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 Betreff des Beitrags: Episoden eines Lebens
BeitragVerfasst: 15.03.07, 17:46 
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Der Beginn einer Geschichte

- Im Jahre der Thornbesteigung seiner Majestät König Hilgorad dem 1. Ap Mer -

Die warmen Tage des Astrael waren schon längst vergangen und mit jedem Tag zeigte sich Fela kürzer am bleigrauen Himmel. Der kalte Wind ließ schon die erste Ahnung des Morsans aufkommen und die Bäume hüllten sich in ihr farbenfrohes Festgewand als würden sie den nahenden, frostigen Zeiten, trotzen wollen.
Die Gegend war karg, das sanfte Hügelland hatte sie schon lange hinter sich gelassen und lief die steile Passstraße entlang. Die Räder der Handelskarren hatten hier über Jahre hinweg tiefe Furchen in den Weg gegraben und nicht selten sah man eines der Gräber der namenlosen Wanderer am Wegesrand, auf welchen in verwitterten Buchstaben die alten Worte standen „Mögest finden den Eintritt in Morsans Hallen“.
Den Wollumhang um ihre schmalen Schultern geschlungen ging sie weiter. Die Schuhe waren von dem tagelangen Marsch verschlissen, Blasen schmerzten an ihren zarten Füßen und das Kleid, dass einst so wunderschön zu ihren rehbraunen Augen gepasst hatte, war schmutzig und eingerissen. Die feine Stickerei, die sie in mondenlanger Arbeit in den Stoff gearbeitet hatte, war verdorben und die Erinnerung an diese glückliche Zeit fast gänzlich aus ihren Gedanken verschwunden.
Mehrfach während eines Zyklus, musste sie sich auf einem der großen Findlinge ausruhen. Ihr praller Leib forderte seinen Tribut und die Entbehrungen der letzten Tage ließen sie um das ungeborene Kind bangen. Schwer atmend legte sie ihre Hände auf ihren Bauch und streichelte sanft darüber. „Herrin Vitama, beschütze mein Kind...“ wisperte sie leise und einzelne Tränen huschten ihre ausgezehrten Wangen hinab. Viel länger würde sie diese Qual nicht durchhalten, und doch wusste sie, dass es keinen anderen Weg mehr für sie gab. Die schönen Tage am Hof ihres Herren waren schon lange gezählt gewesen, doch sie hatte es nicht wahrhaben wollen. Sie hatte nicht glauben wollen, dass ein neues Leben unter ihrem Herzen heranwuchs, und dass die Herrin Vitama ihr den schönsten Beweis ihrer Liebe geschenkt hatte.

Wie hatte sie es nur zulassen können, dass es soweit kam? Sie liebte ihre Herrin, und die vielen Stunden die sie gemeinsam damit verbacht hatten die Kleider für ihre Kinder zu besticken waren die schönste Zeit in ihren Leben gewesen. Sie war einfache Zofe, einer von vielen Dienstboten am Hofe ihres Herren. Erst als die Herrin sie überrascht hatte, wie sie in ihrer Kammer an einer Stickerei für ein Kleid ihrer jüngste Schwester arbeitete, hatte sich ihr Leben verändert. Die Herrin war sehr großzügig gewesen mit ihrem Lob und hatte sie gebeten ihr dabei zu helfen die kleinen Hemden für ihr erstes Kind zu fertigen. Sie hatte mit ihr geredet als wären sie gleich, nie hat sie spüren müssen, dass sie nur eine einfache Zofe war. Sie hatten gelacht, gescherzt und sich ausgemalt wie schön es sein würde das kleine Wesen zu hegen und zu pflegen. Die Herrin hatte sie dabei haben wollen als sie eine Amme auswählte, sie nahm sie mit zum Weber um die feinen Stoffe auszusuchen und sie hatte sogar begonnen ihr in den freien Stunden Lesen und Schreiben beizubringen. Es waren die behaglichen Stunden im Morsan gewesen, wenn der Kamin eine wohlige Wärme verbreitete und das knisternde Holz als einziges Geräusch im Zimmer zu hören war. Die Kemenate war ihr Reich geworden, und all die schönen Dinge um sie herum hatten ihre Sinne ganz betäubt.
Nicht selten war es in diesen Tagen vorgekommen, dass der Herr in die behaglichen Zimmer der Damen gekommen war um sich nach dem Wohlergehen seines Weibes zu erkundigen. Er war ein stattlicher Mann, zwar wie alle Männer ein wenig dem Hochmut verfallen, doch besser als viele andere. Sie hatte ihn stets mit stiller Bewunderung betrachtet und ihn in unbeobachteten Momenten bei seinen Schwertübungen auf dem Hof bewundert.
So hatte es sie kaum verwundert das sie beim ersten Jagdausflug im Vitama an der Seite ihrer Herrin reiten durfte. Sie selbst, hoch zu Ross durch den lichtdurchfluteten Wald Ersonts trabend, die ersten warmen Strahlen auf ihrer Haut und so weit entfernt von der Not und den Entbehrungen des einfachen Volkes. Es waren bestimmt ein halbes Dutzend Herren mit ihren Damen und Gefolge. Die Hunde tollten neben der Reiterschar umher und schienen sich auf die aufregenden Tage zu freuen.
Die Lichtung mit den kleinen Jagdhütten war bald erreicht und sie begann mit den anderen Dienstboten zusammen die so lange verlassenen Hütten für die Damen und Herren herzurichten. Leinentücher wurden von den Möbeln genommen, Decken ausgeschüttelt und Teppiche geklopft. Bis der letzte silberne Pokal wieder poliert an seinem Platz stand, war bereits der achte Zyklus angebrochen. Die Herrschaften hatten es sich mit schwerem Wein am Kamin gemütlich gemacht und scherzten fröhlich. Die Herrin hatte ihr für den Abend Ausgang gewährt und so verließ sie die Hütte und trat hinauf auf das frische, grüne Gras der Lichtung. Nicht weit der Hütten plätscherte ein Bach durch den Wald, und auf dem Weg hierher hatte sie einen wunderschönen Waldsee zwischen den Bäumen hindurch funkeln gesehen. Sie lief den Weg entlang zurück und alsbald kam sie an den von Weiden umringten See. Überall blühte es und die Rosen auf dem Wasser hatten ihre farbenfrohen Blüten den warmen Strahlen Felas geöffnet.
Im Schutze einer gewaltigen Trauerweide öffnete sie ihr einfaches Leinenkleid und ließ es den mädchenhaften Körper hinab auf das feuchte Moos gleiten. Sie stieg eine natürliche Treppe aus Steinen hinab in das noch kalte Wasser und begann einige Runden zu schwimmen. Die Bewegung ließen sie die Kälte des Wassers kaum spüren und die Freude über die Schönheit dieses Ortes durchflutete sie. Selten hatte sie sich der lieblichen Herrin Vitama näher gefühlt, hatte ihr Wesen mehr mit jeder Faser ihres Körper gespürt und sich gewünscht stets im warmen Schein ihrer Güte zu baden.
Wie sie so am seichten Ufer im Wasser stand und ihr langes, dunkles Haar wusch, bemerkte sie gar nicht die Gestalt die zwischen den herabhängenden Zweigen der Weide aufgetaucht war und sie versonnen betrachtete. Die erstaunlich sanfte Stimme ihres Herren traf sie deshalb nur umso plötzlicher „Wie die schöne Herrin selbst.“ Erschrocken griff sie nach dem Kleid das noch am Ufer auf einem der warmen Steine lag und presste es sich schamhaft an den Körper. Die zarten Wangen waren von einer tiefen Röte überzogen und sie hatte den Blick vor ihrem Herren gesenkt der auf einmal vor ihr stand. Er trat auf einen der Steine und streckte ihr seine kräftige Hand hin. Scheu legte sie die ihre zarten Finger auf die seinen und er half ihr die rutschigen Steine hinauf bis in den Schutz der Weide. Es waren nicht viele Worte gewesen, es war die Magie die diesem Orte anhaftete, die das Unvermeidliche geschehen ließ, die beiden Menschen so verschiedenen Standes miteinander verband und den zeitlosen Augenblicken ihrer Einigkeit ihren Segen gab.

