Siebenwindhomepage   Siebenwindforen  
Aktuelle Zeit: 17.06.25, 00:33

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Saras Schmetterling
BeitragVerfasst: 23.09.10, 04:26 
Edelbürger
Edelbürger
Benutzeravatar

Registriert: 14.07.02, 17:32
Beiträge: 1338
Saras Schmetterling

Drakonis

Das Mädchen war nicht unbedingt schön zu nennen. Sie war etwas mollig, mittelgroß für ihr Alter von vierzehn Jahren und hatte einen schiefen Mund. Ihre Gesichtszüge wirkten etwas stumpf, das Haar war dünn und blond. Es war zu zwei Zöpfen zusammengebunden, die ihr auf den Schultern hingen. Ihre Ohren waren ein wenig zu groß geraten und es schien als wäre ihren großen Augen ein leichter Silberblick zu Eigen. Dunkle blaue Augen, die traurig, fast als wie Gefangene, hinaus in die Welt starrten.

„Sitz gerade, leg deine Hände auf den Tisch! Wann lernst du das endlich?“, die Stimme war rauh und streng, den rüden Worten folgte ein Klaps, der die Angesprochene am Hinterkopf erwischte. „I..i…i…“, begann sie zu stottern, dann schwieg sie, als sie einen festen Griff in ihren Haaren spürte. „Verflucht, stammel nicht rum wie eine Idiotin. Bist du schwachsinnig oder was?“, giftete die Stimme und zerrte das Mädchen an den Haaren nach hinten, um ihr ins Gesicht zu sehen. Sie entgegnete den Blick aus ängstlichen, flehenden Augen an deren Rändern es feucht zu schimmern begann. Der Mann knurrte, dann stieß er ihren Kopf von sich fort, fast als habe er etwas Schmutziges berührt. Das Mädchen drehte den Kopf und sah zurück auf den Tisch. Sie streckte den Rücken, presste die Beine eng aneinander und legte ihre Hände sittsam nebeneinander auf den Tisch. „Viel besser“, knurrte der Mann „Und denk ja nicht daran den Mund bei Tisch aufzumachen. Und vergiss ja nicht deinen Schal zu tragen!“ Der Schal, ja…, ein Stich fuhr dem Mädchen durchs Herz, dann hörte sie mit Erleichterung wie sich schwere Schritte entfernte und eine Türe zuschlug. Sie wartete noch ein wenig, dann warf sie das Gesicht in die Hände und begann zu schluchzen. Dicke Tränen quollen aus ihren Augen und rannen die hellen Wangen hinunter. Sie warf ihren Kopf auf den großen Esstisch der Halle und weinte leise in ihre Arme hinein. Die Halle war leer, abgesehen von einem gewichtigen Bild an der Westwand. Drei Menschen, ein großer, kräftiger Mann, neben ihm eine Frau in taubengrauem Samt. Zwischen den beiden ein kleines blondes Mädchen. Der Mann trug einen Anzug, gut geschnitten und aus teurem Stoff, er hatte seine Haare nach der neusten Mode kurz geschnitten und sah mit strengem Blick über den Raum. Seine Arme ruhten auf den Schultern des kleinen Mädchens. Die Frau an seiner Seite, einen würdevollen Gesichtsausdruck zur Schau tragend, hatte eine Hand auf seinen Arm gelegt. Ihr Kleid war hochgeschlossen und mit Perlen besetzt, auf dem ordentlich nach hinten frisierten Haar ruhte ein Netz. Das Mädchen hatte ein schlichtes blaues Kleid und blaue Schuhe an.

Die Kammer war spärlich eingerichtet. Sie maß etwa fünf Schritt in der Länge und drei in der Breite. An ihrem Kopfende, direkt unter einem Fenster das in die Dachschräge eingelassen war befand sich ein einfach gezimmertes Bett. Die Laken waren sauber und ordentlich zusammen gelegt. Neben dem Bett stand eine kleine Kommode, an der nahen längswand ein einfacher Hocker und ein kleiner Tisch. Eine Kommode, auf der sich eine Waschschale befand komplettierte das Zimmer. Keine Bilder an den Wänden, keine bunten Farben zierten es. Nur das braun des Holzes, das weiß der Laken und das schmutzige Silber der metallenen Schale.
Sie schlich sich in ihr Zimmer, vorsichtig und versuchte keinen Laut zu machen. Sie fürchtete Geräusche und ihr Herz zog sich jedes Mal zusammen, wenn hinter ihr etwas ertönte. Besonders bei Schritten oder Stimmen. Noch mehr, wenn es ihr Vater war. Ihre Augen waren noch rot vom Weinen, als sie sich auf das Bett warf und die Ordnung der sauberen Laken durch ihren Körper zerstörte. Ich will sterben… Ihr Götter, warum tut Ihr mir das an?, schrie sie in Gedanken heraus, die Lippen fest zusammen gepresst. Sie dachte an ihre Familie, an ihren strengen Vater an ihre Mutter. Eine wohlhabende Handelsfamilie, die weiter hinaus wollte. Und sie, sie war der Schlüssel. Ihre Eltern hatten beschlossen in den Adelsstand aufzusteigen und sie war diejenige, die es vollbringen sollte. Das letzte von vier Kindern, alle anderen waren noch im Kinderbett verstorben, hatte man gesagt. Nur sie war übrig geblieben, wie ein widerspenstiges, zerbrochenes Spielzeug, das niemand mehr wollte, niemand liebte. Das sich nur dazu eignete verschachert zu werden.
Erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie vergrub ihr Gesicht in den Kissen, um dort hinein zu schluchzen und feuchte Flecken auf dem weißen Linnen zu hinterlassen. Irgendwann, erschöpft und verzweifelt, schlief sie ein.

„Hey… Hey Sara… bist du wach?“, die Stimme war leise und verschwörerisch. Das Mädchen schreckte aus ihrem Schlaf hoch und starrte mit verschmierten Wangen zum Fenster hinüber. Eine Gestalt hockte auf dem Sims, in löcherige Hosen gekleidet mit zerfetzten Schuhen und einer Weste, die schon einmal bessere Tage gesehen hatte. Dennoch, anders als sie mit ihren ordentlichen Kleidern wirkte das Gesicht fröhlich, ausgelassen, die braunen Augen funkelten lebendig. „K..K…Kipp“, entgegnete sie stotternd, ihr Besucher grinste in sich hinein und schwang sich in ihr Zimmer. „Ich dachte du könntest etwas Aufmunterung vertragen.“, erklärte er, als würde dies das Eindringen in ein fremdes Haus zu nächtlicher Zeit zur Genüge erklären. Dann hielt er beide Hände hinter dem Rücken. „Welche willst du?“, fragte er sie und wiegte den Kopf kurz hin und her. Sie sah ihn an, dann deutete sie stumm auf seinen linken Arm. „Soso… bist du dir da auch wirklich sicher?“, seine Stimme hatte einen beschwörenden, geheimnistuerischen Tonfall angenommen. „Wirklich diese Hand? Nicht vielleicht die andere?“ Sie lächelte, dann schüttelte sie den Kopf und deutete wieder auf den linken Arm. „Nunguuuuuuut“, er atmete tief ein, holte einmal Luft und zog dann mit einer theatralischen Geste den linken Arm hinter dem Rücken hervor. Ein kleiner Gegenstand aus Holz, verschwommen in der Dunkelheit. Sie sah ihn fragend an und er sah hinunter, dann runzelte er die Stirn. „Oh, natürlich. Das hatte ich vergessen.“ Er stellte den Gegenstand auf dem Tisch ab, dann kramte er aus einer zerbeulten Tasche eine kleine Kerze hervor, ebenso etwas Stahl und einen Feuerstein. Mit geschickten Bewegungen entzündete er die Kerze, dann nahm er sie in die rechte Hand und hielt vorsichtig den Gegenstand in das warme Licht.

