Victors Blick war gerade zu starrend und grinsend nach vorn gerichtet, als sie der Stadtmauer näher kamen.
Der verordnete Hausarrest war nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Er starrte genau auf den Hinterkopf einer Uniformierten, die das Abzeichen eines Leutnants der Malthuster Armee auf der Brust hatte.
Zitat:
„Leutnant…Leutnant, Leutnant, Leutnant. Was habe ich mir in der Burg nicht alles überlegt und es doch verworfen. Wie ihr Kopf wohl aussehen würde, wenn das Schwert drin steckt, welches sie selber zweischneidig führt? Würde sie der Totengräber auch nach zweierlei Maß bemessen, wie sie es tut, und einen viel zu kleinen Sarg anfertigen? Wie ulkig!“
Der Mann in Soldatenuniform lächelte verträumt.
Die Malthuster Gesandtschaft kam gerade vom Ersonter Waffenrat, einer Veranstaltung, auf die er als Leibwache des Leutnants getrost hätte verzichten können. Auf dem Weg zur Burg meinte die Intendanta, Frau Bruch, er habe eine gewisse Freifrau Nhergas beleidigt. Er konnte sich keinen Reim daraus machen. Hatte er ihr eine verpasst? Nein, das hätte er sicher in Erinnerung behalten. Wieder schossen ihm Gedanken zu den vorangegangenen Ereignissen durch den Kopf.
Zitat:
„Diese Ersonter sind so arrogant und hochnäsig, da steckt doch Einer im Hintern vom Anderen. Noch besser ist diese aufgeblasene Nebelkrähe, die sich Freifrau nennt, bei jeder wichtigen Veranstaltung rum fliegt und ihren Unrat mit ihrem Geschwätz in der Gegend verteilt. Ich….sie…..beleidigt? Hätte ich ihr doch nur den Schnabel gestopft…“
Die Mauer war schon einige Schritte hinter ihnen und die Malthuster Soldaten näherten sich der Burg. Sein Pferd an der Seite entlang führend schloss der Soldat seine Augen mit der Absicht sich zu beruhigen. Doch dann geschah das, was er befürchtet hatte. Er konnte es einfach nicht. Eine kleine Ader am Handgelenkt pulsierte zu seinen immer schneller werdenden Herzschlägen. Während des Arrests hatte seine krankhafte Wut, die er für gewöhnlich sadistisch und eigennützig an Tieren, Goblins und Mitbürgern ausließ, ihr signifikantes Jahresmaximum erreicht. Als diese kleine Eigenart von ihm das letzte Mal auftrat musste Victor das Festland verlassen. Es war ihm ein bisschen peinlich.
Erst als die Tür hinter ihnen geschlossen wurde machte der erst kürzlich Kahlrasierte die Augen wieder auf und bemerkte, dass sie schon da waren. Erin hatte wieder ihre missgelaunte Miene aufgelegt und Frau Bruch machte mit den Beschuldigungen weiter.
„Da die Peitschenhiebe ja wohl nicht wirken bei diesen Soldaten würde ich eventuell eine magische Bestrafung durch Herr Adorne nahe legen.“Magie, wie er sie doch hasste. Für die Lösung alle Probleme gab es genau ein Wort, Magie!
Diese Sache, die er wie kaum etwas anderes in der Welt verabscheute, sollte ihm nun angetan werden. Durch die Hände seiner eigenen Landsleute. Es fiel ihm schon schwer durch das Portal zu gehen um nach Ersont zu reisen, doch die angekündigte Züchtigung brachte das Fass zum überlaufen. Victor wendete sich rasend vor Wut herum und schrie die Intendanta an, dass niemand mit ihm etwas Magisches anstelle. Es war ein ungemein drohender Klang. Der Leutnant beschwichtigte und versicherte ihm, dass nichts Magisches geschehen werde. Das tat seiner Rage keinen Abbruch. Frau Buch machte mit ihrer kleinen Ansprache weiter:
„FREIFRAU NHERGAS hat sich bei mir beschwert und mit Konsequenzen gedroht und ich sie nur besämpftigen kann, indem ich ihr sage...“Zitat:
JA?! Was willst du ihr sagen du verlogenes Stück Dreck? WAS?!
