1. Amüsante Episoden von der Überfahrt des Weißmagiers Kornelius Weidenquell nach Siebenwind
Kornelius spürte jede Bewegung des Schiffs in den stürmischen Wellen. Das Holz knarchzt unheilverkündend mit jedem fernen Trommelschlag des Donners. Er zählt die Augenblicke zwischen dem gleisenden hellen Blitz, der seine enge Kabine flüchtig erhellt, und dem dröhnenden Paukenschlag und auch wenn er nichts über die Seefahrt weiss, erscheint ihm diese Zeitspanne viel viel zu kurz. Unzählige Gläser klimpern in den verriegelten Schränkchen und Kornelius befürchtet, dass im Inneren eines der Schränkchen viele der Medizinfläschchen zerbrochen sind und sich eine üble Brühe gesammelt hat, die mit jeder Welle des Meeres mitschwankt. Die Vorräte des früheren Schiffarztes sind derart obskur, dass Kornelius fast befürchtet, dass ihm jeden Moment ein lebendig gewordenes Wesen aus Schleim, Blutegeln, obskuren anderen Körperteilen noch obskurerer Tiere und stinkender Pflanzenextrakte ins Gesicht springt, wenn er sich dem Schränkchen auch nur nährt. Er meint sogar, ein leises Broddeln aus dem Dunkel des verschlossenen Schranks zu hören.
Um ehrlich zu sein, würde Kornelius eigentlich viel lieber im Bauch des Schiffes in einer Hängematte liegen, die die Bewegungen der Wellen aufnehmen würde, um ihn in einen sanften Schlaf zu wiegen, anstatt auf einer harten flohverseuchten und nach Erbrochenem stinkenden Matraze in der Kammer des Schiffsarztes zu liegen. Doch Kornelius hatte sich diese Ehre einer Kammer redlich vom Kapitän verdient, als der Schiffsarzt bereits einen Tag nach Aufbruch vom Hafen volltrunken aufgefunden wurde und selbst wenn man ihn einsperrte würde der altgediente Seemann auf solch mysteriöse Weise eine Flasche Rum hervorzaubern, was nach Kornelius Einschätzung selbst einen Graumagier doch sehr erstaunt hätte. Kurzum, der Schiffsarzt war unfähig seine Pflichten auszuüben, da man befürchten musste, dass er selbst den Weingeist wegsoff, mit dem er eigentlich Wunden hätte säubern sollen. Daher war Kornelius vom Kapitän mit der Ehre einer eigenen Kammer beschenkt worden. Solange der Kapitän Nicholas nicht auffordern würde, ihn mit seiner Decke zuzudecken und ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken, konnte der Magier sich mehr oder minder mit dieser Vereinbarung arrangieren.
Der Kapitän war ein gelehrter und weitgereister Mann, der viel von der Welt wusste und die Wunder von Tare bereist hatte. Oder zumindest wollte er den Eindruck erwecken. Er hatte dazu absichtlich ein breites Bücherregal in seiner Kabine aufstellen lassen, in dem er seine Bücher fein geordnet nach Umschlagsfarbe und Buchdeckelgröße anordnete. Der Kapitän konnte nicht lesen und sein einziges wirkliches Interesse galt einzig den Abbildungen unbekleideter Frauen irgendwelcher primitiver Völker, sodass er eine Sammlung von Reisebüchern von Forschern und Prospektoren besaß, die so einige Gelehrte neidisch machen würde. Kornelius durfte sich einige dieser Bücher in langweiligen Stunden ausleihen, solange er versprach den Kapitän des Abends zu gelehrigen Unterhaltungen in seiner Kabine zu besuchen, um feingeistige Konversationen zu führen. Oder zumindest wollte der Kapitän diesen Eindruck erwecken, während er eigentlich nur ein Glas Weinbrand nach dem anderen herunterstürzte und sich von Kornelius Geschichten vorlesen lies. Kornelius war etwas peinlich berührt und glaubte, der Kapitän hätte wohl noch ungelöste schwierige Beziehungen zu seiner Mutter oder seiner Amme, aber wer war er schon, um anderen Leuten ihre Verrücktheit vorzuhalten? Stattdessen lächelte er etwas gequält und lies die Strapazen über sich ergehen, in der Hoffnung, dass der Kapitän vergessen würde, dass Kornelius ihm noch Dukaten für die Überreise schuldete, die der Weißmagier nicht hatte.
Glücklicherweise fand Kornelius unter diesen Büchern reiche Ablenkung, denn irgendwie hatte der Kapitän es auch fertiggebracht, ein Standardwerk der Artefaktkunde in seine Sammlung aufzunehmen, bedauerlicherweise in einer schlechten Abschrift, die wahrscheinlich vom Galadonischen ins Endophalische, dann ins Nortravische, daraus ins Zwergische und daraus zurück ins Galadonische übersetzt worden war, von einem Schreiber, der keine einzige dieser Sprachen mächtig war. Kornelius hatte versucht, den Anweisungen zur Herstellung eines immerheißen Teekessels zu folgen, welcher durch ein bestimmtes Fokuswort sich erwärmen sollte, ohne die Mühe zu erfordern, ein Feuerchen zu entfachen, was auf einem Schiff, das aus morschem von Salz getrocknetem Holz bestand, kein einfaches Unterfangen war. Bedauerlicherweise waren die Anweisungen derart frustrierend und untauglich, dass Kornelius an der Aufgabe schier verzweifelte. Irgendwie muss seine Stimmung in den Zauber eingeflossen sein, denn als er endlich aus den wirren Anweisungen und Erklärungen Sinn machen konnte, reagierte der Teekessel nurnoch auf üble Beschimpfungen und Wörter, die nur die schwärzesten und gemeisten Seelen unter den ungewaschenen, stinkenden, saufenden und raufenden Seemänner kannten. Kurzum, kein geistig gesunder Mensch würde ein solches Artefakt erstehen, nichtmal wen man ihn dafür mit Dukaten überhäufen würde. Den Vieren sei Dank befand sich Kornelius jedoch auf einem Schiff, dass einen Mangel an geistig gesunden Menschen aufwies und der Schiffskoch war hocherfreut über den Teekessel.
Kornelius zuckt immernoch bei jedem Mal zusammen, wenn er übers ganze Schiff die wütenden und gleichzeitig überaus amüsierten Schreie des Schiffskoch hört, der den Kessel mit den übelsten Beleidigungen Tares überzieht. Er zeigt reuevolle Scham bei jedem Schluck Tee und weicht den irritierten Blicken der anderen Passagiere aus, in der Hoffnung dass niemand mitbekommen hat, wer der Urheber des Teekessels ist.