"Bislang ist es noch recht ruhig ... wer weiß was da draußen vor sich geht."
Der Hauptmann blickte aus dem Nordtor in die Finsternis die nicht weit dahinter begann. Zwar hatte er es in den frühen Zyklen des Tages geschafft sich nach Seeberg durchzuschlagen, doch die Informationen die er von dort bekam waren alles andere als beruhigend. Vänskap schien gefallen zu sein, Kesselklamm wurde wohl ebenso stark bedrängt, Brandenstein belagert und Seeberg litt unter schweren Angriffen. Es blieb kaum Zeit für die üblichen Freundlichkeiten. Nur ein paar Worte am Tor, ehe er sich seinen Weg zurück bahnte. Jetzt stand er hier am Tor, zum ersten mal seit einiger Zeit wieder in voller, schwerster Rüstung. Der frisch gebackene Waibel Silberkling, ein herausragender Mann der seine Qualitäten mittlerweile mehrfach unter Beweis gestellt hatte, führte die Gardisten schon seit den frühen Stunden in der Stadt, nun begannen die ersten heftigeren Angriffe. Erinnerungen an das letzte Dunkeltief wurden geweckt. Die fliegenden Ungetüme landeten abermals in der Stadt, auf den Dächern und mehrere Kämpfe an den Toren entbrannten die alsbald zugunsten der Verteidiger entschieden werden konnten. Immer mehr Streiter versammelten sich derweil am Marktplatz und dem Tempel. Immer mehr Berichte gab es nun auch aus jener seltsamen "Illusion" von Falkensee die er selbst mit eigenen Augen gesehen hatte. Sein eigener Geist .. der rastlos im Gardeturm des völlig zerstörten Schlosses saß. Ein Anblick und ein Gedanke der ihn bis zu dieser Stunde nicht los ließ...
"Jeder der noch Kampffähig ist, sofort ans Westtor! Abmarsch!"
Er hatte das Törchen zum Vitamaschrein forsch aufgeschlagen und blickte nun ins Innere des großen Raumes. Dort waren mehrere Heiler gerade dabei die Wunden der Soldaten und Kämpfer zu versorgen. Einige von ihnen sahen wieder halbwegs kampfbereit aus, andere lagen noch am Boden und wurden versorgt. Der Blick des Hauptmanns ging über die Mannen die nun nach und nach aufstanden um sich wieder in die Schlacht zu werfen, nur unwillig gehen gelassen von den Heilerin die dem Hauptmann böse Blicke zuwarfen.
Die Angriffe waren schwerer geworden. Mittlerweile wurde das Westtor von einem ganzen Wald an Kreaturen berannt die das Tor bereits überwunden hatten und in die Stadt eindrangen. Schwerste Kämpfe brachen am Tor aus und lodernde Flammen schossen rund um das Tor herauf. Magnifizenz Tiberias hatte wiedereinmal ganze Arbeit geleistet. Noch immer war es Lucius unverständlich wie dieser Mann es schaffte selbst in den brenzligsten Situationen einen so kühlen Kopf zu bewahren und dabei so entscheidend zu handeln dass es ihnen hier am Tor ein weiteres mal die Haut gerettet hatte...
"Wir brauchen mehr Männer am Südtor! ... los, aufstehen da hinten! Wie lange wollt ihr euch noch hier ausruhen!?"
Ein weiteres mal stieß er das Törchen zum Vitamaschrein auf, diesmal jedoch hatte er selbst bereits einiges abbekommen. Die Uniform war zum Teil zerissen, zum Teil rußgeschwärzt und von getrocknetem Blut und Schmutz bedeckt. Ebenso das Gesicht das an einigen Stellen von Blut rötlich gezeichnet war. Er machte sich nichteinmal die Mühe sein Schwert aus der Hand zu legen oder weg zu stecken. Wieder ging sein Blick über die Männer und Frauen im Tempel deren Zahl mittlerweile größer geworden war. Auch einige Gardisten waren mittlerweile dabei die hier auf Versorgung durch die Heiler warteten die wiederum alle Hände voll zu tun hatten und kaum nach kamen. Ein vernichtender Blick einer Heilerin traf ihn und beinahe schon wollte man ihn wieder hinaus schicken, ehe sich einige der Kämpfer meldeten und sich langsam aufrappelten nur um den Schrein wieder in Richtung des Schlachtgetümmels zu verlassen. Nun war es das Südtor das schwersten Angriffen ausgesetzt war. Bis zum Markt hatten sich die Kreaturen bereits vorgekämpft und es entbrannten heftige Kämpfe in den Seitengassen und Straßen der südlichen Stadt die vom Tempel aus nur aus wildes Geschrei und Geschepper zu vernehmen waren sowie durch das lodern der Flammen in den Straßen wenn die großen Bäume Feuer fingen. Abermals warfen sich die Verteidiger in die Schlacht die mittlerweile von den Flüchtlingen aus Seeberg unterstützt wurden. Nach und nach trafen sie ein, versammelten sich ebenso am Tempel und ließen sich versorgen. Die Kunde verbreitete sich, Seeberg war gefallen und von allen Seiten strömten sie nun nach Falkensee in ihrer Flucht. Bekannte Gesichter fanden sich in der Stadt wieder und doch war der Verbleib von vielen aus Seeberg noch ungewiss... Mit schweren Verlusten konnte das Südtor zurückerobert und wieder geschlossen werden. Wie lange würde dieser Kampf noch gut gehen?
"Soldaten und Kämpfer zu mir! Ein Dämon ist in der Illusion von Falkensee aufgetaucht! Ihr müsst kämpfen! Los! Raus mit euch!"
