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 Betreff des Beitrags: Verlorene Hoffnung
BeitragVerfasst: 4.04.11, 19:54 
Edelbürger
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- Prolog -


Wer heut' noch hoffen macht, der lügt! Doch wer die Hoffnung tötet, ist ein Schweinehund.


Mit federndem Schritt und hoffnungsfrohem Lächeln schritt die junge Frau durch die Straßen von Papin-Stadt. Ihre dunklen Augen blitzten fröhlich auf und ihr langes schwarzes Haar, welches sie ungebändigt über die Schultern fließen ließ, wehte in der Brise, die vom Westmeer her durch die engen Gassen der oberen Stadt strich. Auch der lange, silbern schimmernde Umhang, welcher tatsächlich erst vor wenigen Tagen vom Schneider abgeholt worden war, wedelte dank des zügigen Schrittes der jungen Frau hin und her und gab hin und wieder den Blick auf eine reichverzierte Schwertscheide an der Hüfte frei. Der helle Umhang stand in einem deutlichen Kontrast zu der dunklen Haut der eilig Dahinschreitenden, und diese bezeugte wohl auch ihre Herkunft.
Shanya saba Aytan; so war der Name der jungen Frau, und tatsächlich stammte ihr Vater aus den südlichen Regionen der Grenzlande Falkenstein und war selbst dreiviertel Endophali. Ihre Mutter hingegen war eine gebürtige Papinerin und nur die Gicht ihres Vaters führte sie lange Jahre vor der Geburt von Shanya in den Süden Galadons. Dort lernte sie Aytan ben Rafi kennen und lieben, und zeugte mit ihm letztlich diese eine Tochter, von welcher diese Geschichte nun auch handeln soll.

Dem geneigten Leser mag es aufgefallen sein, dass Shanya das Ornat eines Bellumgeweihten trug und dieses tat sie nicht ohne Grund, denn sie war eine Erwählte des Herren des Schwertes, Angehörige des Ordens von Bellums Zorn und Ruhe und trug die vollständige Weihe nun seit einigen Tagen. Sie war stolz darauf vor den Augen ihrer Lehrer sämtliche Prüfungen bestanden zu haben, hatte sich aber gleich in die mannigfaltigen Aufgaben einer Bellumgeweihten stürzen müssen. Sie hatte zwei Schmiedeessen weihen müssen nach dem Dunkeltief und wurde zudem als Nachfolgerin ihres Lehrmeisters als Seelsorgerin der Garnison der Stadtwache eingeführt. Wenig Zeit zum Durchatmen und noch weniger Zeit um sich ihrer Freude über ihren Sieg über sich und ihre Makel zu ergeben, war ihr in den letzten Tagen geblieben. Doch dies wollte sie nun nachholen und so hatte sie sich auf den Weg zu ihrer Herberge gemacht um dort ihrer Gastmutter Parla die freudige Nachricht zu überbringen.

Parla saba Hussan war ebenfalls eine Endophali, wie Shanyas Vater und hatte schon vor langen Götterläufen eine Herberge in Papin-Stadt aufgebaut und diese seither treulich geführt. Shanyas Vater war es auch, der ihr diesen Kontakt vor einigen Jahren vermittelt hatte und Parla, als sorgender Vater, der er immer gewesen war, bat ein mütterliches Auge auf das Leben seiner Tochter zu werfen.
Shanya erinnerte sich noch gut daran, wie es war für sie, als sie in Papin-Stadt mit dem Schiff ankam. Der Himmel war soviel grauer als in ihrer Heimat und die Winde soviel kälter und schneidender. Fast einen Zyklus stand sie vollkommen überfordert am Hafen der Grafenstadt und musste das geschäftige Treiben der ganzen Leute erst einmal auf sich wirken lassen. Dann raffte sie sich auf und ging langsam zu der Adresse, die ihr Vater für sie aufgeschrieben hatte. Parla empfing sie wie eine Tochter, mit Küssen und mit einem resoluten, aber einnehmenden Wesen und sie wurde regelrecht in die Familie aufgenommen. Dies erleichterte Shanya nicht nur das Einleben in die ungewohnten Verhältnisse der Großstadt, sondern gab ihr auch immer wieder Kraft, wenn die Herausforderungen ihrer Lehrmeister im Bellumsorden ihr über den Kopf zu wachsen schienen. Auch der junge Sohn von Parla, Numar, hatte sie wie eine große Schwester angenommen und nach anfänglicher Schüchternheit und Zurückhaltung wuchs zwischen den beiden ein wahrhaft geschwisterliches Verhältnis. Immer hatte Numar zu Shanya aufgesehen und sie bewundert. Mehr als einmal musste Shanya ihm aus irgendwelchen Schwierigkeiten helfen und schalt ihn dann, doch war sie nicht in der Lage dem Rotschopf lange böse zu sein, wenn seine ebenfalls dunklen Augen wieder schelmisch aufblitzten.

