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 Betreff des Beitrags: Als der Wind sich drehte...
BeitragVerfasst: 28.04.11, 14:58 
Einsiedler
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Als sie die Augen langsam öffnet und in den Felaschein hinein blinzelt, wird ihr offenbar, nur geträumt zu haben. Der Hafen Ventrias, das elterliche Kaminfeuer, die Geschichten und Mahnungen ihres Herrn Papa hallen noch in Isabells Gemüt nach, während sie sich umsieht. Vänskap war ihr in so vieler Weise fremd und doch träumte, sehnte sie sich hier und heute das erste Mal ihrer Heimat entgegen. Schweigend blickt sie eine Weile in das Glimmen aus dem Kamin und lauscht den Meer vor dem Fenster des Hauses. Ein Hauch Heimat.
Langsam setzt sie sich aufrecht auf diesem durchaus bequemen Fell- und Kissenhaufen, den Halgar Sofa nennt, hin und beißt dabei die Zähne zusammen. Zorn und Trotz brodeln in ihr auf, wie heiße Milch in einem Topf, doch verstummen sie auch wieder als der Schmerz nachlässt. Wie würde es weitergehen? Der Graue gab ihr das Gefühl, es wäre vorbei. Durchgestanden. Seine Worte machten sie hoffend und unvorsichtig – töricht im Angesicht der Gefahr dieser Männer. Wie weit würde der Graue gehen wenn er von diesem Überfall auf die Schneiderei erfährt? Eine Taverne brandschatzen, Blut vergießen und Menschen verschwinden lassen. Ihnen die Erkenntnis einprügeln, dass Taten Folgen haben. Aber was wäre danach? Es würde weiter gehen. Sie würden wieder in die Schneiderei kommen. Nur der Tod würde ein Ende bringen. Wahrscheinlich ihrer. Sollen sie sich schlagen. Es war an der Zeit für sie diesen Tanz zu beenden. In den Stand gelangen, dann den Knicks, das Haupt neigen und sich von der Tanzfläche führen lassen. Falkensee verlassen.
Mit gequälter Miene steht die junge Frau auf und wandert barfuß und rastlos wirkend vor dem Kamin auf und ab. Dem ärmellosen, roten Kleid sieht man die Nacht durchaus an, aber Isabell stört es im Vergleich zu sonst nicht. Vor dem Fenster bleibt sie dann stehen und schaut hinaus auf das Meer und den Strand. Sie betrachtet das Wasser, wie es den Sandstrand hinauf gleitet, langsamer wird, stehen bleibt und wieder zurück schwappt. Immer wieder, Welle auf Welle, ist es das gleiche Schauspiel. Beruhigend und doch macht es die junge Schneiderin nachdenklich.
Gewissermaßen lebte sie bisher ihren eigenen Traum. Sie stand auf eigenen Beinen, hatte eine eigene Schneiderei. Es lies sich gut davon leben. Sie kaufte aus der Freude heraus, nicht aus der Notwendigkeit. Ratten und Räuber machen es schwerer, ja, aber das allein war es nicht. Diese düsteren Andeutungen, geflüsterte Geheimnisse, malten ein Bild von der Insel und ihren Bewohnern. Es war genug um die Fäden zu verbinden, genug um glaubhaft zu sein, aber zu wenig um einen zweifelnden Zuhörer überzeugen zu können. Einst ging es um Verwirklichung. Doch was ist mit der Verantwortung?
Die Bewohner Siebenwinds haben das große Ziel aus den Augen verloren. Viele sehen das Abenteuer, doch nur wenige die Aufgabe. Die Verdrossenen, die Unfähigen und die Fehlgeleitenden tun ihr übriges dazu. Wie ein Baum der von innen verrottet und außen groß, aber trostlos wirkt. Wie Kinder klettern sie darauf herum und sehen nicht, wie „ihr“ Baum stirbt. Da sie es nicht sehen, wollen sie es auch nicht wahrhaben. Wir werden geblendet und verdorben. Nein, wir sind geblendet und verdorben. Malthrust im endlosen Wiederaufbau verstrickt, Falkensee ohne echte Führung oder Schutz, die Kirche zerstritten und eine Lüge auf dem Wall. Die Dwarschim verstecken sich im Handel, die Elfen in ihrem sorglosen Trott der Ewigkeit und die Hobbits hinter Tabak und Waffeln. Wie eine reife Frucht hängen wir am Baum und wundern uns nicht einmal warum wir nicht verspeist werden.