Sie sah Vollkommenheit. Es war ein Insekt, ein Schmetterling aus Holz. Er hatte einen zarten, zigarrenförmigen Leib und die typischen vierfach gefalteten Flügel. Mit großer Liebe waren Details in seinen Körper hinein geritzt, wie die leicht pelzige Haut und zwei große Fühler. Die Flügel waren lackiert, mit einem kräftigen Rot das an der Basis begann und dann heller wurde, sich zu Spiralen und Linien wand und in einem kräftigen Gelb von der Farbe der Sonnenblumen endete. Das Gelb wiederum schien das gleiche Spiel mit dem Rot zu treiben, so dass sich beide Farben in der Mitte der Flügel in zarten Strichen und Linien umeinander wanden. Die Ränder der Flügel waren von einem tiefen Blau, das Rot und Gelb umgab. In Schwarz waren Flecken und zwei große Augen auf die Flügel gezeichnet. „F…f…für… m…m…mich?“, stotterte sie und sah den Schmetterling ehrfürchtig an, ihre Augen wurden groß und sie streckte vorsichtig ihre Hand aus, aus Angst das hölzerne Insekt könne es sich anders überlegen und durch das Fenster entschwinden. Sie spürte die Wärme des Holzes, dann lächelte sie breit, als sich der Schmetterling entschied auf Kipps Hand zu verharren. „Nimm ihn, er gehört dir.“, sagte er leise und hob die Kerze etwas höher, um sie zu betrachten, dann stockte er. „Du… hast du geweint?“, er klang leise, dann stellte er die Kerze zur Seite, auf ihren Tisch. „I… I…“, sie brach dann ab, biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Keine Verneinung, eher ein Eingeständnis an ihre eigene Unfähigkeit. Ihr Freund seufzte leise, dann ging er hinüber zu ihrer Kommode, nahm ein Tuch und tauchte es vorsichtig in das Nass der Schale. Er wrang es aus, dann kam er wieder und strich ihr mit dem feuchten Tuch vorsichtig die Tränen von der Wange, die Berührung war vorsichtig und sanft. „M…M…Morgen ist da da das… E… Essen.“, würgte sie die Worte hervor, während Kipp ihr Gesicht säuberte. Er nickte leicht. „Ich weiß.“, entgegnete er, dann betrachtete er sie und lächelte. „So gehst du viel eher als eine Prinzessin durch.“, befand er dann und legte das Tuch zur Seite, neben den Schmetterling. „I…Ich… b…bin a a aber… k keine.“, stammelte sie, worauf er mit der Zunge schnalzte. „Ach Blödsinn. Jeder der dich kennen würde würde dir sagen: Du bist eine.“, wehrte er ab und tätschelte ihr dann die Wange. Sie sah zurück zu dem Tisch auf dem der kleine Schmetterling neben der Kerze ruhte und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. „N… Nu… du…“, schluchzte sie, als er sie wie selbstverständlich in die Arme nahm. „Dann kenne eben nur ich dich Sara. Na und?“, flüsterte er leise in ihr Ohr und streichelte ihr über das Haar. Sie verharrten eine Weile so, dann löste er sich von ihr. Sie sahen einander an, sie vom Mond beleuchtet, er mit dem Rücken zum Fenster, in Dunkelheit gehüllt aus der nur seine Augen leicht hervor zu funkeln schienen. Eine Hälfte seines Gesichts war in das flackernde Restlicht der kleinen Kerze gehüllt, die andere in Schatten.
„I… I… Ich…“, setzte sie an, dann biss sie sich auf die Lippen. Sie atmete tief durch und zwang ihr Inneres zur Ruhe, das klopfende Herz, die hüpfende Stimme die sich so ganz ihrer Kontrolle zu entziehen schien. Kipp schüttelte den Kopf und legte ihr vorsichtig einen Finger auf die Lippen. „Morgen beginnt dein neues Leben Sara. Ich habe zu Vitama gebetet, dass er dich gut behandelt, wie du es verdienst. Ich habe den Lumpenpriester angefleht auch für dich zu beten. Aber, wenn er dich nicht gut behandelst, dann machst du es wie die Ehefrauen in den Geschichten. Du vergiftest ihn.“ Sie sah ihn an, dann lachte sie leise über seinen Scherz. Es war ein helles und befreites Lachen, ein schöner Laut voller Schlichtheit. Dann schwang sich ihr Besucher wieder auf das Fensterbrett. Einmal sah er zurück. „Schlaf gut Prinzessin“, flüsterte er ihr zu, ehe er geschickt auf das Dach hinaus eilte und in der mondhellen Nacht verschwand. Zurück ließ er eine abgebrannte Kerze und den Schmetterling. Saras Schmetterling.