Nun, dorthin begab sich unsere junge Bellumsgeweihte gerade und es stimmt nicht wunderlich, dass sie solch frohen Mutes war und voller Vorfreude auf ihre "Gastfamilie", denn dort gab es unter anderem auch immer reichhaltige und südländische Gerichte.

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<Fili>und wenn Custodias ein verlogener bastard ist, der uns alle um seinen finger wickelt
<Fili>dann ist er offenbar so gut darin, dass er sich das verdient hat

Fiete: Gott sei Dank, noch ein Ritter!
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 Betreff des Beitrags: Re: Verlorene Hoffnung
BeitragVerfasst: 5.04.11, 21:47 
Edelbürger
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- Erster Teil -


Das Mutterband ist nicht so rasch geknüpft, dies geschieht nur durch eine lange persönliche Bekanntschaft.


Eilig hatte sie die engen, geschäftigen Gassen durchschritten und laut war das Getöse der Händler und der Transporteure, das Gebrüll der Stadtschreier und der Waschfrauen an ihr Ohr gedrungen. Beinahe ein Schock war es für Shanyas feines Gehör, als sie um die Ecke bog und den Innenhof des zweistöckigen Herbergshauses betrat. Lächelnd blickte sie sich um, das Wasser in der hauseigenen Zisterne plätscherte leise und die großen, groben Holztische in der Mitte des Hofes mit den angefügten Bänken waren frisch gescheuert worden. Der Eimer mit dem Scheuersand stand noch daneben und die Wurzelbürste lag oben auf. Shanyas fröhlicher Blick wanderte nach oben und zählte die Schwalbennester unter dem Dachfirst: Dieses Jahr war wieder eines hinzugekommen und so prangte nun ein halbes Dutzend dieser kugelförmigen Hängebauten an der windgeschützten Stelle. Shanya lachte auf, als sie sich an den Ärger Parlas erinnerte, den sie mit den weissen Kotstreifen der Vögel an der Hauswand hatte. Eines Tages stand Parla schon mit einem langen Besenstiel vor den Nestern und wollte sie herunterholen, doch das Gezwitscher der Jungvögel im Nest brachte sie letztlich mit halb ärgerlichem, halb mitleidigem Gesicht von ihrem Vorhaben ab. Stattdessen ließ sie den Schreiner von neben an ein Holzbrett unter den Nestern anbringen, welches sich leichter reinigen ließ als die raue, gekalkte Wand.

Da kam die resolute Parla schon die Treppe zum oberen Stock auf den Hof heruntergestapft. Ihre dunklen Haare mit den immer zahlreicher werdenden grauen Strähnen hatte sie mit einem geblümten Tuch gebändigt, doch ringelten ihr einige Locken in die Stirn und das Gesicht, welches vom Alter und der harten Arbeit gezeichnet war, jedoch immer noch an die heißblütige, südländische Schönheit, die sie in ihrer Jugend gewesen war, erinnerte. Offenbar musste Parla zweimal hinsehen, bevor sie Shanya, die sie mit einem offenen Lächeln empfing, erkannte. Als diese Erkenntnis endlich gelungen war, ließ mit einem spitzen, aber freudigen Schrei ihren Eimer polternd fallen und rannte auf die Besucherin zu um ihr in die Arme zu fallen. Shanya nahm diese Umarmung gerne an und vergrub ihr Gesicht in der Schulter der mütterlichen Freundin und atmete tief ein. Der Geruch von Kaminfeuer, Gewürzen südländischer Herkunft und der vertraute, körpereigene Geruch Parlas, drang ihr in die Nase.

