Ventria, dass war der Duft der Freiheit. Genaugenommen war es nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Siebenwind, der Insel von der sie zuerst beim fahrenden Volk gehört hatte. In Ventria würde sie das erste Schiff besteigen und, so Vitama ihr denn beistünde, in Venturia würde sie dann schließlich aufbrechen nach Siebenwind. Das junge Mädchen ahnte, dass sie mit Schiffen nie wirklich glücklich würde ; ihre größte bisherige Überfahrt hatte kaum einen Tag gedauert ; aber es sollte sich ja nicht um einen dauerhaften Zustand handeln, sondern vielmehr als Mittel zum Zweck.
Die grauen Augen wanderten über das hektische Treiben des Hafens, dass nichteinmal des Nachts abnahm und fielen dann auf den Gaffelschoner, der sie nach Venturia bringen würde. Es wäre Wahnsinn, in so einer Nussschale das Nordmeer überqueren zu wollen; das sah sie selbst mit dem ungeschulten Auge der wahren Landratte. So unschmeichelhaft das Wort auch war, fühlte sie sich doch wohler damit, allein der Anblick des Großmastes reichte aus ihr die Höhenangst in die Glieder zu treiben. Nein, sie würde auf Deck, am liebsten noch darunter, bleiben und diese Fahrt einfach durchstehen. Ein Glück das sie noch einen Gefallen einlösen konnte, um auf dieser leichten Kurierfahrt mit nur wenig Ladung und eigentlich keinen Gästen mitkommen zu dürfen. Gefallen verjährten doch nie...
~~
Tagebucheinträge der Tara Lichtspiel Mondtag, 2. Seker
Viel mehr bleibt mir nicht zu schreiben, als das es heute gut los ging. Der Wind war offenbar günstig, die Gezeiten auch. Mir ist nicht schlecht.
Tara Lichtspiel.
~~ Tagebucheinträge der Tara Lichtspiel Wandeltag, 3. Seker
Leichte Übelkeit macht sich bemerkbar, der Seegang hat scharf angezogen. Die Matrosen lachen und ich kotze. Hasse das Meer.
~~ Tagebucheinträge der Tara Lichtspiel Mittentag, 11. Seker
Nach mehreren Tagen vollster Beschäftigung (...) endlich in Venturia angekommen. Damit endet meine Fahrt auf diesem (...) freue mich, ein großes Schiff zu betreten, angeblich ist der Seegang darauf weniger zu spüren. Dieses kleine (...) rollte in den Wellen wie eine verlorene Nussschale. Nie wieder.
~~
Müde und von der Überfahrt erschöpft baumelten die Füße des Mädchens in Richtung Wasser und die ausgelaufenen Schuhe drohten fast in das schmierige Hafenwasser zu fallen, das vom Löschen unzähliger Ladungen schmutzig und stinkend unter ihr gegen die Kaimauern schwappte. Siebenwind wäre ein Ort für solche, die nicht einmal in Galadon weit genug umherreisen konnten um der Vergangenheit zu entkommen, hatte sie in den Straßen der Heimat einmal gehört. Für Abenteurer, sagten anderer. Natürlich lobende Worte. Großartige Entdeckung. Faszination. Der Rausch der Ferne. Aber wen trug es schon so weit fort aus der Heimat, wenn man nichts mehr zu verlieren hatte?
Sicher prägten die eigenen Erfahrungswerte die sacht negative Konnotation die das Wort Siebenwind für sie mittrug. Lachend hatte ihre Mutter manchmal gesagt: „Sei brav, oder wir schicken dich mit den Siedlern übers Meer!“, aber es war nur scherzhaft gemeint und in den Worten schwang die Bewunderung für die Siedler mit. Warum Siebenwind, Tara? Würde ihr Vater fragen und die Augenbrauen so weit heben, dass sich die Stirn in feine Falten legte – so wie er es immer tat wenn er nicht glaubte ganz verstanden zu haben. Sie schüttelte den Kopf, trieb die Gedanken an die Heimat fort, setzte sie in Gedanken auf den Wind und grinste lieber die Sonne an. Vielleicht war das die Antwort. Vielleicht.
Ein Ort für solche, die nicht einmal in Galadorn weit genug umherreisen konnten... Der Reiz des Unbekannten und die Möglichkeiten waren für sie zu verlockend. So verlockend, wie sie für einen Jugendlichen mit Möglichkeiten eben sein konnten. Allein der Gedanke an die lange Überfahrt...
Sie schüttelte den Kopf, hob den Blick und sah dort drüben das Schiff. Eine Bark, eine Brigg? Sie hatte es schon wieder vergessen und es interessierte sie auch nicht wirklich – der raue Wind, ein Vorgeschmack auf die Winde die da draussen warteten, wehte ihr entgegen, liess ihre Augen Tränen und sie die Vorfreude schmecken, die die Reise mit sich brachte.
_________________ Charaktere: Tara Lichtspiel, wandernde Jahrmarktszauberin; Kedja Gansholm, Schöpferin des Wassers
Zuletzt geändert von Nala: 10.01.10, 16:50, insgesamt 1-mal geändert.
|