.
Das Tal, in dem ich mein Lager aufgeschlagen habe, schützt mich den Vieren sei dank vor dem Wind, aber draußen auf der Ebene ist er ein immer währender Begleiter, der einem jede Wärme zu entreißen scheint und Lunge, Augen und Hals mit brennendem Staub füllt. Es ist hart, die Disziplin zu wahren, nicht mehr zu trinken als nötig.
Ich habe den ersten Dunkelzyklus meiner Reise genutzt, um die Schluchten des Splitterfelsens zu erkunden. Diese bilden ein wirres Geflecht durch den Felsen, in dem man nur zu rasch die Orientierung verliert, zumal die einzelnen Schluchten durch teilweise völlig willkürlich anmutende Stollen miteinander verbunden sind. Vermutlich wurden diese von den Trollen angelegt, die die Berge immer noch in kleinen Familien besiedeln. Zwei bewohnte Siedlungen von ihnen konnte ich entdecken und eine Weile beobachten, drei weitere fand ich verlassen. Und ebenso fand ich den Beweis dafür, dass es eine gute Entscheidung war, mich eher auf Verstohlenheit als auf Gewalt zu verlassen. Am Eingang einer Schlucht fand ich einen Satz Plattenbeinlinge liegen… mit den verwesten Beinen immer noch darin. Der zerfetzte Körper lag ein Stück dahinter, der Kopf, immer noch im Helm, war ein gutes Stück weiter gerollt. Mit wem oder was dieser unglückliche Krieger aneinander geraten sein mochte, Rüstung und Waffen hatten ihm offensichtlich nichts geholfen. Ich kann nur hoffen, dass es mir gelingt, ein solches Aneinandergeraten gänzlich zu vermeiden.
Ich werde jetzt noch den Rest des Hellzyklus ausruhen und mich dann wieder auf den weg machen, weiter nach Osten, wo einst der Haupthafen Siebenwinds, Tiefenbach, gelegen haben soll, bevor das Meer ihn während der Skelettkriege verschlang.

