Zitat:
All diese Geschehnisse liegen in der Vergangenheit!
Yo-Ho, Yo-Ho,
Lasst die Säbel klingen,
Yo-Ho, Yo-Ho,
Piraten, lasst uns singen!
Langsam bewegte er sich vorwärts. Ein Schatten, eine Silhoutte, die kaum ob des mangelnden Fackelscheins bei Nacht zu erkennen war, doch mochte man sagen können es sei ein halbgroßer Mann, für einen Galadonier gerade richtig von der Größe.
Lichtquellen schien er zu meiden und er neigte dazu jede Gasse zu meiden, auf der eine Wache patrouillierte oder eine andere Person zu treffen war.
Doch schließlich ist der Unbekannte an dem Ort angelangt, den er lange nicht mehr aufgesucht hatte. Ein kurzer Blick huscht über das alte, morsche Holzschild, das über der Tür an einer Halterung aus Gusseisen hing.
Handelsposten Navalios... oder das, was davon noch übrig war. Einst stand hier ein florierendes Geschäft, doch ist der Glanz der Familie längst verblasst.
Einige Male klopfte die Gestalt pochend mit der massiven Faust an die Türe, deren Eisenbeschläge schon weitaus bessere Zeiten gesehen hatten. Zunächst gab es keine Reaktion, der Mann sah einige Male fast nervös wirkend zu beiden Seiten der Straße auf und ab in der Hoffnung nicht gesehen zu werden.
Doch schließlich öffnete ihm eine Frau, die mit Sicherheit fast schon fünf Dekaden zählte.
"Was bei Xan... Wisst ihr nicht wie spät es ist? Für gewöhnlich schlafen die Leute um..."Sie hielt einige Momente inne, als sie den Mann wage im Halbschatten erblickte und musterte ihn ausgiebig mit konzentriertem Blick.
"Kenn ich... euch? Viktor?!" Ihre Stimme klang gleichsam hoffnungserfüllt wie auch traurig, die Augen riss die Frau auf.
"Nein, Viktor... Ist nicht mein Name. Seh ich denn Vater so ähnlich?" Die Stimme des Mannes dröhnte tief und rauh der Frau entgegen, ganz als sei sie über Jahre hinweg durch maßlose Völlerei geschunden worden.
"Nein, das kann nicht... Nein, er kann nicht leben! Das muss ein Traum sein." Wisperte sie leise, ganz als würde sie zu sich selbst sprechen.
"Wenn ich bitten dürfte einzutreten... Hier draußen ist es ein wenig kalt zu dieser Jahreszeit, Mutter."Der Mann drückte sich durch die Türe an der Frau vorbei in das Haus ohne erst auf jegliche Form von Antwort abzuwarten.
Sie schloss lediglich die Türe hinter ihm, während er sich ausgiebig in dem Haus umsah. Die Inneneinrichtung schien einst von höchster Qualität gewesen zu sein, war aber ebenso verrotet und alt wie der Rest des Hauses.
"Das ist also aus der Familie Navalios geworden. Wenn sie nicht gerade starben, dann sind sie bettelarm geworden. Wo ist eins unser Vermögen hin? Ist das alles durch Vaters Tod passiert?""Leonard..." "Immerhin hast du ein Dach über dem Kopf, Mutter."Schließlich widmete er sich weniger der Einrichtung als der Frau, die ihn nunmehr genauer im trüben Licht einer Öllampe musterte. Sein langes, blondes Haar hing ihm ungepflegt und verfilzt den Rücken herunter. Ein dichter, blonder Vollbart überzog sein Gesicht und war am Unterkieferknochen unter den Wangen auf jeder Seite zu je zwei kleinen Zöpfen gebunden. Lediglich der Zopf, der genau mittig am Kinn lag, war deutlich länger und trug in der Spitze eine eingeflochtene, blaue Perle, die einen seltsamen Schimmer in sich trug. Doch unter dem verdreckten Gesicht konnte man die einstig sanften Gesichtszüge des Schönlings erkennen.