Doch eh sie ihm seine nicht gestellte Frage beantworten konnte, fragte schon der Leutnant, was denn nun gesagt worden sei. Frau Bruch entgegnete sofort:
“Ich lasse es nicht soweit kommen Freifrau Nhergas einem "Verhör" zu unterstellen. Jenes wäre absurd, eine Adelige wird nicht vor Soldaten gestellt.“Victors Faust ballte sich und er vermochte nicht einmal jene zu lösen, selbst wenn er es gewollt hätte.
„Sie hatte etwas falsch verstanden“, sagte er zähneknirschend
„Also nennt ihr Freifrau Nhergas eine Lügnerin?“ , sprach Bruch ihn wieder von der Seite an, was ihm mit jeder Sekunde immer weniger zu gefallen schien.
Der Leutnant schaute ihn auffordernd an:
„Falsch verstanden... na dann raus damit was sie denn falsch verstanden haben könnte“Ich habe zu Cacama gemeint,…Mittlerweile konnte er den Geruch der Beiden schon nicht mehr ertragen und er ging einen Schritt zurück.
dass es wohl einen Sumpf in der Nähe der Burg geben müsste…weil ich die ganze Zeit Frösche quaken hörte.
Sie dachte wohl sie wäre gemeint und hat rumgeplärrt.„Wie eine alte Vettel!“, warf Cacama ein.
Würde sie dieser ekligen Frau mehr Glauben schenken, als ihrem Kameraden? Hatte sie es denn nicht in letzter Zeit schon zu bunt getrieben. Sein Brustkorb hob und senkte sich vor Erregung und in wütender Erwartung, was sie nun sagen würde.
"Gut wisst ihr was ihr beiden... ich hab auch langsam die Nase voll von euch
Vor euch steht Nergahs, egal wie sehr sie rumbrüllen mag…"“Muss man die kennen?“
“Ich wusste nicht, wer sie ist“
“…sie darf es und ihr beiden habt den mund zu halten“
“Sie hat sich auch nicht vorgestellt“
“Wann habt ihr es erfahren?“
“Erst als ihr es uns gesagt habt“
“Fräulein Nhergas ist auf jedem zweiten Bild auf der ganzen...Insel abgebildet... Sie hat sogar eine Statue!“
„Ich werde mich weder für etwas entschuldigen dass ich nicht getan habe, noch werde ich eine Bestrafung hinnehmen!“
„Soldat Cacama, Rekrut Menzer... es reicht. ganz ehrlich ich habe einfach keine Lust mehr, mir mit euch ständig meine nerven zu belasten“
„Eure Nerven zu belasten?“Victors linkes Auge zuckte kurz und mit einem Mal verschwanden die Farben aus seiner häßlichen Welt. Der Leutnant, Frau Bruch, der Raum waren nur eine Darstellung unterschiedlicher Grautöne. Er wunderte sich kurz innerlich darüber, konzentrierte sich jedoch wieder auf die Situation und fing an den Leutnant so laut anzuschreien wie es nur ging, doch seine Lippen blieben stumm.
Zitat:
„Du Hexe! Als diese Rekrutin, Tjivra, mich fast umgebracht und eine verrückte Kriminelle beschützt hat was hat sie gekriegt? WAS HAT SIE GEKRIEGT?! Buddeln und sich entschuldigen! Ich werde von dir eingekerkert für Schlägereien, die ich außerhalb meiner Dienstzeit hatte. Ich, dein bester Mann, werde ständig belangt für die letzte SCHEIßE! Und jetzt degradierst du mich?! WEIL DIE NEBELKRÄHE DAS SAGT?! Na warte…nun gebe ich dir einen wahrhaft guten Grund…“
Es machte Klick in seinem wirren Kopf und er ging einen weiteren Schritt zurück, die Hand zum Wurfbeil wandernd. Er musste sich grad den Leutnant mit dem Ding im Hals vorstellen und diesmal war es besonders komisch. Victor hatte einen glasigen Blick drauf, lachte laut los in seiner grauen lieblosen Welt und schien auch nicht damit aufhören zu wollen. Cacama wurde freundschaftlich in die Seite geknufft, der auch anfing zu schmunzeln.