2. Trier, Viertes Hell – verlassenes Nortravenlager:
Bisher hatte ich es nur gehofft, aber jetzt weis ich es mit Gewissheit: Die Viere begleiten mich auf dieser Expedition. Gerade als ich dachte, nicht mehr weiter zu können und den Hellzyklus im ärmlichen Schutz einiger verkrüppelter Büsche verbringen zu müssen, die hier zusammen mit abgestorbenen Bäumen die Ebene bedecken, stolpere ich regelrecht über ein verlassenes befestigtes Lager, in dem ich Zuflucht finde. Dies muss der Ort sein, an dem die Nortraven vor einigen Monden einen Brückenkopf im Ödland gebildet haben, die schreinartige Stele mit dem Runenschwert spricht ebenso dafür wie einige andere Anzeichen. Und wer hätte hier auch sonst ein solches Lager anlegen sollen? Nicht nur das, ich habe sogar eine beachtliche Menge eingelagerter Vorräte gefunden, entweder wollen sie irgendwann wiederkommen, oder sie haben dieses Lager tatsächlich als Zuflucht für erschöpfte Wanderer wie mich zurückgelassen. Ungeachtet dieser Frage habe ich die reichlichen Vorräte genutzt, um meine eigenen Bestände etwas aufzufüllen und mich, vor allem, endlich wieder wirklich satt zu trinken. Ich hoffe, die Nordleute werden es mir verzeihen.
Auf dem Weg musste ich immer wieder Goblins und untoten Skeletten ausweichen, die gemeinsam dieses Gebiet zu besiedeln scheinen und ständige Wachsamkeit erfordern. Viel belastender aber ist der ewige Wind, der an den Nerven zehrt und mich regelrecht austrocknet. Immer wieder glaube ich, Stimmen darin zu erkennen, verlorene Seelen, die in einer mir unbekannten Sprache ihr Schicksal beklagen. Manchmal klingt er fast lockend, manchmal heimtückisch sanft, nur um einem dann mit einer plötzlichen Böe zersplittertes Dornengestrüpp ins Gesicht zu schleudern. Ich bin dankbar für den Fellüberwurf und die robuste Kapuze, die mich vor dem Schlimmsten schützen, aber auch so ist es noch schlimm genug.
Bei der letzten Etappe hat sich mir das Ödland von seiner finsteren und heimtückischen Seite gezeigt, und ich danke den Vieren, dass ich ihm nicht zum Opfer gefallen bin. Auf dem Weg nach Osten hatte ich einen alten Friedhof erreicht, vermutlich den des untergegangenen Tiefenbachs, der inmitten prächtig grünen Grases und eines geradezu unnatürlichen Friedens mitten in der Verwüstung dalag. Mein erster Gedanke war Freude darüber, dass der geweihte Boden Morsans offenbar sogar dem verfluchten Ödland trotzen kann, doch tief in meinem Inneren regten sich Zweifel, die mich zögern ließen. Zu meinem Glück, gab dieses Zögern meiner Erinnerung doch Zeit, mich auf einige Dinge aufmerksam zu machen, von denen ich gehört hatte. So erinnerte ich mich, dass Berichten aus dem Botenarchiv zu folge der Friedhof selbst zu den Glanzzeiten Tiefenbachs bereits für seine Untoten berüchtigt war, etwas was mit der Invasion durch die Skeletthorden gewiss nicht besser geworden war. Dazu kamen verschiedene Berichte von Expeditionen zu diesem Friedhof, in denen von Untoten, teilweise sogar von Dämonen die Rede war. So öffnete ich das Tor mit aller Vorsicht und betrat den Friedhof ebenso wachsam. Und die Zweifel erwiesen sich als mehr als begründet, denn kaum hatte ich den Fuß durch das Tor gesetzt, fiel es quietschend hinter mir wieder zu, das Bild des friedlichen Morsansackers zerfledderte vor mir wie dünnes Tuch im Sturm und gab den Blick auf einen völlig anderen Ort frei. Das Gras war verschwunden, der verbrannte Boden von Blutlachen bedeckt und überall stieben Flammensäulen in den düsteren Himmel. Und zwischen all dem tummelten sich unzählige Skelette, die sich sofort mit einem unnatürlichen Kreischen auf mich stürzten. Alleine meinen guten Reflexen und der Tatsache, dass ich beim durchschreiten des Tores auf alles gefasst war, ist es wohl zu verdanken, dass ich den ersten Schlägen reflexartig ausweichen konnte. Im nächsten Moment hatte ich meine Dolche in der Hand, klägliche Waffen, aber von geübter Hand geführt im Kreuzblock durchaus geeignet auch den Hieb eines Säbels oder Schwertes abzuwehren. Trotzdem kam ein Kampf nicht in Frage, und ich rief mit einem Stoßgebet die Viere an, dass das Tor wirklich nur zugefallen und nicht verschlossen war. Mein Gebet wurde erhört, und so gelang es mir im letzten Moment, den grausigen Ort wieder zu verlassen, kurz bevor sich der Kreis der Untoten gänzlich um mich schließen konnte. Im selben Moment war der Spuk vorbei, und der Friedhof lag wieder in trügerischem Frieden vor mir.
Dankbar, dieser Falle mit nicht mehr als einem hässlichen, aber harmlosen Schnitt am Arm entkommen zu sein, machte ich mich nach einer kurzen Verbandpause weiter auf den Weg nach Osten. Goblins waren hier kaum noch anzutreffen, dafür bekamen die Skelette Gesellschaft von untoten Ogern und Trollen. Von fern sah ich eine Spinnenbeinige Kreatur, die etwa den Beschreibungen von Schwarmspinnen entsprach. Scheinbar ist diese Plage auch noch nicht völlig ausgemerzt. Trotzdem gelang es mir, mich ohne weitere Konfrontationen bis zum Meer vorzuarbeiten, wo mich der nächste Schock erwartete. Im Ödland ist der Anblick von Leichen in den verschiedensten Phasen des Zerfalls kaum zu vermeiden, und man gewöhnt sich irgendwann daran, so dass man sie kaum noch bemerkt, solange sie nicht aufrecht stehen und versuchen, einen umzubringen. Was ich hier allerdings vorfand übertraf dies deutlich, hier war eindeutig ein Ort für finstere Rituale. Verschiedene Folterinstrumente waren auf einer Landzunge abgestellt, neben Metallkäfigen, in denen noch die Reste unglücklicher Gefangener festgekettet hingen. Und in der Mitte von all dem ein riesiges Pentagramm, das mit Blut auf den Boden gezeichnet worden war. Die Viere mögen wissen, wie viele Opfer ihr Blut geben mussten, um den staubigen Untergrund genug zu tränken, um diese Form zu bilden. Vom Grausen erfüllt wandte ich mich ab und erlebte sofort die nächste Überraschung. Inmitten dieser Verwüstung, der leblosen Einöde, unbeeinflusst von Wind und Staub blühte an der Küste ein einzelnes Löwenmäulchen, dessen gelbe Blüte sich hell scheinend von der Umgebung abhob. Benommen kniete ich mich davor um dieses Wunder zu betrachten. Tatsächlich, es war eine einfache Blume, keine Illusion, nicht dämonisch verdorben oder auf andere Art pervertiert… nur der leuchtende Beweis dafür, dass das Leben selbst an den unwirtlichsten Orten, ja sogar inmitten der Einöde des Ungenannten selbst, Fuß zu fassen vermag, und kein Elend von Dauer ist. So unbedeutend eine Blume einem oft erscheinen mag, gab sie mir hier an diesem Ort doch Kraft, meinen Weg fortzusetzen und dem Ödland weiter zu trotzen, so dass ich gerade beim Einbruch der Dämmerung das verlassene Nortravenlager fand, in dem ich gerade diese Zeilen schreibe.

2. Trier, Ende des viertel Hells – verlassenes Nortravenlager:
Nachdem ich den Schnitt am Arm noch einmal mit frischem Wasser versorgt und etwas gerastet habe, habe ich den Stand erkundet. Die Untoten scheinen sich im Licht Felas nicht auf den offenen Strand hinauszuwagen, so dass mir das Risiko nicht zu groß erschien. Weiter südlich am Stand fand ich die Überreste mehrerer gestrandeter Schiffe. Scheinbar hatten einige der Schiffbrüchigen das Unglück überlegt, denn ich fand einige aus den Trümmern der Schiffe gefertigte Verschläge, die mit Planken und Balken provisorisch verbarrikadiert waren. Den Leichen nach zu urteilen wurden die Unglücklichen zuletzt aber doch Opfer des Ödlandes, so dass wohl im Verborgenen bleiben wird, was hier geschah. Fela nähert sich wieder dem Horizont, so dass ich mich für meine nächste Etappe vorbereite, die mich südlich des Splitterfelsens wieder nach Westen führen soll. In der Dämmerung ist ein rötliches Schimmern aus dieser Richtung zu sehen wie von einer großen Esse oder Eisenschmelze, dem will ich nachgehen.

