„Seht euch eine Festung an. Egal welche, denn reduziert auf ihre Schlüsselelemente, unterlagen jene keinerlei Veränderungen in den letzten tausend Jahren. Nummer Eins, ihr Standort. Gebaut auf einem hohen Hügel oder Berg, überragt sie die umliegenden Ländereien um ein Vielfaches und bietet Sicht auf mehrere hundert Hektar. Nummer Zwei, feste und starke Mauern. Unüberwindbar für jeden Frontalangriff, standhaft jeder Belagerung. Nummer Drei, die Garnison. Tapfere unnachgiebige Männer, ausgebildet, jeden Feind zu töten und die Mauern unter Beschuss um jeden Preis zu halten. Nummer Vier, die Fahne. Unsere Fahne. Niemals ist zuzulassen, dass sie in die Hand der Feinde fällt. Und diese Fahne wird hochgehisst, auf dass sie im Umkreis von Meilen sichtbar ist. Dann habt ihr eine Festung.“Der Blick des Ritters glitt zum höchsten Punkt der Zinnen; dort, wo das königliche Banner unruhig im Wind wehte. Stolz verdeutlichte sie den Sitz seiner Majestät stärksten Krieger in der Burg Schwingenwacht. Eine Burg, gezeichnet durch stetigen Angriff der Feinde über zwei Tage. Das Mauerwerk war beschädigt, die Männer gekennzeichnet von den heftigen Wellen, die der Feind gegen Seeberg schickte. Nun fiel sein Blick auf die Mannen. Fünf Mann. Die letzte Garnison, die letzte Verteidigungslinie der stolzen Burg, nachdem alle Verbündeten ihren Unmut über das Halten von kaltem Stein verkündet hatten. Es war blanker Wahnsinn. Doch wie soll der einfache Geist verstehen, was die Burg dem Ritter zu bedeuten hat? Wie könnte ein Ritter jemals den Sitz des höchsten Konzils, der Tafelrunde, kampflos aufgeben, und vor dem Feind beschämt die Flucht ergreifen? Selbst Gnaden Degner, ehemals die treue, pflichtbewusste Knappin. Sie hätte es verstehen müssen. Doch sie hatte es nicht verstanden. Wie bitter diese Lektion ihren ehemaligen Lehrmeistern schmeckte, als die Geweihte immer nur dieselben Sachen von sich gab, anstatt die Mannen für ihre Vorhaben ordentlich zu segnen. Würde sie denn ihren heiligen Tempel aufgeben, wenn der Feind vor den Mauern stand? Wenn zwischen ihr und den heiligen Reliquien ihres Glaubens nur noch ihre Klinge den Ausschlag geben konnte? Wo ein Wille war, war auch Hoffnung. Und das war ihre Festung. Ihre Mauern. Ihre Garnison. Ihre Fahne. Die Fahne des Königs.
Augenblicklich kehrte er aus seinen Überlegungen zurück und fing er den Blick der Freifrau auf, die nach ihrer Unterredung mit dem feindlichen Heeresführer auf die Ritter und ihre Garde zutrat.
„
Ich bekräftige euch nochmals, Sires. Es gibt kein Entkommen mehr. Kämpft, und ihr werdet sterben. Ohne Ausnahme. Der Feind hat unzählige Truppen, und ihr Feldherr dort wird die Tore mit Leichtigkeit überwinden. Die Schlacht ist geschlagen. Kämpfen wir an einem anderen Tag. Überlasst die Burg dem Feind, und hört mit eurem Irsinn auf, bei den Vieren!“, sprach die Freifrau, obgleich in dem Ton ihrer sonst so kühlen Stimme eine gewisse Besorgnis mitschwang.
Dies sollte also das Ende sein. Mit Sicherheit hatte die kluge Erzmaga alle Möglichkeiten durchdacht, bevor sie solch harte Worte sprach. Das Urteil war vernichtend für jeden Soldaten seiner Majestät. Und dies, nachdem die beschauliche Truppe sich ihren Weg von der Torburg in den Remter erkämpft und jedes Erdelementar Raum für Raum niedergestreckt hatte. Hart hatten sie gekämpft, der Innenhof war gefüllt von zerstörten Erdelementaren und Mumien. Jeden Feind hatten sie zerschmettert in ihrer Wut, den Feind zurückgetrieben vor die Tore der Oberburg. Es war ein Funken Hoffnung aufgeglommen, in jeden von ihnen. Samson zählte lediglich grimmig ein Elementar auf das nächste, während Vidkunn vorwärtstrat, ohne an den Rückwärtsgang zu denken.
„
Es ist beschlossen, Herrschaften. Der Lehensherr wird begleitet von Freifrau Nhergas die Burg verlassen. Sie wird die Reliquien des Ordens in Sicherheit bringen. Die Ritter werden die Burg nicht aufgeben. Im Angesicht unseres Endes möchte ich nochmals bekräftigen, es war mir eine Ehre, an eurer Seite gekämpft zu haben.“
Doch keiner trat den Rückzug an. Vier Mann bekräftigten seine Worte.