"Bei allen Mächten, Bellum und Vitama und unserem Herrn Grafen... Shanya, was habe ich mir Sorgen gemacht", begann Parla dann loszusprudeln. "Lass mich dich ansehen, Kindchen, meine Güte, du siehst ja ganz verhungert und müde aus. Kriegst du im Ordenshaus nichts anständiges zu essen? Du kannst Vitama danken, dass ich immer etwas auf dem Feuer habe für dich, Ji-Lla..."
Ji-Lla, so wurde Shanya von Parla von Anfang an genannt und es bedeutete soviel wie süßes Kind. Shanya kam gar nicht zu Wort und wurde von Parla direkt in das Haus hineingeführt, in die gute Stube, zum Feuer und zum Esstisch für den engeren Kreis der Familie. Die Herbergsmutter sprach, nur unterbrochen von kurzen Atemzügen, ohne Unterlass von den täglichen Sorgen und Nöten, von unfreundlichen, schmutzigen Gästen aus dem Herzen Galadons in ihrem Haus, von den schelmischen Umtrieben ihres Sohnes Numar und wie lange sie schon nichts mehr von ihrem Gatten gehört hatte, der wieder einmal auf seinem Handelszug in den Süden war und, verflixt noch eins, sein Versprechen regelmäßig zu schreiben, wieder einmal nicht hielt. Über all dies seien ihre schweren Gedanken noch von der Aufregung gekrönt gewesen, wie es ihr, Shanya, denn nun gehe und wie sie sich geschlagen habe in den Prüfungen und dass es zu befürchten stand, ob sie vielleicht verletzt oder gar, Vitama bewahre, zu Tode gekommen wäre. Man höre ja so einiges von diesen Bellumsriten der Galadonier und so weiter und so fort.
Im Laufe dieser Tirade, die Shanya nur mit beschwichtigenden, einsilbigen Worten begleiten konnte, landeten vor ihr auf dem Tisch ein Körbchen mit frisch gebackenem Weißbrot, ein Tonkrug mit Wasser und eine bis an den Rand gefüllte Schale mit einem scharfen Bohneneintopf. Da unterbrach Parla ihren Redeschwall: "Jetzt iß erst einmal was, Ji-Lla! Und erzähl mal was von deinen Prüfungen, du sagst ja gar nichts."

Shanya lächelte vergnügt und griff nach dem Holzlöffel und begann nun langsam zu essen, während sich ihre Herbergsmutter vor ihr auf einen kleinen Schemel setzte und sie gespannt ansah.
Langsam begann sie zu erzählen von ihrer Prüfung, immer wieder nachdenklich nach draußen blickend und nach den richtigen, den wahren Worten suchend. Doch dann sprudelte es aus ihr heraus und alles kam wie von selbst, bis sie zum Ende kam.
"Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als ich Bellum so nah bei mir spürte. Du weisst ja, dass ich meine Tugendhaftigkeit bewahren konnte und noch nie bei einem Mann lag," sprach sie ohne Erröten und sah Parla offen an, "aber ich glaube, das brauche ich nicht mehr, denn diese Erfüllung, diese Kraft, dieser Mut in mir, das kann mir sonst keiner geben. Ich führte meine Klinge leicht wie nie und die Rüstung war nicht mehr schwer, sie trug mich eher zu meinem Ziel. Es war, als würde ich fliegen. Und ich fliege immer noch auf Seinen Schwingen, Seine Ruhe ist in mir und mein Jähzorn ist lange nicht mehr so schlimm, wie es einmal war. Er hat mich angenommen als Seine Schwertmaid, Ila. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl." Versonnen sah Shanya in das Licht der Fela, welches durch die Fenster leuchtete und ebenso versonnen saß Parla vor ihr und streichelte sanft den silbernen Umhang ihrer Ziehtochter.
"Ich bin so stolz auf dich, Ji-Lla," wisperte sie leise und küsste den Saum des Umhangs. Shanya errötete leicht und senkte dann den Blick, da hörte man von unten lautes Gepolter und einen gezischten Fluch.
Ein Jüngling kam die Treppe heraufgelaufen und warf einen erst missmutigen Blick in die Küche. "Ila, hast du den Eimer im Weg liegen...?!" Da sah er Shanya und sein Gesicht erhellte sich. "Kun-Lla," rief er freudig und stolperte hinein, dann verharrte er mit einem unsicheren Blick vor ihr und knetete seine Finger. Die roten Haare, welche wie Feuer im Licht der Fela leuchteten, standen wirr von seinem Kopf und die schweren Lider waren halb über seine Augen gefallen.