2. Trier, fünftes Hell – irgendwo östlich der Ruinen Finsterwangens:
Diesmal waren mir die Viere nicht so gnädig, in der ganzen Region war kein sicherer Lagerplatz zu finden. Ein breiter, von einigen Büschen halbwegs verdeckter Spalt im Gebirge östlich von Finsterwangen bietet mir kläglichen Schutz, an echte Rast ist hier nicht zu denken. Ich will den Bericht des vergangenen Dunkels daher möglichst kurz fassen. Der Lichtschein, dem ich nachgegangen war, hat sich als Vulkan herausgestellt, der sich als abgeflachter Kegel umgeben von Felsnadeln und Lavaseen aus der Ebene erhebt. Ein spiralförmiger Pfad windet sich den Kegel hinauf, von wem und zu welchem Zweck er angelegt wurde ist mir ein Rätsel. Teilweise ist der Pfad durch Lavarinnen unterbrochen, aber unter Ausnutzung der teilweise sehr großen Höhlen im porösen Lavagestein und mit etwas Kletterei ist die Spitze dennoch erreichbar. Dort liegt in unerträglicher Hitze ein Lavasee, der sich über die Ränder des Kraters ergießt. Zeichen von Besiedlung waren nicht zu finden, dennoch wirkt der Pfad, als würde er regelmäßig genutzt. Vielleicht von den Trollen, die mir hier in der Nähe der Splitterfelsen wieder begegneten, womöglich ist es ein heiliger Ort für sie, wer versteht schon die Trolle?
Südlich des Vulkankegels erstreckt sich ein See, dessen Wasser weitgehend klar wirkt, dem ich aber dennoch nicht traue. An seinem Ostende zeigte sich wieder einer der besonderen Orte, von denen das Ödland voll zu sein scheint. Inmitten eines Tümpels aus Blut fand ich einen Pfahl eingerammt, an den ein noch teilweise mit Fleisch bedecktes Skelett gekettet war, welches zusätzlich noch mit ein Speer aus dunklem Metall am Pfahl festgenagelt war. Um den Pfahl herum durchstießen die Spitzen von Obsidiansplittern das Blut, die die Ecken eines Fünfeckes bildeten, und über allem lag ein seltsames glitzern als würde mächtige Magie wirken. Die Viere mögen wissen, wer hier gefoltert oder gebannt wurde.
Am Nordufer des Sees fand ich womöglich eine Erklärung dafür, dass der Insel während der Invasion scheinbar keinerlei Unterstützung vom Festland zu teil wurde. Dort liegen die zerfallenen Überreste eines vollständigen Heerlagers für eine Armee von gewiss mehreren hundert Mann. Zelte mit zerfleddertem Tuch, Trosswagen mit zerbrochenen Achsen und im Wind flatternder Plane, Waffen, Versorgungskisten, Reste von Palisaden… aber für all das hatte ich kaum ein Auge. Am Rand des Lagers liegt eine große Grube gefüllt mit Glut, von der der bestialische Gestank verbrennenden Fleisches ausging. Skelette erschienen gelegentlich, um Leichen von einem großen Haufen in diese Grube zu werfen. Dahinter lagen Käfige und Pfähle, teilweise mit den Überresten der dort angeketteten Gefangenen. Und dahinter das schrecklichste von allem, eine Grube von der Fläche eines Hauses, über und über gefüllt mit Menschenknochen, aus der immer wieder einzelne Skelette emporkletterten und sich denen anschlossen, die bereits im Lager herumwankten. Ich konnte das Lager nicht durchsuchen, aber möglicherweise sind das die Überreste einer Entsatzarmee vom Festland, die ohne Wissen der Verteidiger in Brandenstein hier angelandet war und aufgerieben wurde. Möglicherweise gehören auch die Schiffswracks am Strand zu diesem Landungsunternehmen, aber um dies zu prüfen ist wohl eine kampfstarke Truppe erforderlich, die sich einen Weg durch die Skeletthorden bahnen kann, um das Lager selbst zu untersuchen und nach Spuren zu suchen.
Etwas im nord-westen des Lagers liegt ein weiterer Friedhof, ebenfalls ein grüner Fleck im Ödland. Dieser ist allerdings keine Falle wie derjenige von Tiefenbach. Nicht, weil er ungefährlich wäre, sondern weil hier die Untoten für jeden sichtbar zwischen den Gräbern umgehen.
Noch weiter im Westen, wieder an der Falkenseer Bucht, stieß ich auf die verbrannten Überreste einer Hafenanlage, vermutlicherweise von Finsterwangen. Südlich davon erstreckt sich dann auch die Ruine Finsterwangens selbst, von denen nur noch die verwüsteten Reste des hölzernen Stadtwalls zu erkennen sind. Aber auch hier ist nicht alles, wie es den Anschein hat, denn beim Untersuchen der Ruinen flackerte plötzlich die Umgebung und ich fand mich inmitten der brennenden Ruinen der Stadt wieder. Völlig ausgestorben lagen die Trümmer da, das Flackern der Feuer die einzige Bewegung. Ich durchquerte die Siedlung bis zur alten Burg, die ebenfalls brennend in Ruinen lag. Als ich mich umwandte erfasste mich aber trotz der Abhärtung der letzten Zyklen ein weiteres Mal das Grauen. Nicht nur der Ort hatte sich verändert, auch die Umgebung. Wo vorher die Falkenseer Bucht und die Ebene des Ödlandes lagen war nun nur noch ein endloses Meer aus Blut, aus dem der Finsterwanger Berg wie eine Insel herausragte. In der Hoffnung, wieder eine Illusion oder sonstige Täuschung zu erleben trat ich den Rückzug an und fand mich tatsächlich, als ich eine weile an der Küste des Blutmeeres entlang gegangen war, mitten im Ödland vor den Toren Finsterwangens wieder.