Dem Grünland Siebenwinds geht es sicher so gut wie noch nie. Unsere Bäuche werden immer dicker und der Verstand immer weicher. Wir sind untätig. Durchhalten und genießen ist die Parole. Die Diener des Einen tanzen nun für uns und wir klatschen Applaus. Welch traurig Anblick für die Viere diese Insel wohl sein mag.
Der Wind dreht sich. Es ist Zeit für Veränderungen. So wie auch ein Schiff sich dem Wind anpassen muss um vorwärts zu kommen, ist es bei Menschen nicht anders. Doch auch wer zu viel Fahrt aufnimmt, der reizt die Schlangen und Kraken, welche sich unter der Oberfläche des Wassers verstecken. Unbemerkt kann niemand sein, doch sicher uninteressant genug um nicht zur Beute oder Gefahr zu werden. Harmlos sein. Still vorbereiten, was vorbereitet werden kann. Zuerst kommt das Wissen, dann der Schutz und zuletzt der Stich.
Auf leisen Sohlen tapst die junge Frau die Stufen zum Keller hinab und öffnet leise eine Tür. Das Bad ist leer und verlassen. Die Tür ist schnell geschlossen, das Kleid fällt zu Boden und doch hält sie einen Augenblick vor dem Wasser inne und betrachtet die Reflexion ihrer Selbst auf der Oberfläche. Ihre rechte Hand streicht einmal durch das nun pechschwarz gefärbte Haar, bevor sie schweigend in das Wasser steigt.


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 Betreff des Beitrags: Re: Als der Wind sich drehte...
BeitragVerfasst: 3.05.11, 15:32 
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Im Gegensatz zum Fuße des Berges toste hier am Gipfel der Wind förmlich. Der Himmel war nur noch ein dicker, dunkler Vorhang und der Regen fand seinen Weg in selbst den kleinsten Spalt der Kleidung der jungen Frau. Ihr Atem war schnell und schwer und die Hände kribbelten noch vom Klettern. Sie hatte es geschafft, war oben auf diesem Berg. Für einen Herzschlag hielt sie inne und schaute vor sich in die Ferne und ihr durchtrenntes Sicherungsseil bewegte sich hin und her wie ein Spielball des Windes. Bei diesem Gewitter Bergsteigen zu gehen war mehr als nur verwegen. Es war völlig irrsinnig! Doch nun war sie hier und spürte Stolz in sich aufwallen. Gorem sagte ihr, sie müsse sich keine Sorgen machen. Er würde auf sie aufpassen. Sie zweifelte nicht daran. Nun müsste sie ihm nur noch den Weg zu ihr hinauf ebnen. Sein übergroßer, improvisierter Kletterhaken wurde befestigt und dem Rand durch das Unwetter entgegengerufen. Als sich das Seil spannte, war sich Isabell sicher, dass der klettererfahrene Halbriese gleich bei ihr sein würde. Was auch immer er ihr hier oben zeigen wollte, schon bald wäre es soweit. Sich ein paar triefend nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht wischend, ging sie am Seil entlang in Richtung des Randes, wobei sie eher beiläufig zurück zum Felsen blickte, an dem der Haken befestigt war. Erst wirkte es wie eine Einbildung, dann wie Angstfantasterei: Das Seil löste sich langsam, Stück für Stück von der Hacke. Einen Herzschlag später schrie sie in den tosenden Wind hinein, wollte den Mann am Seil warnen. Sie packte das stramme Seil und ihr Herz pochte, hämmerte in ihrer Brust.
Der trügerische Halt des Kletterhakens löste sich, das Seilziehen begann. Eine ermüdete Schneiderin gegen das Gewicht eines gut genährten Halbriesen. Fast von den Beinen gerissen schlitterte sie dem Rand entgegen und ihre Schreie wurden vom Wind verschluckt. Sie konnte nicht loslassen, Gorem fallen lassen. Das wäre unverzeihlich. Für einen Herzschlag keimte die blasse Hoffnung in ihrem Herzen auf, er würde einen Halt finden und sie könnte dort oben verweilen. Dann erreichte sie den Rand.
