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 Betreff des Beitrags: Ungewöhnliche Wacht
BeitragVerfasst: 26.07.10, 13:07 
Ehrenbürger
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Regungslos verharrte Amaya im Schatten einiger aufeinandergestapelter Fässer. Der Stand der Sonne, der mittlerweile so erwähnenswert war wie die Tanzkünste eines komatösen Tavernendauergasts unter der Theke, verkündete deutlich, dass es Nacht war. Regungslos blickte sie zum anderen Ende der Gasse. Dies war eine gute Gasse. Hätte sie vorgehabt irgendetwas zu planen, was besser unentdeckt bleiben sollte, würde sie es hier tun. Vielleicht machte diese Logik wiederum jene Gasse zu einer nicht ganz so guten Gasse. Und vielleicht dachten sich dies auch ein paar Hehler oder dergleichen, und entschieden sich, ihre Transaktionen an einem ganz anderen, versteckteren und womöglich unwirtlicheren Ort vorzunehmen, dessen Vorzug als "guter Ort" es war, dass er jemandem wie Amaya im Traum nicht einfallen würde. Genauso wahrscheinlich war es allerdings, dass in jener Nacht schlichtweg keine zwielichten Transaktionen stattfanden und sie vollkommen umsonst regungslos im Schatten jener Fässer lauerte. Gardist Falkenhain hatte nicht ganz Unrecht als er darauf bestand, die Gassen ab zu patroullieren. Die wohl bedrohlichsten Verbrecher sammelten sich nachts in dunklen Gassen oder dergleichen, um ihre brisanten Geschäfte zu tätigen oder Blut zu vergießen. Die Schlimmsten darunter waren schlau genug derlei nicht auf offener Straße zu tun. Allerdings waren die Verrücktesten unter ihnen skrupellos genug derlei Dinge auf offener Straße zu tun. Und das war eigentlich ziemlich gefährlich. Niemand konnte mit dem rechnen, was wahrer Wahnsinn in die Welt hinausträgt. Man musste schon selbst verrückt sein, um dem roten Faden dahinter folgen zu können - der rote Faden den es nicht gab. Und waren jene nicht deswegen die Schlimmsten?
Amaya hätte diesen Gedanken gerne mit einem heftigen Kopfschütteln abgeschüttelt - aber Tarnung die der Präzision der Wahrnehmung an ihrer Peripherie standhalten sollte erforderte leider vollkommene Bewegungslosigkeit. Sie hatte sich lange genug in ihrem Leben durch Schatten geschlichen um zu wissen, dass der Funke Instinkt, das alarmschlagende Unterbewusstsein die beste Verteidigung im Falle eines Hinterhalts war. Ein Unterbewusstsein, dass sich einem stechenden Schmerz gleich direkt an den Körper wandte und Reflexe in Gang setzte, sobald aus dem Augenwinkel, am äußersten Rande der Wahrnehmung eine Bewegung registriert wurde, die dort eigentlich nicht sein durfte.
Weiter verharrte sie regungslos, das Bedürfnis zu schlafen niederringend. Ihr Gardeumhang war eng um ihren Körper geschlungen, in dem Versuch den weissen Waffenrock zu verdecken, dessen Farbgebung für ihre Zwecke nicht hinderlicher sein konnte. Es sei denn er wäre Orange oder Kohlrabenschwarz gewesen. Sie zog dunkle Grautöne und dergleichen vor. Sie mischten sich besser in das wahrgenommene Kolorit einer nächtlichen Stadt. Wenigstens regnete es nicht. Wenigstens war sie hier auf sich gestellt. Dienst zu tun ohne Befehle befolgen zu müssen, ganz auf sich gestellt, war ihr mit Abstand lieber. Natürlich, sie "konnte" Befehle befolgen. Aber das waren meist Befehle von Soldaten. Ihre Methoden waren im Hinblick auf Kriegerehre und all dieses "scheinheilige Zeug", wie sie gesagt hätte, an das sich Krieger klammerten, nicht das woran man auch nur denken würde es ihr zu befehlen. Soweit stimmte dies zumindest zu. Aber das war in Ordnung. Sie war nun hier. Sie war allein. Ihr wurde etwas heiss unter dem Umhang, mit dem sie versuchte das Wappen zu decken, dass sie der Legitimität halber vonwegen Uniform tragen musste, welches die empfundene Wärme nicht unbedingt leichter erträglich machte. Zusätzlich mussten sich in einem der Fässer Essensreste befunden haben, denn hin und wieder sah sie Ratten die Gasse entlangkriechen, zu den gestapelten Fässern hinter ihr. Es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis die ersten davon anfingen ihren Umhang emporzuklettern. Nicht dass sie etwas gegen Ratten hatte, aber das Gefühl oder auch nur der Gedanke, dass sich etwas in ihrer Kleidung verirrte, appellierte an Instinkte, die fast stärker waren als jahrelanges Training. Zum Glück sprachen jene Instinkte noch nicht darauf an. Aber unter Umständen würde dies nur eine Frage der Zeit sein. Wo waren eigentlich die streunenden Katzen wenn man sie mal wirklich brauchte? Und warum tat sie dies obwohl sie vom Dienst freigestellt war? Und außerdem wurde sie definitiv viel zu schlecht dafür bezahlt. ... Genaugenommen...wurde sie überhaupt nicht dafür bezahlt, war der ernüchternde Gedanke, der alle weiteren Gedanken zum Schweigen brachte.
In ihrem mentalen Plenarsaal erhob sich daraufhin ein sehr moralischer, junger Mann. Voller Ideale schrie er in den Raum "Du tust etwas Gutes!" und ein zweiter, dem ersten nicht unähnlich, stand jubelnd auf. 398 andere, ältere und vom Leben gezeichnete Abgeordnete ihres Verstandes blickten irritiert, mit einem abfälligen Blick den sich Soldaten zuwarfen, wenn sie Rekruten beobachteten und sich "Pah, Neue" nonverbal zu verstehen gaben, in Richtung jener beiden Idealisten. Einige Sekunden Schweigen folgten, lediglich unterbrochen vom gelegentlichen verhaltenen Husten einiger Abgeordneter, stets aus einer anderen Ecke des Saales stammend und die bedrückende Stille in jenem Raum untermalend. Die beiden Idealisten räusperten sich beschämt und ließen sich wieder auf den Plätzen nieder.
Die Sache war vom Tisch.

