„Wo wollt ihr hin Meister?“, die Stimme klang vertraut und warm. Aufrichtig. Eine gute Stimme, die Stimme einer Freundin. Der Angesprochene drehte sich um und legte vorsichtig eine Hand auf das geschnürte Bündel, das auf einer Bank ruhte. „Weg von hier.“, antwortete er ruhig, als würde dies alles erklären. Er hob den Blick gen Himmel, sorgenvoll zog er die Augenbrauen zusammen als er die Bewegungen der Wolken verfolge. Dann zog er die Luft prüfend durch die Nase ein. Schwere. Es würde regnen – bald. „Aber warum geht ihr? Einfach so?“, die Stimme eilte an seiner Seite, stellte sich dann vor ihn auf die kleine Veranda auf der er stand, die Hände in die Hüften gestemmt. Sie war ein hübsches Geschöpf, langes braunes Haar und große Augen von der Farbe tiefen Wassers. „Ich muss. Nein, ich will.“, antwortete er, dann legte er ihr sanft eine Hand auf die Schulter, drückte sie einmal und ließ sich dann neben seinem Bündel auf der Bank nieder. „Ich bin alt, Kara. So alt, dass ich es selber vergessen habe. So viel habe ich in meinem Leben erlebt und so viel wieder vergessen. Manchmal fühle ich mich, als sei ich so alt wie diese letzte Schöpfung hier. Alles erscheint mir vertraut, aber wie durch einen Schleier. Als wäre ich hier oder dort schon oft gewesen, viele Male, nur hätte es dann wieder vergessen.“, er schwieg für einen Moment um dem weichen, alten Klang seiner Stimme nachzuhängen. Die Hände faltete er ruhig im Schoß und sah zu der jungen Frau hinauf. „Aber warum jetzt? Das Dorf braucht Euch. Ihr könnt uns nicht einfach verlassen!“, sie war aufgebracht, stampfte mit dem Fuß wütend auf die hölzerne Veranda. „Aber ich verlasse Euch nicht Kara.“, entgegnete er ruhig, dann griff er sanft in eine Falte seiner schlichten, weißen Robe. Ein kleiner Schlüsselbund kam hervor, an dem zwei Schlüssel ein etwas verschlafenes Klimpern hören ließen. „Du bleibst hier. Du lernst nun wie lange bei mir?“ „Sieben Jahre…“ „Sieben Jahre. Eine gute Zeit. Und du wirst feststellen, dass du bereits alles weißt was du wissen musst. Wenn nicht, kannst du lesen?“, er war sich für einen Moment lang nicht sicher, ob sie konnte. „Natürlich!“, fauchte sie beinahe, als wäre sie tödlich beleidigt von seiner Ignoranz. Nach einem Moment fügte sie etwas weicher hinzu: „Ihr habt es mich gelehrt“ „Na, ich dachte mir, dass es kein Problem wird. Zur Not sind meine Bücher da. Einige von ihnen müsste ich sogar in modernem Galadon geschrieben haben. Glaube ich.“, er furchte seine glatte Stirn, als würde er darüber nachsinnen ob dem wirklich so war oder nicht. „Aber… ich…“, die Stimme der jungen Frau brach und ihr Lehrmeister erhob sich. Sachte breitete er die Arme aus und umfing sie mit ihnen. „Ich weiß. Und ich verstehe. Aber verstehe auch mich, kleine Kara. Unsere Leben, anders als Eure, sind erfüllt von einem Zwang, einer Suche. Einige von Euch fühlen ihn auch, aber bei uns ist er jedem zu Eigen. Wir suchen nach Sinn, nach unserem Sinn. Ein jeder existiert aus einem Grund und wir müssen diesen finden. Manche, sollen nur zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein. Andere müssen bestimmte Dinge tun. So sind wir.“, die Worte schienen von weither zu kommen, Worte, die er selber oft gehört und oft wiedergegeben hatte. Sie waren alt. Er spürte es in ihrem Klang, der bedeutungsschweren Vibration mit denen er sie aussprach.
