Der Schlaf eines Hellzyklus hat nicht gereicht, die Müdigkeit und fast lähmende Monotonie aus seinen Knochen zu treiben. Jasper erhebt sich von der Lagerstatt aus Fellen und Decken und beginnt wie in Trance, die einzelnen Teile der eisernen Rüste anzulegen. Die Kettengamaschen über die Lederhose, das Kettenhemd über das gestickte Wams. Die hohen Stiefel werden geschnürt und gezurrt, der Kragen aus Eisenplatten schnappt um den Hals zu, die Lederriemen der Armschoner werden festgezogen... so oft, wie er sie seit dem Dunkeltief getragen hat, sind sie zu seiner zweiten Haut geworden. Erst mit dem zusätzlichen Gewicht des Metalls am Körper fühlt er sich nicht mehr nackt in dieser Zeit, die geprägt ist von Zwangskameradschaft; dem Willen, dieser Monotonie ein Ende zu machen, dem Hass auf die Ketzer, dem Flehen an die Viere.
Er schließt die Brosche seines mittlerweile fleckig gewordenen Umhangs und setzt sich das zerknittert wirkende Barett auf das strähnige, graumellierte Haar. In einer Spiegelscherbe betrachtet er sich, als er schlussendlich den Schwertgürtel um den Leib zurrt.
"Es sind mehr graue Haare geworden, alter Knabe," flüstert er leise.
Vor den Türen des Schreines schlägt er ein Loch in die zugefrorene Oberfläche des Wasserfasses und schöpft sich zwei Hände voll ins Gesicht. Sein Gesicht färbt sich durch die Kälte rot, sein Atem kondensiert an der kalten Morsanluft und verfliegt ins Nichts. Harrend verfolgt er dieses Schauspiel, bevor er sich mit müdem Blick abwendet und gen Palisade stapft. Vor einer ganzen Weile schon haben sie es aufgegeben, die Wache rotieren zu lassen. Zu oft sind die ungeübten, jungen Krieger dabei eingeschlafen. Wer wach ist, wacht. Wenn alle zu müde sind, stehen zwei an den Toren und halten sich gegenseitig wach.
Der Recke mit dem kantigen Gesicht und dem mittlerweile verwilderten Bart klopft dem Jungen am Holzverschlag auf die Schulter und bedeutet ihm, sich im Inneren des Tempels auszuruhen.
"Hast du gut gemacht, Bursche. Mögen die Viere über deinen Schlaf wachen.""Danke, Herr Herderwaldt! Die Viere mit Euch auf der Wacht!"
Mit einem Nicken entlässt er ihn aus seinem Dienst und bezieht erneut Aufstellung auf der obersten Stufe der Tempelpforte.
Immer wieder schweift sein Blick über die Gassen; mal erhellt von Felas sattem Schein, während kleine Schneeflocken sich auf seinem Barett und seinen Schultern sammeln, mal im Dunklen, während rotglühende Augen aus der Finsternis gen Tempel starren.
Seine Linke liegt, gepanzert und fast taub vor Kälte, auf dem Schwertknauf.
"Bald, meine Liebe..."
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