Ein Schmerz der tief aus ihrem Rücken kam und sich nach vorne um ihren Bauch legte, ließ sie aus ihren Gedanken hochfahren. Sie hatte schon zulange gerastet, und wenn sie heute noch das kleine Gebirgsdorf erreichen wollte um dort um Obdach für die Nacht zu bitten, so musste sie sich eilen. Sie rappelte sich auf und ging ihren beschwerlichen Weg weiter. Die Hände auf ihren Leib gelegt als könne sie damit das noch ungeborene Leben schützen.
Dieser wundervolle Abend am See war damals viel zu schnell vorüber gegangen. Er hatte ihr einen schmalen Ring geschenkt und ihn an einer Lederschnur um ihren Hals gelegt, bevor er so schnell verschwand wie er gekommen war.
Die darauffolgenden Tage waren sehr ereignisreich gewesen, die Stunden des Tages in welchen die Damen sich ihren Handarbeiten widmeten, die Abende wenn die Männer nach der Jagd erschöpft und trotzdem glücklich wieder da waren, mit ihren Heldentaten prahlten und so manch koketten Blick der Damen ernteten. Wie sie zusammen mit den Dienstboten das erlegte Wild ausnahm und zubereitete, das restliche Fleisch haltbar machte, um es zurück zum Hofe zu bringen Wie sie ihrer Herrin dabei half ihren, inzwischen etwas fülligeren Körper vorteilhaft zu kleiden und das Strahlen das aus ihrem Inneren zu kommen schien noch hervorzuheben.
Sie war ein junges Mädchen, und dieses erste Erlebnis mit einem Manne hatte sie wie verzaubert. In ihren Gedanken war sie bei den Geschichten, die ihr die Herrin in den Abendstunden im Morsan oft erzählt hatte. Tapfere Helden die ihre Liebste bis in den Tod verteidigten. Sie vor den Widersachern der Viere beschützten und ihr manch Geschmeide um den Hals legten. Sie glaubte, die wahre Liebe gefunden zu haben, und in ihrem Inneren tobte der Kampf zwischen der Liebe und ihrer Verbundenheit zu ihrer Herrin. Sie war durcheinander und die Tatsache, das ihr Herr sie kaum beachtete, schrieb sie den vielen Menschen zu die stets um sie herum waren. Sie war sich in ihrer Naivität sicher gewesen das er sie genauso liebte wie sie ihn – wie sehr hatte sie sich doch getäuscht.
Mehrere Monde nach dem Jagdausflug hatte sie gespürt das etwas anders war. Sie hatte es sich nicht erklären können, und die Tage an denen sie sich Unwohl fühlte häuften sich. Der Herr hatte selbst in den nun ruhigen Stunden am Hofe keine Zeit für sie gefunden, sie nicht mehr beachtet als auch zuvor. Es schien, als hätte er vergessen was geschehen war, als würde er nicht merken wie ihr verliebter Blick ihm folgt wo immer sie ihn traf.
Es war die alte Köchin gewesen die ihr die Augen geöffnet hatte. Sie hatte die Veränderungen an dem jungen Mädchen bemerkt und richtig gedeutet, ihre Blicke gesehen und ihre Schlüsse daraus gezogen. Sie nahm sie bei Seite und sprach still mit ihr. Es war ganz normal das ein hoher Herr sich während der Zeit, in welcher sein Weib ein Kind im Leibe trug, bei den Dienstmädchen austobte. Seine natürlichen Bedürfnisse nicht bei der werdenden Mutter, sondern bei den Damen niederen Standes stillte. Sie war sicher nicht das einzige Mädchen und sicher nicht das erste welches dies erlebte. Sie hätte nur das Pech gehabt den Segen Vitamas zu empfangen und nun sein Kind unter dem Herzen zu tragen.
Bei dieser Erkenntnis hatte sich eine tiefe Angst auf ihre junge Seele gelegt. Wie konnte sie ihrer Herrin je wieder unter die Augen treten? Wie hatte sie das Vertrauen, das diese in sie gesetzt hatte, so missbrauchen können? Sie fürchtete sich, und mit jedem Tag der verging war die Gefahr größer, das ihr Geheimnis entdeckt werden würde. Es war zu der Zeit gewesen als sie ihren geschwollenen Leib nicht mehr mit dem aufbauschen ihres Kleides verstecken konnte, als sie den Entschluss fasste den Hof zu verlassen. Sie hatte von einem Ort, hoch oben in den Skapen gehört, zu welchem viele werdende Mütter zogen um ihr Kind auf die Welt zu bringen. In den Geschichten hieß es das ein Kind welches dort geboren wurde, ein gesegnetes Leben führen würde und von den Göttern geliebt sei. Sicher, vielleicht waren es nur Geschichten... aber was war ihr noch geblieben? Das Kind in ihrem Leibe war das Einzige, was sie noch von ihm hatte, und sie würde es schützen, koste es was es wolle.

Der siebte Zyklus war vergangen und noch immer war das Dorf nicht aufgetaucht, die Schmerzen in ihrem Rücken nahmen beständig zu und kamen immer wieder. Ihr Leib fühlte sich teilweise so fest an, als wäre er mit Steinen gefüllt. Ihre Beine trugen sie nicht mehr weiter und sie ließ sich auf einem Moosteppich zwischen den Ästen eines kleinen Hains von Kiefern nieder. Hunger und Durst nagten an ihr und es grenze an ein Wunder das sie es in dieser Nacht schaffte ihr Kind auf die Welt zu bringen. Kaum mehr als einen Zyklus dauerte es bis sie ihr Kind in ihren Umhang gehüllt an ihre Brust presste und es mit gierigen Schlucken trank. Sie nahm den Ring der ihr an einer Lederschnur um den Hals hing ab und legte ihn dem Kind um den Hals. „Es... wird dich schützen... mein Sohn.“ Sprach sie noch leise bevor ihr langsam die Sinne schwanden. Das Moos war von Blut getränkt und der Knabe schrie aus Leibeskräften – als würde er spüren, dass er von nun an alleine war.