„Was wir nicht alles für Ärger haben... nur wegen euch Frau Leutnant!“
„Enoah... Rekrut Menzer und Cacama... habt Spaß mit ihnen
Bringt diese Männer zum schweigen."Zitat:
"Ach Leutnant was wir nicht alles für Ärger haben…nur-wegen-euch.“
„Falsch!“
„Falsch!“Entgegneten die Beiden ihr fast zeitgleich
“Nicht Soldat Cacama… Freier Cacama!“
“Ihr kommt hier nicht raus bis ich es nicht sage“
“Oh doch...“
Der Leutnant warf einen viel sagenden Blick zum Magier an der Tür
„Dolores defendear…TPZHUT“ Herr Adorne hatte kaum angefangen und stoppte sofort mit der Zauberformel. Er sah auf die Wurfaxt, welche sich in seine Rippen gebohrt hatte. Victor war noch in der Wurfhaltung und griff dann sofort zu seiner Armbrust. Alle Anwesenden, außer Cacama, der schon seinen Kolben zog, waren wie paralysiert.
Zitat:
WARUM STEHST DU NOCH?!
Er fing wieder an hemmungslos krank loszulachen und pumpte den armen blutenden Mann mit Bolzen voll bis dieser regungslos zusammenbrach. Dann drehte sich der außer Kontrolle geratene Soldat zu seiner Vorgesetzten um, die schon lauthals schrie und die Wachen alarmierte.
Soldaten, festnehmen!„HARHARAHRAHR….Tschüß“Und auch sie sackte blutend zusammen. Er rannte sofort zur Idendanta und rammte ihr den Kolben der Armbrust in das Gesicht, worauf sie bewusstlos zusammen brach. Von draußen kam ein Tumult und jemand machte hinter ihnen die Tür auf. Es war Leandra, seine Ex-Kamerdin. Sofort stürmte der Wahnsinnige zu ihr, schmiss sich gegen die Pforte und versuchte mit seinem Gewicht dagegen zu halten. Victor schaute in Cacamas Augen, während immer wieder versucht wurde die Tür zu öffnen.
„Menzer, wir kommen nicht raus...“
“HARHARHARHAR…Das seh ich…HARHARHARHAR“
“Ist vorbei Kamerad.“Victor war im Rausch der Gewalt, Wörter wie „vorbei“ waren ihm in diesem Moment fremd. Sie mussten es über die Zinnen versuchen und Leutnant musste mitkommen, sonst wäre geschossen worden. Und die da hinter der Tür…musste nun sterben. Das wurde ihm klar, er drehte sich um und riss die Tür auf.
Leandra hatte schon ihr Schwert gezogen, starrte nun aber doch überrascht in den Lauf seiner Armbrust. Kaltherzig drückte er laut lachend ab. Sie schrie auf als der Bolzen ihr ihr eindrang und stürmte auf ihn zu. Cacama erledigte mit dem Kolben dann den Rest, als sie den Raum betrat.
Sie packten sich Erin und stürmten nach oben, auf die Zinnen. Draußen wartete schon eine riesige Menge aus Elfen, Nortraven, Orks und Menschen. Vor ihnen stand auf einmal Halgar, der Mann des Leutnants und Berserker der Nortraven. Sie machten ihm schnell klar, dass wenn sie sterben würden, auch der Leutnant stirbt. Kämen sie frei, wäre alles in bester Ordnung. Sie eilten mit dem blutenden Leutnant die Zinnen entlang den Ausgang nach draußen ansteuernd. Kurz vor den Treppen wähnten sie sich schon in Sicherheit, doch der wütende Ehemann folgte ihnen und schmiss sich überraschend und kühn nach vorne. Cacama schaffte es noch den Leutnant als Schutzschild zu missbrauchen, verlor sie aber aus den Händen. Als sie keine Geißel mehr hatten setzten die Soldaten im Burghof auch schon sofort auf sie an. Victor drehte sich um so schnell er konnte und nahm die Beine in die Hand. Er spurtete die Treppen herunter, brach sich fast die Beine dabei, kam zum unbewachten Ausgang und rannte was das Zeug hält. Von den Mauern weg, bloß von den Mauern weg. Als er schon fast beim alten Gutshof war spürte der Rennende einen stechenden Schmerz in der Schulter. Ein Soldat auf der Mauer hatte ihn noch mit einem Armbrustbolzen im Lauf erwischt. Er wurde immer langsamer und schleppte sich blutend aus der Schusslinie. Der Verletzte kam an die Küste und brach dann bewusstlos zusammen.