Man mag es sich schon denken, dass hier Numar, der Sohn von Parla, nach Hause gekommen war. Der etwa sechzehnjährige Sproß der endophalischen Familie war ein Herumtreiber und Schlawiner erster Güte. Mehr als einmal stand ein schimpfender Händler vor Parla, der ihrem Sohn vorwarf einen Apfel oder eine Birne aus seiner Auslage gestohlen zu haben. Parla brauchte Numar dann nur anzublicken und alle Lüge war dahin. Ihr gegenüber konnte er nicht unehrlich sein, schließlich war sie seine Mutter. Sie bezahlte den angerichteten Schaden dann kommentarlos und strafte ihren Sohn mit Schweigen und Nichtachtung. Diese Zeiten waren wohl die strebsamsten und fleißigsten von Numar, denn um dieses unheilvolle Schweigen seiner Mutter zu brechen, versuchte er sich anfangs immer in Späßen und Dollereien, doch diese fruchteten nichts bei der gütigen, aber strengen Frau. Dann ergab sich Numar meist seinem Los und schuftete die Nacht durch um seiner Mutter Freude und Stolz zu bereiten. Am nächsten Morgen stand dann immer ein reichhaltiges Frühstück für den Jungen bereit, mit viel Honig und Marmelade, weißen Brötchen und warmer Milch. Da war dann meist aller Streit und Unmut vergessen und die beiden waren wieder ein Herz und eine Seele.

Shanya stand auf und lächelte ihren brüderlichen, jungen Freund an. Dann breitete sie die Arme aus. "Komm schon her, du Vagabund," lachte sie und als er dann freudestrahlend auf sie zusprang, schloß sie ihre kräftigen Arme um ihn.

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 Betreff des Beitrags: Re: Verlorene Hoffnung
BeitragVerfasst: 7.04.14, 00:34 
Edelbürger
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- Zweiter Teil -

Dein Schritt, mit Blut bemerkt, ist fürchterlich, ist schwer.

Der Besuch bei ihrer Gastfamilie war eine kurzweilige Unterbrechung ihrer zahlreichen Verpflichtungen, die Shanya ansonsten schwer in Atem hielten. Viel zu selten, befand sie, war Zeit für ein ruhiges Gebet und viel zu oft, gestand sie beschämt, hatte sie sich gefragt, ob die Zeit der großen Anstrengungen nicht vorbei sein sollten mit ihrer Weihe. Doch ganz offensichtlich war dem nicht so.

Einige Tage nach ihrem Besuch bei Parla bekam Shanya den Auftrag von ihrem Ordensoberen den ansässigen Orden Astraels zu unterstützen und wurde zu dessen Abt geschickt, dem berühmt-berüchtigten Vater Johannes, Hochgeweihter des Astrael, den man den Blutigen Johannes nannte. Nicht aber wegen seines Könnens mit einer Waffe, wie man bei einem solchen Spitznamen vermuten möchte, sondern weil er ein Leiden hatte, welches ihm regelmäßig und zu den ungünstigsten Augenblicken schweres Nasenbluten bescherte. Dies war auch der Grund, weshalb Vater Johannes nur äußerst selten noch predigte, denn ein Astraelgeweihter sollte, wenn überhaupt, nur bildlich gesprochen Blut speien bei seiner Predigt. Nun, jedenfalls waren die vordersten Bänke immer unbesetzt im Tempel, sollte er doch einmal zum Götterdienst geladen haben. Das war ihm natürlich aufgefallen und er zog daraus die entsprechenden Konsequenzen.