Das erbarmungslose Ziehen, welches einst von vorn kam, drängte sie am Bergvorsprung nach unten. Ihr Oberkörper ruckte vor und sie lies das Seil los. Plötzlich war alles anders. Den Atem anhaltend bewegte sich der Frauenkörper mit dem Kopf voran über den Rand. Kein Laut kam ihr über die Lippen. Mit der Verwunderung der Unschuld selbst blickte sie voran. Solche Dinge geschehen doch nicht. Schneiderinnen stürzen nicht im Gewitter von Bergen hinab. Das ist nicht richtig. Die Welt wurde nun schneller. In der Ferne erhellten zwei Blitze die Nacht, Wind umtoste die Frau und verwehrten ihr das Einatmen. Gorem, der mit einer Hand selbst schwerlich Halt gefunden hatte, flog an ihr vorbei und schrie ihr etwas zu, streckte die freie Hand nach ihr aus. So schnell er kam, war er auch aus ihrem Blick verschwunden. Die zuvor klare und bekannte Welt hatte etwas Verwirrendes angenommen und der Schock nahm ihr die Gesichtsfarbe. Der Fels kam so schnell näher. Einer müsse beiseite gehen. So sollte es nicht sein.

Das Feuer im Kamin knisterte leise als Isabell ihre Augen öffnete. Leise seufzend rieb sie sich mit beiden Handflächen über das Gesicht und holte einmal tief Luft. Warum kamen diese Träume nun zurück? An die Decke starrend, begann sie leise eine ruhige Melodie zu summen. Es war immer die Selbe. Irgendwann war sie einfach da und ging nicht mehr weg. Sie erinnerte sich nicht daran, sie jemals irgendwo gehört zu haben und doch war sie so unvergesslich und mit so vielen Erinnerungen verwoben. Doch immer war es Isabell, die sie summte, kein Anderer. Mit einem halbherzigen Schwung aus den Beinen heraus versuchte die junge Frau sich aus den pelzigen Tiefen des Sofas zu erheben und scheiterte dabei kläglich. Begleitet von leisen, unglaubwürdigen Ächzen der Anstrengung krabbelt sie auf allen Vieren vom Sofa und kniet sich in ihrem roten Schlafkleid vor den Rucksack am Boden. Heute dürfte es kein Kleid sein. Etwas Praktisches vielleicht. Immerhin gedachte sie sich mit Nortraven zu raufen. Für einen Moment runzelte sie bei dem Gedanken die Stirn und holte eine kleine Spiegelscherbe aus dem Rucksack. Sie betrachtete ihr Gesicht darin und drehte es langsam von links nach rechts. Auf eine gewisse Art schien ihr diese Insel gut zu tun. War es Selbstbewusstsein? Sie blickte sich selbst in die Augen und schenkte sich selbst ein strahlendes Lächeln. Ihre inzwischen wieder hellen Haare umrahmten ihr Gesicht und wurden lediglich nahe der Kopfhaut etwas dunkler. Sie drehte wieder das Gesicht etwas zur Seite und betrachtete sich weiterhin mit einer Neugier, als würde sie sich selbst erst entdecken.

„Nur nicht ins Gesicht. Es ist Tradition, es gehört vielleicht dazu, aber nicht ins Gesicht schlagen.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Als der Wind sich drehte...
BeitragVerfasst: 10.05.11, 18:02 
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Der Ausblick war wunderschön.
Hoch oben auf dieser Landzunge saß Isabell auf einem Baumstamm und blickte auf das weite Meer vor sich hinaus. Ein großes Lagerfeuer brannte hinter ihr und wärmte den Rücken, das Wolfsbanner bewegte sich in ihrem Augenwinkel träge hin und her. Dieser Ort, der entfernteste Flecken Erde in Vänskap, wurde von ihr nun häufiger aufgesucht. Hier fand sie etwas Ruhe und wohl auch etwas mehr: Halvard, der Leitwolf, nahm sich ihrer Fragen an. Sein Wissen war beeindruckend und erteilte es ohne zu zaudern. Niemand sprach so klar über all diese Angelegenheiten vor denen die Meisten wohl lieber den Blick verschließen. Er lehrte nicht einfach nur Geschichte, sondern offenbarte ihr Einblicke in die Dunkelheit, die sich im Ödland verbargen und jene die es noch immer tun. Dies war ein guter Anfang. Sie hatte nun Ziele, hatte Wege, konnte die Hürden besser einschätzen. Doch dies allein sollte nicht reichen, durfte nicht reichen. Es gab noch jemanden der ihr viel, sehr viel erzählen könnte. Freundinnen sollten hin und wieder miteinander reden.

