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 Betreff des Beitrags: Helden und Träume
BeitragVerfasst: 11.07.10, 14:18 
Edelbürger
Edelbürger
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Registriert: 12.06.02, 19:27
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Ich war ein Niemand. Ein junger unerfahrener Bursche, der voller kindlicher Träumerei von der elterlichen Scholle geflüchtet war an die Akademie, voller jugendlichen Hungers nach Abenteuer, nach Magie, dannach, ein Jemand zu werden. Ich wollte jemand sein, um den große Geschichten gesponnen wurden, dessen Name nur voller Bewunderung geraunt wurde, außer in Liedern und Gedichten über einen Helden, der der Welt seinen Stempel aufgedrückt hatte.

Ich stammte aus einfachsten Verhältnissen und war doch überzeugt von meinem Potential, meinem fleißigen Geist und meiner höheren Bestimmung. Schon im Dorf erlernte ich das Lesen und Schreiben schneller als all die anderen Kinder, bald besser als jeder im Dorf, ausgenommen dem alternen Astraelpriester, der für Jahre mein Lehrer war.

Hungrig und in abgewetzten Kleidern gelangte ich zur Akademie, mein Herz voller Freude und in meinen Augen das Feuer ungestümer Träume. Ich war nicht wie die anderen Kinder, die Eltern hatten, die ihr Schulgeld bezahlen würden, ihre Unterkunft und ihr tägliches Brot. Ich war mittellos und lebte ständig mit dem Unbehagen, dass mein durch harte Arbeit erspartes nicht für das nächste Schulgeld langen würde. Ich hatte zwei schlichte Hemden, deren Löcher ich selbst stopfte, und ein paar alter Stiefel, für die ich tagtäglich in dem kleinen Schrein betete, auf dass sie nicht auseinanderfallen mögen. Häufig plagte mich des Nachts der Hunger, doch die schwere Arbeit der Tage ließ mich dann doch bald selig in Lifnas Arme gleiten. Einige Nächte musste ich unter Bäumen schlafen, um das nahende Schulgeld zu bezahlen.

Mein Geist war wach und hatte wenig Schwierigkeiten, die profanen und ermüdenden Lektionen durchzustehen. Die ersten Monate quälte ich mich mit Etikette, Magierphilosophie, der galadonischen Historie, der arkanen Mathematik und den Grundlagen der Magietheorie ab. Ich wollte magische Funken tanzen lassen, mit Feuer meinen Namen in den Nachthimmel schreiben, Stock und Stein nach meinem Willen tanzen lassen, doch meine Lehrmeister versagten mir derlei Lektionen - ich war noch kein Novize. Ich lernte schneller als alle anderen Schüler. Nicht, weil ich klüger und fähiger war als der Rest - obwohl ich es war. Nicht weil ich eifriger war als der Rest - obwohl ich auch das war. Sondern weil ich ständig in der Angst lebte, mir keinen weiteren Monat an der Akademie vom Munde absparen zu können. Armut und Scham ist motivierender als jeder strahlende Traum.

Die Lehrmeister waren vergeisterte trockene Gelehrte und niemals sah ich einen von Ihnen richtige Magie wirken, nur unnütze theoretische Spielereien, nur hohle Tricks wie Rauch, wie Täuschungen mit Spiegel und Kerzen, kein Funken der wilden und urwüchsigen Magie aus den Geschichten und Legenden.

Außer Lodion. Es hieß, er vermochte Gestein und Holz nach seinem Willen formen. Er vermochte Flüße aufwärts fließen zu lassen und konnte Feuer und Flammen befehlen. Er kannte den geheimen Namen des Windes, konnte sich von ihm Tragen lassen, in die Höhe und seine Finger nach den Wolken strecken. Es hieß auch, er sei verrückt - und einzig Lehrmeister an der Akademie, weil es nicht gelang, ihn einzusperren, denn Mauern teilten sich auf seinen Wink und Eisen wurde zu Staub unter seinem Blick. Ich wollte sein Schüler sein.

Ich stand mit ihm auf einem Balkon der Akademie. Er hatte aus meiner Hausaufgabe, die er mir aufgetragen hatte und die unzählige Nächte des Studiums gekostet hatte, ohne weiterer Würdigung Vögel aus Papier gefaltet, die er achtlos in die Luft warf, wo sie ihn wie ein Schwarm umschwirrten, Wächter aus teurem Pergament und gezeichnet mit dunkelblauer Tinte, meinen sorgfältig ausgewählten Worten und in Wort gebannten Gedanken unzähliger schlafloser Nächte.

Er sprach vom Wind, wie von einem Freund. Oder zum Wind, meine Anwesenheit schon vergessend. Von der leichten sanften Berührung, die einen schwerelos werden ließ und von der Sensation des Fallens im Bewusstsein, wieder aufgefangen zu werden. Vom Anblick des sich rasend näherenden Erdbodens, vom kurzen heißem Anflug von Zweifeln an seinem Freunde und vom befreienden Ruck, der den Fall beendete.

Ich wusste, er testete mich. Er wollte einen Beweis meiner redlichen Absichten und meines festen Willens. Einen Beweis, dass ich fähig war, sein Schüler zu werden und die wahren Namen aller Dinge zu erlenen, auf dass die meinem Befehl folgen würden. Echte rohe Magie zu erlernen anstatt der kraftlosen gefesselten Wissenschaft der anderen Lehrmeister.

Ich sah den überraschen und ungläubigen Ausdruck auf seinem Gesicht, als ich über die Schwelle des Balkons trat, den Schritt ins Nichts wagend im fester Überzeugung, nicht zu fallen, sondern vom Wind getragen zu werden. Ich sah, wie seine Finger sich noch nach mir streckten. Ich spürte das Zerren des Windes an meinen Kleidern, ein neckendes Spiel. Ich hörte das Rauschen des Windes in meinen Ohren, ein raunendes Flüstern der Geheimnisse fremder Orte weit hinterm Horizont. Ich spürte den lauten und rohen Schlag meines Herzens in meiner Brust und das leichte Lächeln auf meinem Gesicht - ein perfekter Augenblick. Ich wusste, ich hatte Lodion überzeugt, dass ich würdig war, sein Schüler zu werden.

Ich spürte den heißen brennenden Schmerz des Aufpralls. Ich spürte meine Knochen brechen wie morsches Holz und wie die Luft aus meinen gepeinigten Lungen flüchtete. Ich schmeckte metallisch das Blut in meinem Mund, während ungekannter Schmerz durch meine Glieder flutete, als würden heiße Flammen jede Faser meines Körpers quälen. Ich sah die verlockende Dunkelheit in meine Sicht kriechen, die tiefe und ruheverheißende Schwärze der Bewusstlosigkeit, die alles in ein dumpfes und wohliges Grau tauchte. Ich hörte noch die ungläubigen Worte Lodions, ehe mich die Dunkelheit übermannte: "... das war das Dümmste, dass ich je gesehen habe."


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