Der Pfeil durchschlägt mit voller Kraft die Rüstung des Mannes. Er spürt einen stechenden Schmerz der sich geradewegs durch seine Schulter bohrt, dann wird alles schwarz. Das erste was wiederkehrt ist das Gehör. Er hat sich bereits daran gewöhnt. Dumpf und weit entfernt, als würde ihm jemand etwas aus weiter Entfernung durch einen dichten Nebelschleier zurufen, dringen die Worte eines Mannes an sein Bewusstsein. „Geht es dir wieder gut, Junge?“ Das letzte Worte hallt immer wieder in seinen verworrenen Gedankengängen wieder, er hat es bereits zu oft gehört. Benommen legt er den Kopf von der einen auf die andere Seite, kalter Schweiss rinnt sturmflussartig über seine Stirn, durchtränkt jede seiner Gliedmaßen. Auch daran hat er sich bereits gewöhnt. Langsam öffnet er die Augenlider, es ist noch alles verschwommen, wie durch eine matte Glasscheibe betrachtet er etwas, dass im Schein der umstehenden Fackeln aussieht wie eine Sonne, aber ist es nicht Nacht, oder spielt ihm seinen Gedächnis wieder einen Streich? Wie lange hat er geschlafen? Für einen langen Moment schließt er die Augen und fährt mit der Hand über den Boden. Er kennt dieses Gefühl, er hat es schon oft gefühlt. Mit den Fingerspitzen streift er über die Gräser des kühlen Waldbodens. Es ist Nacht, er fühlt es.
Er atmet einmal tief aus, wischt die nasse Handfläche beiläufig an seiner Tunika ab, dann öffnet er die Augen. Dieses Mal ist der Blick klar. Gedankenverloren starrt er in die goldene Maske welche sich über ihn beugt. Warum liegt er hier? Dann hört er wieder die Worte, wie sie dieses Mal klar und laut in sein Bewusstsein stechen. „Geht es dir wieder gut, Junge?“ Schlagartig erinnert er sich, will vor Schmerzen schon aufschreien und fasst sich an die Stelle seine Schulter, wo der Pfeil des Orks Fohpaz sie durchschlagen hat. Doch dort ist nichts, kein Schmerz, keine Wunde, nur ein winzige Rissstelle in der schwarzen Lederrüstung, kaum größer als der Umriss einer Dukate, nein ganz gewiss nicht größer. Er blinzelt erneut und drückt sich wieder auf die Beine.
„Mir fehlt nichts.“
Warum hat er sich nur mit diesen Leuten eingelassen. Er hätte sich heraushalten sollen, das hier ist nicht sein Kampf. „Selber Schuld“ , sagte er sich. „Du siehst wie verlässlich die Orks als Verbündete sind“ , hört er die Worte des Geweihten der nun regungslos neben ihm verharrt. Er wendet seinen Blick von der Palisade ab, auf der noch immer der Ork steht, seinen knochenverzierten, schädelübersäten Bogen bedrohlich in der rechten Pranke haltend. Speichel trieft dem Untier von den großen Hauern in seinem Maul herab, sammelt sich in einer trüben Pfütze auf dem Geländer der Aussichtsplattform und tropft in widerwärtiger Regelmäßigkeit, die mindestens zwei Fuß langen, angespitzten Pfosten der Palisade herunter, nur um sich dort unten wieder in einer kleinen Pfütze zu sammeln. Fast kommt es dem Blonden vor als würde die kleine Pfütze sich immer weiter ausbreiten, den Wald überschwemmen, schließlich Falkensee, Vänskap, Brandenstein, das Zwergental und schlußendlich die ganze Insel in einer Flut aus Rotz und Galle ertränken. Er reißt seine Gedanken von dieser Vorstellung los, doch der blutrünstige und gierige Blick des Orken zieht ihn immer tiefer in seinen Bann, wie die Fratze eines entstellten Bettlers von der man sich nicht abwenden kann.
Mit gierigem, blutrünstigen Blick in den Augen steht er da, immer wieder schmatzend und gurgelnd als würde ihm die kommende Schlacht das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Einen kurzen Moment erinnert ihn das Tier, denn nichts anderes ist es in seinen Augen, an die Adligen, wie er sie aus Draconis kannte. Korpulente Herrschaften, gekleidet in reich verzierte Brokatmäntel, die in Reih und Glied aufgereiht an langen Tischen saßen, und ihre Gier in Erwartung auf das kommende Festmahl nicht zügeln konnten. Sie hatten denselben gierigen Blick in ihren Augen, während sie die Lenden des Spanferkels mit ihren Blicken verschlangen, das Fett von ihren wulstigen Fingern lutschten wobei ihnen der Speichel aus allen Mundwinkeln rann. Es ist derselbe Blick mit dem der Ork zu den Geweihten des Ordo Belli schaut. Für ihn sind sie nur ein Stück Fleisch.
Er schaut die Reihe der Streiter entlang. Keiner zeigt Furcht, alle verharren sie dort still. Haben sie den Blick des Orks denn nicht bemerkt? Einen Moment starrt er sie unverhohlen an. Nein sie wissen es. Dann schaut er erneut zu dem Geweihten, der seine goldene Maske zu jeder Tages und Nachtszeit zu tragen scheint. Wie ist sein Name? Er hat ihn vergessen. Er atmet einmal tief durch und erwiedert dann recht knapp.
„Sie sind nicht meine Verbündeten“
Erneut zögert er, dann fügt er jedoch noch hinzu.
„Ich werde jetzt gehen, hätte ich mich von Anfang an von euch fernhalten sollen. Dann wäre es nicht soweit gekommen“
Er nimmt die Zügel seines Pferdes und will sich in den Sattel selbigens ziehen. Doch soweit kommt es nicht. Aus den Augenwinkeln nimmt er wahr, wie ein Mann in einem brauen Kapuzenmantel herumfährt. Er richtet den langsam knorrigen Stab welchen er in seinen Händen hält auf den Jüngling und schlagartig werden ihm die Zügel aus der Hand gerissen, und er wird durch eine unsichtbare Kraft dumpf auf den glücklicherweise recht weichen Waldboden geschleudert. Zauberer...
„Zügel deine Zunge oder der Pfeil war für dich wie ein lieblicher Kuss. Verstanden?“, dröhnt die Stimme des Alten in seinen Ohren. Wut schäumt in ihm auf, als er sich aufrichtet und den Dreck von seiner Hose klopft. Er lächelt dem alten Mann mit einem freundlichen Grinsen entgegen, dass er unzählige Male vor einem Spiegel geübt hatte.
„Verstanden“, sagt der Jüngling, doch ein Blick in seine Augen verrät etwas anderes.
Wenig später geht eine Gestalt, mit blasser Miene, durch die Gassen Falkensees, biegt zur Brücke die zur alten Finiaswacht führt ein und verschwindet dort.
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