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BeitragVerfasst: 16.03.07, 21:44 
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Ein Lied in der Stille

- Im Jahre 17 nach der Thronbesteigung seiner Majestät König Hilgorad dem 1. Ap Mer -

Die Wellen schlugen um den Bug des Schiffes, aus den Kajüten drang der laute Gesang der betrunkenen Seeleute und das Gelächter wenn wieder einer von ihnen von der Bank nach hinten auf die Planken gekippt war. Es war schon kühl und deutlich konnte man spüren das die warmen Tage des Astrael vergangen waren. Der Jüngling kauerte am Heck an eine Taurolle gelehnt. Sein Gesicht war blass und man sah seinen dunklen Augen an das ihn etwas tief in der Seele getroffen hatte was ihn nicht mehr losließ. Seine Arme hatte er um die Knie geschlungen und den Blick auf das ausgewühlte Meer gerichtet. Es schien unendlich und alles so weit fort – wie konnte es dann noch so schmerzen? Es müssen mehrere Wochen gewesen sein die er bis zum Hafen gebraucht hatte, und doch konnte er sich kaum an ein halbes Dutzend erinnern. Alles schien in einen dumpfen Nebel gehüllt zu sein wenn er an diese Zeit zurück dachte. Die langen Tage und Nächte auf dem Schiff waren schlimmer als das Wandern. Hier gab es kaum etwas, was ihn ablenken konnte. Die Seeleute waren schon im nüchternen Zustand sehr rau, und betrunken waren sie keinesfalls besser. Er scheute sich davor sich der heiteren, feuchtfröhlichen Gesellschaft anzuschließen und verbrachte die Zeit bis sie schnarchend in ihren Hängematten lagen hier oben an Deck. Die ersten Tage war der Steuermann etwas irritiert gewesen und hatte versucht ihn dazu zu bringen wieder unter Deck zu gehen, aber inzwischen hatte er seinen stillen Gast akzeptiert.
Er wollte nicht weiter darüber nachdenken was geschehen war, und doch wusste er das es ihn einholen würde. Er würde nicht eher ruhen können bis er selbst handeln könnte. Er hatte ein Ziel und er hatte etwas wofür er dieses Ziel erreichen wollte. Die vertraute Umgebung seiner Heimat war weit fort und nur wenig hatte er mitnehmen können. Sein größter Schatz war verloren und sein Trost zerstört. Nur eines war ihm geblieben. Er selbst.
Es waren erst nur einzelne Zeilen, Eindrücke von etwas das vielleicht eines Tages ein Lied sein könnte und mit der Zeit wurden sie fester, fügten sich mit Melodie und Sprache zusammen. Die vielen Stunden an Deck schien der Jüngling regungslos verstreichen zu lassen, doch in seinem Kopf sponnen sich die unausgesprochenen Ängste und Sorgen, seine Erinnerungen und seine Wut zu einem Lied.

Still, Still lausch dem Lied im Wind
Es kündet leis’ die Märe
Von Herzen die getrennet sind
Weil Hass die Lieb verwehrte
Mein Vater lebte stolz und hart
Kalt war sein Herz, sein Leben
In Geiz und Gier war es erstarrt
Konnt’ niemals Wärme geben

Still lauschet dem Wind
Sehnsucht seufzt schwer in den Zweigen
Sucht meine Liebste geschwind
Nur sie kann das Leben mir zeigen

Es war ein schöner Lichthochtag
Als Klänge ich verteilte
Wo Spielmannskunst in Lüften lag
Und ich manch Herz berührte
Unter dem Volke war ne Maid
Mein Aug sie sanft erblickte
So süß ihr Name: Lilja
Der Welt ich leicht entrückte.

Still lauschet dem Wind
Sehnsucht seufzt schwer in den Zweigen
Sucht meine Liebste geschwind
Nur sie kann das Leben mir zeigen

Ich hielt sie zärtlich bei der Hand
Lilja, lass uns gehen
Hinfort, wir ziehen stets durchs Land
So wird uns nicht geschehen
Von Göran der kein Lieben kennt
Kein Herz, kein Leben achtet
Von Göran der nie Sohn mich nennt
Mich doch als Hab betrachtet

Still lauschet dem Wind
Sehnsucht seufzt schwer in den Zweigen
Sucht meine Liebste geschwind
Nur sie kann das Leben mir zeigen

Ach liebste, schönste, reinste Braut
Mit dir will ich verweilen
Mein Herzschlag sei dir angetraut
Dein Leben will ich teilen.
„Oh, Spielmann, oh wie wünschte ich
mit dir hinfort zu ziehen
Hinweg von hier auf ewiglich
Ich wollt wir könnten fliehen“

Still lauschet dem Wind
Sehnsucht seufzt schwer in den Zweigen
Sucht meine Liebste geschwind
Nur sie kann das Leben mir zeigen

Doch Lilja war plötzlich fort
Und mit ihr ging mein Leben
In tiefem Kummer, Ort für Ort
Sucht ich nach ihr vergebens
Mein Geist muss wandern Tag und Nacht
Bis ich sie hab gefunden
Denn unserer Liebe Leben wacht
Und hält und stets verbunden...

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BeitragVerfasst: 16.05.07, 15:56 
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Ein Traum

- Im Jahre 18 nach der Thronbesteigung seiner Majestät König Hilgorad dem 1. Ap Mer -


Kühle, linnene Laken unter meinen Fingern, noch frisch und mit dem Duft von kaltem Wasser und Lavendel. Es ist still und die Dunkelheit senkt sich wie eine zweite Decke über mich, lässt meine Lider schwerer werden, entführt mich in die Tiefen meiner Erinnerung, meiner Gedanken und die feinen Haare auf meinen Armen stellen sich auf, in der Erwartung an die kommenden, immer wieder kommenden Bilder. Alles in mir sträubt sich gegen das Unausweichliche, stemmt sich gegen den Schlaf der wie ein namenloser Gegner seine eiskalte Hand über meinen Mund legt und jeden Schrei erstickt. Zu lange habe ich gewacht, zu lange die Gedanken und Bilder aus meinem Geist verbannt, zu lange mit mir gekämpft und nun verloren.