„Ich war auch einst jung. Vor langer, langer Zeit. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich voller Hoffnung war. Voller… Drang. Ich wollte der Welt mein Zeichen aufdrücken. Ich erinnere mich an hohe Türme, in denen ich studierte. Die geheimsten aller Künste, meine ich. Magie. Die Magie, mit der ich gelegentlich meine Kerzen anzünde oder eine Schramme verschwinden lasse. Die Kraft, die alles zusammenhält.“, er schwieg einen Moment lang, als würde er angestrengt versuchen durch den Nebel der sich um seine Erinnerungen gelegt hatte zu durchbrechen. „Irgendetwas passierte und ich gab die Magie auf. Ich hatte Talent, damals. Glaube ich. Aber ich entschied mich anders, die letzte Prüfung zum Magus habe ich nie gemeistert. Meine Gabe verlor sich fast über die Jahre, schwand, als ich sie nicht mehr nutzte. Nur ein kleiner Teil blieb.“ „Eure Heilergabe“, die Stimme war zu einem Flüstern herab gesunken, als die Frau ehrfurchtsvoll diese Worte in den Mund nahm. Ihr Mentor nickte sachte und lehnte sich gegen das hölzerne Geländer der Veranda. „Ich brach auf, hinaus in die Welt. Ich erinnere mich, dass Krieg war. Das ist nichts Bemerkenswertes musst du wissen, eigentlich war ständig Krieg. Von heute bis damals. Manchmal ein kleiner, manchmal ein welterschütternder. Es war eine feindliche Welt und ich wollte sie immer noch bereisen… Über die Jahre habe ich viele Orte gesehen, an einigen blieb ich lange Zeit. Manchmal war es, als würde ich nur die Augen schließen und es sei danach ein Jahrzehnt vergangen. Timanors Zahn hat eine interessante Art mit mir umzugehen. Jahre stauchen sich zu Herzschlägen, wenn man darauf nicht Acht gibt.“, er klopfte seine Hände an, dann erhob er sich sachte von seinem Sitzplatz und griff nach seinem Bündel. „Vergiss das nie, meine Kleine. Zeit vergeht wie im Flug. Lasse sie niemals vorbei ziehen…“, er umarmte die junge Frau ein letztes Mal, dann schulterte er seinen Rucksack und verließ die Veranda. „Aber ihr lasst sie doch vorbei ziehen!“, es war eine dumme Bemerkung, nichts, was irgendwie zu der Situation gepasst hätte. Kein Kommentar, der ihre Gefühle hätte ausdrücken können als sie ihn gehen sah. Aber sie spürte sein Lächeln, als die frische Morgensonne auf sein glitzerndes weißes Haar herab leuchtete. „Aber ich habe genug davon Liebes“, antwortete er ohne sich umzudrehen und strich seine Haare hinter die spitzen Ohren.
