Während die Monde langsam am Himmel heraufzogen, doch ihr Licht kaum durch die dichte, dunkle Wolkendecke drang, erklang das leise und rhythmische Raunen der Magier auf der Ebene vor dem Wall. Das Mädchen betrachtete wortlos und fasziniert von der rohen Macht der Magie das Tun der vier Ritualwirker; die Geweihten und die Beschützer, die um sie herum standen, hatte sie vollkommen vergessen. Vier Magier, Magier des weißen und des grauen Pfades, beschworen einen Dämon - verkehrte Welt! Und dann wollte man ihn in den Kopf eines Geweihten schicken - was war das für eine vollkommen verdrehte Idee? Das Mädchen traute der Lage nicht, aber sie war ja nur eine Schülerin - und wäre niemals auf die Idee gekommen, klüger zu sein als die Fortgeschrittenen und Lehrer, die dort das Ritual vorantrieben.
Mit einem Mal krachte es, weiße Lichtfäden stoben durch die Finsternis wie Tentakel aus der Mitte des Ritualkreises, schlugen gegen die nun bei jedem Hieb aufschimmernde Halbkugel des Bannzirkels. Noch hielt der Schutz, doch die Magistra knickte schon merklich ein; der Schattenjäger war für einige Augenblicke erkennbar benommen, doch der Zirkel blieb aufrecht. Der alte Mann in der Mitte war nicht mehr zu erkennen; die weißen Peitschenhiebe gegen die Halbkugel des Bannzirkels ließen die Wände milchig und rissig werden und verbargen, was sich im Inneren abspielte. Zu allem Überfluss begann der Regen; wie aus Eimern begann es vom Himmel zu gießen, als gäbe es kein Morgen.
Während am Himmel die ersten Blitze zuckten, Donner in ihren Ohren klingelte und die Roben mehr und mehr an den dürren Körpern klebten, begann der Bannzirkel zu brechen. Einer der weißen Fäden im Innern schlug mit einem tosenden Donnern das erste Loch in die milchiggraue Halbkugel, die eben noch Magie und Magier getrennt hatte, und die Magistra wurde mit einem gewaltigen Schlag zurückgeworfen und krachte in den Schlamm. Für die drei Schüler war es um Längen zuviel Anstrengung, das Loch im Gefüge zu stopfen; nur Wimpernschläge später implodierte der Bannkreis in einem blendend weißen Lichtblitz, und während das Mädchen noch versuchte, wieder etwas zu erkennen, drang diese merkwürdige, lebendige, schreiende Furcht in ihr Herz und für Wimpernschläge verlor sie den Willen, zu leben. Sie fiel auf die Knie, spürte das Wasser auf dem Boden, sah die Tropfen von ihrer Stirn unscharf vor den Augen herabrinnen, und dann verlor sie auch den Willen, dagegen anzukämpfen.
Als der Soldat sie keuchend gegen die Wand drückte und mit einer heftigen Ohrfeige ins Leben zurückholte, wehrte sie hastig ab; sie brauchte keine Hilfe, sie war nicht verletzt; er sollte den anderen helfen. Wacklig hielt sie sich auf den Beinen und nahm unscharf wahr, wie einer der Krieger sein Schwert in die Magistra stieß; vollkommen entrückt wankte er weiter, bis seine Mitstreiter ihn zu Boden reißen konnten. Wo eben der Bannzirkel gebrochen war, war nun ein dicker schwarzer Nebel, der in der Form der Halbkugel geblieben war, als traue er den verschwundenen Fesseln noch nicht recht. Schon im nächsten Augenblick jedoch trennte eine Hand die Nebelschwaden, unscharf und wabernd, als sei sie nicht von dieser Welt; eine Elfe riss ihren Stab voran, fluchte dem verborgenen Wesen laut und heftig Worte in fremden Zungen entgegen, mit einem gigantischen Krachen schleuderten die wenigen, die noch auf zwei Beinen stehen konnten, fort von dem einstigen Bannzirkel, und in einem zweiten, grellen Lichtblitz raste das schwarze Gewirr aus peitschenden Tentakeln und nebulösem Dunst in den Himmel hinauf, dass es aussah, als würde es von den schwarzen Wolken am Himmel verschlungen.
Das Mädchen starrte der unerkennbaren Kreatur noch einige Augenblicke hinterher. Zweifellos, irgendetwas hatten die Magier hier beschworen. Doch dass ihr Plan aufgegangen war, daran hatte sie große Zweifel. Vielmehr hatte sie das Gefühl, dass, was auch immer sie beschworen hatten, nun erst recht frei war, und vom Himmel herabstarrte auf die Wesen dort unten, und sich Nahrung für seine erste Nacht in Freiheit suchte...
Alle geschilderten Stimmungsbilder, alle bedrohlichen Ereignisse, Spannungsmomente und dramaturgischen Effekte sind - leider - weitgehend fiktiv und entsprechen nicht dem realen Ablauf des Ritualevents am heutigen Abend.
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