Ein weiteres Mal hatte Adelle die Fliesen des Untersuchungsraumes nicht nur geputzt, sondern vorallem gereinigt. Man hätte vielleicht davon essen können, wobei sie zu jener Gelegenheit darauf hingewiesen hätte, dass dies kein Gasthaus war, oder, dass wenn sie sich recht erinnerte, nur Tiere vom Boden aßen und die Mitnahme von Haustieren in die Untersuchungsräume nicht gern gesehen war. Aber auch ohne dies, hätte sie wahrscheinlich davon abgesehen und genaugenommen schätzte sie diesen Vergleich nicht sonderlich. Vielleicht war es die erdrückende Müdigkeit, die sicn ineinem schweren Pochen hinter ihrer Stirn und der schwere der Augenlider Gehör zu schaffen versuchte. Die Verletzten wurden unerwartet zahlreich in den letzten Tagen und hätte sie kein Auge auf die Bestände des Hospitals, hätte sie sich vielleicht Sorgen gemacht, ob die Vorräte an Brandsalben und Faden wirklich ausreichen würden um dem gerecht zu werden. Aber wie immer kamen die Patienen und sie gingen wieder. Sie brachten ihre Probleme mit, und nahmen sie den Vieren sei Dank meistens auch wieder mit. Hin und wieder kommentierte sie das ein oder andere, ohne jemandem zu nahe zu treten - nur um festzustellen, dass sie sich allzu oft wiederholte. Und wenn die Ruhe einkehrte, war sie so überzeugend, dass sie vielleicht sogar in der kalten Nacht eines ereignislosen Felatages mit dem Morsanacker wetteiferte. Und eben jene Ruhe war nun wieder eingekehrt. Adelle beklagte sich nicht, denn unterm Strich war dies alles andere als beklagenswert. Nun konnte sie den ganzen "kleineren" Arbeiten im Hospital zu Falkensee nachgehen. Jene von denen die wenigsten etwas mitbekamen, die aber getan werden mussten, damit alles möglichst reibungslos funktionierte. Die Vorräte prüfen, die Räumlichkeiten säubern, wie sie dies gerade erst beendet hatte, die Bettwäsche der Patientenbetten ausschütteln - derlei Dinge. Zugegebenermaßen hätte sie dabei sicher keine Hilfe abgelehnt....nun, vielleicht doch. Alleine im Hospital zu sein, als einzige Heilerin, hatte zumindest den Vorteil, dass ihr niemand versuchte in ihr Handwerk reinzureden. Nicht dass sie mit Zusammenarbeit ein Problem hätte, aber sie kannte noch aus Draconis einige Häuser der Heilung, in denen sich die Heiler aufgrund mangelnder Absprache gegenseitig im Wege standen. Mit so etwas musste sie sich hier nicht herumschlagen. Der nächste Punkt auf der Liste vor ihrem geistigen Auge besagte "Nachtschattenaufguss aufsetzen". Gesagt getan. Da man den Entschluss gefasst zu haben schien, den Falkenwall zurückzuerobern, war wahrscheinlich bald mit schwereren Verletzungen zu rechnen. Auch große Helden hatten sicher irgendwann einmal eine schwerere Wunde, die es nicht lediglich zu schließen galt - und invasivere Eingriffe erforderten Betäubung. Die meiste Zeit hielt sie Schmerzen für nützlich und medizinisch betrachtet waren sie das auch. Aber sie wollte sicher niemandem an der Lunge herumschneiden während dieser aus besten Kräften aus selbiger schrie. Die Erinnerungen an den Grundlagenkurs der Alchemie waren schnell aus ihrem geistigen Archiv abgerufen und umgesetzt, als sie begann den Nachtschatten vorsichtig zu zerkleinern - peinlichst darauf achtend, sich nicht zu schneiden. Wasser wurde in den Kessel gegeben und zum Brodeln gebracht- der zerkleinerte Nachtschatten hinzugegeben. Adelle dachte darüber nach, dass sie sich vielleicht wieder auf einige Vergiftungen einstellen sollte - es war streng genommen Glück, dass der letzte Strom von Patienten Vergiftungen entbehrte. Sie sollte vielleicht einige Tränke im Untersuchungsraum auf Vorrat bereitstehen haben. Und apropos Vergiftungen - hatte man nicht geplant, jener Rattenplage mit Gift und dergleichen Herr zu werden? Hatte sie nicht erst heute wieder einige dieser kleinen, fiependen Biester in den Gassen