Die Wellen tosten unter ihr laut und gleichmäßig gegen den Fels. Fela spiegelte sich auf dem Wasser und glitzerte tausendfach, wie Edelsteine, im Blickfeld der jungen Schneiderin. In der Ferne war das gestrandete Drachenboot zu sehen. Es wurde Zeit, dass es wieder nach Hause zurückkehrt.
Heimkehren. Zuhause sein. Sich entscheiden wo dieser Ort ist. Sie hatte sich entschieden und sah es nun deutlich vor sich. Die Wurzeln, tief und fest, lagen auf ewig in Taras, doch war Siebenwind ihre Heimat geworden. Dafür galt es nun einzustehen und die Verantwortung zu tragen. Ist es nicht das worauf es ankommt? Im Glauben war es sicher nicht anders. Der im Glauben Schwache oder der dunkel Berührte, der sich nie dem Einen hergab; könnten sie nicht auch heimkehren in die Arme der Viere wenn sie ihre Seite recht bezogen und dazu stehen? Würde Astrael es nicht sehen und in seiner Weisheit segnen? Würde Bellum nicht den Mut und den Willen anerkennen? Würde Vitama, die liebende Mutter, nicht ihre Kinder willkommen heißen? Morsam, in seinem Schweigen, würde ihnen Ruhe im Leben wie auch im Tod gewähren.
Die Götter leiten uns auf unseren Wegen. Sie ermutigen uns, ermuntern uns. Sie wollen das wir das Richtige tun – aber wir müssen es selbst tun. Vielleicht ist Siebenwind wirklich eine Prüfung der Götter. Über welche Götter können Gelehrte streiten. Wir alle, alle Völker, müssen zusammenhalten. Wohl prüfen uns alle Götter. Wir müssen selbst handeln. Für solche Worte kann man Ketzer gescholten werden. Es auszusprechen war gefährlich, doch es zu verleugnen falsch. Halgar sagte ihr, sie sollte es sich gut überlegen. Eine Tätowierung hält ein Leben lang. Sie sollte Bedeutung haben.

Mit den Fingerspitzen der linken Hand strich Isabell über die nortravische Tätowierung an ihrem rechten Oberarm. Sie hatte Bedeutung. Nun war es daran wieder gelegen die naive Unschuld zu sein. Andere Leute zeigten sich meinst ernst und reif nach außen hin und trieben ihren Schabernack im stillen Kämmerlein. Warum nicht anderes herum? Sie dachte an Raphael und was sie ihm und seiner Würde alles antat. Ein Funken Bedauern erstrahlte und verblasste sogleich. Hin und wieder gehört Freude und Spaß zum Leben dazu.
Langsam schlenderte sie durch das Dorf der Nortraven. Hier und dort sah sie Männer und Frauen sich vorbereiten. Die Dwarschim baten um Unterstützung und die Notraven antworteten entsprechend und ohne Zögern. Die Krieger rüsteten sich. Sie wäre fehl am Platze, drum tat sie das ihre: Sie holte das Kleid hervor und überlegte sich den kürzesten Weg nach Seeberg. Ledig und allein, konnte sie an diesem Tag der Liebenden noch immer sich selbst versteigern. Wenn sie denn jemand wollte.

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 Betreff des Beitrags: Re: Als der Wind sich drehte...
BeitragVerfasst: 1.06.11, 15:03 
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Leicht wankend setzte die junge, verdreckte Frau einen Fuß vor den anderen um aus dem Loch heraus zu kommen, welches sie irgendwann ihren Keller nennen würde. Der Sack voll mit Erde wog schwer auf ihrem Rücken und der Dreck auf ihrem verschwitzten Körper fühlte sich unangenehm an. Oben in der kleinen Kammer angekommen, wendete sie sich mit einem Ächzen der Hintertür zu, welche weit offen stand, und stolperte wie schon dutzende Male zuvor ins Freie. Kraftlos nach der Arbeit lies sie sich gleich neben dem Sack ins Gras fallen, zog den roten, schmutzigen Schal aus ihrem Gesicht und zog tief Luft durch die Nase ein. Dies war ganz sicher nicht ihre bevorzugte Art von Arbeit, aber es war dennoch etwas sinnvolles was erledigt werden musste.
