„Nun... es geht um einen Mord. Eine tragische Geschichte...
Vielleicht kennt Ihr das Opfer...Emanuel Sanderus war sein Name... Ehemann, Vater... guter Freund von Eurem Mann habe ich gehört.“Mit diesen Worten wurde das Verhör eingeleitet. Ein direkter Angriff auf das Mitgefühl der bleichen, leicht erkrankten Frau, die seit Tagen schon mit ihrem Kummer kämpfte und nun wie versteinert an einem Tisch der Bernsteinschenke saß.
Sie war naiv, hatte geglaubt, die beiden Malthuster wären wirklich Freunde Simons gewesen, wollten von ihr wissen, wie man ihm noch vor der Todesstrafe schützen könnte. Also ging sie mit. Ersonter Lehen, sie war noch in Falkensee... die Wachen standen direkt am Nordtor und würden aufsehen, wenn drei unbekannte ein geschlossenes Geschäft betraten.
Aber nichts. Keine Hilfe.
Cacama war sein Name, der Mann, der ihr gegenüber saß, mit seinen grauen, ja fast abstoßend trüben Augen, die nichts als Kälte und Finsternis seines Inneren wiederspiegelten. Bösartig waren seine spitzen Zähne, die beim Sprechen wie die eines Raubtieres hervorblitzen. Seine Worte gehüllt in die falschen Klänge von Unbefangenheit, Plauderei.
Sie konnte diesen Blick nicht lange standhalten, senkte ihn... hob ihn wieder um die Schwäche nicht zu offenbaren, die er in ihr weckte.
„Wir gehen davon aus... dass sein Mörder... niemand anderes ist als Simon Schwarz.“Sie presste die Kiefer aufeinander und es ward ihr, als presste man ihr die Lungen zusammen. Und dennoch stellt sie tonlos ihre Frage:
„Wie kommt man zu der Annahme?“...Zeig keinen Schrecken... wenn sie sehen dass du stockst denken sie noch, dass sie recht hätten...„Nun es gibt einige Beweise. Sanderus wusste viel über den Putsch von Herrn Schwarz. Er hatte Zugang zu den Zellen und keine Probleme mit dem Töten. Er ist immerhin ein erfahrener Soldat.
Und er verschwand.“...Emanuel war beteiligt, natürlich wusste er von dem Putsch. Man wusste auch das Simon beteiligt war... warum sollte er ihn dann noch aus dem Weg räumen? Ja, er hatte die Schlüssel... sie waren schon gemeinsam da unten gewesen und er hatte gescherzt sie dort einzusperren (wofür muss nicht erwähnt werden)... und er hatte Probleme mit dem Töten... fragte sich oft, ob es ihm zu einem schlechten Menschen machte ihm Kampf zu töten... und natürlich verschwand er... sagte er nicht das Lehen hätte ihn zurück geschickt?...So viele Gedanken hinter der von Ermattung geprägten Fassade. So viel Glaube an den Mann, den sie liebte.
„Das sind keine Beweise...“, dementierte sie nur.
„Ich möchte, dass Ihr mir nun ganz genau erzählt was Ihr wisst... über Simon, seine angebliche Fahrt auf das Festland.“
...angeblich?!...„Ihr würdet ihn vor dem Galgen bewahren wenn Ihr mir alles erzählt. Über Simon, seine Verbindung zu Sanderus und dem Putsch.“„Und Ihr geht davon aus, dass er mir davon erzählt hat?“
„Nun er ist euer Mann oder nicht?“
„Wie kommt Ihr zu der Annahme?“
„Er hat es oft erzählt.“Sie spürte, wie ihr ein Dorn ins Herz gestochen wurde... hatte er sie wirklich seine Frau genannt? Seine Frau... ihr Blick glitt herab zu dem goldenen Ring an ihrem Finger, den er ihr mit den Worten angesteckt hatte, dass sie ihm Vitama gezeigt hätte. Nein, niemals... nicht dieser Mann... er hätte niemals Sanderus umgebracht... er hatte doch noch versucht, dass Emanuel und Awa sich wieder vertrügen...Die Tür wurde von einem zweiten Mann versperrt. Eingeschlossen. Nach der Frage des Warums tat sich ein ungeheuerlicher Vorwurf auf:
„ Ihr seid die Frau eines Verräters... wer sagt uns dass Ihr nicht auch zu diesem Verschwörerkreis gehörtet?“
„Unter einem solchen Vorwurf ziehe ich es vor, wenn eine Ersonter Wache an diesem Gespräch teilnimmt.“„Langsam strapaziert Ihr meine Geduld... Ich bin ein gutmütiger Mensch. Aber mein Kamerad da ist leider ein ziemlicher Hitzkopf... und er wird schnell ungeduldig.“ Sie wandte den Blick zurück zu der Tür... wie hieß er... Victor? Ja, die Drohung war ihr bewusst geworden.
Cacama versuchte es weiter. Warf ihr vor, der Tod von Simon sei ihr egal, sie könne ihn retten, könnte eine Familie mit ihm gründen... Aber wie sollte sie das?
Dieser Mann, dieses furchtbare Etwas... er war furchtbar unvorbereitet... wäre er offiziell geschickt worden, hätte er nicht gewusst, dass sie mit Barius am Felatag am Hofe nach Simon suchte? Da war er schon verschwunden und Emanuel noch am leben... wusste Cacama nicht, dass man Simon zur 20. Stunde am Mondtag am Hafen gesehen hatte?