„Dame Sara, ihr müsst aufstehen und euch vorbereiten.“, Mara, die alte Hausdienerin, tastete sanft nach ihrer Schulter um sie aus dem Schlaf zu stubsen. Dann richtete sie den alten Rücken auf und ging durch das Zimmer, öffnete die Kommode und nahm etwas heraus. „Heute ist Euer großer Tag.“, verkündete sie, als sie Unterwäsche hervor holte und sie auf einen Hocker legte. „Zieht Euch rasch an, dann kümmern wir uns um Euer Haar. Der Graf und sein Sohn werden zum mittäglichen Glockenschlag hier sein.“ Unter dem ständigen Schnattern ihrer Gouvernante wusch und kleidete Sara sich an, saß geduldig auf dem Hocker während Mara ihr die Haare zu einer Frisur formte und dabei unablässig Ratschläge und Ausrufe des Neids von sich gab. „Ach, Ihr habt es ja so gut. Ich hörte der Sohn des Grafen ist ein schmucker Mann, ein Offizier gar. Gewandt mit der Zunge und noch schneller mit dem Degen.“, schwärmte sie, als sie die Frisur mit einer Haarnadel fixierte. Das Mädchen ließ all dies über sich ergehen, den Blick hatte sie auf ihren Tisch gerichtet und auf den Schmetterling.
„Das wäre es“, verkündete Mara dann und zog sich mit einigen Schritten zurück um ihr Werk noch einmal zu betrachten, dann nickte sie. „Vorzüglich seht Ihr aus, wie eine echte Dame von Stand.“ Wie eine Puppe. Ein Gegenstand. Besitz., dachte Sara. Dann nickte sie jedoch nur stumm in sich hinein. „Es wird erwartet, dass Ihr nach dem Abendessen auf der Harfe spielt. Euer Vater lässt ausrichten, dass Ihr nur wenig sprechen sollt. Er sagt, dass schüchterne Zurückhaltung angemessen sei.“ Sie nickte erneut. Lasst die stammelnde bloß nicht sprechen. Sie wird alles ruinieren., war ihre geistige Erwiderung. Dann winkte sie in Richtung der Türe und schickte die Dienerin fort. Sie erhob sich langsam und ging zu ihrem Tisch hinüber. Dann hob sie den Schmetterling auf und trug ihn vorsichtig zur Kommode hinüber, um ihn im Licht des Tages noch einmal genauer zu betrachten. Sie entdeckte auf der Unterseite seiner Flügel, dass etwas in das Holz eingeritzt worden war. ~Bewahre die Schönheit in deinem Herzen, Kipp~ Sie lächelte, als sie die Widmung ihres Freundes betrachtete. Dann öffnete sie eine Schublade in der sich allerlei Krimskrams befand – Glasperlen und –murmeln, Bindfäden und dergleichen mehr – und legte den Schmetterling vorsichtig hinein. Ich komme wieder und lasse dich da heraus mein Kleiner, dachte sie ihm zu ehe sie zur Türe ging und diese öffnete.

„Ich muss sagen, es war ganz vorzüglich Meister Ekaris. Ganz exquisit – meinen Lob an Eure Köchin.“, der ältere Mann tupfte sich mit einer weißen Servierte den Mund ab, leichte, distinguierte Bewegungen die danach trachteten seinen fein gezogenen Schnäuzer nicht in Unordnung zu bringen. „Euer Dank ehrt unsere bescheidene Küche, Graf Farenn. Wollen wir uns in die Bibliothek begeben? Meine Tochter würde gerne ebenfalls etwas zu diesem vortrefflichen Abend beitragen.“, die Worte des Vaters waren von ausgesuchter, kriecherischer Freundlichkeit, seine Augen richteten sich auf den älteren Mann, dann auf dessen Sohn der gelangweilt umher sah. Der Graf lächelte und nickte dann. „Gerne, Julius wartet schon den ganzen Abend darauf, nicht wahr Julius?“ Der Junge sah auf, sein Tonfall war geringschätzig, blasiert: „Natürlich Vater“ – es hätte genausogut heißen können „Lass die Schlampe halt machen“.