Die Schafe mussten versorgt werden, die Äcker gepflegt, der Keller errichtet und nebenbei die Wiedereröffnung der Schneiderei vorbereitet werden. Arbeit gab es wohl genug und in letzter Zeit und umso weniger Gelegenheit auszuspannen und zu reden… oder über die Geschehnisse in Falkensee nachzudenken. Die Kette der Ereignisse hatte in ihrer Weise etwas Beeindruckendes. Isabell ging es noch einmal in Gedanken durch. Das hohe Schneiderlein Aldorn nahm ihr die Bürgerrechte und Wohnung ohne den Grund dafür vermuten zu lassen. Kaum war dies geschehen schrieben Obrokat und Amante ihr Pamphlet und verteilten es in Falkensee. Warum überhaupt? War es lediglich weil Shenandah ihre Lehre doch nicht bei ihm machen wollte? Das allein konnte es nicht sein. Im Grunde war es auch nicht wichtig. Amante reagierte schnell auf ihren Besuch im Geschäft und wagte eine Frechheit nach der anderen. In einer richtigen Garde würde man ihn wohl eher auspeitschen, aber Falkensee erwartete nie viel von ihren Gardisten. Stattdessen urteilte der ach so Hohe Richter Herderwaldt einfach blind voran und benutzte blumige Umschreibungen für Amantes Geschichte. Auch wenn Recht nichts mit Gerechtigkeit zutun hat, sollte es zumindest eine Grundlage haben die zur Wahrheitsfindung anregt. Ob hier wieder seine richterliche Unfähigkeit die hässliche Fratze Fela entgegen reckte oder er vom hohen Schneiderlein ermuntert wurde ist wohl auch bedeutungslos. Isabell war sich sicher diese Strafe nie zu zahlen und diese ganze Geschichte mit Falkensee für sich zu begraben, doch fügte Halgar ein letztes Teil zum großen Ganzen hinzu. Nun war die Schuld angeblich beglichen und die Akte verschwunden. Ein Gefallen aus alten Zeiten, sagte er. Bestechlichkeit. Vetternwirtschaft. Es passte zum Rest. Isabell war nur froh, dass Falkensee keine Dukate von ihr sah. Dieses gierige Maul wollte sie nicht stopfen. Als Bürgerin war sie rege und versuchte etwas für die Stadt zu tun. Wie wenig sie darüber nachgedacht hatte. Nach dem Dunkeltief war die Stadt am Boden und keine der kleinen Besserungen kam durch den Rat. Das wenige Gute der Garde erstickte sich in ihren eigenen schlechten Taten. Alles was der Rat je getan hat waren zwei jämmerliche Markttage auszurufen. Markttage helfen niemandem. So kommt es wenn die scheinbar Mächtigen nichts anderes mehr im Blick haben als ihre Stellung zu behalten. Korruption, Unfähigkeit, Ignoranz und wohl auch der eine oder andere heimliche Diener des Einen durchziehen Falkensees Mitte. Es war richtig die Stadt hinter sich zu lassen und doch gab es dort noch immer gute Bürger.
Unter all jenen Bürgern der Stadt führten ihre Gedanken direkt zu einem und ließen sie nicht mehr los: Raphael Angostura. Sein Nachrichtenbrett war verschwunden, sein Briefkasten entfernt, kein Schild trug seinen Namen. Etwa er verließ den Löwenorden oder war tot. An seinen Tod wollte die junge Schneiderin nicht glauben, doch nun war er fort, nicht mehr auffindbar. Vielleicht würde er sie in Vänskap aufsuchen, so wie sie ihn besuchte wenn er geöffnet hatte. Vielleicht war es ihm aber auch nicht wichtig genug. Dieser lose Faden blieb vielleicht zurück. Es betrübte sie, ohne es in Worte fassen zu können.
Langsam kam Isabell wieder auf die Beine und streckte ihren Rücken einmal durch. Es gab noch viel zutun und gerastet hatte sie genug. Leise eine immer gleiche, ruhige Melodie summend verschwand sie im Haus, stieg hinab und machte sich daran einen weiteren Sack zu füllen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Als der Wind sich drehte...
BeitragVerfasst: 19.07.11, 16:53 
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Die langsam endende Helligkeit erfüllte das Schlafzimmer durch die zwei Fenster und tauchte alles in ein gedämmtes Licht. Mit aufrechter Körperhaltung saß die junge Frau auf dem Hocker und betrachtete ihr Spiegelbild. Der Spiegel der Intarsienkommode wurde von zwei kleinen goldfarbenden Drachen flankiert, welche ihre Köpfe dem weiblichen Abbild im Spiegel entgegenstreckten. Langsam drehte die Frau ihren Kopf erst ein wenig nach links, verharrte kurz und bewegte dann das Haupt zurück und einen Deut weit nach rechts.