Zu jenem blutigen Johannes also war Shanya bestellt worden um ihm einen Dienst zu erweisen, und so meldete sie sich im Ordenshaus des Ordens von der silbernen Feder um von einem Novizen zu des Abtes Schreibstube geführt zu werden. Dort saß er hinter einem gewaltigen, schweren Tisch aus dickem, eigentlich hellem, aber sehr abgedunkeltem Kiefernholz. Johannes war ein Mann im Spätherbst seines Lebens, seinen Kopf hatte er kahlgeschoren, aber seine silbernen, breiten Augenbrauen verrieten sein Alter, wie auch die eine oder andere Falte, die sich tief in sein Gesicht gegraben hatte. Er trug eine einfache Robe, welche an den Ellenbogen durchgescheuert und mehrmals geflickt war und über einige Tintenflecke verfügte. Der große Tisch war mit vielen Dokumenten und Schriftrollen bedeckt, Tinten in verschiedensten Farben in Tiegeln verschiedenster Formen und Größen.
Sein kühler Blick hob sich als Shanya eintrat und seine faltige Stirn runzelte sich etwas mehr.
"Astrael zur höchsten Ehre und Bellum zum Gruße, Schwester", sagte er mit leiser Stimme, dabei lehnte er sich langsam in seinen hochlehnigen Stuhl zurück. "Was führt dich zu mir?"
Shanya räusperte sich und beinahe zeitgleich hustete Johannes zog geräuschvoll etwas in seiner Nase nach oben und spuckte ebenso geräuschvoll neben sich aus. Irritiert verzog sie das Gesicht bei den Lauten, die der alte Astraeldiener von sich gab, dann aber, nach einer kurzen Zeit des Schweigens, fand sie ihre Worte wieder und begann.
"Astrael zum Gruße, Vater Johannes, ich bin Shanya saba Aytan und man schickte mich vom Orden von Bellums Zorn und Ruhe, um Euch einen Dienst zu erweisen. Ja... und hier bin ich nun," nickte sie fest und sah mit ausdruckslosem Gesicht auf den alten Mann, der sich einen blutigen Speichelfaden vom Kinn wischte.
Johannes nickte nur knapp und erhob sich dann schon von seinem Stuhl. Mit gemessenem Schritt ging der Blutige auf Shanya zu und musterte sie dabei von oben bis unten. Unwillkürlich erschauderte sie, denn sie hatte das Gefühl als würde sein Blick durch ihre Augen tief in ihre Seele dringen, doch dann sah sie etwas genauer hin, und die braunen Augen, tiefliegend und von vielen Fältchen umgeben, waren nur noch müde und nicht mehr sonderlich eindrucksvoll. Seine Gestalt, hinter dem Schreibtisch sehr groß und mächtig, war zwar aufrecht, aber nicht größer als Shanya und trotz der weiten Robe sehr asketisch wirkend.
"Ich möchte," begann er, "dass du für mich nach Rothenbucht gehst und dort einige Schriftstücke von einem Ordenshaus meines Ordens abzuholen und hierher zu bringen. Von meinen Geschwistern ist hier leider gerade keiner abkömmlich... und deswegen bat ich Bruder Rupert um die Hilfe seines Ordens. Bruder Rupert hat dich geschickt?" Fragend sah er sie an und entnahm einem hohen schmalen Regal in einer dunklen Ecke des Raumes einige Papiere. Shanya nickte nur etwas überwältigt und nahm dann die Schriftrollen entgegen, die Johannes ihr sogleich in die Hand drückte.
"Hier sind die Papiere, die dir die Überfahrt an Bord der 'Morgenröte' ermöglichen, sowie die Dokumente, die dem Astraelorden in Rothenbucht bescheinigen, dass du ermächtigt bist die entsprechenden Schriftstücke zu empfangen. Wende dich in Rothenbucht an Bruder Oswalt, er ist bereits brieflich instruiert und wird Bescheid wissen, wenn du ihm das hier vorlegst." Abwartend sah er Shanya an, diese nickte nur, immer noch etwas überwältigt vom überraschenden Elan dieses alten Mannes. "Hast du noch Fragen, Schwester?"
Shanya gelang es erst nur mit dem Kopf zu schütteln, dann aber sagte sie: "Nein, Vater... ich habe alles verstanden."
Kurz hoben sich die breiten Augenbrauen des Mannes und ein Blick wurde Shanya zugesandt, der sanft tadelte und ebenso zu verstehen gab, dass sie seiner Sicht nach so gut wie gar nichts verstanden habe... wenn es sich um die Zustände auf dieser Welt drehte. Johannes aber nickte nur und lächelte milde. "Ich wünsche dir Shilors Segen auf deiner Reise... komm gesund wieder." Mit diesen Worten wandte sich der blutige Johannes wieder seinem Schreibtisch zu und vertiefte sich wieder in seine Schriftstücke.
Mit einem stummen Nicken, einer angedeuteten Verbeugung, wandte sich Shanya ab und machte sich bereit ihre Abreise vorzubereiten.