Gereizt reagierte er unter ihren Vorwürfen über sein Unwissen... und noch gereizter bei der Erwähnung Barius’.
Wieder appellierte er an ihr gewissen... erzählte von dem Leid von Sanderus’ nun alleinerziehender Witwe... Aber hatte Awa nicht auch Mann und Kind verloren?
„ Sagt... wisst Ihr vielleicht noch etwas über eine Gysell Kathul? Simon verbrachte ziemlich viel Zeit mit der Soldatin...“
"Den...Namen habe ich nie gehört.“
„Nein? Sie war wohl so was wie seine beste Freundin... man sah sie oft in
Brandenstein in der Taverne.“Ja, sie kannte den Namen nicht, wusste aber wer sie war... Barius hatte von einer Frau erzählt, die im Leben von Simon und ihm eine Rolle spielte. Sie kannte die Geschichte hinter dieser Frau, von der Simon ihr niemals selbst erzählt hatte. Und? Wollte Cacama sie eifersüchtig machen, als er ihr erzählte, dass Simon sie pflegte, sich jeden Tag um diese Gysell kümmerte? Awa glaubte fest, dass er es im Sinne der Viere getan hatte.
Und wenn die beiden Männer versucht hatten dieser Frau zu helfen... wie käme Awa nun auf die Idee, sie zu verraten? Die Unbekannte?
Aber seine Versuche ihre Eifersucht zu wecken gingen ins Leere.
Und als Cacama dies merkte, versuchte er Awa zu verunsichern, indem er darauf herum hackte, dass Simon sie und das Ungeborene verlassen hatte.
Aber Cacama wusste nicht, dass Awa Simon gebeten hatte zu gehen und nicht einmal bettelte er solle bleiben. Denn sie wusste schon seit Tagen, dass dieses Kind nicht überleben würde, dass Simon sich für das Militär und gegen die Familie entschieden hatte...
Sie führte Cacama im Laufe des Gespräches ohne irgendwelche Regungen an der Nase herum. Ob Cacama dies merkte? Wusste, in welche Sackgassen er lief?
Wie Awa die Worte so drehte und wandte, dass er ihr nichts anhaben konnte und sie Simon nicht einmal belastete? Dass er nicht einmal merkte, wie viel Wissen sie eigentlich zurückhielt?
Oder merkte nur sie nicht... dass er doch mehr daraus fischen konnte als sie dachte...?
Da versuchte er es mit einem neuen Vorwurf... dass sie ihn in ihrem Haus verstecken würde. Aber natürlich war er auch darüber nicht informiert, dass Barius den Abschied von Simon miterlebte, dass Awa vor Kummer das Kind verloren hatte und über Tage unter Pflege und Aufsicht von Markus Panscher stand. Wäre Simon bei ihr gewesen, wäre dies nicht passiert.
Die Malthuster hätten schlauer seien und von vorne herein ihr Haus bewachen lassen müssen.
„Ihr scheint überhaupt nicht besorgt.“
„Weil ich Eure Worte für haltlos halte.“
„Wisst Ihr, dass der Marschall einen Brief ans Festland geschickt hat?
In dem geschrieben steht... dass Simon Schwarz sofort fest zu nehmen ist...
ehe man ihn hängen soll?“
„Simon sagte mir nur, er würde aufs Festland geschickt werden, von der
Malthuster Armee zurück zu jener, um dort als Freier wieder seinen Dienst in der Armee aufzunehmen.“
„Er ist selber gegangen? Nun geflohen würde es besser treffen.“ Alle Eifersucht tat nicht weh, alle Vorwürfe gegen ihre Person waren im Schein zu dem Offenbarten leicht zu ertragen. Aber das Wissen, dass Simon stirbt, sobald er seine Heimat, sein Leben, betritt? Hatte er sie bewusst angelogen oder war er nur auf einen Trick hereingefallen?„Mhm gut... Ihr habt Glück... das dass Oberkommando uns geschickt hat.
Sie hätten auch ein paar der brutaleren Rekruten schicken können.“Endlich... er gab auf...„Mit Euch haben sie nicht den Besten geschickt...“ , setzte sie nach, ermutig dadurch, dass sie nun schon unbehelligt aufstehen und Richtung Tür gehen konnte.
„Nein... stimmt... ich bin auch eher der Mann fürs Grobe... seid froh das ich heute gut gelaunt bin, Fräulein.“„Achja? Was wollt Ihr machen?“, trotzte sie.
„Oh... ich bin der Folterknecht des Lehens. Mir wäre etwas eingefallen.“Sie hatten einen weiteren Fehler gemacht. Dachten ihre Worte alleine würden reichen, dass sie brav warten würde, bis die beiden Falkensee durch das Nordtor verlassen hätten. Und ehe sie sich versahen trat die in schwarz gehüllte Frau durch die Tür und machte sich daran in Richtung der Burg zu verschwinden.
Aber eines bekam sie noch mit, und es ließ den süßen Geschmack diese Unterredung überstanden zu haben schnell bitter werden...
„Miststück... die werden wir uns noch holen... aber nicht jetzt.“
Denn ja, er hatte ihr Angst gemacht... Angst um Simon... Angst vor der angedrohten Gewalt... Angst vor der Eifersucht auf diese Frau... Angst sich damit auseinander zu setzen, dass Simon sich gegen ihre Familie entschieden hatte... Angst vor schlechten Gefühlen.
Und sie wünschte sich nichts mehr, dass Simon irgendwo hin war.. irgendwo... nur nicht nach Malthust.Ob ihm wirklich noch was einfallen würde?