2. Trier, fünftes Dunkel? – eine Lichtung östlich einer Baumhaussiedlung:
Das Ödland zehrt mehr und mehr an meinen Nerven. Ich bin erst ein paar Zyklen hier und doch fällt es mir schon schwer, mich noch an die Lichter Falkensees oder die Wälder des Grünlandes zu erinnern. Der ewige Wind, der Staub und die verkrüppelten Büsche und Bäume erfüllen das ganze Denken. Dazu kommt seit einiger Zeit noch eine undurchdringliche Dunkelheit. Der Dunkelzyklus müsste längst vorbei sein, und doch ist es immer noch so dunkel wie in einer bewölkten Nacht ohne Monde. Ich bin das Bewegen im dunkeln gewohnt, und doch wäre es mir mehr als einmal fast passiert, mit offenen Augen gegen einen Baum zu rennen. Es ist, als wäre ein Leichentuch über das Land gebreitet, dass alles Licht aussperrt und nur kaum merkliche Abstufungen der allgegenwärtigen Schwärze erlaubt. Zu meinem Erstaunen habe ich mitten in dieser Einöde einen vielleicht ein halbes Dutzend Schritt durchmessenden Fleck gesunden Grases gefunden, erleuchtet von einer einzigen Kerze, deren Licht hier im Dunkel aber doch so hell wirkt wie der strahlende Schein Felas selbst. Sogar Blumen wachsen hier. Mitten auf der Lichtung ruht eine Kriegsaxt im Gras, dahinter ein verwitterter Stein. Fast wirkt es, als wäre hier das Grab eines längst vergessenen Heroen der alten Sagen, dessen Macht selbst im Tod noch groß genug ist, um das Verderben fern zu halten.
Ein stück weiter im Westen befinden sich die Ruinen einer Baumhaussiedlung, das trotz seiner völligen Verwüstung noch einen schwachen Hauch ehemaliger Schönheit und Harmonie wiederspriegelt. Einige Ornamentreste, die ich fand, machen einen elfischen Eindruck, so dass ich vermute, dass es einst einmal eine Siedlung des elfischen Waldvolkes war. Welches Schicksal das Dort und seine Bewohner ereilt haben mag ist nicht mehr erkennbar, aber es wird wohl auch im Zuge der Skelettkriege verwüstet worden sein. Untote oder sonstige Gefahren traf ich in seiner Umgebung nicht an, dafür aber Stelle, an der ein purpurnes Glimmen wie ein Riss in der Finsternis hing, um das ich einen weiten Bogen machte. Ich weis nicht, wie spät es ist, aber ich weis, dass ich eine Rast brauche, also überantworte ich mein Schicksal derjenigen Macht welche auch immer diese Lichtung zu beschützen vermag, und ruhe mich aus.

2. Trier, siebtes Dunkel? – eine Lichtung östlich einer Baumhaussiedlung:
Ich weis nicht, wie lange ich geschlafen habe, es ist immer noch unverändert dunkel. Dem Gefühl nach mögen es knapp zwei Zyklen gewesen sein, aber was ist das Gefühl hier schon wert? Ich bin in der Zeit nicht belästigt worden und fühle mich verblüffend ausgeruht. Diese Lichtung scheint tatsächlich eine Insel des Friedens inmitten der Staubwüste zu sein, selbst der Wind ist hier nicht so schneidend und nervenzerreißend. Trotzdem kann ich hier nicht bleiben, also werde ich jetzt noch etwas essen und mich dann wieder auf den Weg machen, den Meeresarm entlang, der sich nördlich der Lichtung ins Landesinnere erstreckt.

2. Trier, achtes Hell? – eine Ruinenstadt im Gebirge:
Der Meeresarm hat mich wieder zum Gebirge zurück geführt, dass sich zwischen hier und dem Strand im Norden erstreckt. An einer Stelle fand ich die Überreste einer Brücke nach Norden, die aber nicht mehr passierbar waren. Kaum mehr als ein paar morsche Taue führen hier noch über das Wasser. Auf halber Strecke nach Westen erstreckt sich vor dem Gebirge ein See, immer noch im Dunkeln und wieder von Goblins, untoten Ogern und Trollen sowie Skeletten bedrängt, die das Gebiet wieder unsicher machten, kaum dass ich den Bereich der Elfenruinen verließ. Nach einiger Zeit traf ich wieder auf den Fluss, der sich aus dem Gebirge im Norden schnurgerade nach Süden bis ins Meer erstreckt und den ich auf dem Hinweg auf einer baufälligen Brücke überquert hatte. Auf der Suche nach dieser Brücke stoße ich auf ein über den Fluss gespanntes Seil in guten Zustand. Wer auch immer es hier gespannt haben mag, hat keine Spuren hinterlassen, die im Dunkeln erkennbar wären, mir dient es jedoch als willkommener Übergang. Weiter dem Bergverlauf folgend stieß ich in einem Taleinschnitt auf weitere Spuren der Diener des Ungenannten. Am Ende des Tals fand ich eine Art Schrein mit zwei schwarzen Steintafeln, in die ein blutrotes, übelkeitserregendes Symbol eingelassen war. Auf einem Steinpodest davor war ein steinerner Thronsessel und auf einem Steintisch dazwischen lag eine schwarze Peitsche bereit – zu welchem Zweck wage ich mich nicht zu fragen. Das ganze Gebiet war bedeckt mit Knochen und an einer Bergflanke fand ich einen ganzen Hügel aus aufgehäuften Menschenschädeln.
Der weitere Weg führte mich endlich aus dieser namenlosen Dunkelheit heraus und ich merkte, dass Fela hell am Himmel stand. Hinter mir dagegen befand sich das Land in Finsternis, als würde eine unsichtbare Wolke jedes Licht abhalten. Auf der Suche nach Schutz fand ich in einem Seitental einen verwitterten Pfad, der mich ins Gebirge führte. Dort traf ich auf die Überreste einer weiteren Siedlung, eine regelrechte Stadt, teilweise auf dem Berg, teilweise in den Berg hineingearbeitet und von verwinkelten Pfaden durchzogen. Der Machart wohl ein Werk der Zwerge, wie auch eine Reihe verschütteter Stolleneingänge vermuten lassen. Da aber von kaum einem Gebäude mehr als nur die Grundmauern erhalten geblieben sind, wage ich kein abschließendes Urteil darüber zu fällen. Der beeindruckendste Ort den ich in den Ruinen vorfand war ein Pfad, der mich hoch über einen See führte, und an dessen Ende ein gutes Dutzend Glasplatten sich frei in der Luft schwebend über den See hinaus aneinander reihten. Auf der Letzten von ihnen sah ich eine Art verwittertem Grabstein, dessen Beschriftung ich allerdings aus der Ferne nicht entziffern konnte. Und was immer es war, was die Glasplatten über die Jahre hinweg dort gehalten hatte, wollte ich ihm doch nicht mein Leben anvertrauen, nur um genauer nachzusehen.
Ich habe in den Ruinen keine Gefahren gefunden, bis auf einen abgemagerten Wolf, der mir allerdings von sich aus vorsichtig auswich. Ich werde hier bis zum Einbruch des Dunkels rasten, um mich dann wieder nach Norden auf zu machen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Expedition
BeitragVerfasst: 4.05.09, 19:50 
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Zweiter Tag:

3. Trier, viertes Hell? – ein Tal in den Splitterfelsen
Den Vieren sei es gedankt, ich habe es bis in das Quelltal in den Splitterfelsen geschafft. Diesen Dunkelzyklus werde ich nie vergessen. Diesmal waren es keine Ödlandkreaturen sondern das Ödland selbst, dass mir ans Leben wollte. War das Heulen und Klagen des Windes schon die ganze Zeit mein stetiger Begleiter frischte der Wind gegen Mitte des Dunkels zu einem wahren Orkan auf. Im wilden Wirbeln des vom Wind vorangepeitschten Staubes war kaum noch die eigene Hand zu erkennen, so dass es fast schon ein Wunder ist, dass ich die Richtung nicht verloren habe. Mein ganzes Gesicht ist zerkratzt von den Splittern und Steinen, die im Sturm mitgerissen wurden, und das Heulen klang als wären alle Dämonen der Höllen freigelassen worden und würden sich austoben. Ich habe Berichte von den Sandstürmen in der Wüste Endophals gehört, und was ich erlebte kam diesen nahe. Der Staub wurde mir regelrecht in die Lunge gepresst und drohte mich zu ersticken. Trinken hatte keinen Sinn, weil sich sofort mein ganzer Mund mit Staub füllte. Die Augen musste ich fast völlig geschlossen halten und mir weitgehend blind den Weg ertasten. Irgendwann ging ich einfach nur noch mechanisch weiter, während der Sturm teilweise armdicke Zweige mit spannlangen Dornen an mir vorbei schleuderte. Mit letzter Kraft erreichte ich den Schutz der Splitterfelsen und schleppte mich in das geschützte Tal, dass ich zu Beginn meiner Expedition gefunden hatte, wo ich fast sofort zusammenbrach.
Inzwischen habe ich mich wieder einigermaßen erholt, das Tal erscheint mir nach den Erlebnissen der letzten Tage fast schon so vertraut und sicher wie ein zuhause. Der Wind ist hier kaum mehr als ein fernes Winseln und das grüne Gras und das Plätschern des Wassers erfrischen Auge und Ohr. Ich musste feststellen, dass meine Wasservorräte im Sturm stark zuneige gegangen sind. Scheinbar habe ich nach der Ankunft im Tal fast einen ganzen Wasserschlauch geleert, ohne mich auch nur noch daran erinnern zu können. Noch habe ich zwar Vorräte, aber ich habe trotzdem beschlossen, einen leeren Schlauch mit Quellwasser aus dem Tal zu füllen. Ich werde versuchen, es zu vermeiden, ihn nutzen zu müssen, aber sicher ist sicher. Und abgesehen davon mag es sinnvoll sein, wenn nach meiner Rückkehr ein Alchemist einen Blick darauf wirft. Die Kenntnis einer sauberen Trinkwasserquelle im Ödland könnte nützlich sein, ebenso wie das Wissen darum, dass eine scheinbar saubere Quelle doch gefährlicher ist als sie wirkt.

3. Trier, sechstes Hell? – ein Tal in den Splitterfelsen
Irgend etwas seltsames geht vor. Die Trolle sind unruhig und in einem Maße wachsam, das es mir bisher unmöglich gemacht hat, meine Zuflucht wieder zu verlassen. Irgend etwas scheint in der Luft zu liegen, aber ich weis nicht was. Ich habe mir eine etwas verstecktere Nische gesucht, da einzelne Trollgruppen inzwischen auch hier im Tal aufgetaucht sind. Sie bleiben nie lange, es scheint sich eher um Patrouillen zu handeln. Wonach sie suchen ist mir nicht klar, ich glaube nicht, dass sie ahnen, dass ich hier bin. Aber irgend etwas sagt mir, dass was immer auch die Trolle so aufregt, auch für mich Grund zur erhöhten Wachsamkeit sein sollte. Ganz abgesehen davon natürlich, dass es mir kaum gut ergehen dürfte, wenn die Trolle hier über mich stolpern. So bleibe ich also wo ich bin. Ich würde zwar wohl mit etwas Mühe unbemerkt aus dem Tal komme, aber es wäre ein hohes Risiko. Zudem hoffe ich, mehr über die Gründe für das seltsame verhalten der Trolle herauszufinden, wenn ich länger bleiben.