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 Betreff des Beitrags: Re: Verlorene Hoffnung
BeitragVerfasst: 6.05.14, 19:55 
Edelbürger
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- Dritter Teil -

Seefahrt tut not, Leben nicht.


Es war alles gut verlaufen, die 'Morgenröte' war mit der jungen Bellumdienerin an Bord aus dem Hafen Papin-Stadts ausgelaufen und fuhr die Strecke nach Rothenbucht ohne Zwischenfälle. Die See war erstaunlich ruhig und dennoch ging immer eine angenehme und rasche Brise, so dass das Schiff in der geplanten Zeit seinen Zielhafen erreichen konnte.

Auch dort erfuhr jene junge Frau, deren Reise wir begleiten, überraschenderweise unbürokratische und rasche Hilfe vom dortigen Orden Astraels. Bruder Oswalt, ihr Ansprechpartner dort, war ein kleiner, dicker, gemütlich wirkender Mann mit kahlem Schädel und ausladendem Hinterteil, der sich aber dennoch behände und geschickt durch seine enge Bibliothek mit den hohen Regalen bewegte. Tatsächlich hatte er nicht nur die bestellten Schriften vorbereitet und angemessen verpackt, sondern auch schon ein Schiff für die Rückfahrt aufgetan und die Überfahrt ausreichend bezahlt. Nach dem Transport der Kiste zum Hafen erfuhr Shanya den Namen des Schiffes und dieser stimmte sie alles andere als zuversichtlich, dass ihre Rückreise ebenso angenehm ereignisarm verlief wie ihre Herfahrt. Die 'Alte Hure' schien zwar gut in Schuss zu sein, man sah ihr aber das Alter und einige Stürme an, zudem fiel Shanya unangenehm auf, dass der Bootsmann des Schiffes, ein alter, beinahe zahnloser, aber zäh wirkender Mann, ihr eindeutige Blicke zuwarf. Sie nahm sich vor, das zu ignorieren, hatte aber dennoch ein ungutes Gefühl.
Kaum wurde die Kiste mit den bestellten Schriften an Bord gebracht, befahl der Kapitän schon alle Vorbereitungen für die Abfahrt zu treffen und tatsächlich dauerte es keine drei Zyklen mehr, bis die 'Alte Hure' die Leinen los machte und sich auf die Rückfahrt nach Papin-Stadt machte.

Die ersten Stunden der Fahrt verbrachte sie damit in ihrer winzigen Kajüte zu meditieren und Bellum um eine ruhige Heimfahrt zu bitten und wie es schien wurden ihre Gebete erhört, denn wieder zeigten sich nur wenige Wolken am Himmel in den nächsten Tagen und der Wind frischte nur etwas auf. Hin und wieder ging Shanya in den nächsten Tagen an Deck spazieren und betrachtet die unendlich scheinende Weite des Meeres, dabei strahlte das Element eine enorme Ruhe auf sie aus und ihre in letzter Zeit noch rotierenden Gedanken ließen sich bedächtig nieder. Jetzt erst keimte Dankbarkeit in ihr auf, für das was sie werden durfte, was sie sein durfte und was sie tun durfte. Vorher war dies alles verwirbelt in der Unruhe des Alltags, vergessen unter den Sorgen des alltäglichen Geschäftes einer Geweihten, versäumt in den Gebeten, in denen es nicht darum ging zu danken, sondern zu bitten. In der Ruhe dieser Seereise fand sie die Zeit und die Muße, diese Gefühle zuzulassen und die Gelegenheit ihre Dankbarkeit im Gebet zu Bellum auszudrücken.

