Ein Vormittag in einem der Hospize Falkensteins, Carmar im 6. Mond der großen Pest.
Der Geweihte umklammerte mit aller Kraft die Querstange des Bettes, in dem das Kind stöhnte. Er wandte keinen Blick von dem kleinen Kranken; der wurde plötzlich steif, biss wieder die Zähne aufeinander und bog sich leicht in der Hüfte, während er langsam Arme und Beine ausbreitete. Von dem kleinen Körper, der nackt unter der Decke lag, stieg ein Geruch nach Wolle und saurem Schweiß auf. Das Kind entspannte sich ein wenig, zog Arme und Beine wieder zurück und schien schneller zu atmen, blieb aber immer noch blind und stumm. Rodrich begegnete Tarons Blick, der die Augen abwandte. Da die Seuche seit Monden wütete und ihre Opfer nicht auswählte, hatten sie schon viele Kinder sterben sehen, aber noch nie Augenblick auf Augenblick ihr Leiden verfolgt, wie sie es jetzt seit dem Morgen taten. Und nie war ihnen der Schmerz, den diese Unschuldigen erdulden mussten, als etwas anderes erschienen, als was er in Wahrheit war, nämlich eine empörende Schmach. Aber bisher hatten sie sich gewissermaßen nur abstrakt empört, weil sie noch nie so lange dem Todeskampf eines Unschuldigen unmittelbar zugeschaut hatten.
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[Ork Schamane]

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