Das Rauschen der Blätter wenn der Wind durch die langen Zweige der Weide streift ist das erste was an mein Ohr dringt. Ich fühle die feinen Saiten der Laute unter meinen Fingern und nun dringt auch die Melodie an mein Ohr. Sanft füllt sie den versteckten Raum unter dem Baume aus und scheint sehnsüchtig herbeizurufen was dahinter wartet. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen und ich spüre die tiefe Zufriedenheit die in diesen seltenen Momenten von mir Besitz ergreift, die bange und doch freudige Erwartung. Ich spüre wie mein Herz mir wieder bis zum Halse klopft. Jedes Geräusch außerhalb der Weide lässt einen schmerzhaften aber wundersamen Schauer durch meine Adern fließen und scheint mich von innen zu verbrennen, bis ich das leise Zwitschern des Vogels höre und die Kälte der Enttäuschung wieder nach mir greift. Die Melodie wird verträumter und trauriger, flicht jede Empfindung der letzten Momente mit ein und ich schließe meine Augen, gebe mich dem Traum hin und bade darin wie in den warmen Strahlen Felas.
Etwas setzt in die Melodie ein, Worte sind es nicht die sie begleiten, sondern das sanfte Summen eines Mädchens. Ich halte die Augen noch länger geschlossen um den Moment der Enttäuschung länger hinauszuzögern und das wunderbare Kribbeln auf meiner Haut zu erhalten. Der zarte Duft von Berglilien ist es der mich dazu bringt meine Augen wieder zu öffnen, mich einen Moment blinzeln lässt als ich gegen das Licht, das durch die Zweige dringt, auf ihr Gesicht blicke. Tiefblaue Augen, eine Haut so hell und zart wie die Blätter der Lilie, so sanft geschwungene Lippen und der leichte rote Hauch auf ihren Wangen.
Sie lächelt und es wärmt mich mehr als alles andere, lässt meine Seele singen und die Finger über die Saite der Laute tanzen als hätte ihnen die liebliche Herrin selbst Flügel verliehen.
Der Schatten senkt sich langsam und kaum merklich über den Ort, das Wispern in den Zweigen verstummt und die Töne der Melodie klingen hohl und ohne die Freude die ihnen eben noch innewohnte. Widerwillig und doch unvermeidbar legt sich mein Blick auf sie, ich sehe den flehenden Blick der aus ihrem Innersten zu kommen scheint, das tiefe Blau ihrer Augen noch verstärkt und dann mit den ersten Tränen hinfort gespült wird bis die Augen blickleer sind. Ihr zartes Gesicht verzieht sich zu einer Maske aus tiefstem Leid, Schatten liegen auf ihrer zarten Haut, Entsetzen und Qual auf ihren Zügen und nun höre ich auch den Schrei der erst nach einer Ewigkeit in leises Wimmern überzugehen scheint, bis sie verstummt.
Stille.
„NEIN!“ ... es ist mein Schrei der die Stille zerreißt und doch schaffe ich es nicht mich aus den Fängen des Traums zu befreien, ich höre das hämische Lachen meines Vaters und sehe seine selbstzufriedene Miene die einem verächtlichen Blick weicht als er mich erblickt. „Du Zerrbild eines Mannes... hast du es immer noch nicht gelernt? Du wirst nie ein wirklicher Mann sein, nie. Gib es auf.“ Er zieht den Gurt um seine Hose ab und dieses Lächeln das ich nur zu gut kenne tritt auf sein Gesicht bevor er ausholt, wieder und wieder den Gurt auf meinen Rücken schnellen lässt. Nichts lässt mich glauben das dies immer noch nur ein Traum ist, ich spüre den Schmerz, die Demütigung und den Zorn der in mir aufsteigt. Ich winde mich und versuche mich wieder aufzurichten, aber sein Stiefel drückt mich auf den staubigen Bodes des Hofes. Ich höre die Schreie meiner Mutter im Hintergrund und sehe sie vor meinem Inneren Auge in der Tür der Kate stehen, die Hände vor dem Mund und stille Tränen der Verzweiflung in den Augen. Ihr hochheiligen Viere gebt mir Kraft, ich gebe nicht auf. Niemals.
Der staubige Boden wandelt sich in feuchtmodrigen Waldboden, der Geruch nach Pilzen und welkem Laub dringt in meine Nase und scheint mir im ersten Moment die Luft zu rauben. „Wie kamst du nur hierher, Kleiner? Hat dich dein Herr etwa allein heraus gelassen? Wie dumm von ihm, kleiner Vogel, wir werden dir die Flügel schon brechen und du wirst deinem Herrn die Nachricht getreulich überbringen.“ Dringt die rauchige Stimme an mein Ohr. Ich sehe den Saum des schwarzen Gewandes um die schmalen Beine darunter wabern als wäre es mehr aus Rauch denn aus festem Stoff. Ich höre das Sirren der Klinge durch die Luft und spüre wieder die Klinge auf meiner Haut, wie ich mich nicht mehr regen kann ohne das mich jemand berührt, rieche den fauligen Atem der an meine Wange schlägt. „Dies war nur die erste Warnung, junger Vogel...“ ich zittere und die Kälte die sich meiner bemächtigt hat scheint bis auf meine Knochen zu reichen. Ich bin es nicht wert, wieso hat er mich auserwählt? Ich bin nur ein einfacher Ziegenhirt, kein rechter Mann und dennoch kein Kind mehr. Ich habe ihr nicht helfen können, habe sie im Stich gelassen – wie kann er nur glauben ich wäre für solche Aufgaben geeignet? Oh, ihr Viere, ich hatte gehofft den Anforderungen gerecht zu werden. Ich habe alles getan. Alles. Nehmt mir dies nicht. Das erste Mal hatte ich einen Vater, einen Vater wie ich ihn mir gewünscht hatte. Er macht mir Mut und fordert mich, er ist da wenn es nötig ist und ich spüre mehr Kraft in mir. Ich weiß ich kann es schaffen, ich will es schaffen. Ich gebe nicht auf. Sollen sie nur wieder kommen, ich werde es überstehen.
Ein Peitschenknall, ein Schrei, Stille.
Sanfte Hände auf meiner Haut, Lippen die fest und gleichzeitig zärtlich auf den meinen liegen und der betörende Geruch der mir stets die Sinne vernebelt. Das Gefühl in Sicherheit zu sein lullt mich ein, löst die verkrampften Muskeln meines Körpers und lässt mich freier atmen. Nichts kann mir dieses Gefühl nehmen, nichts diesen Fels in der Brandung zum wanken bringen.
Nur einige Worte.
Wie Gift tropfen die Worte in offene Ohren und lassen einen schalen Geschmack zurück, etwas scheint mein Herz zusammenzudrücken und nimmt mir den Atem. Wie können so wenige Worte alles zerstören? Wie können sie dieses Gefühl von Sicherheit verschwinden lassen mit kaum mehr als einem Lufthauch? Zweifel ist es der gesät wird, der langsam aber unaufhaltsam wächst und mich in meine Fesseln zurückzwängt. Mich die wenigen Momente der Freiheit nur noch als Erinnerung ein ums andere erleben lässt um mich dann vor mir selbst zu ekeln.
Lasst mich los! Lasst mich los...
Ich fühle mich als würde ich im Nichts schwimmen, ich kann nichts hören, nichts fühlen, nichts riechen... nur ein Bild nach dem anderen streift meinen Geist, keine Worte nur immerwieder die aufblitzende Erinnerung.
Der Geschmack ihrer Lippen auf den meinen, wie ich meine Hand in ihren Nacken gelegt habe und sie mit der anderen näher an mich ziehe, den Moment auskoste und dennoch die bittere Wahrheit hinter ihr steht und den Kuss schneller enden lässt als ich es wollte. Der zarte Körper auf meinen Armen, zitternd vor Angst und auf der Suche nach Schutz, nach Hilfe. Mein Name sanft gewispert von ihren Lippen und der freudige Schauer wenn ich ihr in die Augen sehe.
Die klamme Angst als ich zwischen den Zinnen hinaus in die Öde blicke, den schwarzen Reitern auf ihren Rössern gegenüberstehe und unter den Helmen ihre Gesichter erkennen kann. Der eisige Gefühl als sie meine Hand berührte, wie die Kälte in mir aufstieg und einen Moment nach meinem Innersten zu tasten schien. Ich stehe ihnen gegenüber, wir ziehen die Klingen, nur er und ich. Niemand sonst. Ich weiß ich werde verlieren, aber niemals werde ich aus freiem Willen dem Ungenannten und seinen Schergen dienen. Mein Blut ist es was ihr wollt? Holt es euch...
Stimmengewirr in der Taverne, Lachen, Singen und fröhliche Gesichter rings um mich herum. Wohlwollende Gesten und dieses Kribbeln in meinem Bauch wie ich es schon damals beim Lichthochfest hatte. Herrin Vitama, hilf mir meine Hand zu führen, meine Finger auf der Laute, die erst unsichere, dann aber zunehmend festere Stimme die aus meiner Kehle dringt. Ich sehe sie alle, und ich weiß wofür ich es mache. Nicht für die Anerkennung, nicht für mich selbst, nur für ihn. Um wieder ein Lächeln oder einen zufriedenen Zug auf seinem Gesicht zu sehen. Zu wissen das ich es geschafft habe und nicht versagt habe. Nichts scheint zu genügen und jede Anstrengung die ich eingehe wird übersehen. Ich will es schaffen.
Schwarzes Haar das ihr Gesicht einrahmt und das stille Lächeln auf ihren Zügen. Ihre Finger auf meiner Haut, meinem Arm als sie den Verband darum legt. Umsichtig und vorsichtig. Die Kette die seid Wochen schon wie Blei in meiner Tasche liegt ohne das ich mich traue sie ihr zu geben. Die Verlegenheit, die Angst und das Gefühl mit meinem Empfindungen Verrat zu begehen.
Wieder in der Taverne, derbes Lachen, verschwitzte Gesichter und der Geruch von Bier in der Luft. Das Grölen der Offiziere vom oberen Tisch und der Becher vor mir der nie leer zu werden scheint, sich immerwieder füllt und den tiefen Widerwillen in mir weckt. Mit jedem Schluck der feurig meine Kehle hinab rinnt höre ich seine Rufe deutlicher, sein Hohn und seine Verachtung die mir entgegenschlägt. Ich ringe nach Luft, renne hinaus und rieche die kalte Luft des Meeres, spüre wie mein Körper rebelliert als ich auf den feuchten Planken des Piers auf die Knie gehe. Die Hände eines Freundes an meinen Schultern der mir hilft und kurz darauf den Zorn der tief in mir sitzt herausholt, mein Schwert aus der Scheide gleiten lässt und sich gegen seines richtet. Ein wilder und unkontrollierter Kampf der darin endet das ich nach Atem ringend stehen bleibe, er vor mir im Grase – er lebt noch. Doch ich fühle mich am Ende meiner Kräfte und doch befreit.
Unheimliche Geschöpfe um mich herum, umzingeln mich. Sie scheinen von überall zu kommen und in der Dunkelheit kann ich nichts sehen. Ich höre die Schreie der Verwundeten und ich sehe wie er von ihnen eingekreist wird, ich schlage auf die knochigen Wesen ein, versuche zu ihm vorzudringen, ihn zu schützen mit meinem Leben. Ich spüre die ersten Hiebe kaum, dann ein brennender Schmerz in meiner Schulter der sich bis über meinen Rücken zieht und mich dann hinab zieht in die tiefe Bewusstlosigkeit.
Meine Hände zittern als ich sie auf das dargebotene Schwert lege, es scheint unter meinen Händen zu glühen als ich beginne die leise vorgesprochenen Worte zu wiederholen „Ich gelobe im Angesicht der Viere, dass ich meinem Ritter getreulich und ohne Widerspruch dienen werde. Stets duldsam sein und nicht fehl gehen werde. Beharrlich werde ich lernen und nach den Geboten des Kodex leben.“ Und ich vernehme seine Worte, wie er mir ein gerechter Lehrmeister sein will, mich in seine Obhut nehmen und mich schirmen will vor dem Angesicht der Viere. Ich spüre wie etwas hinter mir bleibt als ich auf unsicheren Beinen aufstehe und in sein ernstes Gesicht sehe in dem sich selten ein Zufriedener Ausdruck zeigt.
Ich weiß wofür ich kämpfe
Es gibt nichts was mich von meinem Weg abbringen wird.
Nichts.