umherwuseln sehen? Die Straßen waren nun sauber, nichtsdestotrotz schienen diese Biester sich dieses Mal hartnäckiger als sonst zu halten. Erinnerungen an eine Schauergeschichte wurden in ihre geweckt. Eine Geschichten von Horden kleiner, pelziger, seuchentriefender Nagetiere. Fiepende Horden kriechenden Verfalls als Spione und Boten des Einen, geschickt von maliziösen Magierin, abgründigen Abscheulichkeiten und durchtriebenen Dämonenanbetern (warum denke ich eigentlich gerade in Alliterationen?). Langsam nagten sie an den Grundfesten Tares, den Städten der treuen Diener der Vier. Unterwanderten sie ungesehen, zu einer gewöhnlichen Plage und Geissel von Hunger und Unhygiene verschrien. Dabei waren ihre Augen seine, und mit jenen siechenden Horden, waren sie überall (Irgendetwas ist...seltsam). Und einem Geschwür gleich fraßen sie sich immer tiefer und tiefer in die Grundfesten der Stätten der Menschen - Horte der Verdammnis schaffend und aus unzähligen, angeschwollenen Leibern noch zahlreichere, hungrigere Generationen pelzigen Verfalls in die Welt schickend... und noch mehr ihrer Augen. Adelle wurde langsam schwindelig, aber sie ermahnte sich zur Ruhe. Der Sud musste noch etwas ziehen und während sie mit etwas Mühe den kerzengeraden Stand wahrte, rührte sie mit einer Schöpfkelle das Gemisch um (Mir ist schwindelig...und ich bin müde...). Stark nach Nachtschatten riechender Dampf breitete sich vom Kessel ausgehend im Raum aus (komisch...im Labor in Draconis war das nie so viel) - hatte sie da eben hinter sich ein Fiepen gehört? Sie hatte von den Sammlern gehört. Jenen seltsamen Mischwesen, die in einer Beleidigung der Menschheit einer Ratte, welche aufrecht ging, zu ähneln schienen. Hätte sie sich selbst mehr Aberglauben und Ängstlichkeit zugestanden, hätte sie dies zutiefst beunruhigt (...genaugenommen ängstigt mich dies schon ein bisschen...) - und natürlich, sie war nicht bereit dies auszuschließen. In einer Welt der Magie, in der die Grenze zwischen Aberglauben und Magie schwer zu ziehen war, war Adelle sicher nicht so vermessen, jene in Stein zu mauern obwohl sie was Magie anging bestenfalls ein unbeholfenes Kind war. Aber als Frau der Wissenschaft strebte sie zumindest zunächst einmal nach einer Erklärung, aber frei nach einem ihrer ehemaligen Mentoren, wusste sie, dass es auch Dinge auf dieser Welt gab, die schlichtweg nicht mit Maßstäben objektiver Nachvollziehbarkeit zu erklären waren. Sie hustete kurz etwas ob der Dämpfe die sich in dem Raum sammelten. Sie machte sich eine mentale Randnotiz, wenn sie hier fertig war zu lüften (oh nein....) - abrupt wurde ihr der Fehler bewusst. Und als sie zur Tür wankte um selbige zu öffnen und einen Luftzug in den Raum zu lassen, konnte sie ihn auch deutlich spüren. Im Nachhinein war es eine dumme Idee gewesen, in einem recht abgeschotteten Raum einen Nachtschattensud dieser Stärke anzusetzen ( - da sie vorhatte ihn auskühlen zu lassen um ihn später zu verwenden, hatte sie lieber etwas mehr davon genommen...). Normalerweise trank Adelle nicht einmal sonderlich viel, sodass die Wirkung verständlicherweise auch heftiger als erwartet eintreten konnte. Die Kanne mit dem Aufguss fand ihren Weg nicht ins Lager, sondern verharrte im abgeschlossenen Untersuchungsraum. Sie wusste nicht wie lange sie gebraucht hatte, um bis in ihr Zimmer zu finden und auch an das Kratzen, das sie in den Wänden zu hören glaubte und die seltsamen Bilder pelziger Massen die sich durch die gedärmartigen Windungen der Kanalisation Falkensees fraßen, waren am nächsten Tag vergessen und kurze Gedankenblitze dieser Art als Paranoia und abergläubischer Unfug abgetan.
...aber vielleicht hätten ihr etwas Aberglaube und Paranoia gut getan. Aber wer konnte das zu dem Zeitpunkt schon sagen?
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