Der Wanderer sah harmlos aus. Eine schlichte Robe, ein Wanderstab und ein Rucksack. Die beiden Männer nickten sich zu, dann traten sie aus dem Unterholz. „Einen wundervollen Tag Euch, der Herr.“, begrüßte ihn der Schönere der beiden und verbeugte sich in einer höfischen Geste. Die Gestalt sah auf, ein merkwürdiges Gesicht sah die beiden an, jugendlich und doch von weißem Haar umflossen. Genau wie der Körper, keine hervortretenden Sehnen, keine Falten auf seinen schmalen Händen, nichts. Er sah die beiden an, aus Augen, die nicht dazu passten. Augen, die uralt waren, die viel gesehen hatten, Leid, Freude, Grausamkeit, Güte, Verlust und Erfüllung. „In der Tat, ein bemerkenswert schöner Tag ist es.“, erwiderte der seltsame Mann, nachdem er stehen geblieben war und den Himmel für einen Moment lang in Augenschein nahm. „Was führt zwei so prächtige junge Männer auf die Straße?“, erkundigte er sich dann freundlich, ohne in seinem Schritt innezuhalten. „Nun, wir warten auf Reisende.“ „Oh, Reisende. Dann muss ich mich entschuldigen.“ Die beiden sahen einander an, sie blinzelten verwirrt. „Entschuldigen?“, wiederholte der Schönere etwas perplex. Er rückte seinen Gürtel zurecht, so dass der Reisende das Kurzschwert sehen musste, dass er dort trug. „Ja, ihr wartet auf Reisende. Ich bin aber nur ein Reisender.“, erläuterte der Wanderer freundlich und kam direkt vor ihnen an. Eine Falte zog sich über seine Stirn, als die beiden Burschen keine Anstalten machten zur Seite zu weichen. „Oh, ihr wollt mich aufhalten bis andere dazu kommen, damit Ihr Euer Warten beenden könnt? Nette Idee, aber ich bin leider etwas in Eile“, beschied der Weißhaarige und sah zwischen ihnen hin und her. Die samtene Stimme hätte arglos geklungen, wäre da nicht dieser prüfende Blick gewesen. Ein Blick, der ihnen durch die Knochen zu dringen und direkt zu ihrer Seele gehen zu schien. „Wir… also… machst du dich über uns lustig?“, der andere Mann ballte drohend seine Hände zu Fäusten. „Lache ich?“, die Stimme war ruhig, sie schien fast ein wenig wie in Trance zu wabern. Die beiden blinzelten für einen Moment lang. „Grinse ich auch nur?“, ein leises Flüstern das aus seinem Mund kam, es fühlte sich seltsam beruhigend an. Leicht wiegten die beiden ihren Kopf hin und her, im Takte der angenehmen Stimme. „Seht Ihr die Andeutung des Schalks in meinen Augen?“ Große Augen, Augen von einem tiefen Grau wie stürmische See oder sich übereinander ballende Wolken, der Widerschein von Silber. Sie starrten wie verzaubert dort hinein. Dann wurde es dunkel um sie herum.
Der Wanderer klopfte sich die Hände ab und sah hinunter zu den beiden Gestalten, dann beugte er sich hinunter und tastete nach ihrem Hals. Sanft, geführt von der Erfahrung langer Jahre, berührte er sanft die Adern. Schläge, hell und kräftig…
<<In deinen Händen liegen zwei Gaben und du musst dich entscheiden. Die Hand die heilt, kann ebenso leicht töten. Eine sanfte Berührung am Nacken kann dem einen wohl tun, eine andere Stelle etwas härter zu treffen bedeutet den Tod für den anderen. Deine Fingerspitzen wie sie über einen Hals streichen können Leben entfachen und zurück bringen. Oder den Fluss versiegen lassen.>>
Er nickte leicht und erhob sich, die beiden Schlafenden zurück lassend. Sie würden erwachen, beide. ~Wenn man so viel über den Körper der verschiedenen Wesen weiß verschwimmt die Grenze manches Mal~, schoss es ihm durch den Kopf. Einst war es so gewesen, zu jener Zeit, als er im Krieg war. Er hatte sich für die Heilkunst entschieden, aber hatte sie eingesetzt um zu töten. Er dachte mit Grauen daran, wie andere Geschöpfe vor ihm starben. Er dachte an ihre Gesichter, die ihn anstarrten, als sie versuchten die Reste von vergiftetem Essen aus ihren Mägen zu würgen. Es war Krieg. Er hatte es tun müssen. Dann war er zwischen sie gegangen und hatte sein Werk beendet. Sanfte Berührungen, so schien es, hatte er verteilt und sie waren alle ruhig gewesen. Kein Klagen mehr, ein Schreien. Stille. Der Wanderer schüttelte den Kopf, dann streifte er die Erinnerung von sich. ~Das war. Ein anderes Leben. Eine andere Zeit.~, dann verharrte er, nur wenige Schritt von den beiden Banditen entfernt. ~Kein anderes Leben, nur eine andere Zeit.~, beschied er schließlich, ehe er seinen Weg fortsetzte. Einige Augenblicke später hatte er diese Gedanken wieder vergessen.
Stetig führten ihn seine Schritte aus dem hohen Gebirge heraus, den Skapen, während Tag und Nacht unbeachtet an dem elfischen Wanderer vorbei zogen. Die festen Stiefel, keine sonderlich verzierten Exemplare, lediglich bequem und praktisch, traten unermüdlich über den kleinen Pfad, in Richtung der nächsten größeren Stadt. Ihm begegneten Reisende, einige Händler, Fallensteller oder Bergarbeiter. Und Soldaten, viele Soldaten. Dann kam vor ihm die kleine Stadt „Ersonts End“ in Sicht. Eine Befestigung gegen Ravel, das Land der Orken und die letzte Bastion Ersonts. Die Mauern waren aus festem, grauem Stein der ihm ein Gefühl der Trostlosigkeit vermittelte. „Halt! Wer seid Ihr?“, klang eine forsche Stimme eines jungen Mannes, der in einer Kettenrüstung und mit einer Hellebarde am Tor stand. Sein Wappenrock wies ihn als Angehörigen der Stadtgarde aus. Das Gesicht war gerötet, auf den Wangen breitete sich etwas blonder Flaum aus. „Oh, einen schönen guten Tag“, wünschte der Reisende und blieb einige Schritte vor dem Tor stehen. Sein Blick wanderte nach oben, wie um sich zu vergewissern, dass dies auch wirklich ein schöner Tag sei. „Ich bin nur ein einfacher Reisender, auf dem Weg an das Westmeer. Man nennt mich Sternenseel.“ Der Wachposten sah ihn an und verengte die Augen. „Zum Westmeer, eh? Und was treibt Euch dorthin?“ „Die Wanderslust. Ich habe gehört, dort gibt es irgendwo eine Insel, die vor kurzer Zeit entdeckt wurde. Da möchte ich hin.“, die Worte schienen richtig zu sein, er rieb sich langsam über das Kinn und nickte dann zustimmend. „Ihr meint Siebenwind? Die ist aber schon länger bekannt, Seit etwa 10 Jahren glaube ich. Ein Cousin von mir war mal dort, Stadtwache… Hat sich lange nicht mehr gemeldet.“ „Nun, vielleicht ist er glücklich verheiratet und hat es vergessen? Muss sich um kleine…“, der Wanderer wedelte kurz in Richtung des Mannes. „Menschen! Kümmern.“ Die Wache betrachtete ihn, schluckte leicht und sah sich dann vorsichtig um, ein Blick, um sich zu vergewissern ob man nicht vielleicht alleine mit einem Wahnsinnigen war. „Ja, vielleicht. Na dann, eh, gute Reise.“
<<Es brannte, fürchterlich und heiß, als er dem Boden entgegen fiel. Er kreischte vor Verzweiflung, vor Furcht, vor Agonie, als er von seinem angestammten Platz gerissen wurde. Licht war um ihn herum, sein brennender Körper, seine brennende Seele. Er schrie und sein Schrei peitschte über den Nachthimmel. Dann hörte er das Flüstern, die Stimme der Erlösung - ~Komm zu uns, Wanderer. Komm zu uns… Wir bieten dir Schutz und Sicherheit. Du musst nicht sterben…~ - er streckte sich, verzweifelt und folgte der Stimme. ~Komm… Komm..~, flüsterten sie zärtlich. Dann fand er sie. Sein Brennen erlosch und er fiel in einen tiefen Schlaf, eingebettet in etwas Warmes, etwas Behütendes. Ein Gefängnis.>>
„Interessant, aber ihr habt kein Geld.“ „Kein Geld… hmm… Oh, ich muss es in meiner Hütte gelassen haben.“, der seltsame Fremde lächelte etwas verlegen, als wäre ihm diese Art von Scham nicht gerade fremd. „Ohne Geld keine Überfahrt.“ „Vielleicht könnte ich Euch helfen?