Doch der Frieden hielt nicht lange vor, denn als Shanya eines Tages wieder über Deck flanierte und den sanften Felaschein genoss, da bemerkte sie wie der alte Bootsmann, der sie immer wieder und dauernd zahnlos, aber anzüglich angrinste und sie mit Blicken auszog, dem Schiffsjungen einige Knoten beibrachte. Dabei trat sie unbekümmert näher und sah den beiden einige Augenblicke zu, bis sie bemerkte, dass sich das Gespräch gar nicht mehr um Knoten drehte.
Der Schiffsjunge, ein schwarzhaariger Junge mit unreiner Haut, hatte den Bootsmann auf seine Tätowierungen auf den vier Fingerknöcheln angesprochen. Zahnlos grinste er wieder und warf Shanya wieder einen schmierigen Blick zu.
"Na, sieh her", sagte er dann zum Schiffsjungen und deutete auf den Knöchel seines Mittelfingers auf dem eine Sanduhr zu erkennen war. "Auf meinem Mittelfinger... das ist die Sanduhr Morsans... weil der Finger, das ist das einzige was er von mir zu sehen kriegt..." Dabei ballte er eine Faust, lacht glucksend und streckte dann seinen Mittelfinger dem Schiffsjungen in einer obszönen Geste entgegen, der seinerseits unsicher zu lachen begann, aber sofort den Blick senkte als er Shanyas Blicks gewahr wurde. Doch der Alte ließ sich nicht abbringen seine Erklärungen fortzusetzen, er hob den kleinen Finger, darauf war eine Waage zu erkennen, unsauber und vernarbt eingestochen in die Haut.
"Das hier... ist der Finger für Astrael... denn mit dem reinige ich mir immer die Ohren, damit ich besser zuhören kann", sagte der Alte wiehernd und steckte sich den Finger rüttelnd ins Ohr und zog ihn nach einiger Zeit mit einer gelbschmalzigen Krone hervor. Auch Shanya erlaubte sich hier ein schiefes Lächeln, was der Schiffsjunge bemerkte und ebenfalls etwas heiterer lachte.
Dann zeigte der Bootsmann seinen Zeigefinger, auf dem mit bläulich-schwarzer Tinte ein einfacher Kelch zu erkennen war, dabei grinste er Shanya wieder anzüglich an und erklärte: "Und, naja,... warum der Zeigefinger hier der Herrin Vitama gehört... das kannst du in jeder Hafenstadt nördlich von Linfahrt von den Frauen erfahren!" Wieder lachte er wiehernd auf und zeigte Shanya sein Zahnfleisch. Der Schiffsjunge wurde knallrot und senkte den Blick auf die Decksplanken, seine Pickel glühten. Der Blick der jungen Bellumdienerin wurde kühl und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als wollte sie ihn warnen weitere anzügliche Bemerkungen zu machen, und sie dabei auch noch so unverhohlen anzusehen. Der Mann vergaß ganz offensichtlich seinen und ihren Stand. Er leckte sich mit seiner grauen Zunge über die rissigen Lippen und wieder zog er sie mit seinen Blicken aus.
Shanya hatte genug. Mit einer blitzschnellen Bewegung beugte sie sich zum Hockenden hinab und griff nach seinem Ringfinger, auf dem das Schwert Bellums als einfaches Kreuz in die Haut tätowiert war. Ebenso schnell verdrehte sie seine Hand und drückte ihn, der überrascht aufkeuchte und kaum in der Lage war sich zu wehren, auf die Planken. Speichel lief aus dem offenen Mund des Bootsmanns und seine rotgeäderten Augen waren weit aufgerissen, als sich Shanya über ihn beugte und dem braunen, haarigen Ohr ganz nah kam mit ihren Lippen. Der Bootsjunge war erschrocken zurückgewichen und atmete schwer.
"Darf ich mir etwas für Bellums Finger aussuchen?", fragte Shanya leise und begann den Finger zu verdrehen. Der Alte stöhnte auf vor Schmerzen, sprach aber kein klares Wort. Dicke Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn als Shanya die Drehung noch verstärkte. "Vergiss nicht, wer du bist... du kniest im Staub vor den Vieren und erhältst alles, was du verdienst von Ihnen!"
Mit diesen Worten entließ Shanya den Bootsmann aus ihrem Griff, erhob sich, warf dem Bootsjungen noch einen warnenden Blick zu, nicht ebenfalls so zu werden wie sein Bootsmann, dann wandte sie sich zur Kajüte und schritt ohne sich umzudrehen mit erhobenem Kopf dorthin.
Hätte sie sich noch einmal umgesehen, dann hätte sie bemerkt, wie der Bootsmann ihr einen hasserfüllten Blick hinterherschickte, während er leise fluchend seinen Ringfinger umklammert hielt. Was wird wohl aus diesem Hass erwachsen?


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