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 Betreff des Beitrags: Re: Expedition
BeitragVerfasst: 5.05.09, 15:38 
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Dritter Tag

4. Trier, drittes Hell? – im Trümmerfeld westlich der Ruinen von Rohehafen
Neugierde ist eine wichtige Eigenschaft, drängt sie uns doch dazu, immer Neues zu lernen und unsere Erfahrungen zu erweitern. Aber manchmal kann Neugierde auch tödlich sein.
Im Laufe der letzten Zyklen wurden die Trolle immer unruhiger, als ahnten sie etwas. Ich konnte einen von ihnen dabei beobachten, wie er langsame, ritualartige Bewegungen vollführte und dabei Knochen, eigentümlich geformte Holzstücke und bestimmte Steine sorgfältig an scheinbar genau ausgewählten Stellen ablegte. Fast erinnerte es an die Rituale unserer Magier, wenn auch auf eine um vieles primitivere Art. Gegen Beginn des zweiten Dunkelzyklus zeigte sich dann, wie begründet die Sorgen der Trolle gewesen waren. Ein ganzes Rudel Augendämonen kam über den Kamm des Berges geschwebt. Ich konnte selbst im Dunkeln fast ein halbes Dutzend zählen, aber es waren gewiss mehr. Sofort entbrannte ein heftiger Kampf zwischen Dämonen und Trollen, bei dem die Dämonen durch ihre Magie zuerst überlegen wirkten. Doch rasch zeigte sich, dass die Trolle, so sie einer der widernatürlichen Kreaturen einmal habhaft geworden waren, diese mit wenigen Axthieben von Tares Antlitz tilgten oder sie sogar teilweise mit schierer Kraft regelrecht zerrissen. So neigte sich der Kampf immer mehr zu Gunsten der Trolle, auch wenn von diesen manch einer schwer verwundet oder gar getötet wurde. Den Ausgang des Gefechts konnte ich nicht verfolgen, da dieses sich zunehmend in meine Richtung bewegte, und ich so gezwungen war, meine Beobachtung abzubrechen.
Wieder in meinem Tal zurück musste ich feststellen, dass dieses ebenfalls nicht mehr sicher war. Zu meinem Glück sah ich die beiden Dämonen, die träge durch die Schlucht schwebten, bevor sie mich bemerkten. So gelang es mir, mich gerade noch rechtzeitig zum südlichen Ende der Schlucht zurückzuziehen und dort durch eine Grotte zu entkommen. Diese führte mich zu meiner Überraschung nicht in ein anderes Tal, sondern zur nördlichen Flanke der Splitterfelsen und der Ebene des Ödlandes.
Im Schutz des noch anhaltenden Dunkels machte ich mich auf den Weg weiter nach norden, wobei aber die gut erhaltene Ruine eines kleinen Steinbaus am Fuß der Splitterfelsen meine Aufmerksamkeit auf sich zog. In diesem bot sich ein seltsames Bild. Auf fünf fast kreisartig angeordneten Säulen befand sich je eine Kugel, in unterschiedlichen Farbe und jede mit einem anderen Gegenstand darin gefangen. Es gab eine blassblaue Kugel mit eingeschlossenem Buch, eine grüne mit einem Nest, eine dunkelgraue mit einer Sanduhr, eine rote mit einem Schwert und zuletzt eine schwarze mit einem Pentagramm. Alle fünf Kugeln waren zerbrochen, und in der Mitte des Rings, auf einer weiteren Säule, befand sich ein pulsierender, leuchtender Stein. Fraglos standen vier der Kugeln für Astrael, Vitama, Morsan und Bellum, aber die Symbolik der zerbrochenen Kugel jagte mir einen Schauer über den Rücken. Über die Bedeutung der schwarzen Kugel mit dem Pentagramm wage ich nicht einmal zu spekulieren, ebenso wenig wie über die des Steines in der Mitte.
Im Moment habe ich eine halbwegs sichere Zuflucht in der zerklüfteten Region zwischen Grünland und den Ruinen von Rohehafen gefunden, wo ich das nächste Dunkel abwarten werde.