“, bot er dann an, die Hände ruhig in den Robenärmeln haltend. Er hatte keine straffe oder bedrohliche Haltung wie diese Soldaten- und Kriegertypen die der Kapitän sonst sah. Er stand gelassen dort, die Schultern gesenkt mit einem Gesichtsausdruck reiner, etwas verwirrter, Freundlichkeit. „Ich bin ein Heiler, kann musizieren und passabel Geschichten erzählen. Wenn wir überfallen werden kann ich auf mich selber achtgeben und meinen Mann stehen“, ein Grinsen huschte über sein Gesicht, als würde ihn dieser Gedanke erheitern. „Hrrrrm… Ein Heiler… beweist es.“ „Seid Ihr krank?“ „Ehhh… nein…. Ich denke nicht.“ „Wie soll ich es dann beweisen?“ „Einer meiner Matrosen hat sich bei einer Kneipenschlägerei den Kiefer gebrochen.“ „Knochenrichten ist sehr einfach, wenn auch schmerzhaft. Wollt Ihr darauf vertrauen…?“ „Wollt Ihr übersetzen oder nicht?!“ „Ich meine ja nur…“
Er rieb sich die Hände, dann nahm er im Bug des Schiffes Platz. Er lehnte sich zurück gegen die Bordwand und betrachtete das Treiben der Matrosen. Aufmerksam und interessiert. Er wusste nicht, wann er zuletzt mit einem Schiff gefahren war. Es musste lange her sein – und es war aufregend gewesen. Er spürte dieses prickelnde Gefühl in sich hinauf steigen und eilig, mit einem breiten Lächeln im Gesicht, raffte er sich auf um vom Bug hinaus auf die See zu sehen. Hell und gleißend begann die Sonne östlich von Ventria hinauf in den Himmel zu steigen. Er blinzelte und wandte den Kopf zur Seite, um den güldenen Drachen zu betrachten. Die Sonne, sie schien ihm vertraut. Genauso, wie die Monde ihm wie alte Freunde erschienen. Gefährten, die ihn auf seiner langen Reise begleitet hatten. „Guten Morgen Fela. Wie schon oft, versuche ich dir zu entfliehen und jedes Mal holst du mich erneut ein. Umrundest mich um dann wieder hinter mir aufzutauchen und mich ein neues Mal einzuholen.“, er lächelte bei den Worten, dann wandte er wieder den Kopf auf das Rauschen des Meeres. Er spürte die Bewegung des Schiffes tief unter sich, als sich der hölzerne Bug hinaus in den Ozean schob. Die Briese die ihm entgegen zog brachte den Geruch nach Seewasser, Fisch und Salz mit sich. Der Geruch der Freiheit, der Geruch von Neuem…
Das Schiff dümpelte ruhig auf der See vor sich hin, der Anker war geworfen und nun wiegten die ruhigen Wellen den Fremdkörper sachte hin und her. Das schmächtige Licht einer Öllaterne leuchtete auf Deck unter einem gespannten Tuch. Gestalten saßen dort drunter, sie lachten leise, während Würfel über das Holz rollten und Karten auf Deck klatschten. „Nun Meister Elf, warum erzählste uns nicht etwas von dir?“, erkundigte sich ein Seemann, als er sich genüsslich zurück lehnte und auf die kleinen Münzen vor sich sah, die er beim Spiel gewonnen hatte. Der Elf schien einen Moment lang nachzudenken, dann griff er nach einer Harfe und schlug sie vorsichtig mit den Fingerspitzen an. Er lauschte den Tönen einen Moment, dann sah er hinauf in den Himmel. „Meine Geschichte wollt Ihr hören…? Nun, sie ist unvollständig, fürchte ich… Aber“, er holte tief Luft, dann lehnte er sich gegen einen Teil der Reeling und schloss die Augen, während die schlanken Finger wie von selber Töne auf der Harfe suchten. Er schlug die Töne vorsichtig an. „Ich nenne mich Sternenseel – und ich denke, ich bin alt.“, begann er, leises Lachen folgte. „Ich weiß nicht wieso, aber es erscheint mir richtig das anzunehmen. Nun, ich bin ein Elf, offenbar. Also muss ich wohl alt sein, nicht wahr?