Die schweren, dunklen Stiefel bewegten sich langsam durch den feinen Sand. Seine Schritte und Bewegungen verursachten keinerlei Geräusche.
Fela hatte ihren Platz mit dem Mond getauscht. Sein fahles Licht ließ ihn mit den Schatten verschmelzen und beinahe unsichtbar werden.
Der warme Wind schlug ihm direkt ins Gesicht und trug jeden verräterischen Geruch weit fort. Der Sand war sein Terrain, sein Element.
So schlich er sich geduckt voran, sein Opfer immer im Blick. Als er nur noch wenige Schritte entfernt war, sank er hinter einem ausgedorrten Busch, mit einem Knie, in den Sand.
Die Falle hatte zugeschnappt. Selbst wenn er nun noch entdeckt werden würde, es war zu spät.
Er griff mit drei Fingern nach dem fedrigen Ende eines Pfeils und zog diesen aus dem Köcher hervor. Die Kerbe an der Rückseite drückte er gegen die Sehne des Bogens.

Das waren die Momente, die er bei der Jagt so liebte. Er war vollkommen ruhig und eins mit sich. Alle seine Sinne waren zum zerreißen gespannt und nur auf sein Ziel fixiert. Die Welt drum herum gab es nicht.
Nichts konnte ihn in dem Zustand noch aufhalten.

Er richtete sich langsam, ohne hektische Bewegungen, auf. Gleichzeitig spannte er den Bogen, wobei er die Hand an der Sehne gegen sein Kinn lehnte. Er zielte nur einen Moment lang, dann ließ er den Pfeil fliegen.
Mit einem dumpfen Aufschlag trieb sich die Pfeilspitze in das Holz des Baumes. Direkt neben die beiden anderen Pfeile.
Er hatte mal wieder gesiegt. Was nicht unbedingt verwunderlich war, wenn man gegen Bäume kämpfte. Aber zumindest war er mit dem Bewegungsablauf zufrieden. Wäre es kein Baum gewesen, sondern ein Tier, Monster, Mensch oder eine Mischung daraus, wäre es nun tot.

Er riss die Pfeile nacheinander aus dem Holz und seufzte.
Ihm war langweilig. Unglaublich langweilig.
Es war nicht so, das ihm die kleine Wüstenstadt nicht gefiel oder die Ruhe, die er hier hatte. Aber er hatte einfach nichts zu tun.
Um hier zu jagen, musste er sich nicht gerade anstrengen. Eigentlich musste er nur dastehen und darauf warten, das von irgendwo, irgendwas auf ihn zu stürmte und er es in aller Ruhe mit Pfeilen bespicken konnte.

Nun stand er wieder dort im Sand und starrte in den Himmel.
Fela kroch nach und nach wieder vom Rand hervor und eroberte sich seinen Platz zurück.

Einige Zeit zuvor…

Fela stand hoch am wolkenlosen Himmel und brannte auf das Land hinab.
Weit unter ihr schleppte sich eine dunkle Gestalt durch die sandigen Dünen. Vor ihm war nichts, außer einem Meer aus heißem Sand. Hinter ihm wartete der Tod.
Anfangs hatte er noch versucht, die richtige Richtung einzuschätzen, doch nun ging er einfach. Er hatte seid Stunden keine Flüssigkeit mehr zu sich genommen. Und er war allein. Die Wüste verschlang denjenigen, der ihr keinen Respekt zollte. So war es.
Bei seinem überstürzten Aufbruch hatte er auf ein Pferd und mehrere Wasserschläuche verzichtet. Ersteres, weil die Spuren einfacher zu finden waren. Letzteres, weil er durch zu viel Last zu langsam wäre. Seine Reue nütze ihm nun allerdings gar nichts.
Was ihm nutzte, sah er am Rand des Horizonts auftauchen. Zuerst hielt er es nur für eine Fata Morgana, eine Luftspiegelung. Doch je näher er kam, desto klarer wurden die Umrisse.
Nach einigen Schritten stand er im Schatten von mehreren riesigen Palmen, welche eine kleine, klare Quelle einrahmten. Es war wie ein Traum.
Er trank so viel Wasser, das ihm schlecht davon wurde. So dass er sich an eine Palme lehnte und in die Ferne blickte. Hier kam es ihm alles lange nicht mehr so düster und lebendsfeindlich vor.
Er schob eine Hand in den Sand und schloss sie darum. Dann hob er sie und ließ den Sand langsam daraus hinab rieseln. Wie er es liebte, das zu tun.

Heute, auf Siebenwind..

Die Wolken schwebten wieder über ihm umher, doch so lange er sie auch anstarrte, sie gaben ihm keine Antwort auf seine Frage. Obwohl sie so einfach war. Liebte er sie, oder liebte er sie nicht?
Er wusste es nicht.
War er überhaupt in der Lage, jemanden zu lieben?

Langsam stapfte er durch den Sand. Es knirschte unter jedem seiner Schritte. Jedoch war das nicht der Sand. Es waren die Knochen dazwischen.
Die Wüste hier war vollkommen anders. Es stank.
Selbst die gelegentlichen Angreifer konnten ihn nicht von seinen Gedanken abbringen.
Er brauchte die Antwort.
Eins war klar, so konnte es nicht weitergehen.
Dabei war sie nicht die einzige Frau, die ihn sorgte. Die Malerin. Er hatte sie für eine Freundin gehalten. Wie sollte er ihr jetzt noch vertrauen? Vertrauen? So ein Blödsinn.
Eigentlich müsste er beide verachten, für das was sie sind und was sie tun. Aber er tat es nicht. Immerhin war er auch nur ein Mensch mit tausend Fehlern.

„Dämon!“ er lachte. „Du kämpfst wie einer. Immer mit voller Kraft und absolut rücksichtslos. Das gefällt mir.“ Er lachte wieder.

Purer Hass loderte bei dem Gedanken in seinem Inneren auf.
In düsteren Erinnerungen versunken, trat er auf etwas festes. Es gab knirschend unter seinem Gewicht nach. Als er hinab blickte, sah er wieder einen Haufen Knochen.
Er neigte sich hinab, grub eine Hand voll Sand aus dem Boden und ließ ihn vor seinem Gesicht hinab rieseln. In seiner Hand blieb zuletzt nur ein kleineres Stück eines Schädels zurück.
Vielleicht war es Zeit nach Hause zu gehen.