[ooc: Musik dazu - The 9th gate von W. Kilar]Der Morgen graute träge.
Felis lag noch nicht lange wach und beobachtete lediglich, wie das Zimmer langsam von tiefer Dunkelheit in ein kaltgraues Zwielicht wechselte, welches die Schatten nur mässig vertrieb, sie sogar eher tiefer wirken ließ. Sie lauschte dem gleichmässigen, ruhigen Atmen neben ihr und spürte den lebendig-warmen Körper an ihrem Rücken. Es gab ihr ein beruhigendes Gefühl von Sicherheit, dort jemanden zu spüren, der ihren Rücken sozusagen schützte und nicht erneut Gefahr laufen zu müssen, von hinten angegriffen zu werden. Auch der Kopf schmerzte nicht mehr so schlimm wie am Vorabend. Lediglich wenn sie mit einer Hand über ihren Hinterkopf strich, konnte sie fühlen, dass sie dort wohl geschlagen worden war.
Aber die Erinnerung, die Sorge, die Tatsache, dass dort draußen auf dieser Insel ein Wesen wohl noch herumlief, welches seine Opfer heimtückisch anzufallen wusste und sie bestialisch ermordete; der kurze, tief ins Mark und Bein gehende Anblick eines Menschen, dessen Brust brutal aufgerissen worden war und all das Blut um ihn herum... und dass ihr beinahe dasselbe wiederfahren wäre - all dies ließ immer wieder eine Gänsehaut über ihren Leib kriechen, welcher mit angezogenen Beinen und gekrümmten Rücken unter der ansonsten warmen Decke lag. Manchmal glaubte sie fast eiskalte, lange Klauen würden nach ihr greifen und sie verkroch sich tiefer unter ihre Decke.
Felis dachte an das verlangende Schaben an der Kellerwand zurück, an das Lachen, welches durch die Wand von der Kanalisation an sie herangedrungen war.
War sie hier, oben im Hospiz, wirklich sicher? Was wäre...
Das Herz klopfte rascher, gewann an Panik und sie hob vorsichtig den Kopf, wandte den Blick langsam herum zu Galdiell, welche noch immer ruhig neben ihr schlief. Sie atmete etwas nervös anmutend auf und ließ ihr Haupt wieder behutsam aufs Kissen sinken.
Ihr war so gewesen, als hätte sie zuletzt noch mit Feydis gesprochen. Auf der Straße, direkt vor dem Hause des Banner Maynaghs. War danach noch mehr geschehen? Oder wurde sie gleich niedergeschlagen?
Dann war ihr schwarz vor Augen geworden, als sie den Schlag an den Kopf samt einem kurzen, doch heftigen Schmerz gespürt hatte. Das nächste, was sie halbwegs bewusst, jedoch mehr wie durch einen wirren Schleier voll Schmerz und Orientierungslosigkeit, wahrgenommen hatte, war der Kampf auf dem Schiff im Hafen Brandensteins und dass sie auf dem Steg direkt davor gelegen hatte. Sie hatte das Platschen von Wasser gehört, als wenn Leute in die kalten Fluten reingesprungen wären, lautes Rufen von Befehlen, hektisches Getrampel, das Zischen von Munition durch die kalte Morsansluft und nahm erst dann alles wieder halbwegs klar wahr, als sie schon auf dem Weg vom Schiff fort war, an der Seite eines Soldaten, welcher sie stützte.
Im Hospital, wo er sie ließ, überfielen sie regelmäßig Wellen von Panik, selbst als Galdiells Arm um sie lag. Zwei Becher des eigenartigen Gebräus, welches Alavia ihr gab, trank sie leer, um davon ruhiger zu werden. Hier war ihr bewusst geworden, wie dicht sie selber an einem grausamen Tod gewesen war und immer wieder, hartnäckig, war das Bild des Toten in dem Schlafraum unter der Kapelle in ihr Gedächtnis gestiegen.
Doch irgendwann hatte das Gebräu seine Wirkung gezeigt, sie sogar müder werden lassen und trotz der Kopfschmerzen hatte Felis im Obergeschoss des Brandensteiner Hospitales tiefen Schlaf gefunden.
Bis eben.
Nun lag sie da, lauschte den wenigen Geräuschen von draußen, zumeist das Pfeifen des eiskalten Windes, der um das Haus strich, mit sich gewiss wieder Schnee führend.
Und irgendwo auf der Insel sicher auch Nebel.