“, hilfesuchend sah er sich um, während seine Finger der Harfe leise Töne entlockten, die zum nächtlichen Gluckern des Meeres passen wollten. „Die letzte Zeit, an die ich mich erinnere, muss wohl elf Jahre her sein. Ein wunderschöner Morgen im Bellum. Ich hätte mich über einen solchen Morgen gefreut, glaube ich. Leider, schaffte ich es nur mit letzter Kraft zum Grenzstein des Dorfes, bevor ich zusammenbrach. Verwundet – verbrannt an vielen Stellen, um meine Augen, meinen Mund, die Hände, auf Bauch und Rücken. Schlimme Verletzungen, wie sie nur eine Kreatur hervorrufen kann.“, er atmete tief durch, dann breitete er eine Hand aus, während die andere tiefere, bedrohliche Töne zupfte. Er wartete, lauschte in die Nacht hinein. Dann zischte er zwei Worte hervor, als eine Welle gegen das Schiff schlug. „Ein Drache!“ Die Mannschaft zuckte etwas zusammen, einige lachten nervös, während andere an den silbernen Augen des Elfen hingen. „Ich weiß nicht von wo er kam, noch wohin er ging, als er mich verbrannte… Tief in der Nacht entschied er wohl, dass ich ein geeignetes Opfer sei. Ich rannte, versengt von seinem glühenden Atem und verfolgt von seiner grässlichen Stimme. Ein Klang, wie das Toben von tausend Orkanen und die Disharmonie von einer Myriade Schmiedehämmer. Ich floh hinaus aus den Tälern in die Berge, während er mich verfolgte, bis der Morgen graute. Dann schlepte ich mich in das Dorf und brach zusammen. Kraftlos, dazu bestimmt zu sterben.“ Er legte eine Hand auf die Saiten der Harfe, um sie zum Verstummen zu bringen. Ein Lächeln hellte das Gesicht des Erzählers auf. „Aber ich starb nicht. Die Dorfbewohner fanden mich, nahmen mich in ihre Mitte und ich wurde gesund gepflegt. Als wäre ich einer der ihren. Ich beschloss dort zu bleiben, errichtete mit Zeit und Hilfe eine Hütte und ging den Menschen zur Hand. Hilfe wurde dort gebraucht, Pfade führten an dem Dorf vorbei, die oft von den Wilden aus Khalandra oder einigen aufrührerischen Orkenstämmen benutzt wurden und hin und wieder fiel ein kleiner Trupp im Dorf ein. Wehrhafte Leute, diese Skapener. Und eigenartig – sie nannten ihr Dorf „Skapen“, wie das Gebirge. Wie alle anderen Dörfer – und doch schien jeder stets zu wissen, von welchem „Skapen“ die Rede war. Das habe ich bis ich ging nicht verstanden. Nun, ich half den Leuten als Heiler, hörte ihren Sorgen zu und heilte ihre Kranken. Ich sang ihren Kindern vor, wenn ihre Eltern auf Feldern und in Gärten arbeiteten. Es war… ein gutes Leben, schätze ich.“, leiser werdend verstummte der Elf, lehnte sich gegen die Reeling und sah hinauf in die Sterne. Als sein Verstand zu wandern begann, von dem einen auf den anderen Augenblick, nahm sein Antlitz etwas Sehnsüchtiges an, gepaart mit Trauer und Verwirrung. „Warum… warum seid ihr gegangen?“, durchbrach die Stimme eines Schiffsjungen das Schweigen. Der Elf blinzelte und sein Gesichtausdruck kehrte wieder in den fröhlich-harmlosen Ausdruck zurück. „Weil die Ferne ruft… Ich habe viele Winkel Tares bereist und einen gibt es, den ich noch nie betreten habe. Ich will sehen, wie es dort ist.“, schloss er, dann sprang er auf und schlenderte zum Bug hinüber, um dem Lied der Wellen zu lauschen. Die Matrosen sahen einander an, dann tippten sie sich leicht mit den Zeigefingern gegen die Stirn. „Der hat se nicht mehr alle, der Elf…“
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