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 Betreff des Beitrags: Die Hand erheben.
BeitragVerfasst: 20.10.09, 14:40 
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Mit dem Kopf auf einem Buch, die Augen geöffnet..
"Eine makellose Etikette ist das A und O der feinen Gesellschaft. Geschliffene Manieren und Umgangsformen ermöglichen uns den korrekten und höflichen zwischenmenschlichen Umgang. Sie definieren was sich für welchen Stand und Rang ziemt und was sich nicht ziemt, was von den Mitmenschen als schicklich und als abstoßend empfunden wird. Allzuoft geraten wir in eine Situation, die von geschickten, diplomatischen Worten entschärft und beruhigt wird - und so stellt die Etikette das Band dar, dass Menschen auf engstem Raum und von unterschiedlichstem Range dennoch zusammenhält und verbindet, denn es weiß jeder, wo sein Platz ist."
Die Haltung Brands war in sich zusammengesunken, in einer embryonalen Haltung, die Arme um die Knie der schlacksigen Beine geschlungen, auf dem Bett kauernd. Die vergilbte Seite des Buches vor seinem Gesicht, dessen lederschweres Gewicht ihn noch tiefer in das harte, raue Kissen zurückzudrücken schien, bewahrte ihn doch zumindest davor sich allzusehr umblicken zu müssen - so wurde er nicht daran erinnert wo er sich befand. Mit einem Ruck zog er die dünne Decke aus Schurwolle höher, bis sie an sein Kinn ragte.. und doch seine Füße wieder unwirtlichen Kälte im Raum auslieferte. Das Feuer im nahen Kamin war schon längst heruntergebrannt. Niemand hatte sich die Mühe gemacht einen der vielen bereitliegenden Scheite zu greifen um der hungrigen Glut weitere Nahrung zukommen zu lassen und so war schon vor mehreren Stunden, noch mitten in der Nacht, die letzte Glut knisternd verloschen. Asche war übrig, und hier und dort ragte noch ein verkohltes Stück eines nicht ganz verbrannten Holzstückes hervor.
In der Ecke des Raumes stand ein kleiner, hölzerner Kasten auf dem Boden. Was noch am gestrigen Tage eine voll funktionstüchtige Pendeluhr gewesen war, sah nun eher nach einem zusammenhanglosen, verworrenen Bündel aus ineinander verdrehten Sprungfedern, kleinen Übertragungsdrähten und unordentlich nach Größe sortierten und gestapelten Zahnrädern aus. Der faustgroße Bronzependel samt dazugehöriger Schnur lagen gefährlich nahe am Feuer, am Rand des uhrmacherischen 'Schlachtfeldes' und waren vom letzten Aufbäumen der Glut in der Nacht von einer dezenten Schicht Ruß und Asche überzogen worden. Die Spur der Zahnrädchen und Drahtschnüre zog sich zu dem nahen Bett hin auf dem quer ausgestreckt der Protagonist lag. Stille erfüllt den Raum wie nasse Watte, die jede noch so kleine Ecke ausstopfte, hartnäckig hängenblieb und jedes Geräusch erdrückte und ertränkte.
Die nächste Bewegung - mit einer Hand packte er sich an die Stirn, im vergeblichen Versuch die ihn quälenden Kopfschmerzen so zu besänftigen - sorgte für einen kleinen Schauer aus Schuppen und dünnen, braunen Haaren die sich aus dem Schopf des Jünglings lösten. Das Halten der Stirn ging bald zu einem nervösen Kratzen über das ganze Gesicht über, wobei die ungepflegten Fingernägel rote Striemen hinterließen und getrocknete Tränenflecken, Tintenreste und anderen Schmutz lösten und zu Boden rieseln ließen.
Ein kleines Stimmchen meldete sich im Geiste des vom Kater geplagten jungen Mannes. Kaum war zu sagen, ob es lediglich das geschundene, überstrapazierte Gewissen war, das sich verzweifelt meldete, oder etwas Anderes - auf jeden Fall war die erste Reaktion erst einmal das Gesicht in das Kissen zu pressen, die Augen wurden geschlossen um das wie bei Migräne schmerzende Licht auszuschließen.

"Es war rechtens, was du getan hast.
Was grämst du dich denn so?
Er hat bekommen, was er verdient hat.
Du hast die Wahrheit gesprochen -
Es war seine Schuld.
Er hat sie alleine gelassen, ist fortgegangen.
Erinnerst du dich noch?
- Wie er dich während deiner Ausbildung
Mit Worten und Körperlichem misshandelte,
Bestrafte?
Er hat es verdient."

"Leere Worte.
Du weißt, was du getan -
Hast deinen Meister hintergangen
Hast deinen Zorn an ihm ausgelassen.
Du hast die Hand gebissen,
die dich fütterte,
Hast den Freund fortgestoßen,
Der dir vertraute bis zuletzt.
Ein Narr bist du.
Reue solltest du tun."


Es war am gestrigen Tage alles so furchtbar schnell gegangen. Und letztenendes hatte er doch seine Manieren vergessen, seinen Gefühlen einmal freien Lauf gelassen.

_________________
"Nenne mir, Muse, den Mann, den Vielgewanderten..."
Ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον


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