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 Betreff des Beitrags: Re: Ungewöhnliche Wacht
BeitragVerfasst: 28.07.10, 13:42 
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Mühsam schleppte sie sich noch einige Meter den Tunnel entlang, ehe sie sich an einer der Wände langsam zu Boden sinken ließ. Der Rausch des Kampfes war abgeklungen und die Wellen des Schmerzes wogen langsam wieder über die rechte Seite ihres Brustkorbs. Dies würde dort wohl eine weitere Narbe geben. Aber an dieser war sie wenigstens selbst schuld. Sie hatte nicht aufgepasst. Im falschen Moment waren ihre Gedanken bei zu vielen Dingen gleichzeitig und bei keinem davon genug um etwas erledigt zu kriegen.
Aber Amaya hatte den Tag überlebt, und das obwohl sie noch nie auf diese Art gekämpft hat. Sonst immer in dunklen Gassen, allein. Nie mit Verbündeten, nie auf einem offenen Feld. Die anderen Krieger um sie herum schienen es genossen zu haben, unter kurzen stichwortartigen Gedankenfetzen wie "Ehre" und dergleichen. Für sie lag nach wie vor relativ wenig Ruhm oder Ehre darin. Gewinnen war für sie nie etwas ruhmreiches gewesen. Es war überleben. Einer gewinnt, einer verliert. Einer lebt, einer stirbt. Nicht mehr.
Sie lebte. Irgendwie. Und wieder kam die Frage auf, wofür sie dies eigentlich machte. Sie wurde definitiv nicht gut genug dafür be...sie wurde nach wie vor garnicht dafür bezahlt. Ein alter Mann in einer grauen Tunika richtete sich in ihrem mentalen Plenarsaal auf: "Wir sind heute beinahe gestorben. Könnt ihr uns das erklären? Wofür? Was haben wir gewonnen?!" dröhnte die Stimme in ihren Gedanken. Reges Treiben und eifrige Diskussionen folgten daraufhin. Die Antwort schien wider Erwarten alles andere als klar.
"Du warst Teil von etwas Gutem!" rief die bekannte Stimme eines der zwei Idealisten unter den Abgeordneten ihres Verstandes. Es herrschte erneut einige Sekunden betretenes Schweigen. "Es kann aber nicht sein, dass ihr gefährdet wofür wir alle bereits seit über einem Jahrzehnt stehen!" donnerte die Stimme eines Anderen in grauer Tunika. Das Chaos und der Lärm im Plenarsaal schwollen wieder an. Eine etwas verunsicherte Amaya trat ans Podium und räusperte sich. Sie sagte etwas. Der Satz ging im Disput der Abgeordneten unter. Sie wiederholte es. Einige schauten auf. Und noch ein drittes Mal ertönte ihre Stimme, lauter als sie es eigentlich beabsichtigt hatte und plötzlich alle Streitenden zu unbehaglicher Stille animierend: "...weil ich es gern getan habe." ertönte die Stimme ein drittes, mit gutmütiger Zurückhaltung.

Die Bandagen waren wieder fester gezogen, die Schmerzen wieder ein wenig abgeklungen. Am nächsten Tag würde sie sich vielleicht im Hospiz einfinden. Bis dahin sollte sie ruhen. Aber wer würde dann mitten in der Nacht ein Auge auf die dunklen Gassen haben?
Eine halbe Stunde später war sie wieder ein weiterer unauffälliger Schatten am Rande des Kerzenscheins einer Laterne.

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