Als sie die Augen langsam öffnet und in den Felaschein hinein blinzelt, wird ihr offenbar, nur geträumt zu haben. Der Hafen Ventrias, das elterliche Kaminfeuer, die Geschichten und Mahnungen ihres Herrn Papa hallen noch in Isabells Gemüt nach, während sie sich umsieht. Vänskap war ihr in so vieler Weise fremd und doch träumte, sehnte sie sich hier und heute das erste Mal ihrer Heimat entgegen. Schweigend blickt sie eine Weile in das Glimmen aus dem Kamin und lauscht den Meer vor dem Fenster des Hauses. Ein Hauch Heimat. Langsam setzt sie sich aufrecht auf diesem durchaus bequemen Fell- und Kissenhaufen, den Halgar Sofa nennt, hin und beißt dabei die Zähne zusammen. Zorn und Trotz brodeln in ihr auf, wie heiße Milch in einem Topf, doch verstummen sie auch wieder als der Schmerz nachlässt. Wie würde es weitergehen? Der Graue gab ihr das Gefühl, es wäre vorbei. Durchgestanden. Seine Worte machten sie hoffend und unvorsichtig – töricht im Angesicht der Gefahr dieser Männer. Wie weit würde der Graue gehen wenn er von diesem Überfall auf die Schneiderei erfährt? Eine Taverne brandschatzen, Blut vergießen und Menschen verschwinden lassen. Ihnen die Erkenntnis einprügeln, dass Taten Folgen haben. Aber was wäre danach? Es würde weiter gehen. Sie würden wieder in die Schneiderei kommen. Nur der Tod würde ein Ende bringen. Wahrscheinlich ihrer. Sollen sie sich schlagen. Es war an der Zeit für sie diesen Tanz zu beenden. In den Stand gelangen, dann den Knicks, das Haupt neigen und sich von der Tanzfläche führen lassen. Falkensee verlassen. Mit gequälter Miene steht die junge Frau auf und wandert barfuß und rastlos wirkend vor dem Kamin auf und ab. Dem ärmellosen, roten Kleid sieht man die Nacht durchaus an, aber Isabell stört es im Vergleich zu sonst nicht. Vor dem Fenster bleibt sie dann stehen und schaut hinaus auf das Meer und den Strand. Sie betrachtet das Wasser, wie es den Sandstrand hinauf gleitet, langsamer wird, stehen bleibt und wieder zurück schwappt. Immer wieder, Welle auf Welle, ist es das gleiche Schauspiel. Beruhigend und doch macht es die junge Schneiderin nachdenklich. Gewissermaßen lebte sie bisher ihren eigenen Traum. Sie stand auf eigenen Beinen, hatte eine eigene Schneiderei. Es lies sich gut davon leben. Sie kaufte aus der Freude heraus, nicht aus der Notwendigkeit. Ratten und Räuber machen es schwerer, ja, aber das allein war es nicht. Diese düsteren Andeutungen, geflüsterte Geheimnisse, malten ein Bild von der Insel und ihren Bewohnern. Es war genug um die Fäden zu verbinden, genug um glaubhaft zu sein, aber zu wenig um einen zweifelnden Zuhörer überzeugen zu können. Einst ging es um Verwirklichung. Doch was ist mit der Verantwortung? Die Bewohner Siebenwinds haben das große Ziel aus den Augen verloren. Viele sehen das Abenteuer, doch nur wenige die Aufgabe. Die Verdrossenen, die Unfähigen und die Fehlgeleitenden tun ihr übriges dazu. Wie ein Baum der von innen verrottet und außen groß, aber trostlos wirkt. Wie Kinder klettern sie darauf herum und sehen nicht, wie „ihr“ Baum stirbt. Da sie es nicht sehen, wollen sie es auch nicht wahrhaben. Wir werden geblendet und verdorben. Nein, wir sind geblendet und verdorben. Malthrust im endlosen Wiederaufbau verstrickt, Falkensee ohne echte Führung oder Schutz, die Kirche zerstritten und eine Lüge auf dem Wall. Die Dwarschim verstecken sich im Handel, die Elfen in ihrem sorglosen Trott der Ewigkeit und die Hobbits hinter Tabak und Waffeln. Wie eine reife Frucht hängen wir am Baum und wundern uns nicht einmal warum wir nicht verspeist werden. Dem Grünland Siebenwinds geht es sicher so gut wie noch nie. Unsere Bäuche werden immer dicker und der Verstand immer weicher. Wir sind untätig. Durchhalten und genießen ist die Parole. Die Diener des Einen tanzen nun für uns und wir klatschen Applaus. Welch traurig Anblick für die Viere diese Insel wohl sein mag. Der Wind dreht sich. Es ist Zeit für Veränderungen. So wie auch ein Schiff sich dem Wind anpassen muss um vorwärts zu kommen, ist es bei Menschen nicht anders. Doch auch wer zu viel Fahrt aufnimmt, der reizt die Schlangen und Kraken, welche sich unter der Oberfläche des Wassers verstecken. Unbemerkt kann niemand sein, doch sicher uninteressant genug um nicht zur Beute oder Gefahr zu werden. Harmlos sein. Still vorbereiten, was vorbereitet werden kann. Zuerst kommt das Wissen, dann der Schutz und zuletzt der Stich. Auf leisen Sohlen tapst die junge Frau die Stufen zum Keller hinab und öffnet leise eine Tür. Das Bad ist leer und verlassen. Die Tür ist schnell geschlossen, das Kleid fällt zu Boden und doch hält sie einen Augenblick vor dem Wasser inne und betrachtet die Reflexion ihrer Selbst auf der Oberfläche. Ihre rechte Hand streicht einmal durch das nun pechschwarz gefärbte Haar, bevor sie schweigend in das Wasser steigt.
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