Die Dinge entwickelten sich gut in Vänskap. Recht langsam, aber durchaus stätig. Nun ging es bald darum den Kontor besser zu organisieren und zu nutzen. Handwerker hatte das Dorf einige aufzubieten und die Warenvielfalt wuchs mit jedem Tag. Einen Augenblick lang dachte sie an die Schreinerin, welche seit kurzem hier im Dorf war. Sollte sie sich zum Blieben entscheiden, würde sie sicher einiges an Kundschaft ins Dorf locken. Eine Meisterin ihres Fachs ist eine Seltenheit auf dieser Insel und zudem machte sie einen sympathischen Eindruck. Letzteres war ihr dennoch mehr wert als jede Kunstfertigkeit.
Isabell tauchte ihre Hände in eine kleine Schale vor dem Spiegel. Wassertropfen perlte an ihren Fingern und den Handflächen entlang und strebten abwärts, zurück zur Schale. Langsam, als wäre es ein Spiel, ließ sie das Wasser durch ihre Finger tropfen bis nur noch ein Überrest die Hände benetzte. Sie schüttelte sie einmal über der Schale ab und führte die Hände zum Gesicht. Langsam glitten die Finger unter den Augen entlang und über die Wangen. Amüsiert beobachtete sie, wie sich ihre Haut dezent verfärbte. Feiner Staub. Sie war scheinbar vom Scheitel zur Sohle voll davon. Diese mannshohen Statuen waren doch recht dreckig gewesen und sie hin und her zu schleifen machte es nicht besser. Dazu all der sperrige Tand, der nicht für eine längere Reise taugt.
Arkadius Wulf war fort. Aufgebrochen in seine Heimat. So wie auch Laris vor nur wenigen Tagen. Namen und Gesichter Isabells Vergangenheit hier auf dieser Insel. Sie glaubte traurig sein zu müssen, aber sie war es nicht. Nur wenige Leute blieben lang genug hier um Wurzeln zu schlagen. Noch weniger sind überhaupt dazu bereit dies wirklich zu tun. Ein anderer Laris würde kommen, eine Zeit verweilen und dann entschwinden. Ein anderer Arkadius würde nur ein kleines Zeugnis seiner Kunst hinterlassen und dann zur Vergangenheit werden. Pachtschulden in Falkensee. Dafür wird er in der Erinnerung der Verwaltung noch ein wenig verbleiben. Wäre es nicht Falkensee, dachte Isabell mit einem Schmunzeln auf den Lippen, würde sie seine Schuld begleichen. Füreinander einstehen…
Ein schneller Griff in den Kleiderschrank und schon machte sich die junge Schneiderin, mit einer Handvoll sauberer Kleidung, auf den Weg aus dem Haus hinaus und hin zum Wasser. Die aufkommende Dunkelheit kam ihr dabei durchaus gelegen.
Halvard stand für sie ein. Sie dachte inzwischen oft an Halvard. Er mochte zwar fast einen Schritt größer als sie sein und könnte ihr Vater sein, aber diese Dinge wurden Tag für Tag unwichtiger. Er stand für sie ein, unterstützte sie, sprach mit ihr – er hörte ihr zu. Ihre Worte hatten für ihn Bedeutung, ihr Glück war ihm wichtig. So vieles machte er einfach richtig…und lies ihr dennoch die Zeit die sie sich wünschte. Er konnte warten.Margaret sagte ihr, sie solle nicht nach dem perfekten Mann suchen. Halgar ermahnte sie, auch loszulassen und das Leben mehr zu genießen. Es wurde Zeit voran zu gehen. Schritt auf Schritt, Stich auf Stich.
Liebe ist eine Entscheidung.
Vitamas unbeschwerte Lebensfreude und Hingebung, Astraels klarer Blick und Geist, Bellums Mut und Tapferkeit und Morsans Geborgenheit und Ruhe. Eine wahre Liebe braucht den Segen aller Viere wenn sie Bestand haben soll. Die Gedanken an den Tempel in Falkensee rangen kurzmit dem Neid eines fehlenden, nahen Badehauses als Isabell sich daran machte sich zu waschen.

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