Zuletzt geändert von Kya: 17.05.07, 14:13, insgesamt 1-mal geändert.

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Unverhoffter Trost

- Im Jahre 12 nach der Thronbesteigung seiner Majestät König Hilgorad dem 1. Ap Mer -

Der scharfe Wind der in dieser Gegend stets über die zerklüftete, karge Landschaft strich, war das einzige was die drückenden Hitze dieses Astraels erträglich machte. Die Arbeiten gingen nur schleppend voran und die Sehnsucht nach einem Nickerchen unter dem schattenspendenden Dach eines Baumes schien übermächtig. Die Tiere waren störrisch und nicht gewillt dem jungen Burschen zu gehorchen der mit einer Weidenrute hinter ihnen her rannte und versuchte sie auf eine der saftigen Wiesen am Berghang zu treiben. Sie sprangen in verschiedene Richtungen davon und er hatte größte Mühe sie halbwegs beisammen zu halten. In einem Moment sprangen sie wie von Sinnen in die falsche Richtung, im anderen verharrten sie stur auf einer Stelle und ließen sich nicht dazu bringen auch nur einen Schritt zu gehen.
Murrend kletterte er auf den Findling, der das südliche Ende des Hofes seines Vaters markierte und sah über die auf dem Hof versprengten Tiere. Wenn er es nicht bald schaffen würde sie auf die Weide zu treiben, so würde sein Vater sicher nicht sehr erfreut sein. Noch war er auf den nördlichen Feldern um die spärliche Ernte einzuholen, aber bald würde er auf den Hof kommen und dann würde es Schläge setzen – dessen war er sich sicher. Mit einem Satz sprang er zwischen die Herde die erschrocken aus dem Hof auf den Weg nach draußen rannte. Mit einem triumphierenden Lächeln rannte er ihnen laut krakeelend nach.
Ein blonde Jungenschopf tauchte aus der Luke des Heubodens über dem Stall auf, das Gesicht verzog sich zu einem hämischen Grinsen und kurz darauf rannte der kräftiger Junge über den Hof und den Weg entlang der Herde und ihrem Hirten hinterher. Heute würde ihm die kleine Ratte nicht entwischen.

