Ra erwartete sie bereits.
Die Armee aus Dwarschim, Nortraven und Malthustern rückte vor gen Goblinfort. Die Goblins hatten einen Dwarschim gefangen genommen und gut sichtbar angebunden. Es wurde schnell klar, daß sie ihn töten würden, wenn sie angreifen würden.
Liam kam Leandra in ihrem eigenen Vorhaben zuvor. Er sprach nur kurz mit ihr, ließ sie das Nötigste wissen. Dann trat sie als Unterhändlerin vor und verlangte, den Häuptling zu sprechen.
Wie schon das letzte Mal ließ er sie eine Weile warten, ehe er sich zeigte. Was zu sagen war, brachte sie schnell und präzise heraus. Langes Herumreden lag ihr eh nicht. Sie verlangte ein Duell. Der Einsatz war die Herausgabe des gefangenen Dwarschim. Er willigte ein. Das Duell würde stattfinden. Ein „Bellumsduell“, wie Liam es nannte. Auf Leben und Tod.
***
Gebannt stehen sie also dort und sehen den Kämpfenden zu. Der Goblinhäuptling fackelt nicht lange herum. Seine Angriffe lassen schnell erkennen, daß er von Begriffen wie "Ehre" noch nie gehört hat. Ihm geht es einzig um den Sieg.
Überrascht vom rüden Kampfstil des Goblins taumelt Liam zurück. Leandra hält den Atem an und wünscht sich, doch sich selbst als Duellgegner vorgeschlagen zu haben. Sie hätte gewusst, wie man mit dieser Sorte Kroppzeug umgeht! Oft genug hatte sie mit solchem Geschmeiß in der näheren und ferneren Umgebung von Gol Air zu tun gehabt.
Liam aber blieb seinem Kodex treu. Er hatte sich mittlerweile gefangen, den Kampf ein wenig unter Kontrolle gebracht. Doch er war bereits durch die schnellen und unfairen Attacken vom Beginn des Kampfes schwer verwundet, das war unübersehbar. Es war nur eine Frage der Zeit bis er…
Tot. Regungslos blieb Liam am Boden liegen. Für einen Moment völlige Stille, ehe der Goblinhäuptling roh jubelte. „Kommän in Topf“ verkündet er dann lapidar und begann, den Körper des Geweihten gen Fort zu schleifen.
Leandra löst sich aus ihrer Starre. „Halt!“ – verzweifelt, und doch bestimmt fordernd mochte es geklungen haben. Den Geweihten, den persönlichen Vertrauten des Marschalls zu verlieren, war das eine. Doch seinen Körper von diesen Wesen entehrt zu wissen, das hätte sie sich selbst nicht verziehen. Soviel Achtung brachte sie ihm trotz seiner Zauderei dennoch entgegen.
Der Goblin achtet nicht auf sie. Zerrt weiter an dem Leblosen. Schon fast ist er mit ihm an der Palisade angelangt, das Tor wird soeben für ihn geöffnet. Ohne zu Zögern gibt sie den Befehl, die Leiche des Geweihten zu bergen. Ohne zu Zögern stürmt Cizra, die Elfe, von deren wildem Kampfgeist sie sich erst vor kurzem vor den Toren Kesselklamms überzeugen konnte, vor und schneidet dem Häuptling den Weg ab. Leandra folgt ihr, versucht, dem Goblin den Leichnam zu entreißen.
Plötzlich ein Pfeilhagel von den Palisaden.
Sie kann den Schild empor reißen, doch schmerzhaft bohren sich zwei oder drei Pfeile zuvor in ihren Körper. Cizra hat weniger Glück. Ohne Schild ist sie den Pfeilen schutzlos ausgeliefert und geht zu Boden. Sie ruft den nächsten Befehl, doch Peter und Emanuel sind schon unterwegs. Der Häuptling lässt nun vom Leichnam des Geweihten ab und flüchtet sich ins Innere des Forts. Emanuel schnappt sich den toten Liam, Peter schleift die bewusstlose Cizra mit sich, nur knapp und dank ihrer Schilde den Pfeilen entgehend, die nun, als der Häuptling das Feld verlassen hat, in noch größerer Zahl auf sie zufliegen.
Mit letzter Kraft retten sie sich außerhalb der Reichweite der Goblinschützen. Aus dem Augenwinkel bekommt Leandra noch mit, wie der Rest ihrer Truppe, die Dwarschim und die Nortraven, von der Flanke aus angegriffen werden. Sie will hin stürmen, doch die Wunden, die sie von den Pfeilen davongetragen hat, belehren sie eines Besseren. Außerdem haben sie hier eine schwer verwundete Kameradin, die es in Sicherheit zu bringen gilt.
Hierzu gibt sie nun auch wider desWunsches ihres Herzens den Befehl.
Emanuel bringt den Leichnam des Geweihten weiter voran, in den Bergpfad hinauf, während Peter sich um Cizras Wunden kümmert. Da taucht auch dieser Joseph Stern wieder auf. Der Dreckskerl. Der Scheißkerl, den sie erst vor so kurzer Zeit meinte, in seine Schranken verwiesen zu haben. „Rähähähähähähähä“ lacht er irr und rennt wie ein il’achat* (etwas anderes war er wohl auch nicht) um sie herum. Sie hatte es bis jetzt geschafft, ihn zu ignorieren, obwohl er seit den ersten Kämpfen bei Kesselklamm herumgeturnt war und sie beleidigt hatte. Nun war das Maß voll. Ein Blick genügte und er wurde niedergeworfen. Als hätten sie nicht schon genug Probleme.
Gerade hatten sie ihre Wunden so weit versorgt, daß sie zurück zum restlichen Heer stoßen wollten, da kamen jene bereits an ihnen vorbei. Geschlagen, abfällig, wütend. Sie ignorierten Leandra, schnaubten lediglich abfällig. Was hätte sie anders machen sollen? Ging nicht das Wohl und das Leben der Kameraden vor? Hätte sie Cizra verbluten lassen sollen? Sie erhielt keine Antworten auf ihre Fragen. Schon bald waren sie wieder allein. Wo war nur Emanuel?
Schließlich fanden sie ihn, weiter oben in den Bergen. Und bei ihm wartete Ra. Stand unsichtbar neben ihm und wartete auf sie, auf die Kriegerin der Wüste. Wartete ohne jede Häme, doch beharrlich gleich Rha** selbst. Schlagartig wurde Leandra bleich, wie sie es erst einmal in ihrem Leben war:
Liam lebte.
* wörtlich: ohne List. Hier: geistig Verwirrter ** Tod
_________________ Inaktive Charaktere: Ramo al Laomar Abgereiste Charaktere: Laura Induas/Jaro Tyslaf Ehemalige Charaktere:Leandra/Yessir Jal Ehur/Arn Toron
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