*ein fiktives Antwortschreiben auf einen fiktiven Brief, dass niemals in irgendwelche Hände gelangen wird, da es nie abgeschickt, geschweige denn geschrieben wurde*

Werter Freund,
ich freue mich, von dir zu hören, denn es ist doch schon lange her, dass wir das letzte Mal zusammensaßen. Ich weiss noch, wie wir über einer Flasche Wein über die Praxis der Evokatio diskutierten und, nachdem der Wein durch schweren Weinbrand ersetzt wurde, uns oftmals in deprimierten Tiraden über die Unzuverlässigkeit und Inkompetenz transsphärischer Entitäten ausliesen. Wie ich dir schon damals im Vertrauen berichtete, zeichnen die in schwarzes verbranntes Leder und mit blutroter Tinte geschriebenen Werke unserer Zunft leider ein allzu freundliches Bild der täglichen Mühe, doch wir waren wohl jung und ließen uns von der Aussicht auf Unsterblichkeit, ein Häuflein blutjunger Jungfrauen und uneingeschränkte Kontrolle über die Mächte der Niederhöllen blenden. Ich sage dir, inzwischen hält mir selbst meine werte Frau, von der Ich bereits im letzten Brief in höhsten Tönen gesprochen habe, vor, dass ich nicht, wie mein Bruder, ein Goldschmied geworden bin.

Doch genug der Beschwerden meines geliebten Schätzchens über die Blutflecken an den Wänden und zurück zu deinen Schicksalsschlägen, von denen ich so sehr bewegt wurde, kämpfte ich doch allzu lange mit den selbigen Hindernissen auf dem Weg zur Weltherrschaft. Ich muss dir leider berichten, dass ich mich inzwischen, wie schon so oft angekündigt, endgültig zur Ruhe gesetzt habe. Ich habe es aufgegeben, nach Macht zu streben und Dämonen aus den Untiefen der Sphäre zu zerren, um dannach doch nichts erreichen zu können. Ich bin zu alt für derlei Spielchen und finde längst keinen Gefallen mehr an der Theatralik und dem Pathos, bin aber angewidert von der Unzulänglichkeit ihrer Dienste und ihrer Moral, die sie Verträge noch perverser winden und drehen lässt, als der gerissenste Rechtsgelehrte aus Draconis es jemals wagen würde.

Doch du scheinst mir noch etwas vom alten Feuer im Herzen zu haben, sodass ich dir nicht vorschlagen will, dich ebenfalls zur Ruhe zu setzen. Wir beide müssen erkennen, dass unsere alte Zunft und ihre Tradition am Ende ist, denn Tare dreht sich ständig und die Zeiten wandeln sich, alter Freund. Es scheint, dass blutige Pentragramme, unverständliche Intonation in fremden Zungen und das ganze Schauspiel mit schwarzen Stoff, rotem Wachs und blitzenden Dolchklingen überholt wurde, nun ein Relikt früherer Zeiten. Einige meiner erfahrenen Genossen unserer Zunft, die ich aus verständlichen Gründen nicht Freunde nennen will, scheinen die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und satteln um. Es scheint zwar, dass unsere Zunft am Boden liegt, doch große Erfolge mit Pathos und hochtrabenden Reden immernoch möglich sind, sofern das Daimonicum eingetauscht wird gegen ein Gebetsbuch und der Zauberstab gegen die stählernen Insignien einer Priesterwürde. Man berichtete mir, dass die dämonischen Wesenheiten vor derartiger Symbolik weitaus bereitwilliger ihren Dienst verrichten, als es unsereins je im Stande sie zu zwingen war.

Ich hoffe, dass es für dich noch nicht zu spät ist, sich den neuen Zeiten anzupassen und den Zauberstab für geschwärzte Klingen und geschwärzten Plattenstahl bei Seite zu legen. Ich weiss noch um deine beeindruckende Stimme, die du nun nichtmehr an Ritualbeschwörungen in fremden Zungen verschwenden solltest, sondern ruhmvollen Gebeten zum höhsten Herrn! Ich dagegen bin zu eingefahren in meinem Denken, als dass ich mich noch derartig ändern könnte, und auch die leise Hoffnung, irgendwann an einer der graumagischen Akademien ein Zweitstudium absolvieren zu dürfen, habe ich fast ganz aufgegeben. Doch selbst wenn alle deine Versuche scheitern sollten, so ist unsereins zumindest eine blendende Karriere als Schausteller, erfahrene Weinhändler oder Autoren schwarzromatischer Literatur beschieden, denn ich habe gehört, dass seit Neustem Weltenschmerz und Selbsthass die Faszination adeliger Kreise erweckt haben, die sich nun in schwarzen Stoff hüllen und eine vornehme düstere Blässe vorziehen. So müssen wir doch immerhin nicht Hunger leiden, denn wie du sicher weisst, würde selbst unser intensivstes Studium der Theorie der Evokatio keinen Dämonen dazu bringen, uns eine Kante Brot zu überlassen.

So verbleibe ich mit den besten Wünschen, alter Freund, auch geteilt von meinem liebenswürdigem Eheweib, welches dich auch gern wieder einmal sehen würde.
I.