Er saß am Fuße der schweren Felsbrocken die hier, so hoch in den Bergen, die Weiden und Auen immerwieder durchbrachen. Seine Füße waren mit Lederstreifen umwickelt und mit den Sehnen einiger Tiere festgebunden. Die Hose war ihm etwas zu groß und hatte früher einmal seinem Vater gehört. Die Mutter hatte sie, als der Saum schon ganz verschlissen war, gekürzt und für ihn zurecht genäht - ein weites Hemd dazu und eine Weste aus Schaffell waren zusammen alles was ihm gehörte. Er verbrachte die meisten Tage in dieser Jahrezeit hier oben auf der Weide und kümmerte sich um die Ziegen. Er half ihnen wenn sie ihre Jungen warfen und hielt mit der Steinschleuder die wilden Tiere von der Herde fern. Er liebte diese Zeit in der sein Vater ihn nicht den ganzen Tag herumscheuchte und an welchen er Zeit hatte nachzudenken und sich Geschichten auszudenken. Er hatte auf den fröhlichen Festen an jedem Lichthoch und den hohen Feiertagen der Viere voller Begeisterung den Barden zugehört, wie sie auf ihren Instrumenten oder sogar nur mit ihrer Stimme die Geschichten und Lieder des letzten Jahres erzählten. Wie sehr hatte er sich gewünscht einer von ihnen zu sein, Tag für Tag völlig frei über Tare zu ziehen, Abenteuer zu erleben, und die edlen Ritter und ihr Gefolge auf den rauschenden Festen mit fröhlicher Musik zu erheitern.
Er wurde sehr abrupt aus seinen Träumen gerissen, ein Hagel kleine Steine traf ihn von oben, von der kleinen Felsnase die über ihn hinweg ragte. Dort hörte er das Lachen seines Bruders. Sofort spannte sich sein Körper an, bereit zur Flucht oder – wenn es nötig wurde – um sich zu verteidigen. Er sprang auf und kauerte sich unter dem Schutz der Felsnase hin, die Augen auf die Stelle gerichtet an welcher sein Bruder auftauchen müsste. Die Träumerei war vorbei und das Jetzt hatte ihn viel zu schnell wieder eingeholt.
Auf einmal spürte er einen starken Schlag von hinten und er fiel nach vorn und kullerte einige Schritt weit den Hang hinab, rappelte sich in Windeseile wieder auf und sah sich hektisch um. Er konnte seinen Bruder nicht sehn. Er war sich sicher das er es nicht wagen würde über das Geröllfeld zu klettern, wenn die Steine sich lösen würde, wäre die ganze Herde in Gefahr. So dumm konnte er nicht sein. Doch da hörte er schon das unheilverkündende Krachen übereinander rollender Steine, und sah mit Schrecken wie sich die Steine in Bewegung setzten. Und mittendrin sein Bruder. Er dachte nicht darüber nach, sprach zu ihm und riss ihn beiseite unter die Felsnase. Staub drang in seine Nase und immerwieder traf ihn ein kleinerer Stein. Jöran kauerte zitternd neben ihm und sagte keinen Ton. Das einzige was er hörte war das Poltern der Steine und das angstvolle Geschrei und Gemecker der Ziegen. Er hoffte sie würden sich schnell genug in Sicherheit bringen.
Als sich der Staub gelegt hatte rappelte er sich auf, die Felsnase hatte sie beide gerettet und vor den schweren Felsbrocken geschützt, doch was er einige Schritt weiter den Hang hinab sah, war nicht dazu angetan ihn zu beruhigen. Er sah mehrere Ziegenleiber zwischen den Felsen und nach dem Blut zu urteilen das die grauen Steine befleckte, waren sie nicht mehr am Leben.
Ein Stück seitlich der Schneise aus Geröll stand die Herde dicht beisammen gedrängt. Er brauchte nur einen kurzen Blick darüber zu werden um zu wissen das mindestens ein halbes Dutzend von ihnen unter den Steinen begraben lagen. Sein Vater würde ausrasten. Sein Herz zog sich aus Angst vor dem Kommenden zusammen und er sah zu seinem Bruder hinab der immernoch bleich vor Schreck am Boden kauerte.

Der Lederriemen schnellte wieder auf seinen Rücken hinab. Er krümmte sich zusammen und weinte bittere Tränen. „Du Nichtsnutz! Sieben Schafe haben wir wegen dir verloren.“ Die hasserfüllte Stimme seines Vaters war noch lauter als sonst und schmerzte ihn in den Ohren. Er lag über den Hauklotz gebeugt und spürte die harte Kante des Holzes schmerzhaft in seinen Bauch schneiden, die brennenden Striemen auf seinem blanken Rücken. „Tot würdest du mir mehr bringen. Wie kann man nur so dumm sein die Steine zum rollen zu bringen. Du Strohkopf!“ Er hatte ihm gar nicht zugehört, hatte nicht geglaubt das es Jöran gewesen war der den Fehler gemacht hatte. Er hatte ihn nicht zu Wort kommen lassen und Jöran nur noch fester an sich gedrückt. „Wie kannst du es wagen ihm die Schuld zu geben? Er war dort oben um dir etwas von dem guten Essen deiner Mutter zu bringen, und du lohnst es ihm indem du mit Steinen nach ihm wirfst. Wie kann man nur so verdorben sein.“ Er krümmte sich unter den immerwieder auf seinen Rücken schnellenden Schlägen zusammen.
Er hörte die Beschimpfungen gar nicht mehr die auf ihn niederprasselten. Er spürte nur noch die Schläge wie durch einen dumpfen Mantel bis ihm die Sinne schwanden.

Als er wieder erwachte fand er sich auf dem düsteren Speicher wieder, zwischen einigen alten Kisten auf ein dreckiges und staubiges Laken gebettet. Sein ganzer Körper schmerzte und er konnte sich kaum bewegen. Er spürte wie das Hemd an seinem Rücken klebte und er versuchte es vorsichtig von den Striemen zu lösen. Er schrie auf und kauerte sich wieder auf dem Laken zusammen. Wie lange würde er hier oben bleiben müssen?
Die nächsten Zyklen waren schlimm, er war allein, nur einmal kam seine Mutter mit einem Krug Wasser und etwas Brot nach oben. Ihr Auge war zugeschwollen und er konnte sehen das sie geweint hatte. Sie hatte sich wieder für ihn eingesetzt und dann die Wut seines Vaters gespürt. Sie war die einzige die sich noch nur ihn einsetzte, und er litt darunter. Unter ihrem stillen Leid, den Spuren der Schläge auf ihrem Gesicht, den stummen Tränen. Wie sehr er sich wünschte groß zu sein, kräftig um seinem Vater zu zeigen das er nicht so mit ihnen umgehen konnte. Aber er würde niemals so sein. Er war ein schmächtiger Bursche, mit Beinen wie Strohhalme wie sein Vater ihm immerwieder sagte. Er sah halb verhungert aus und war es auch meistens. Er hatte dunkles, wirres Haar und dunkelbraune Augen. Nicht wie seine Eltern oder seine Geschwister mit blonden Haaren und den blauen Augen die dem Himmel hier in den Bergen glichen. Er gab nichts was sie zusammenhielt. Nichts. Nur das sie seine Familie waren. Er würde fortlaufen, fort von hier.
Er rappelte sich hoch, trank etwas und aß von dem Brot. Er sah sich in dem dunklen, kaum einen Schritt hohen Raum um. Überall Staub und Dreck, Laub das zwischen die Schindeln hindurch eingedrungen war. Er tastete über die Kisten bis er mit den Fingerspitzen an etwas stieß. Er zog ein Lederbündel von der Kiste hinab und wickelte es aus. Er war vor Erstaunen wie gelähmt. Nie hätte er gedacht so etwas hier zu finden, in dem Haus seines Vaters der Musik und Possenspiel verachtete – eine Laute.
Sie war stark mitgenommen und einige Saiten waren gerissen. Der Steg gebrochen und der Körper zerkratzt. Er hielt sie in seinen Händen wie einen Schatz, etwas das nur ihm gehörte und was ihm neue Kraft gab. Er würde sie reparieren und er würde Lieder singen und eines Tages als Barde in die Welt hinaus ziehen. Die Schmerzen in seinem Rücken schienen auf einmal ganz weit weg gerückt zu sein und er malte sich aus wie schön es werden würde.