4. Trier, Ende fünftes Dunkel? – südlich einer Siedlung in der nördlichen Wüste
Im zerklüfteten Gebiet vor dem ehemaligen Wall fanden sich einige Zugänge zu den Höhlen der Sammler, zudem eine Reihe schwarzer Steingruppen mit Rätselsprüchen, wie sie auch sonst verstreut im Ödland zu finden sind. Außerdem fielen mir viergeteilte, sicher zehn Schritt hohe und von Totenschädeln gekrönte schwarze Stelen auf, von denen ich mehrere vorfand. Sonst zeigte sich die Region zerklüftet aber weitgehend unauffällig, was daran liegen mag, dass sie wohl der am besten erkundete Bereich des Ödlands ist. Weiter im Norden schließt sich an dieses Gebiet eine eigentümliche Wüste an. Im Gegensatz zu den Wüsten des Südens ist es hier nicht im geringsten Wärmer. Der gleiche trockene und nervenzehrende Wind wie überall im Ödland weht hier ungehemmt und trägt Sand und Staub mit sich, die Sicht und Atem nehmen. Der Boden ist von einem gräulichen Sand, versetzt mit kleinen Steinen, die ständige Aufmerksamkeit erfordern, will man nicht stolpern und sich den Fuß verdrehen oder gar ganz brechen. Über dem ganzen Gebiet kreisen Harpyen wie Geier, bereit, sich auf ein unvorsichtiges Opfer zu stürzen, und am Bergrücken, der die Wüste nach Norden und Westen abgrenzt, sowie auf Felsen im Inneren markieren Knochenhaufen und vereinzelte Federn so etwas wie Nester.
Verschiedentlich gibt es Ruinen, die einen kärglichen Schutz bieten, wenn sie nicht gerade von Untoten heimgesucht werden – in einer davon habe ich den letzten Hellzyklus verbracht, zu beschäftigt mit Wachen um meine Notizen weiterführen zu können. Einige Seen gibt es auch, allerdings sind diese nicht mit Wasser sondern mit scheinbar zähflüssigen, blutartigen Flüssigkeit gefüllt, was die Wüste um keinen Deut einladender macht. Meine größte Überraschung war dagegen eine durch ein grob aber massiv gemauertes Tor verschlossenes Tal im Norden der Wüste, in dessen Schutz scheinbar eine bewohnte und lebendige Siedlung liegt. Möglicherweise handelt es sich dabei um Radak, eine Siedlung von Gesetzlosen und zwielichtigen Gestalten, das gerüchteweise irgendwo im Ödland liegen soll. Ich werde meine Aufzeichnungen hier verstecken, bevor ich mich genauer umsehe. Falls es tatsächlich Radak ist, möchte ich nicht herausfinden, wie man dort auf jemanden reagiert, der durch die Straßen schlendert und sich Notizen macht…

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 Betreff des Beitrags: Re: Expedition
BeitragVerfasst: 6.05.09, 20:55 
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Vierter Tag

5. Trier, Ende sechstes Hell – südlich Radak
Bei der Siedlung handelt es sich tatsächlich um Radak. Die Siedlung macht einen verblüffend einladenden Eindruck, wenn man sich nicht von der düsteren und zwielichten Atmosphäre einschüchtern lässt. Gebäude aus grobem Bruchstein schmiegen sich an die Hänge des Tals, der ganze Ort ist verwinkelt und unübersichtlich, und überall zeigen sich die Spuren von rustikalem Leben. An Wasser mangelt es nicht, es gibt einen Brunnen und einen großen Teich, der wohl von einer unterirdischen Quelle gespeist wird. Auch der Wind, der einem in der Ebene das Leben zur Hölle machen kann, ist hier nur ein fernes Säuseln, dass man rasch nicht mehr bemerkt. Das zentrale Gebäude ist wohl eine Taverne im Norden.
Meine Sorge, hier aufzufallen, hat sich als unbegründet herausgestellt. Mit dem groben, von den vergangenen Tagen mitgenommenen Überwurf, dem Dreck der Wanderung und dem inzwischen gewachsenen Bart scheine ich gut in die Landschaft zu passen, zudem gehen die Bewohner vornehmlich ihren eigenen Angelegenheiten nach. Dies dürfte auch kaum verwunderlich sein, vermute ich doch stark, dass jeder Bewohner oder Besucher Radaks seine Geheimnisse hat, so dass großes Fragen nach dem Woher und Wohin wohl nicht gerne gesehen ist.
Ein auf düstere Art beeindruckender Ort ist eine große Höhle im südlichen Teil des Bergringes, der den Ort umgibt. Diese wohl natürlich entstandene Grotte wurde sorgfältig ausgebaut und birgt nun einer Art Arena, die vor allem aus einer tiefen, mit dornigen Wänden versehene Grube und darum angeordnete Zuschauerränge bietet. Bei meinem Besuch war sie leer und verlassen, aber man kann sich gut die johlenden Massen vorstellen, die sich zusammendrängen und die blutigen Kämpfe am Grubengrund begaffen. Anschlägen nach zu urteilen finden dort regelrechte Ranglistenkämpfe statt, was auf recht regulierte Kämpfe schließen lässt. Aber der Ort wirkt dennoch, als könnten sich hier auch sehr rasch einmal unliebsame Personen ihrer letzten Herausforderung stellen müssen.
Immerhin habe ich wieder eine klare Vorstellung davon, welcher Zyklus es ist. Ich habe Radak vorerst hinter mir gelassen und will weiter nach Osten vorstoßen.

