Ich lag schon länger dar, im halbschlaf und in Gedanken versunken. Draußen, etwas weiter entfernt, hörte ich das rege Treiben auf dem Markt. Es muss wohl irgendein Feiertag sein.
Ich drehte mich noch einmal um und kam auf der Seite wieder zur Ruhe. Das schwache Licht, welches durch die Vorhänge meiner Schlafstätte brach, kündete den Hellzyklus an.
Mein Herz klopfte...Es hämmerte wild, als wolle es mir die Brust bersten und mich verlassen aber...War das mein Herz? Oder war es sein Herz? Oder ihres?
Das winzige Herz, welches schon in meinem Leib schlug.
Nein, das war kein Herz. Das war eine innere Rebellion gegen meine Obhut. Tritte und Schläge, die mich dazu drängten aufzustehen.
Ich tat wie mir so liebreizend geheißen und schälte mich aus dem Fell und Kissen Wirrwarr, in welches ich im Schlaf meine Schlafstätte verwandelt hatte.
Irgendeine Elfe wird es wieder richten. Sie haben es jedesmal getan. Warum sollten sie es nicht weiterhin tun?
Ich griff also mein weitestes Kleid und warf mir den purpurnen Überhang drüber. Mit dem Schwert konnte ich nun eh nichts mehr anfangen, also ließ ich es gleich hängen und schlenderte aus dem Gemeindehaus. Irgendwas roch metallern...nach Blut und als würde es auch mein Nachwuchs spüren, hämmerte er weiterhin gegen meinen Leib als dränge er mich dazu, nach der Duftquelle zu suchen.
Die schmale Gasse zwischen dem Seiltänzer und dem Elfenkontor zog sich hin. Selbst im Hellzyklus wurde Fela hier von den Mauern verschluckt und die Schatten machten sich breit.
Nur um die Ecke. Der Rosengarten wirkte Verlassen. Ich lugte durch die Fenster und sah, wie angefange Käse- und Obstplatten, halb angetrunkene Weinpokale und sogar Mäntel an den Tischen und Stühlen vergessen vor sich her weilten.
Ebenfalls die Türe der Bank stand weit offen, so als habe sie jemand rasch verlassen
Es trat schon wieder...Und zwar so sehr, dass ich mich krümmte. Kein Schlag von außen hatte dies bisher geschafft. Nun rührt von innen her die Pein meines eigenen Sprösslings. Wieder einmal fühle ich mich im Possenspiel der Götter verstrickt. Nur noch ein paar Schritte bis zum Markt.
Ich hatte gerade den ersten Marktstand umrundet, da fiel mir auch schon die tobende Menschenmenge auf. Sie lachten und hoben triumphierend ihre Hände in die Höhe. Aber warum, warum?
Wäre ich doch nur ein Stückchen größer!
Als hätte irgendein Witzknubbel meinen Wunsch erhört, streckte sich über die Menschenmenge ein Baum in die Höhe, vor dem Baum ein Podest.
Ich kannte den Redner.
Er trug eine hellblaue Robe und eine Art Zepter in der Hand.
Zweifelsfrei, der Mann mit dem irren Blick, der sich über das Rednerpult lehnte und die Menge in Aufforderner Geste mit seinem Zepter zum jubeln brachte war Sonnacker.
Er verstand es seit je her, wie man Fäden zog und Puppen zum tanzen brachte also interessierte mich seine Rede für den Moment nicht. Mein Blick wich von ihm und Ich schenkte meine Aufmerksamkeit nun dem Baum. Eine prachtvolle Trauerweide.
Man musste keine Botanikerin sein um diesen Baum zu erkennen. Und kein besonders heller Mensch um die Besonderheiten dieses Exemplars zu erkennen.
Ein weiterer Tritt.....der mich beinah in die Knie zwang. Ich erbrach auf der Stelle aber da ich noch nichts gegessen hatte, war es nur etwas Schaum. Die Wipfel der Trauerweide wehten langsam im aufziehenden Wind hin und her, was dazu führte, dass der Baumschmuck ebenfalls hin und her baumelte.
Ich begriff vorerst nicht, um was es sich handelte. Umso erschreckender traf mich die Erkenntnis, als ich bemerkte, dass mir der großteil des Anblickes dieser skurillen Baumdekoration durchaus bekannt vorkam.
Sie starrten mich allesamt mit weit aufgerissenen Augen an. Ihre Augen sendeten eine Verzweiflung aus, wie ich sie in keinem Kindesauge im Armenviertel gesehen habe. Die Menge tobte auf irgendwas gesagtes aber ich nahm es nur dumpf wahr. Mein eigener Herzschlag und ein weiterer waren das einzige, was ich hören konnte. Ich sank langsam auf die Knie
"Ich wollte dir helfen!"
Sprach der erste Erhängte
"Ich habe geglaubt, dass du verstehen würdest"
stimmte der nächste mit ein bis der letzte, ein wirklich vertrautes Gesicht ausspuckte:
"Du zweifelst an unseren Worten ebenso wenig, wie du je an ihren gezweifelt hast. Das einzige woran du zweifelst, bist du. Du und Du und Du. Hättest du dir nicht immer wieder selbst im Weg gestanden, wäre all das nicht passiert!"
Die Worte hallten in meinem Kopf wieder und wurden durch ein neuerliches Gejubel der Masse unterbrochen. Das Hämmern in meinem Unterleib war nicht mehr zu ignorieren. Es würde bald soweit sein.
Es würde
jetzt soweit sein, dachte ich und hob mein Kleid an. Mein Bauch war bleich und unnatürlich stark gewölbt. Erst zeichnete sich eine Hand ab, dann ein Näschen. Die Hand krallte sich von innen in mein Fleisch, es schmerzte höllisch aber es war irgendwo ein Trost und dann...
Mit einem Geräusch von reißenden Buchseiten tat sich meine Bauchdecke auf. Das Blut füllte vor mir direkt einen kleinen See und die Gestalt, die einen Schritt aus mir heraus tat war Atemberaubend.
Sie sah aus wie ich, als ich noch ein Kind war. Nur viel schöner. Das lange rote Haar, ein paar freche Sommersprossen. Das viel zu große Hemd, dürftig in die Hosen gesteckt und der rostige Dolch.
Unwillkürlich schmunzelte ich beim Anblick des kleinen Ichs.
Sie winkte mir fröhlich quäkend zu und rannte auf den Baum zu. Ich streckte meine Hände aus, verspürte den inneren Wunsch sie doch in den Arm zu nehmen aber ich wusste, es ist zu spät. Das Blut gluckerte noch leise, als es aus meinem Körper gepumpt wurde.
Sie wird es besser machen...Und das tat sie. Sie ging zum Baum, der eine seiner ranken herunter ließ. Sie legte sich den natürlichen Strick um den Hals, winkte noch einer kichernd ehe der Baum seine Ranke samt dem Töchterlein hochhob.
"Auf Bald..." murmelte Ich leise während das gähnen eines Elfen von Nebenan meinen Dämmerzustand beendete und ich mich wieder im Viertel Falkensees befand.