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BeitragVerfasst: 19.07.07, 17:34 
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Fünf Tage Einsiedelei

- Im Jahre 18 nach der Thronbesteigung seiner Majestät König Hilgorad dem 1. Ap Mer -

Unruhig ging er in der Stube auf und ab. Mehrere Tage schon fühlte er diese innere Unruhe in sich und er konnte nicht fest machen woran es lag. Es war nicht so dass er nicht genug zu tun gehabt hätte, er hatte wie immer seine Arbeiten im Stall, das tägliche Training, die Aufgaben die ihn in den späteren Zyklen erwarteten, aber dennoch hatte er das Gefühl weder vor- noch rückwärts zu kommen. Er hatte ein Ziel doch er wusste nicht mehr wie er es erreichen sollte.
Unterricht hatte er schon seid einigen Wochen nicht mehr gehabt, die meisten zeitaufwändigen Aufgaben hatte er erledigt und die Sachen die noch anstanden waren keine große Herausforderung, und nichts was ihm das Gefühl gab daran zu wachsen.
Er hatte in den letzten Tagen oft versucht ein ruhiges Gespräch mit ihm zu führen, Fragen zu stellen, Gedanken zu äußern – aber stets war etwas dazwischen gekommen. Eine wichtige Audienz, ein unerwarteter Besucher, die Sitzung des Rates oder der abendliche, einsame Spaziergang um den Kopf klar zu bekommen oder sich Dingen zu widmen die sonst zu kurz kamen. Er verstand es und er wusste das dies der Preis dafür war bei ihm lernen zu dürfen, die Ehre zu haben sich sein Knappe zu nennen. Mehr als einmal hatte er sich gescheut sich dieser Ehre als würdig zu empfinden, doch inzwischen waren die Selbstzweifel einem stillen Stolz gewichen der tief in ihm saß und ihm die Kraft gab seinen Weg weiter zu beschreiten.

Einen Zyklus hatte er still im Tempel verbracht. Auf den Knien, den Kopf demütig gesenkt und in Gedanken bei den Geschichten die ihm noch aus seiner Kindheit in Erinnerung waren. Die Geschichten die in den langen Zyklen des Dunkeltiefs sein Herz gestärkt hatten, die Geschichten die in den fröhlichen Tagen des Lichthochs seine Seele zum singen gebracht hatten. Von Heiligen Streitern, Wundern, tapferen Recken Bellums und dem milden Segen der gütigen Herrin, der jeder Geschichte zu einem guten Ende verholfen hat.
Er versuchte sich daran zu erinnern was es gewesen war, was die Helden aus den Geschichten stetig voran gebracht hatte. Er brauchte nicht lange um zu erkennen das es der Glaube an die Viere war. War er selbst von ihnen abgekommen? Hatte er gesündigt? Er war sich keiner Schuld bewusst und doch hatte er das Gefühl nicht weiter zu wissen. Ein weiterer Zyklus verstrich und dann wusste er was er tun wollte. Er würde sich Zeit nehmen zum nachdenken. Zeit für die Viere, Zeit für sich und Zeit um sich seiner nächsten Schritte bewusst zu werden.

Er ging zurück und packte das nötigste zusammen. Eine Decke, einen Laib Brot, eine Feldflasche und das kleine Gebetsbuch. Die Fuchsstute freute sich aus dem Stall zu kommen und in flottem Trab ging es über die Wiesen und durch die Wälder bis zu einem Ort der ihm ruhig genug erschien. Er sah über die unter ihm liegende Insel, folge dem Verlauf der Bäche mit dem Blick und atmete die salzige Luft ein die vom Meer her kam. Hier würde er verharren. Fünf Tage. Einen Tag für jeden der Viere, einen um sich über sich selbst klar zu werden. Er würde sich der Geschichten erinnern, der Gebete, der Lehren und der Tugenden und er hoffte das die Zeit ihm helfen würde zu erkennen wohin es weiter ging und wie er weiter kommen würde.

Die Tage verstrichen und die meiste Zeit saß er im Schneidersitz auf seiner Decke. Fela und die Monde zogen ihren Weg über den Himmel, wechselten sich wie immer ab, ließen Zyklus um Zyklus verstreichen und langsam wuchs etwas Neues in ihm. Es war nichts was er sofort bemerkte, nichts was wie eine göttliche Erkenntnis wirkte, nichts was er benennen konnte.
Und doch würde es ihn weiter bringen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Episoden eines Lebens
BeitragVerfasst: 17.01.09, 19:31 
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Ein schwerer Brief

- im Jahre 20 nach der Thronbesteigung seiner Majestät König Hilgorad dem 1. Ap Mer -

Hoch lag inzwischen der Schnee auf dem Pflaster der Stadt und insbesondere an den Hauswänden. Der scharfe Wind hatte ihn stetig gegen die steinernen Mauern getrieben und zu hüfthohen Wehen aufgetürmt, so dass man beinahe nicht mehr gehen konnte. Ein Narr der ohne Grund vor die Tür geht und sich der Kälte aussetzt.
Einer dieser Narren schien das Wetter gar nicht wahrzunehmen und stapfte mit den dicken Fellstiefeln durch den Schnee, es knirschte unter einen Füßen und ließ ihn weit bis über die Knöchel einsinken. Sein Blick jedoch hatte sich verloren und nachdenklich tippte er mit dem Gänsekiel gegen seine Lippen. Ein junger Mann mit halblangem, dunklen Haar welches allein durch die Mütze nicht allzu sehr vom Wind zerzaust wurde und mit dem feinen Schimmer des ersten Bartflaums am Kinn und auf der Oberlippe. Niemand hätte ihn wohl für mehr als einen tagträumenden Taugenichts gehalten, wenn da nicht das schlichte aber nichtsdestotrotz auffällige Schwert in der Scheide an seinem Waffengurt geruht hätte - in das Parier die Zeichen der Ritterschaft der sieben Winde eingraviert, welche ihn als jungen Ritter auswiesen.
Heute jedoch trug er nicht die Farben seines Standes sondern war in schlichte aber warme Kleidung gehüllt. Dieses Mal hatte ihn nicht die Pflicht herausgelockt, sondern ein Kampf der so viel schwerer zu fechten war: Einen Brief an ein Mädchen schreiben.
Einige Zeit ging er in den Straßen der Stadt auf und ab, schrieb einige Zeile, strich die meisten Worte wieder durch und schrieb sie neu. Tintenflecken an den Fingern und kurz darauf auch an der Schläfe, welche er sich grübelnd mit den verschmierten Fingern gerieben hatte. Um Schutz vor dem neu einsetzenden Schneefall zu finden, setzte er sich auf einen der Marktstände und schrieb weiter. Gerade mitten in Gedanken wurde er angesprochen: „Nix los, mh?“ Er sah auf und blickte auf den Nortraven, der gerade sein Pferd in Richtung Westtor führte. Noch ganz durcheinander antwortete er irgendetwas doch dann kam ihm die Realität immer mehr in den Sinn. Er saß mitten auf dem Markt und schrieb einen Brief an ein Mädchen. Wie gut dass um diese Zeit noch nicht so viel los war. „Nicht sonderlich viel, ja. Aber das hat auch seine Vorteile.“ Sprach er dann ruhig und wieder fühlte er die Verlegenheit in sich emporsteigen. „Aye. Vorteile.“ Eine Pause. „Welche denn, äh?“ Was sollte er sagen? Wie hatte er sich mal wieder so in die Nesseln setzen können? Er schaffte es jedoch sich halbwegs aus der Affäre zu ziehen, der Nortrave zeigte sich auch nicht übermäßig neugierig – ein Glück war Tarnuk nicht hier.
Es wurde wieder still nachdem der Nortrave seinen Weg nach Hause angetreten hatte und einige Zeit noch streifte er ziellos durch die Gassen bis ihn sein Weg wieder in die Burg führte. Unbefriedigt ließ er sich auf sein Bett sinken, nur um kurz darauf doch noch einmal aufzustehen und ein paar Worte auf das Pergament zu setzen. „Liebe Freundin...“ zufrieden mit dem Anfang des Briefes legte er hin. Was für ein Abend.

