Leise knackte das Holz und fiel mit einem kleinen Funkenmeer etwas mehr in sich zusammen. Das orange-rote Licht des flackernden Feuers erhellte die bewachsene Gegend rings um sie herum und warf lange Schatten die unheimlich mit dem Rauschen der Bäume wirkten. Es klang wie ein Wispern. Uralte Geschichten, die sich die alten Eichen erzählten.
Ihren krummen Ast in der linken Hand stocherte sie lustlos in die heiße Glut. Die Wärme hatte ihr schon rosige Wangen gezeichnet, doch fühlte sie sich innerlich einfach nur.. kalt.
In der lauen Astraelnacht liesen auch die Grillen das alltägliche Werben nicht aus und wetteiferten mit ihrem Gezirpe, das sie irgendwie beruhigte. Das Kinn in der freien Hand gestützt, saß sie leicht vorgebeugt auf ihrem Baumstumpf und sah unentwegt in die spielerisch züngelnden Flammen.
Zuviele Gedanken kreisten in ihrem Kopf. Zuviele unbeantwortete Fragen. Zuviele Antworten die ihr missfielen.
Sie fühlte sich einfach nur ausgelaugt. Müdigkeit machte sich in ihren Gliedern breit und die Erschöpfung hatte ihr in den letzten Tagen schon deutliche Zeichen unter die Augen gemalt.
Sie fröstelte.
Es ist die Hilf- und Haltlosigkeit, die die Menschen an Orte treibt, an denen sie eigentlich gar nichts verloren hätten...Eigentlich wusste sie selbst nicht was sie hier eigentlich machte. Allein. Im Wald. Ohne hinreichenden Schutz vor sonstigem monströsen Gezücht das hier sein Unwesen treiben konnte. Der Platz war etwas über die Gegend erhoben und der Wind zog unangenehm kühl über die Felsen und ihre Füße, obwohl es im Allgemeinen recht warm war.
Niemand, der ihr Trost spenden konnte. Niemand, der aufbauende Worte zu ihr sprach. Niemand, der ihr Rat geben konnte.
Nur sie hier, allein. Allein mit ihren Gedanken und Sorgen.
Die Einsamkeit zeigt jedem seinen innersten Kern.Da hatte ihre innere Stimme offenbar recht. Sie war auf der Suche nach sich selbst. Unabhängig von den Geschehnissen der Insel. Ohne den alltäglichen Lasten die es zu tragen gab. Einfach nur sie selbst sein.
Lange war ihr das verwehrt gewesen, doch war es ihr eigener Wille, der die schweren Felsen in den Weg legte.
Sie hatte verlernt sie selbst zu sein. Ein Mädchen das auf der Insel zur Frau gereift war und überdies vergas, wie es war zu leben. Lachen konnte so befreiend sein, doch sah sie lange nichts, was des Lachens wert war.
Wie lange war es her, als sie das letztemal einfach ihre Kleider auszog und Hals über Kopf in einen See sprang? Wie lange war es her, dass sie barfuß und mit gerafftem Kleid über eine Wiese lief? Die Halme zwischen ihren Zehen kitzeln spürte und der frische Tau ihre nackten Beine benetzte? Wie lange war es her, dass sie nicht einfach nur den Brotteig knetete, sondern ihre Liebsten mittendrin mit einer Mehlschlacht beglückte?
Manchmal stolpern wir über etwas.. Von dem wir meinten, es längst
hinter uns gelassen zu haben.Ja, auch das traf sie wie ein Blitz. Sie dachte es wäre längst vorbei. Vergangen, vergessen. Doch in diesen wenigen, aber intensiven Momenten hatte sie es gefühlt. Nie hätte sie geglaubt, dass es je wieder so stark aus ihrem Innersten kommen konnte. Jede Faser ihres Körpers verzerrte sich danach. Dieses Gefühl, das so vehement gegen ihren Verstand kämpfte - es hörte einfach nicht auf. Das Band, das vor langer, langer Zeit gesponnen worden war.. sie hatte es nie ganz losgelassen. Sie konnte es auch nicht. Es war mit ihr verwachsen. In ihrem Herzen, in ihren Gedanken und vor Vitama.
Und nun.. musste sie lernen damit umzugehen. Jetzt, da sie wusste..
Wobei sie eigentlich gar nichts so recht wusste. Worte, die nicht gesprochen wurden.
Für deine Entscheidungen hast du immer soviel Zeit wie du brauchst; die Welt wartet nur nicht auf dich.
Sie wusste, dass ihre Entscheidungen in manchen Dingen nicht aufzuschieben waren. Vor allem nicht das Lehen betreffend. Doch immernoch fehlte das alte Heimatsgefühl, bevor das Land Malthust übergeben worden war. Sie konnte sich einfach nicht mit diesem militärischen Firlefanz anfreunden. Eine Wache die das Lehen verteidigt war unabdingbar. Aber ein Oberkommando? Ein Militär, das über die gesamten Belange des Lehens zu entscheiden hatte? Ein Militär, das darauf ausgerichtet war.. eben militärisch zu sein? Fand sie dort überhaupt je ihren richtigen Platz? Wo blieb da die Kunst? Wo das Singen? Das Tanzen? Eine starre, kalte Mauer die sie alle umschloss.. Zwar bot sie Sicherheit, doch war das Gefühl von Freiheit und ja.. Unschuld des Landes verloren gegangen. Sie konnte nicht völlig militärisch denken! Sie wollte es auch nicht. Sie war Brandensteinerin. Mit Leib und Seele. Sie war hier praktisch aufgewachsen. Hatte die Stadt wachsen und fallen sehen. Und jetzt.. jetzt wurden ihr Vorschriften vorgesetzt, die sie umzusetzen hatte. Dinge, die nicht ihre Art waren..
Mein Ich ist eine jeden Augenblick wechselnde Variation über eine nur scheinbare Einheit meiner Empfindungen.Ein paar Tage.. Gebt mir wenigstens ein paar Tage wieder zu mir selbst zu finden..Sie stand auf von ihrer unbequemen Sitzgelegenheit und rollte aus dem Häuflein mitgebrachter Habseeligkeiten ihren Schlafsack auf dem teils moosbewachsenen Waldboden aus. Ihr Pferd schnaubte im Hintergrund und dieses vertraute Geräusch machte die Nacht erträglicher als sie war..
Unruhig wälzte sie sich herum.. Das Feuer erschloch mit der Zeit und nurnoch dünne, graue Rauchfäden blieben neben den verbliebenen, ausgebrannten Holzscheiten davon übrig..