Eigentlich hatte sie gedacht das Malen könne sie beruhigen, so wie sie es vor Custodias geäußert hatte, als er in der Umkleidekabine der Schneiderei das Bild des Glases entdeckt hatte.
Als sie nun aber an der Nordstraße saß, an der Seite des Tempels, beruhigte sie das Ganze nur wenig.
Den Grund, warum sie dieses Motiv wählte, war ihr so schleierhaft wie der Grund, es an diesem Ort zu tun.
Ob es die Hecken waren? In Venturia zierten ähnliche Labyrinthe aus grünen, eckig geschnittenen Hecken den Innenhof des Tempels. Ja, gar ein gewaltiger Tempel. Ein Gebäude, das allein durch sein Mauerwerk Demut hervorbrachte und sehnsüchtigen Schutz versprach. Sie hatte in Venturia niemals erlebt, dass die dicken Säulen aus sandig braunen Gestein jemals auch nur einen Riss erlitten hätten.
Immer, wenn sie die drei Monde zu Besuch bei ihrem Onkel war, verbrachte sie viele Stunden in diesem Garten, in den Gängen, in der Krypta und artig und sittsam auf den Bänken angesichts des Altars.
(Gezwungen? Freiwillig? Sie konnte sich nicht mehr erinnern...)
Je mehr die Formen auf der Leinwand denen in ihrer Erinnerung glitt, desto schneller schlug ihr doch das Herz. Desto unruhiger wurde sie, gar etwas verunsichert. Das Bild offenbarte eine Welt, in die sie sich vielleicht zurück wünschte... aber je länger sie dort auf der Bank saß, desto mehr bohrte sich eine Ahnung in ihr hinauf, dass etwas fehlte... Aber sie konnte nicht tief genug in sich selbst eindringen und beließ es dabei.
Das Bild war fertig. Es hatte keine andere Wahl.