Sara schluckte und sah auf das große Instrument, die alte Standharfe. Sie rückte ihren Hocker zurecht, legte die Hände an die Saiten und nahm sie wieder fort. Das Lied, welches Lied sollte ich spielen?, fuhr es ihr siedend heiß durch den Kopf und starrte das Instrument hilflos mit großen Augen an. Sie konnte die Blicke der anderen im Nacken spüren, des einen angespannt erwartungsvoll, des zweiten von höflicher Freundlichkeit und des letzten von herablassender Geringschätzung. „Meine Tochter ist ein wenig eingeschüchtert von solch noblem Besuch, hehe.“, sie hörte wie ihr Vater sich die Hände rieb und aufstand um zu ihr hinüber zu gehen. „Ah, so ist das mit den jungen Leuten… Nur Mut junge Dame. Ich bin mir sicher, ihr könnt wunderschön spielen.“, entgegnete Graf Farenn mit freundlichem Tonfall. „Spiel endlich!“, zischte ihr Vater ihr ins Ohr, eine kaum verholene Androhung lag in seinen Worten. Sie starrte hilflos auf das Instrument, dann schloss sie die Augen. Oh Vitama, mach, dass es schnell vorüber geht…, betete sie stumm, dann setzte sie ihre Hände an die Saiten. Sie spürte, wie sich die Schritte ihres Vaters entfernten. Bitte… Göttin… hilf mir!, flehte sie, als sie vorsichtig einen der Stränge anzupfte. Dann huschte ihr Blick zum Fenster, als dort eine Bewegung zu sehen war. Sie sah einen Schmetterling vor dem Glas vorbei flattern, in seinem typisch taumelnden Tanz. Sie lächelte, dann setzte sie erneut an und begann das Instrument zum Klingen zu bringen.

Musik erfüllte den Raum, Musik, die eine Geschichte erzählte. Ätherische Klänge, flotte Tonfolgen in sanften und munteren Tönen. Es war kein Lied, das jemals zuvor auf diesem oder irgendeinem anderen Instrument erklungen war. Es war einzigartig, das einzige seiner Art auf der ganzen Welt. Die Finger des blonden Mädchens zupften die Seiten, dämpften sie während sie die Töne wie Perlen auf einer Kette aneinander reihte, zu einer fröhlichen Melodie. Einer friedlichen Melodie. Ihre Augen waren geschlossen und da die Musik sie einhüllte bemerkte sie nicht, wie ihre Zuhörer zischend den Atem einsogen.

Es war das Schönste, das der alte Graf jemals gesehen oder gehört hatte. Und es war das Traurigste. Er hörte den bitteren Klang unter der Melodie, die leisen Worte die sich hinter dem fröhlichen Gezupfe versteckten das so süß in seinen Ohren klang. Schmerz. Missachtung. Wut. Und dann glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Aus dem Nichts schienen wundersame Insekten, Falter aller Form und Farben, hervor zu taumeln, um die junge Frau in einem kokettierenden Tanz einzuhüllen. Schmetterlinge, die aus Licht gemacht waren und wie farbiger Kristall in der sonne leuchteten. Er lehnte sich zurück und seufzte, einerseits voller Traurigkeit, andererseits voller Bewunderung.

Atemlose Stille herrschte in dem Raum, als der letzte Ton verklang und die Schmetterlinge mit ihm in dem Nichts verschwanden, aus dem sie erschienen waren. Einen Herzschlag. Zwei Herzschläge. Aus den zweien wurden zehn, aus den zehnen eine Minute. „Das war wundervoll.“, erklang dann eine leise, gehauchte Stimme und ein einzelnes Paar Hände klatschte leise Beifall. „Ihr seid nicht nur eine begabte Musikerin sondern offenbar auch eine Zauberin. Warum habt Ihr uns das nicht gesagt Meister Ekaris?“, der alte Graf sah zu dem Vater zurück, der seine Tochter sprachlos anstarrte. Entsetzen, Furcht und mit einem Mal auch Abscheu zuckten über sein Gesicht. „Sie ist noch jung, sie sollte wohl an einem Turm in die Lehre gehen. Nun, das macht unsere Pläne natürlich zunichte, aber so ein Talent in der Familie zu haben ist eine große Ehre“, der alte Mann stand auf und ging zu dem wie erstarrt wirkenden Mädchen hinüber. Magie? Was habe ich getan? Sie konnte die Spannung hinter sich spüren, den Blick ihres Vaters der sich in ihren Rücken bohrte. Dann legte sich ihr eine Hand auf die Schulter. „Ganz wundervoll junge Dame, ganz wundervoll“, flüsterte ihr der Baron in ehrlicher Anerkennung ins Ohr. Dann trat er einen Schritt zurück. „D…d…d….da…danke“, stotterte sie zurück, dann wandte sie sich langsam herum und warf einen Blick zu ihrem Vater. Er sah sie an, als wäre sie eine Abscheulichkeit. Sie sprang auf und floh aus dem Raum.