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 Betreff des Beitrags: Re: Episoden eines Lebens
BeitragVerfasst: 16.09.09, 13:49 
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Einsamkeit

- im Jahre 20 nach der Thronbesteigung seiner Majestät König Hilgorad dem 1. Ap Mer -

Ein Schrei zerriss die scheinbar friedliche Stille auf dem Burghof und die Wachen auf den Türmen und Wehrgängen wandten die Blicke verwirrt zu dem Mann der dort an den Zinnen stand und langsam in die Knie sank. Nur wenige hatten in dem aufbrausenden Wind des ersten Bellumssturms verstanden was er gerufen hatte, und diejenigen die ihm am nächsten standen, zögerten sich ihm zu nähern. Das schlichte, aber umso aussagekräftigere Schwert an seiner Hüfte wies ihn als Ritter der Sieben Winde aus, und die wachhabenden Gardisten waren nicht sonderlich stark darauf erpicht sich mit einem Adligen anzulegen. Auch wenn dieses Gemäuer inzwischen nicht mehr die Heimat des Ritterordens war, so wussten die Gardisten des Ersonter Bundes doch genau, dass die Ritter noch immer in den Diensten des Königs standen und auch in diesem Lehen einen gewissen Einfluss hatten. So kam es, dass auf die ersten Momente nach dem herzzerreißenden Schrei, eine bedrückte Stille und Reglosigkeit folgte, die allein durch die Naturgewalt durchbrochen wurde.
Das Haar des jungen Ritters wurde von den Böen zerzaust, als er so auf die Knie sank und sich allein mit den Händen noch an den Zinnen aufrrecht hielt. Die Stirn ungeachtet des Schmerzes und der Kälte des Gesteins fest an die steinernen Zinnen gedrückt. Ein Schluchzen stieg aus seinem Innersten auf und entrang sich seiner Kehle und leise, nur flüsternd wiederholte er die Worte seines Schreis „ ... wo seid ihr... ?“

Die ganzen letzten Tage, Wochen und Monde waren so still gewesen. Einzig von Pflichterfüllung und täglichen Aufgaben geprägt. Hier und da gab es kurze Momente in denen er aus dem stumpfen Einerlei auftauchte, und seine Laute von ihrem Platz nahm um den aufsteigenden Gefühlen und Gedanken auf diese Weise Herr zu werden. Immerwieder hatte er gespürt wie diese Insel ihre Bewohner zerstörte und wie sie die Menschen vertrieb, die ihm am wichtigsten waren. Einer nach dem anderen war verschwunden und hatte eine schmerzhafte Lücke hinterlassen. Jedes einzelne Mal blieb er zurück und konnte nur den Segeln am Horizont nachsehen – wenn er denn das Glück hatte sie überhaupt noch einmal zu sprechen.
Er hatte sich Mühe gegeben jemanden zu finden mit dem er dennoch reden konnte, einen neuen Freund zu finden dem er genauso beistehen konnte wie dieser ihm beistehen würde. Doch jeder Versuch wurde im Keim erstickt, schien doch der Stand eines Ritter wie eine unsichtbare Mauer um ihn herum aufgebaut. Niemand wagte es die fein gezogenen Grenzen der höflichen Konversation zu überschreiten und wirklich eine tiefe Freundschaft aufzubauen. Er hatte solch eine Freundschaft innerhalb des Ordens gesucht, außerhalb dessen und selbst in den Reihen der fremden Völker. Er hatte versucht die Gemeinschaft der Ritter zu fördern und war gescheitert. Alles, die Arbeit, die Menschen, selbst die Insel an sich schien nicht mehr an ihn heran zu kommen, er stand Abseits und fand den Zugang nicht mehr. Sein Körper, sein Stand und seine Aufgaben waren in diese Welt eingebunden, doch seine Seele sank immer tiefer in die Leere der Einsamkeit.
An diesem Abend hatten ihn die Schritte zu den Orten geführt, die ihn einst berührt hatten und an welchen er am stärksten gespürt hatte, dass er wirklich noch lebte. Eine ganze Weile stand er im vollen Schankraum der Seeschlange in Brandenstein und sah über die fremden Menschen, die fremde Einrichtung, die völlig fremde Atmosphäre die nichts mehr mit der urigen Gemütlichkeit der Seeschlange zu tun hatte. Er wurde kaum wahrgenommen und höchstens einmal von einem hinauseilenden Gast mit einem Kopfnicken bedacht. Es schien als wäre er gar nicht da und in diesem Moment hatte er den unbestimmbaren Drang die Schlangenfigur über der Tür der Taverne abzureißen – dies war nicht mehr die rote Seeschlange. Der Ort, der ihm einst so wichtig war, war verschwunden.
Wie betäubt ging er weiter durch die Straßen und sah an dem Haus auf, welches früher von Zacharias und Lucius bewohnt worden war. Nun war die Gemeinschaft der Elementardiener dort beheimatet und das ganze Haus war umgebaut. Auch dieser Ort hatte sich wie in Luft aufgelöst. Was war noch geblieben? Selbst der Hof des Grafen lag verloren da und einzig eine kleine Flamme in der Kammer des Leibdieners zeigte, dass der Ort noch nicht ganz im Verfall begriffen war. Er dachte nicht über seinen Weg nach und als er vor der kleinen Jagdhütte in Greifenklipp stand, da spürte er auch hier dass sie leblos war. Er sah die Bilder der Vergangenheit vor seinem inneren Auge und so war es ganz natürlich dass ihn seine Schritte von der kleinen Hütte fort zur Burg nach Falkensee trugen. Die trutzigen Mauern waren ihm lange Zeit ein Zuhause gewesen und die Menschen hier hatten ihm vieles beigebracht, hatten ihm beigestanden, waren ihm zu Freunden geworden. Die Gardisten der Garde, die Angestellten des Hofstaats und manch ein Gast. Er sah an den Mauern hinauf und statt der Farben des Königs, schwangen nun die Wimpel des Ersonter Bundes im auffrischenden Wind.
Er stieg die Stufen zum Wehrgang hinauf und stellte sich an die Zinnen. Der Blick glitt wie früher so oft über das Wasser des Sees und über die Hügel der Insel. Früher war ihm dies alles vertraut gewesen. Heute war alles Leer. Etwas stieg in ihm auf und mit den ersten Tränen entrang sich auch der verzweifelte Schrei seiner Kehle „Wo seid ihr?“

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