5. Trier, siebtes Hell – die Ruinen Buckelhausens
Südlich von Radak führt eine Brücke über einen Meeresarm zur Trümmerwüste östlich der Blutbrücke. Das Land dort ist verbrannt und mit riesigen Steinen bedeckt, als hätten Titanen murmeln gespielt. Ich vermute, dass dies Überreste des Ausbruchs des Feuerberges sind, von dem sich das Land hier auch nach Jahren noch nicht erholt hat. Inmitten dieses Trümmerfeldes liegt die Feste Tyanswacht, deren lang geplante Neubesatzung bisher immer wieder von Schicksalsschlägen zurückgeworfen wurde. Südöstlich davon liegen die Ruinen eines niedergebrannten Blockhauses, und im Nordosten eine seltsame Stufenpyramide mit etwas auf der Spitze, das fast an einen steinernen Pavillon erinnert, so absurd das erscheinen mag. Auch diese Region ist von den allgegenwärtigen Ogern und Skeletten besiedelt, die stete Vorsicht erfordern.
Beim weiteren vorstoßen nach Osten über eine schmale Landzunge hinweg erreichte ich einen phantastisch anmutenden Bereich. Entlang eines Flusses zog sich ein breiter, grüner Streifen voll Gras, Büsche, und einer Vielzahl gewaltiger Bäume, viel schlanker aber mindestens genauso hoch wie die mächtigsten Yew-Bäume des Grünlandes. Zu meinem Glück konnte ich dem Drang, diesem scheinbaren Ort des Lebens zuzueilen, widerstehen, und tatsächlich zeigte sich wieder einmal, dass man im Ödland nie dem Schein trauen darf. Zwar zeigten sich die Bäume und Pflanzen tatsächlich als scheinbar gesund und keineswegs pervertiert, aber bei vorsichtiger Näherung konnte ich einige lianenartige schwarze Tentakel erkennen, die sich träge über den Boden bewegten. Mit neuer Aufmerksamkeit fanden sich rasch noch mehr dieser bis zu einem halben Dutzend Schritt langen Tentakel, immer zu Büscheln von vielleicht einer Hand voll zusammengewachsen, die sich über das ganze grüne Gebiet erstreckten. Schweren Herzens mied ich den einladenden Waldsaum, und kämpfte mich in der Öde weiter nach Norden. Eine weitere Landzunge endete vor einem niedrigen Berg, auf dessen Rücken ich in einer Senke die Ruinen der ehemaligen Halblingsiedlung Buckelhausen vorfand. Einst muss es ein prächtiges Dorf gewesen sein, voller Blumen, Gärten und gemütlichen Höhlen, und noch immer ist hier die Natur unverdorben. Dennoch ist es hier nicht sicher, denn ein ganzer Harpyienschwarm hat die Ruinen als Heimstatt erkoren, und ihr Unrat verschmutzt das ganze Tal. Durch das Ödland zu ziehen ist an jedem Ort eine schmerzliche Erfahrung, aber hier, wo unter Dreck und Unrat noch überall die alte Pracht zu erahnen ist, ist es besonders bitter. Dennoch bleibe ich über den Hellzyklus hier, versteckt in einer halb eingestürzten Höhle, bevor ich der Landzunge wieder nach Süden folge. Dort habe ich eine Brücke über den Fluss erkennen können, und mit dem nächsten Dunkel will ich versuchen, einen Weg zwischen den schwarzen Tentakeln hindurch auf die andere Flussseite zu finden.

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 Betreff des Beitrags: Re: Expedition
BeitragVerfasst: 7.05.09, 20:12 
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6. Trier, viertes Hell – eine Höhle
Ich weis nicht genau, wo ich bin, oder auch nur wie ich hierher gelangt bin. Der Versuch, die Brücke zu überqueren war ein solches Fiasko, dass ich wundere, noch am Leben zu sein. Dabei schien es zuerst so gut zu laufen. Ich fand die Brücke rasch wieder auch dort war alles mit schwarzen Ranken verwuchert. Bei meiner vorsichtigen Näherung reagierten diese aber nicht, so dass ich vermutete, sie würden auf die Erschütterung von Schritten reagieren, wie das bei blinden Wesen oft der Fall ist. Mit ausreichend leichten Schritten wäre ich dann regelrecht unsichtbar und die Ranken keine Gefahr. Diesem Ansatz folgend erreichte ich tatsächlich die Brücke, ohne dass eine der Ranken auch nur gezuckt hätte. Aber kaum hatte ich die Brücke betreten änderte sich das abrupt.
Ich weis nicht, ob die Stille zuvor nur ein Hinterhalt gewesen war oder ich doch irgendwie eine zu starke Erschütterung erzeugt hatte… vielleicht ist sogar die Brücke so gebaut, dass sie zwingend die schwarzen Tentakel aufschreckt, wenn jemand sie betritt. Sicher ist, dass mit einem Schlag der Waldboden hinter mir regelrecht zu kochen begann und sich Dutzende schwarzer Tentakelarme herausfanden, die sich zielstrebig in meine Richtung wanden. Im Anbetracht dieser Überzahl wand ich mich um und eilte dem anderen Ufer zu, doch auch dort war der Waldboden in Bewegung geraten. So fand ich mich auf einer schmalen Brücke wieder, umringt von schwarzen Tentakeln, die rasch näher krochen. Ein paar von ihnen konnte ich noch abwehren, aber es waren zu viele. Das letzte, was ich weis ist, dass sich ein Greifarm um mein Bein schlang und ich hochgerissen wurde, während Dutzende weiterer Arme peitschenartig nach mir schlugen und mich würgten.
Ich muss bei dem Kampf irgendwie von der Brücke ins Wasser gestürzt sein, entweder weil es mir irgendwie gelang, mich aus dem Griff zu lösen, oder weil ich hinein geschleudert wurde. Auf jeden Fall wachte ich am Flussufer auf, zerschunden, blutig und halb ertrunken. Schemenhaft kann ich mich daran erinnern, mich irgendwie aus dem Wald und in eine Höhle geschleppt zu haben, wo ich zusammenbrach. Glücklicherweise blieb ich von Besuchern verschont, und zwei Heiltränke nach dem Erwachen haben mich wieder halbwegs auf die Beine gebracht. Zumindest genug um nach einer weiteren Ruhepause herauszufinden, wo ich bin, und mich dann auf den Weg zurück ins Grünland zu machen. Ich kann froh sein, wenn ich es schaffe, ein weiteres Vordringen in meinem Zustand wäre reiner Selbstmord.

6. Trier, sechstes Dunkel – eine Höhle
Ich bin wieder einigermaßen bei Kräften und werde aufbrechen, um herauszufinden, wo ich bin und ob es noch einen anderen Weg als diese verfluchte Brücke zurück ins Grünland gibt. Mögen die Viere geben, dass ich einen Weg finde. Ich breche jetzt auf.

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