quae medicamenta non sanant, ferrum sanat, quae ferrum non sanat, ignis sanat
Was die Medizin nicht heilt, heilt das Eisen; was das Eisen nicht heilt, heilt das Feuer.

"Ramon kommt eine kurze Weile mit mir, dann sprechen wir über eure Aufnahme ...", spricht der Mann mit ruhiger Stimme. Eingekleidet in einer malthuster Uniform, sieht er sich mit seinem gewohnt ruhigen Blick um und wendet sich vom Burginnenhof ab. Wieder ein Rekrut von Wegelagerern überfallen. Zu wenig beim Appell gewesen. Delarie hat es wieder verschoben. Kurze Gedanken. Dann der Markt. Überall Soldaten auf dem Boden. Nuribad wirkt Magie. "Legt die Halskrause an ...!", spricht sie gerade. Mit raschen Schritten tritt der geübte Schwertmeister und Soldat nach vorne. Mit einem Klicken rastet die Halskrause ein. Seine eigene, verziert mit den Runen des Bellum und Astrael. Astraelkrause nennt er sie. Soll sie doch das unachtsame Wirken der Magie verhindern. "Bringt sie in den Kerker ...!", im gewohnten Befehlston. Dann das Lied. Ein absonderliches Gepfeife. Der achtzigjährige Mann steht vor ihm und beginnt zu reden. Warum nur immer so viele Worte und so wenig Inhalt? Magier und augenscheinlich irre. Wird Zeit, dass die magische Behörde in Kraft steht.

Dann blinzelt er und ein Wort der Macht ertönt: FLAMMMEN! Der wahnsinnige alte Mann griff Nuribad an. Jene Weissmagierin rettet sich und lähmt den alten Mann. Schnell muss es nun gehen. Wieder klickt der Eisenkragen, auch diese Magie gebändigt? Nein! Auf einmal erheben sich die Flammen, erneut umkreisen sie ein Opfer, dieses Mal den Soldaten und den alten Mann. Sie lecken nach der Rüstung des Soldaten. "Löse den Kragen oder wir beide werden sterben". Dieser, grimmig und entschlossen, spricht zu Maynagh: "Heilige Horwah des Bellum, dein Mut und deine Schwingen an meiner Seite, gebt mir Kraft und Mut". Er kann nicht fliehen. Er dient dem Schwertherren und nimmt die Herausforderung an. Ohne weitere Worte zu verschwenden stösst er das scharfe Katana gen Herz des Magiers. Durchdringt es. Tötet. Die Flammen hingegen kommen näher, umfassen den Mann. Hinterlassen Verletzungen, die normale Brandwunden übersteigen. Schmerz. Dunkelheit. Schwingen?

Ein Mann spricht:

"Herrin Vitama stehe uns bei,
Herrin Vitama, Mutter all'n Leb'ns, gib uns deine Kraft un' Fhrung, auf dass wir dies's
dein Kind in dein'm Nam'n hier halt'n könn'n
auf dass er nich' jetz' schon 'e Reise in Morsans Hall'n antret'n muss."

Nuribad erwidert:

"Tah'danash ath, tah'danash rah, athmarah danash rah.
Tah'danash ath, tah'danash rah, athmarah danash rah.
Tah'danash ath, tah'danash rah, athmarah danash rah.
Tah'danash ath, tah'danash rah, athmarah danash rah."

Kühlende Nässe. Ein Augenblick der Ruhe und Stille. Zu wenig Zeit um zu genesen. Manche Wunden können nicht heilen.

de profundis clamavi ad te, maynagh
Aus den Abgründen habe ich zu dir gerufen, Maynagh.

Manche Wunden heilen schnell. Unter der konsequenten, andauernden Bearbeitung der Weissmagier und Geweihten beginnt sich das verbrannte Gewebe des Soldaten neu zusammen zu setzen. Neue Hautpartien, rosiges Fleisch, ersetzen die brachialen Wunden, die die Flammen des Feuerkaisers schlugen. Oberflächlich. Narben verschwinden. Sogar Haare beginnen wieder aus der Haut zu spriessen, langsam, aber mit konstanter Geschwindigkeit. Wir leben in einer Zeit der Wunder, Mystik und Magie. Vielleicht ist die Hoffnung für den vierzigjährigen Veteranen noch nicht verloren? Stöhnend erhebt der Mann den Oberkörper. Mit kaltem Schweiß auf der Stirn ruft er fiebrig und leise: "Ljudmila (...)?". Noch scheint er nicht bei Bewusstsein, abwesend und apathisch. Er erinnert sich an sein Leben. Selbstzweifel besuchen ihn in heißen Fieberträumen.

In Momenten der Entscheidung erkennen wir, wer wir wirklich sind. Sie wußte nicht mehr, wer diese Worte gesagt hatte, aber sie gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Als sie die Wahl gehabt hatte, vielleicht das Schlimmste von Nicolai ab zu wenden oder doch sich gänzlich auf den Feuerkaiser zu konzentrieren, hatte sie nicht einen Augenblick gezögert und je öfter sie darüber nachdachte, um so sicherer war sie sich, dass sie vor dieselbe Wahl gestellt diese Entscheidung wieder und wieder treffen würde. Einem Teil von ihr gefiel dies gar nicht.
Es half nichts, sich damit zu trösten, dass Opfer gebracht werden mußten, es half nichts, sich aus zu malen, wie groß die Bedrohung durch diesen einen Magier hätte sein können, es half nichts, sich vor Augen zu führen, dass man um zu bewahren manchmal zuvor zerstören muß, es half einfach nichts. So sehr ihr all dies auch einleuchtete, so oft sie es mit kalter Logik analysierte, dieser eine Teil von ihr wollte nichts davon hinnehmen.
Weswegen saß sie dort an Nicolais Bett, weswegen war sie losgezogen um Geweihte und Magier auf zu treiben? Pflicht? Ganz dünn. Jemand mußte die Fäden zusammen halten, das Ruder herum reißen. Hier an diesem Ort hatte sie für niemanden einen Nutzen, außer für Nicolai. Schuld? Nein. Schuld beruhte auf Zweifeln und die hatte sie nicht. Zumindest nicht zur Gänze. Mitgefühl? Sie hatte gelernt keinen Patienten näher an sich heran zu lassen.
Also was war es, das sie dazu trieb, die Nacht an seinem Bett zu wachen, das gewebte Ritual zu beaufsichtigen und gelegentlich sanft steuernd in dieses ein zu greifen, die Wunden zu versorgen, mit Brandsalbe und Magie, was nur?
Die Frage hielt sie wach. Sie tat es, weil sie es mußte. Nur das Warum wollte ihr nicht in den Sinn kommen und während eine Hälfte von ihr damit durchaus zufrieden war knurrte die zweite wie ein Raubtier in seinem Käfig.