Versuchsobjekt A, Geschlecht männlich, etwa 60 Jahren, sprach in gewünschter Weise auf die Manipulation an. Der platzierte Fokus erleichterte den Zugriff, wie angenommen. Der geistige Verfall beschleunigte sich, als zusätzlich auf Traummanipulation zurückgegriffen wurde. Collegus V. vertritt den Standpunkt, es gäbe einen Punkt, an welchem ein Stillstand oder Rückschritt des Prozesses nicht mehr möglich wäre. Tatsächlich erwies sich selbst nach Abbruch der externen Manipulation ein Stillstand oder eine Umkehr des Prozesses als nicht durchführbar. Weitere Versuche zur genaueren Fixierung dieses Punktes geplant.
Die Aktenblätter raschelten trocken, als sie mit pedantischer Sorgfalt zu einem Stapel geschoben wurden. Kerzenflammen flackerten aufgeschreckt, als die Frau vor dem Schreibtisch sich seitwärts wandte, um die Finger geistesabwesend an den Kanten mehrere Regale entlang gleiten zu lassen. Mehrmals griffen sie zu, zielsicher eine der ledernen Mappen in neutralem Braun fassend. Wieder ein Stapel, der neben die Hadernblätter gehoben wurde, untermalt vom leisen Scharren des Stuhles, auf welchem sie sich erneut niederließ. Der Knoten, der die Akten verschlossen hielt, wurde mit mechanischen Bewegungen gelöst, die obersten Blätter beiseite gelegt und verdeckten so die schnörkellose Schrift des zuvor studierten Berichtes. Die Stille kehrte in die Kammer zurück, als sie zu lesen begann, durchbrochen nur vom gelegentlichen Knistern der Kerzen und dem Scharren der Feder, wenn die gepflegte Hand Anmerkungen am Rande der eng beschriebenen Blätter vornahm. Warmes Kerzenlicht legte einen schimmernden Reif um das streng geflochtene Haar, während sie sorgsam schrieb „Adeptus X. erwies sich als nicht zugänglich.“ und..
...Flammen, Hitze, ein gellender Schrei. Feuer loderte aus dem Torso des Mannes, leckte über seine Züge, seine Lippen. Der Geruch nach verbranntem Fleisch, ironisch nahe am verlockenden Duft des letzten Abendessen zu Zweit. Gleichmütige Stimmen im Hintergrund, ohne Sinn, ohne Worte. Zuckende Gliedmaßen, ein geschwärzter Schädel mit gebleckten Zähnen. Verlockender Wahnsinn, so nahe...den Drang zu lachen in der Kehle, Schmerz, Schmerz, Einsamkeit...so alleine..
Der Schmerz in ihren Fingern war der Anker in eine Realität, die nur eine andere Form des Kerkers darstellte. Mühsam arbeitete sie gegen die panischen Wellen an, die ihren Geist zu überschwemmen drohten. Atemzug um Atemzug eine konzentrierte Qual, Mauern errichtend und fixierend, ein Knacken als sich ihre Finger endlich entspannten und ihr Blick klarer wurde. Die noch glänzende Tinte auf dem Aktenblatt vor ihr war verschmiert, an mehreren Stellen hatten klare Tropfen die Schrift verwischt. Ein letzter, tiefer Atemzug, dann strich sie sanft über das Blatt, ohne die feuchten Tränenspuren auf ihren Wangen zu beachten. Die Arbeit war ruiniert, sie würde von vorne beginnen müssen. Ein neues Blatt, eine neue Feder, die in die schwach metallisch riechende Tinte getaucht wurde. Die Kerze wurde beiseite geschoben, beleuchtete dabei die tiefen, fast violetten Schatten unter den Augen. Die Arbeit wirkte tröstlich, Stein um Stein, um den schmalen Grat über dem Wahn zu pflastern. Kein Vergessen, nur die Notwendigkeit, damit zu existieren, zu leben...es zu nutzen. Und dieses Wissen schmerzte noch tiefer als jede Erinnerung.
Es war seine Entscheidung gewesen, die Konsequenz zu tragen. Es war ihre Entscheidung gewesen, diese Konsequenz für richtig zu halten. Sie hatte tatenlos zugesehen, wie ihre Liebe sich in Asche verwandelte. Und sie folgte dem Mörder in diesem Gemäuer Tag um Tag. Bewusst, einen blutigen Schritt um den anderen.
Weil es ihr Pfad war. Ihr Leben.
Aber nur eine Seite davon. “Quod non est in actis, non est in mundo.“ - Wie wahr..und darum war es nun an der Zeit, Fakten zu schaffen.
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