Rasch wurde die Linie vor dem letzten Tor zur Innenburg eingenommen. Sir Lennard, der grimmige Falke, zeugte seine graue Haarpracht von seiner Idee, den Skelettfürsten zu einem Duell bis zum Tode herauszufordern, um seine Jugend wiederzuerlangen. Heute sollte er die Möglichkeit bekommen. Sir Adowen, der jüngste Ritter, der die Herzen der Reihen stärkte, indem fortan „der letzte Falke“ auf seinen Lippen lag. Der treue Veteran Samson, der aufgehört hatte, die Anzahl toter Feinde zu zählen und durch seine Worte von ritterlichem Geist zeugte. Der Berserker Vidkunn, der mit stoischer Miene und kaltblütiger Gleichmütigkeit den Zweihänder schwang, einer der letzten Nordtraven der Insel.
Der feindliche Heerführer Asmodeus kicherte: „
Ihr seid alle des Todes! Es gibt kein Entkommen für euch! Hihihi! Ach, was ist das für ein feines Spiel, und ihr habt lange durchgehalten, meine Achtung! Doch heute werdet ihr sterben!“ Sein Stab berührte das äußere Tor: „
Wie war die Losung nochmal … Achja … MORKAI!“ Mit diesem Wort zerbarst das äußere Torgitter, als bestände es aus morschen Holz. Mit ohrenbetäubendem Krach flogen die metallenen Splitter um sie herum. Die feindlichen Horden stürmten augenblicklich auf das innere Tor zu. „
Noch ein Tor … Wie langweilig! MORKAI“, sprach Asmodeus, als auch das zweite Tor augenblicklich zerbarst.
Es war soweit.
„
Männer, bleibt standhaft bis in den Tod!“ „
Für den Orden, für die Krone, für das Vaterland!“ „
Tötet sie, tötet sie allee!“ „
Haltet die Burg!“. Ihre Schreie erhalten im Innenhof, als die erste feindliche Linie durch beide zerbarsten Tore auf die Verteidigung krachte. Metall klirrte auf Bandagen, Schilde gegen Rüstungen. Die Ghule und Mumien bahnten sich ihren Weg an ihrem Anführer vorbei, um dann auf die Verteidiger zu treffen. Ein Gemetzel folgte. Doch die fünf Mannen hielten ihre Position den Schildwall, füllten jede enge Lücke der Linie mit kräftigen Schlägen, groben Flüchen und Protestschreien. Kreatur auf Kreatur brandete gegen die Mauer, um in einem Hagel von Stichen und Hieben unterzugehen. Der Durchgang gab den strategischen Vorteil, während die schiere Masse die tapferen Männer bedrohte. Mit ihren Schilden schützen sie den Kameraden neben sich. Block, Schlag, Rückzug, erneut Block. Doch die Viere waren ihnen hold, ihre Linie hielt stand im Angesicht des Feindes, verlassen von jedem Verbündeten der Insel.
Der blaue Ritter sah einen Funken Hoffnung. Eine wahnsinnige Idee keimte in ihm auf, für die er wiederum von jedem ausgeschimpft worden wäre. Doch wenn sie sterben sollten, dann zumindest bei diesem Versuch, denn das Ende kam auf diese oder die andere Weise. In Morsans Hallen sollte er sich dann seinen toten Kameraden gegenüber dafür rechtfertigen.
„
Schildwall rückt vor! Vorwärts, Männer, tötet den Bastard! Schlagt ihm den Schädel ab, vorwärts! Tötet den Bastard!“, seine Stimme überschlug sich mehrmals, als augenblicklich der Schildwall vorwärts trat, um die Formation aufzulösen und sich in mechanisch in Bewegung der Schlange den Kopf abzuschlagen.
In einem Sprint knallten sie in den Heerführer Asmodeus hinein. „
In die Niederhöllen mit dir!“, schrie Sir Lennard, das Schwert in den Körper des Feindes schlagend, ehe ihm dicht gefolgt Vidkunn den Zweihänder ausholte.
„
Nein! Ich … Ah nein! Was soll das! Ab von mir, haut ab, ihr Fliegen! AAAAARGH!“, schrie Asmodeus, als seine tote Haut und Bandagen durch die Luft flogen. Die Mannen schlugen auf ihn ein, unnachgiebig, unerbittlich, mit ihrer letzten Kraft trennten sie den feindlichen Heerführer auf. In einer riesigen flammenden Explosion, verschwand das Gekicher des Feindes, seine groteske Gestalt, endgültig.
Der Rückzug in den Remter war geglückt. Sie waren dem sicheren Tod entkommen, hatten dem feindlichen Heerführer in andere Dimensionen verbannt. Die vermeintliche Ruhe im Saal nutzen sie zum erneuten Überprüfen der Ausrüstung.