Der altbekannte Trott war es mittlerweile, das Törchen wurde aufgeschlagen, der Blick des Hauptmannes ging durch den mittlerweile stark gefüllten Raum. Die Heiler hoben die Blicke und schüttelten leicht den Kopf um dann stoisch weiter zu arbeiten. Nur einige wenige erhoben sich schwerfällig um wieder an ihre Waffen zu greifen, von den Heilern noch mit Salbe versorgt während sie bereits die Rüstung wieder anlegten. Der Hauptmann selbst hatte den Schwertarm gesenkt, das Schwert noch in der Hand an dem nun stetig Blut heruntertropfte und den Teppich des Schreines besudelte. Doch war es nicht das Blut der Feinde, sondern sein eigenes, das an den Wunden die er selbst davon getragen hatte austrat und seine Uniform bedeckte. Er wankte leicht auf den Beinen, hielt sich jedoch und führte die Kampfbereiten hinaus, in den Riss...
Dort entbrannte die heftigste Schlacht die die Stadt bisher in diesem Dunkeltief gesehen hatte. Feuerbestien umkreisten die Kämpfer auf dem vernichteten Marktplatz der Illusion von Falkensee, Schreie, Rufe, Geklirr und Geschepper und immer wieder die lodernden Flammen die um sie herum in die Höhe schossen. Einige Bellumsdiener waren im Kampf mit dem Dämon, doch bekam er davon wenig mit. Er spürte einen stechenden Schmerz in der Seite und schließlich wurde es erst gänzlich hell, dann dunkel...
Als er wieder zu sich kam lag er selbst im Hospiz, im Vitamaschrein des Tempels, und blinzelte verwirrt. Er sah sich um, hörte das schmerzvolle leise Stöhnen der Verwundeten und Verletzten um ihn herum. Die Gardistin Yanea war es die sich um seine Wunden kümmerte. Erst jetzt wurde ihm der Schmerz wieder bewusst und er spannte die Muskeln leicht an. "Was ist geschehen?" murmelte er leise und die Gardistin antwortete in ruhigem Ton. Sein Blick ging durch den Schrein, immer mehr rote Uniformen waren nun darin zu sehen. Der Leutnant lag in einer Ecke und wurde schwer verwundet versorgt. Auf einigen Kissten vor dem Altar der Waibel mit dem er vor wenigen Stunden noch am Tor stand. Ebenso schwer verwundet. Weiter hinten der Dwarschim Hammerarm, Sergeant der Garde, ebenso verwundet wurde er gerade von einer Heilerin versorgt. "Wer führt die Garde?" rief der Hauptmann gen des Leutnants. Dieser hob den Kopf leicht und sprach mit einer guten Portion Galgenhumur: "Der, der am wenigsten verwundet ist...". Lucius lachte leise und deutete der Gardistin dass es in Ordnung wäre. Langsam stand er wieder auf und ging mit neuen Verbänden, neuen Salben wieder hinaus in die Stadt...
Schließlich trafen sogar die Ritter ein, teilweise schwer verwundet, teilweise erschöpft. Sie hatten zweifelsfrei bis zum äußersten gekämpft. Die Angriffe auf die Stadt wurden nun von Stunde zu Stunde immer stärker. Außer Avindhrell schien keine Siedlung mehr frei zu sein und so war Falkensee im Süden der Insel zweifelsfrei Zentrum der Angriffe...
Abermals ertönte der Schlachtenlärm als die Verteidiger durch die ganze Stadt zum Tempel zurückgedrängt wurden. Der Befehl wurde ausgegeben alle Bewohner aus ihren Häusern zu holen und im Tempel zu versammeln. Er selbst war gen Felaviertel gestürmt, vorbei an den Kreaturen des Ungenannten die bereits die Straßen überfluteten um die Lehenskanzlerin aus ihrem Haus zu holen. In aller Eile packte sie einige Sachen zusammen und bald schon waren sie auf dem Rückweg in den Tempel dessen Eingang vor dem Markt von schweren Kämpfen umgeben war. Gnaden Degner brüllte die Kämpfer an und befahl ihnen den Rückzug ins Innere des Tempels und schließlich folgten sie dem Ruf während weitere geflügelte Ungeheuer auf dem Markt landeten. Der Hauptmann war unter den letzten die gen Treppenstufen eilten, umgeben von einigen anderen Kämpfern die den Rückzug deckten. Gerade wollte er die ersten Stufen erklimmen als ein schwerer Hieb ihn im Rücken erwischte, er wurde zur Seite geworfen, eine weitere Klaue erwischte ihn mitten im Gesicht, kämpfte er doch stets ohne Helm weil dieser ihm die Sicht nahm.
Er spürte noch wie er über den Boden geschleift wurde ins Innere des Tempels. Er konnte dunkel und fern die Worte von Tiberias vernehmen der sich darüber aufregte dass der Hauptmann bloß nicht sterben solle weil er sonst nicht wüsste an wen er seine Anliegen fortan adressieren sollte weil er die Rangstruktur der Garde für verwirrend hielt. Schließlich wurde es gänzlich dunkel...
Lange Zeit später erst, als Ruhe in den Tempel eingekehrt war öffnete er die Augen langsam wieder. Es war still geworden. Die Heiler kümmerten sich hier und da schweigend um die schlafenden Verwundeten die vor Erschöpfung teilweise an Ort und Stelle zusammengebrochen waren. Seine Lippen fühlten sich trocken an und er flüsterte nur leise. Schließlich hob er den Blick leicht an und sah ihr in die Augen. Still hielt sie Wacht bei ihm, neben ihm. Ein Lächeln zeigte sich für einen Moment auf seinen Lippen, ehe er erschöpft die Augen wieder schloss. Alsbald würde es wieder los gehen. Und diesmal würde er zu jenen gehören die man aus dem Schrein scheuchen würde um weiter zu kämpfen...