Er hämmerte an ihre Türe, mit kräftigen Faustschlägen die das Holz dazu brachten sich durchzubieten. „MACH DIE VERDAMMTE TÜR AUF!“, schrie er mit lauter Stimme die durch das ganze Haus hallte. „DU HAST ALLES RUINIERT!“, fluchte er und ein dumpfes Tock erklang, als er sich gegen ihre Zimmertüre warf. Sie hatte ihr Bett in Windeseile schief davor positert und kauerte sich in die entlegenste Ecke, die Knie angezogen und die Arme darum gepresst. In einer Hand hielt sie ihren Schmetterling, fast wie einen Talisman. Bitte Göttin, lass ihn nicht herein kommen… Bitte… bitte… bitte…, flehte sie stumm zu Vitama, als ein erneutes Knarzen erklang, die Angeln knackten. „BETE, DASS DIESE TÜRE EINE EWIGKEIT HÄLT!“ Bitte bitte bitte
Mit einem Krachen gab die Türe dem Mann nach, der ins Zimmer getaumelt kam. Er stieß sich das Schienenbein an ihrem Bett, was seine Wut noch mehr anzufachen schien. Sie kreischte schrill auf und versuchte sich noch mehr in die Ecke zu drücken. „I…i… wo wo wollte… ni…“, dann war er bei ihr und mit einem brutalen Hieb brachte er sie zum Schweigen. Sein Handrückten krachte gegen ihre Wange, zog daran vorbei und brach ihr die Nase. Tränen schossen ihr in die Augen, als sie hilflos zur Seite geworfen Wurde. Bitte… „HAST DU UNS NICHT SCHON GENUG GESTRAFT?“, brüllte der Mann und riss sie hoch. Der Schmetterling entglitt ihren Fingern, als er sie wie eine Puppe schüttelte. „DU KANNST NICHT RICHTIG SPRECHEN UND NUN DAS?“, er stieß sie von sich und sie prallte gegen ihren Tisch. Mit einem Schnauben war er wieder heran und holte erneut aus. Sie hob verzweifelt die Hände um ihr Gesicht zu schützen, dann segelte seine Faust heran und schlug ihr die Lippen auf. Sie wimmerte vor Schmerzen, als sie hilflos gegen die Ecke geworfen wurde. „DICH WIRD NIEMAND MEHR HEIRATEN WOLLEN!“, dann packte er ihre Hände und drückte sie an die Wand. Mit einer ruckartigen Bewegung ließ er seine Faust auf ihre Fingerknochen donnern. Sie spürte einen erneuten scharfen Schmerz, als ihre Finger brachen. „Mhhwww“, wimmerte sie, unfähig etwas anderes zu tun. Ihr Vater stieß sie von sich und machte einen Schritt zurück.
Es knackte, als er den Fuß senkte. Das trockene Knacken von Holz. Dann wurde es dunkel, als er sie erneut schlug.

„Sie kommt zu sich…“, murmelte jemand, dann trat ein Anderer an sie heran. „Sara, wie geht es dir? Oh dank sei Vitama, dass du noch lebst…“, sie spürte Schmerzen, als jemand sie an sich drückte. „D…d… der… Schmmmmm… metterling…“, entgegnete sie leise, dann begann sie zu weinen. Kipp hielt sie feste an sich gedrückt und schüttelte den Kopf. „Ich mache dir einen neuen, versprochen. Er wird genauso schön wie der alte. Ist ja gut, ist ja gut.“, murmelte er leise in ihr Haar, während das geschundene Mädchen in seinen Armen hemmlungslos weinte, um nichts mehr als einen zerstörten Schmetterling. Nicht über ihre Schmerzen, ihre gebrochenen Knochen, nur über eine Schnitzerei. Über das Schönste, das sie in ihrem Leben jemals gesehen hatte…

_________________
Become a part of the league!

look at me still talking, when there's science to do
when I look out there it makes me glad I'm not you
I've experiments to run, there is research to be done
on the people who are still alive


Nach oben
 Profil  
 
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 9 Gäste


Sie dürfen keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Suche nach:
Gehe zu:  

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de