Schnell flitzte das kleine Mädchen mit dem flatternden Stück Pergament in der Hand über das Deck.
Kaum auf die Reling geklettert machte sie auch schon mit lauten Rufen und eifrigem Wedeln des Zettels auf sich aufmerksam.
Die untergehende Fela im Rücken, warf sie einen langen Schatten, der bis über die Anlegestelle reichte.

Cimael drehte sich noch einmal kurz um. Für einen Moment hatte er Mühe ihre Belange richtig einzuschätzen, doch dann signalisierte er ihr mit einem knappen Kopfschütteln seine Antwort, ehe er seinen ruhigen Gang über den Steg fortsetzte.

Das Holz knarrte, als das Mädchen vom Geländer hüpfte und mit beiden Füßen gleichzeitig auf dem Deck landete. Der alte Elf brauchte sein Blatt anscheinend nicht mehr. Aber was wohl die vielen komischen Schriftzeichen bedeuteten?
Die Mama hatte ihr erklärt, dass die Elfen so schreiben würden.
War nicht noch einer an Bord?
Doch, sie erinnerte sich an einen großen Blonden mit spitzen Ohren. Es wurde bereits dunkel und das Schiff war erneut auf See, als sie ihn endlich am Bug fand.

So steckte sie ihn mit ihrer Neugierde an.
Kaum hielt er das Pergament in Händen, bemerkte er auch schon die schwache Präsenz, den Hauch von Magie, der dem Schrieb inne wohnte. Nur einen Wimpernschlag später, als die letzten Strahlen Felas hinter dem Horizont verschwanden, wurde diese Magie sowohl für den Elfen, als auch für das kleine Mädchen augenscheinlich.

Die schwarze Tinte hatte ihre Farbe verändert.
Im Dunkel erstrahlten die elfischen Schriftzeichen nun in einem angenehmen, leuchtend hellen Blau.
Amüsiert über das kindliche Staunen der Kleinen, reichte ihr der Blonde das Blatt zurück.
Sie begnügte sich dank des Lichterspiels mit der kurzen Zusammenfassung des Inhalts.

Anschließend sah man sie noch eine Weile lachend mit dem blau schimmernden Papier über das Deck laufen, bis ihre Mutter sie in die Kajüte rief.

Von all dem bekam Cimael nichts mehr mit. Seine Schritte führten ihn bereits wieder durch Falkensee. Dennoch waren seine Gedanken bei dem Pergament. Während seines Aufenthaltes auf dem Festland hatte er diese Aushänge an vielerlei Orten angebracht.

Als er den Feierlichkeiten bezüglich der Reise seines leiblichen Bruders nach Lothorien beiwohnte, traf Cimael auch einige seiner ehemaligen Schüler wieder, doch lange nicht alle.
Bunt waren ihre Wesen, und nicht immer war es leicht gewesen herauszufinden wessen Geistes Kind sie waren, als er sie ausbildete.

Der gelegentlich etwas zu zögerliche Lhonyas mit seinem Interesse an der Strategie.
Der selbstbewusste Muyel, der seine Probleme mit der Lehre der Philosophie des Kampes hatte.
Die anmutige Fayis, die ihre mangelnde Erfahrung ob ihres jungen Alters mit ihrem Streben nach Perfektion wettmachte.
Der misstrauische Eshoyel mit seiner Schwäche für endophalische Schwertführung.

Sehr lange lag ihre Ausbildung zurück. Sehr verschieden waren ihre Gemüter.
Und doch waren sie alle auf ihre Weise edel geworden.

Vermutlich hatte Cimael deshalb die schimmernden Aushänge angebracht.
Sie waren ein Aufruf an Hochelfen allerorts, das Schicksal ihres Volkes auf der Insel Siebenwind mitzubestimmen.
Sicher fiel die Schrift einigen ins Auge, und hoffentlich würden sie den ein oder anderen Krieger, Schützen, Späher oder Feldscher auf diese Insel führen.
Zusätzlich hatte er jeden Aushang noch mit einer attraktiven Aussicht auf Beschäftigung versehen.

Den Rest würde nun die Zeit bestimmen.