"Was... was machst du hier?" "Wo sind deine Manieren geblieben, die du mir immer gelehrt hast, Mutter. Bring mir einen Rum, biete mir einen Platz an. Immerhin warst du vor deiner Zeit als eine Navalios auch nur eine Schankmaid."Seine Mimik war eisern und zeigte keinerlei Emotion, während die blassblauen Augen nahezu durchbohrend in die der Frau sahen. Perplex erwiderte sie den Blick, wusste jedoch nicht genau, was sie sagen sollte.
"D-dort lang... ich bringe dir etwas, Leonard." Sie deutete mit der rechten Hand in einen anderen Raum, ehe sie recht zögerlich für einen Moment verschwand. Leonard selbst schritt auf den ihm gezeigten Raum zu, fand sich in einer alten Essküche wieder und nahm an einem Tisch Platz, der fingerdick Staub auf sich trug. Mit einer wischenden Handbewegung säuberte er diesen weitgehend mit dem Ärmel.
Schließlich kam die Frau zurück, reichte ihm zögerlich ohne ein Wort eine Flasche und setzte sich vorsichtig zu ihm an den Tisch.
Der Mann entkorkte die Flasche mit seinen Goldzähnen, spuckte den Korken über den Tisch, welcher mehrere Male auf der Platte aufhüpfte und schließlich über die hintere Kante fiel.
Er setzte den Flaschenhals an seinen Mund und stürzte den Inhalt gluckernd mit großzügigen Schlücken herunter.
"Wo bist du gewesen? Du müsstest tot sein!" Ihre Stimme war zunächst leise, etwas zaghaft, begann jedoch wieder Kraft zu sammeln.
"Hier und da. Zuletzt hinter den Gitterstäben dieser Stadt.""W-was? Was hast du getan, Leonard, dass man dich wegsperrte? Was ist in all den Jahren passiert?""Dies und das. Man sucht mich als Mörder, Räuber... Pirat. Unter dem Namen Perlbart, der Kapitän der Blutsäbel, der Barracuda, meiner Mannschaft und meinem Schiff."Entsetzt blickte die Frau in das regungslose Gesicht des Mannes, der nur immer wieder aus der verstaubten Flasche trank. Sie öffnete den Mund mehrere Male, schien aber nichts hervorbringen zu können. Nichtmal kleinste Laute kamen aus diesem hervor.
"Ich bin weder hierher gekommen das Familiengeschäft zu retten, noch irgendwelche sentimentalen Wiedervereinigungen mit dem elenden Rest meiner Sippschaft zu feiern, verstanden?
Ich werde alsbald aus Venturia verschwinden. Eine Bitte habe ich jedoch an dich... Es sollen ein paar Briefe losgeschickt werden. Kümmer dich darum, Mutter!"Noch immer konnte sie nicht in Worte fassen, was sie auszudrücken versuchte, und noch viel weniger schien sie zu begreifen, was aus ihrem Sohn geworden ist.
Schließlich donnerte er die leere Flasche auf die Tischplatte und knurrte schon fast tief dröhnend auf.
"Ist das klar, Mutter?"Sie schreckte auf, wie als wäre sie aus einem schrecklichen Albtraum erwachte, musste aber bald begreifen, dass es keiner war, sondern die Realität.
"Möglicherweise werden die Wachen die Häuser durchsuchen wegen meines Ausbruchs. Daher... werde ich mir eine Unterkunft für diese Nacht besorgen, die für dich sicherer ist."Ohne, dass sie auch nur ein Wort sagen konnte, erhob sich Leonard auch wieder, um die Hintertüre des Hauses aufzusuchen. Die Frau folgte ihm wortlos und schien nach wie vor nicht fähig zu sein auf irgendeine Art und Weise ihren Unmut auszudrücken.
Schließlich verließ er das Haus wieder, das einst als Handelsposten diente, ohne ihr ein einziges Wort des Abschieds zu schenken, auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht.