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 Betreff des Beitrags: Schwermut
BeitragVerfasst: 19.02.12, 04:50 
Ehrenbürger
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Im oberen Geschoss der Burg zu Brandenstein - dem schlicht eingerichteten Büro - sitzt er zur späten Stund' mit recht müden Augen und einer auch sonst nicht wirklich munter erscheinenden Körperhaltung in einem der gepolsterten Stühlen des Raumes. Er schaut recht betrübt drein, die Müdigkeit in seinen Augen verrät so einiges über seinen derzeitigen Zustand, als hätte man ihm seiner Funktion beraubt starrt er leer auf die Prunkrüstung im Raum, reich verziert und wohlgerüstet. Es liegt in der Natur der Dinge, sich zu entscheiden für eine Form, eine Bestimmung in dieser Sphäre. Wie die Daimionen in ihrem Wesen den schöpfenden und zugleich zerstörerischen Ursprüngen gleichen, so wählen auch die sterblichen eine Rolle und versuchen diese, idealerweise in reiner Demut und Treue der Wahrheit gegenüber auszufüllen.

Die Erkenntnis, dass jedes Wesen auf Tare einen Sinn, eine eigene Erfüllung anstrebt, ist vielleicht die wichtigste, die allumfassendste Erkenntnis im Umgang mit dem Gottkönig Angamon selbst, dem erkennen dessen, für was er steht. Die Anerkennung der Verleumdung, die Anerkennung des Unrechts, die inherente Pein seiner Anhänger, die Entschlossenheit mit der manche....

ein schweres, wahrhaft gequältes Seufzen entfährt der weißgekleideten Gestalt - die Kapuze trotz der momentanen Abgeschiedenheit des Raumes tief ins Gesicht gezogen.

...Die Last wiegt schwer, wahrlich. Eine Diskussion mit einem Vertreter der Viergöttlichen Kirche selbst steht an. Eine Möglichkeit, eine neue Ordnung zu erreichen, eine neue Ordnung zu erschaffen, die undenkbar ist, und doch möglich...

...den Schmerz, die Last des Gottkönigs, zu der wir uns zu tragen bereit erkärt haben, als einzige, wenige im Angesicht der Lügen und Verblendungen der Kirche. Was werden wir Tun, wie werden wir uns verhalten? Als Menschen, oder mehr... Gestalten welche jene die Gestaltung der Welt in ihren eigenen Händen halten.

So sind wir in Brandenstein, wo wir nicht sein dürfen. An was es fehlt ist eine Grundlage, eine Rechtfertigung der Existenz. Vielleicht, vielleicht wir es uns möglich sein, ihnen ihren Nimbus der Rechtschaffenheit zu entreissen, doch dies wird die Zeit zeigen müssen. Die Anerkennung des Wahrhaftigen als unwiderruflicher Teil des Lebens.


Bis es so weit ist, werden wir unter seinen Schwingen wandeln.

Und welche Rolle werde ich in dieser Geschichte einnehmen?


Alter, sehr alter Wein wird auf dem schlichten Tisch abgestellt und betrachtet, bis sich die Gestalt, welche jenen angeschaut hat, nach einiger Zeit schlussendlich zur Ruhe begibt.


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 Betreff des Beitrags: Re: Schwermut
BeitragVerfasst: 21.02.12, 14:20 
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Siechtum

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Nicht einmal die kleine Kerze, weit hinten im Raum, konnte die Dunkelheit aussperren, welche sich über den Kellerraum tief im Innern der Burg gesenkt hatte. Fahl warf das wenige Licht flackernde, fratzenartige Schatten an die steinernden Wände, wie klauenbewehrte Bestien mit riesigen, verzahnten Mäulern, die versuchten, mit aller Macht und unerbittlich nach ihr zu greifen und sie zu verschlingen. Stille - ausser das beständige, andauernde Kratzen von Stein auf Kristall, welches in konstanter, nervenzehrender Tortur immer wieder die Ruhe in den Gewölben störte.

Jeder Griff, jede Bewegung, jeder Atemzug war gepaart mit Schmerz, Müdigkeit und Resignation. Und wo sonst soviel Kraft und Härte waltete, schabte die aufwendig gearbeitete Klinge nur mühsam über die glatte Oberfläche des so empfindlichen Materials. Feinporiger Staub rieselte wie ein Ascheregen in die kleine Holzschale - ein Abbild des kalten, unterbittlichen Morsans, der die Insel nun schon eine Weile in seinem klammen Griff hielt. Der Boden mittlerweile von einer feinen Schicht bedeckt - die mit jeder Störung des Gleichgewichtes nur Tod und Zerstörung bedeuten konnte. Genau wie ...

...hier. Alles war eine reines Kräftemessen. Mit jedem Tag, den Fela in seiner unermüdlichen Härte ankündigte, starb in ihr ein weiteres, winziges Stück dessen, was sie einst für den einzig richtigen, einzig wahren Weg gehalten hatte - wie eben jener Splitter, den sie zwischen den dünnen Fingern hielt und mit der Klinge des Opferdolches weiter seiner Vernichtung zuführte.
Zweifel, die gesäht wurden. Keile, die sie sich gegenseitig in die Herzen trieben, wo sie einst voller Hoffnung auf einen Sieg waren. Anschuldigungen, Lügen, Missgunst und Neid - ganz wie in den Städten der Verblendeten griff es um sich, breitete sich aus wie eine schwarze Masse aus stinkenden Gedärmen, um alles zu vernichten, was ihm Wege stand. Soviel wurde gewonnen und nochmehr verloren - nicht einmal in den Armen des geliebten Vaters war das Kind sicher vor dem Verrat. Es starb - alleine, verlassen, in jener Stärke, die es einst suchte und sich danach verzehrte.

Die Brücken waren instabil geworden. Mit jedem Moment, den sie länger hinter den Mauern eingepfercht verbrachte, spürte sie die Wellen der unendlichen Müdigkeit in sich aufwallen. Soviele Worte gesprochen, soviele Hände gereicht - doch erreichten sie nicht Ohren genug, um jeden, noch so kleinen Zweifel, jedes Hadern auszumerzen. Was bliebt - Misstrauen. Furcht. In jedes Augenpaar, welches sie blicken konnte, las sie es in einer Klarheit ab, als würde sie in einen Spiegel blicken, der sich hoch und massiv vor ihr auftürmte.

"Lucienne?"

Sie hatten es geschafft. Sie hatten das Unmögliche bewerkstelligt. Sie hatten das Wort, den Glanz und die Glorie des Herren ein weiteres, unbändiges Stück über Tare gebracht. Doch ein Gefüge in diesem Konstrukt aus Strebsamkeit, kontinuierlicher Ausdauer, unerschöpflicher Arbeit und Demut fehlte. Es war...

...als stünde die Welt bereits in Flammen. Und sie inmitten dieses Flammenherdes, verzehrt und vernichtet, zersetzt wie ein Stück Holz, ohne das Peitschen jenes Feuers aufhalten zu können. Sie waren fort, eingesperrt, vermutlich breits jetzt schon mit den Lügen, der Intriganz und den Folterungen der verblendeten Götzengeweihten gebrochen worden. Jene, den sie vertraute, denen sie ein Stück weit ihre Seele offenbarte, die sie mit offenen Armen empfing, nach all' dem, was in dem ganzen Götterlauf auf dieser Insel bereits passierte.

Fort. Und die letzte Chance, auf ein Wiedersehen, durchwachsen mit dem Wissen, daß nur noch der Tod folgen konnte. Ob für die Verräter oder sie - es spielte keine Rolle mehr.

"Lucienne?"

Sie würden es weiter versuchen, zu zerstören. Sie würden weiterhin danach streben, ihre eigene Machtgier zu stillen. Der Einfluss der liderlichen Götzen war bereits jetzt zu groß - und selbst die Anwesenheit des Dieners des Seelenfressers in der Stadt , in seiner stoischen Sturheit und nie versiegendem Widerstand, stärkte selbst die innerliche Verwesung des Kerns nicht.
Selbst für ihn war es eine Kraftprobe, das wusste sie. Mit jedem Gespräch, jeden Moment, den sie teilten, sah sie ihm an, daß auch er müde war. Müde von diesem Possenspiel, müde von dieser Farce, den sie Sieg nannten. Und Müdigkeit war genau das Gefühl, welches einzig in ihrem Geist vorherrschte. Einfach hinlegen, schlafen, bis in die Ewigkeit. Süße Erlösung...

...doch war es genau das, was sie wollten. Damit sie Fehl ging, damit sie brach. Damit sie sich ein weiteres Stück von dem entfernte, was sie seit so vielen Götterläufen anstrebte; die Ewigkeit an Seite des geliebten Herren - und des kleinen Jungen, der so früh aus seinem unschuldigen Leben gerissen wurde. Es existierte Nichts mehr - kein Band, welches ihr früher wichtig war, war noch straff genug, um sie empor zu ziehen.

Stetes Hungern. Nach Sicherheit, Geborgenheit - Dinge, die ihr früher einmal Kraft schenkten. Ein Lächeln, das Rufen ihres Namens, Hände, die sich nach ihr ausstreckten und bedingungslose, absolute Liebe gaben - all' das war nur noch ein dumpfer Nebel, der ihrem Geist so lange schon keine Ruhe mehr liess. Es verblasste mit jedem Erwachen des traumlosen, unruhigen Schlafs - und nur noch Leere in ihrem Herzen war das, was blieb.

Es gab nur noch Zwei. Der Eine, bereits entfernt, sie verstossend, immer weiter zerstörend und hilflos zurücklassend. Der Andere entglitt, immer langsamer uns konstanter. Und egal, wie sehr sie es sich wünschte - ein Zurück gab es nicht mehr. Nie wieder. Das letzte, weltliche Band Tares, welchem sie Bedeutung zumaß, musste sie in ihrem innersten Kern verschliessen, ausgeschlossen von Allem, was Wichtig war - der Pfad der absoluten Reinheit und Vollkommenheit. War es so falsch...

...was sie tat? Oder verriet sie bereits mehr, als sie es selbst sehen wollte? Der einzige Wunsch nach Frieden; verwehrt. Bis an das Ende ihrer Existenz auf dieser siechenden Welt.

Langsam schob sich der Spalt der Türe immer mehr auf, brach die Dunkelheit, welche den Raum fast komplett eingehüllt hatte. Eine bepanzerte Hand am Türgriff, und sie konnte den Blick, der auf ihr ruhte, regelrecht bis ins Mark spüren.

"Ihr solltet einmal in den Spiegel sehen. Er verzehrt Euch bereits jetzt schon."

Doch war es genau das, wovor sie sich fürchtete.

Erkenntnis.

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<Oberon>selbst das wort "Frau" ist ethisch nicht mehr korrekt
<Oberon>das nennt man jetzt "Mensch mit Menstruationshintergrund"


¯\_(ツ)_/¯

<Solos>Sorania = Spielerin ohne richtige Ahnung nervt irgendwie Alle


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 Betreff des Beitrags: Re: Schwermut
BeitragVerfasst: 21.02.12, 18:08 
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Ahnung

Die Nacht war ungewöhnlich kalt, zumindest breitete sich die Kälte entgegen der Raumtemperatur ungewöhnlich stark in seinen Fingerspitzen aus. War es die Diskussion mit dem Geweihten gewesen? Oder der Anblick des auf den Stufen der Kapelle zu Brandenstein sich Übergebenden? Das betreten der Kapelle? Das Gespräch? Der beinahe-Wutausbruch dort? Warum nur fühlte er sich so leer und ausgezehrt, nach diesem nun zweiten Besuch? Hatten seine ehemaligen Brüder dasselbe erlebt?

"Ihr seid willkommen." Wie konnte er das sagen? Besonders nach der Offenbarung der Schrift, welche sie sich gemeinsam angesehen hatten? Etwas stimmte nicht, ganz und gar nicht. Etwas war verschoben worden, ein Bruch im Gefüge des üblichen Rollenspiels. Seelenkampf um jeden Preis? Ein bizarres streben nach Erkenntnis? Oder war es wirklich so einfach? Die Mehrung der Streitkräfte für das, so war er sich nun beinahe sicher, bevorstehende Ende der Zeit? Ein Blick wurde aus dem Fenster des Büros geworfen, draussen herrschten Stille. Die Sicht gab den Südlichen Wall der Stadt preis, von der erhobenen Position der Burg konnte man bis auf das Meer hinausblicken. Nach jenem kurzen, trüben Starren hinaus widmete er sich wieder dem Hadern vor sich, einige schwachsinnige Worte darauf gekritzelt, welche sogleich wieder samt dem Blatt vernichtet wurden.

"Ihm muss bewusst sein, wer wir sind, und dennoch sind wir willkommen? Ist dies der unüberwindbare Bruch in unserer Existenz, nach dem ich gesucht habe? Die Grenze, der Wall an dem es unmöglich wird, eine Einigung zu erzielen? Bis zum Tage des Weltenbrands? Die Seelen unfähig, getrennt durch das fleischliche, sich zu vereinen und gemeinsam der endgültigen Entscheidung zu harren? Will er uns... mich nur auf die Seite der Viereinigkeit ziehen, um das Ende zu beeinflussen?"

Eine Passage des Textes kam ihm immer wieder in den Sinn, wie losgelöst vom Rest, brannte sich regelrecht in seinen Geist. "...dann stehen die Sterblichen zusammen wie ein Stein in der Brandung! Es war kein Platz für den Gottkönig. Oder bezog die Schrift tatsächlich... auch auf uns? Die Zufälle waren zu groß, um noch als Zufälle zu gelten. Die Zeichen waren alarmierend. Hier, in dieser Stadt, unter diesen Umständen, diesen Zeiten. Sie sahen die Zeichen nicht, doch waren sie da, eindeutig. Ein gemeinsames streben nach Erkenntnis. Ein Mangel an Erkenntnis. Wie anmaßend ihm die Worte vorkamen, zu jener Zeit als sie gefallen waren. Eine Herausforderung war es gewesen.

Der Geweihte wollte sein, im hier und jetzt. Natürlich. Den Griff nach der wahren Erkenntnis nicht wagen, der Einen Wahrheit, welche die Schrift verhieß. An einem Ort verweilen, an dem die Viereinige Schöpfung Beständigkeit hatte, und das verstoßene, verbannte Element auf der Lauer lag - nicht einmal verborgen - aber sich untilgbar durch die Sphäre zog. Mit einem schwermütigen Seufzen lehnte er sich in dem alten, durch die fast ständige Beanspruchung bereits ordentlich geschändeten, knarzenden Stuhl zurück.

So viele Fragen, so wenige Antworten... Schlaf. Nur noch Schlaf. Was er brauchte war Ruhe. Viel Ruhe. Doch die Zeiten erlaubten dies nicht. Die Zeit, überhaupt, war es doch, um die sich alles drehte. Benommen senkte sich der Kopf langsam hinab, die Zeit forderte ihren Tribut. Die Vergänglichkeit mahnte den Schlaf an, erinnerte an die Vergänglichkeit, das stete Verbrauchen von Energie.

Seele

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Schwer fällt es mir, mich zu erinnern... Kindheit, die Anfänge des Bewusstseins. Wie viel mir noch gefehlt hat, wie naiv ich in meinem geglaubten Glück war. Je mehr ich mir meiner bewusst wurde, desto schlimmer wurde es. Als wäre ich gefangen - ein wachsendes Gefühl der Machtlosigkeit - gegen die Welt, die mich umgibt. Der Gedanke von Bestimmung, der Unabänderlichkeit der Dinge, frisst sich wie ein Geschwür in meine unsterbliche Seele. Wie durch ein verschwommenes Glas, einen Spiegel, sehe ich mich wachsen, größer werden, aber nicht weiser. Das wahrhaftig wichtige wird verzerrt, gerät in Vergessenheit. Dieses Gefühl, einst eine Mischung aus Neugier und Verzweiflung, der Neugeborenen Seele, weicht dem beugen, dem brechen im Angesicht des Dinglichen.

Habe ich mich erst in diesem Leben dazu entschieden, mich nach der Befreiung aus diesem Leid zu sehnen? Oder war ich schon lange davor ein Teil des Einen? Ich reise durch das Land, schaue mir die Welt an, entdecke die Insel, die mir meine Freiheit verspricht. Siebenwind wird sie genannt. Ich treffe Seelen, die mich zu verstehen vorgeben, die mich zu verstehen scheinen. Und doch scheint etwas zu fehlen, ein Verständnis für die Überwindung dieser widerlichen Welt, die mich gefangen hält, ist vorhanden, aber es verbirgt sich. Sichtbar, aber schwer zu greifen. Manche sprechen von einem Neubeginn, manche sprechen von einem Ende der Zeit. Das Ende aller Dinge? Ich sehne mich nach dem Ende, um endlich wieder wirklich frei zu sein. Der Weltenbrand wird über mein Schicksal entscheiden. Ich sehne ihn herbei.

Wie dem auch sei, da gibt es Ordnung, und da gibt es Chaos. Ich werde das Chaos brauchen, um mich zu befreien, glaube ich. Wissen kann ich es nicht. Ich verfluche diese Existenz. Liege ich falsch, bin ich verdammt, auf ewig. Doch ich habe mich entschieden, wie mir dämmert, schon lange, viel zu lange, bevor ich in dieser Welt angekommen bin.



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Ich sehe die Stadt Brandenstein, doch sie erscheint mir in seltamer Pracht - in Ausmaßen, die gar nicht sein können. Ein gigantisches Bankett, Tanz und Spiel. Ein nackter Glatzkopf läuft durch die Räumlichkeiten, mit einer Krone auf dem Haupt. Ich will sie ihm wegnehmen, aber er lässt mich nicht, und haut mir mit dem goldenen Zepter auf die Finger. Andere fressen sich satt, ihre Leiber dem bersten nahe. Ich verstehe es nicht. Es ist Wahnsinn. Alle tanzen, kreuz und quer durch den gigantischen Raum, auf den Tischen, jeder mit jedem. Ich sitze abseits, ich sehe einige, denen es ähnlich geht. Ich mag sie. Sie sind mir ähnlich, nur wissen sie es noch nicht. Ich kann ihnen nicht sagen, was ich bin. Ich glaube nicht, dass sie mich verstehen würden. Ich muss verschlossen bleiben, um nicht angreifbar zu werden. Der König haut mir wieder auf die Finger. Mir reicht's. Ich gehe hinaus, schaue hinaus in die Ferne. Ich will fort von diesem Ort, wie lange muss ich noch warten? Bruder Iycheas, du hast mir einen Weg gezeigt, den ich für unmöglich hielt. Wir können sie alle hinausholen, alle befreien. Ich erhebe mich und hoffe, stelle mir die Erlösung vor. Ich sehe Tare sich winden, ich sehe die Macht des Einen, ich sehe die einstürzenden schwarzen Säulen, die Treppen zu Morsans Hallen, deren aufgestoßene Tore. Der Sieg ist nah.

Jedoch...

Ich gehe die Stufen hinauf, und was ich sehe ist Zeitlosigkeit. Niederlage. Belügst du mich, Iycheas? Ich verspreche mir mehr. Ich sehe den Sphärenwall durchbrochen, ich sehe die Viere verwundet und vergangen durch die Endlichkeit. Nichts wird ewig sein, alles wird enden. Nur das Nichts wird ewig sein. Ich verlange Perfektion. Ich verlange das Ende. Als ich endlich am Ende der Stufen angekommen bin, fahren unzählige Felstrahlen zu mir, an ihrem Ende bilden sich gleissende Hände, die mich in tausend Stücke zerreissen. Hast du am Ende mehr um dich geschart als wir - als ich es vermochte?


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Ich stehe auf einem Plateau, am Ende aller Dinge. Um mich herum bricht Chaos aus, Materie entsteht und zerfällt, bildet bizarre Formen, umschlingt mich, nimmt mir das Bewusstsein. Mein Körper löst sich auf, es ist endlich geschafft. Ich bin am Ende angelangt, und mit mir alle anderen. Der Eine hat gesiegt, und was nun folgt, liegt jenseits des greifbaren, wie du es schon sagtest. Doch es ist die Zeit des Einen, nicht des Zeitlosen. Denn ich habe mich dazu entschlossen, das Eine zu beseelen. Wirst du meine Hand nehmen und mit mir auf das Ende aller Existenz warten?

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Ich suche nach Seelen. Ich will mich bereiten. Die Welt um mich herum wird dunkel. Wie soll ich jemals der selbe sein?

Wie kann ich jemals willkommen sein?

Als er wieder zu sich kam, mit lautem knarzen des Stuhles begleitet aufschreckte, allein in dem Raum, war der größte Teil des Traumes bereits verschwunden, zurückgedrängt in die hintersten Regionen seines Verstandes. Nur ein leises flüstern umgab ihn, die altbekannte, ihm so unschuldig wie noch nie erscheinende Stimme hallte in seinen Gedanken wieder:

Du hast noch so viel zu Tun, bis es soweit ist, mein Liebster.

Ein ungewöhnlicher Drang kam ihn ihm auf, und als er die Frau an der Türe sah, wusst er, dass sie es Wert war, so wie viele andere auch. Sie mussten nur.... Erkennen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Schwermut
BeitragVerfasst: 22.02.12, 19:54 
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Zerfall


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Die Tür in dem dunklen Keller fiel fast lautlos ins Schloss, als die nackte Haut der Hand den kalten Griff mit sich zog, um auch das letzte Licht aus dem nahen Flur auszusperren. Schwarze Nacht - inmitten der vier Wände dieses winzigen Raumes. Kein Schein, kein Geräusch, absolute Stille inmitten des Chaos des Burgtreibens wenige Schritt über ihrem Kopf. Sie selbst nahezu nackt, fast so, wie die Hure der Wolllust sie einst schuf - ausgezehrt, abgemagert, gezeichnet von den Strapazen der vergangenen Zeiten auf und ausserhalb dieses verfluchten Eilandes. Kein Rüssteil mehr, keinen Schmuck, selbst die wenigen Haarspangen, die das strähnige Haar sonst zur Ordnung riefen, befanden sich noch an der Silhouette des vage zu ahnenden Frauenkörpers in dem eigens gewählten Gefängnis.

"Ihr solltet..."


Kein Schritt, keine Bewegung von der Türe weg. Stilles Verharren mit baren Füßen auf dem kalten, harten Stein. Blind, nicht nur mit den körperlichen Augen. Immer wieder hämmerte es dumpf hinter ihrer Stirn - Stimmgewirr, Mahnungen, Bilder, Reflektionen aus so Vielem und doch Nichts. Und immer wieder der gleiche rote Faden, welcher einen bitteren, fahlen Beischmack auf ihrer Zunge hinterliess.

"...Denen folgen, die klarer sehen..."


Was blieb war Zurückweisung.

Von dem Einen, der das Blut teilte. Seine Enttäuschung, seine Ohnmacht war an dem Tag, als er vor ihr stand, mehr als deutlich zu lesen. Egal, wie sie sich es gewünscht hatte - begreiflich machen konnte sie es ihm wohl niemals. Nicht, warum sie tat, was sie tat - nicht, wieso sie dem Drängen seinerseits nicht nachgab und blieb - sondern wofür es stand, das Alles hier, in der Stadt, hinter den Grenzen, die ganze Insel und schlussendlich Tare. Begreifen. Oder war sie es, die nicht begriff?

Der Andere. Rastlos, ruhelos, in steten Gedanken. Doch auch er verschwunden hinter einer Mauer aus Schweigen. So Vielen war sie eine Hand, ein Geleit, eine Sicherheit, doch einzig ihm, der in so vielen dunklen Stunden an ihrer Seite stand, war sie nicht fähig, auch nur den Arm in seine Richtung zu heben. Ohnmacht. Und die Angst, daß mit wenigen Schritten der Abgrund bereits überschritten war. Ging es immer nur um sie?

"...ehe es zu spät ist."


Selbst das Schaben des Türholzes auf der nackten Haut, der vorstehenden Wirbelknochen im pulsierenden Schmerz spürte sie bereits nicht mehr, als der Körper ermattet, schwach in Richtung Boden glitt. Ein dumpfer Aufschlag in der Stille des bleibenden Nichts.

In einer anderen Zeit, vielleicht sogar in einer anderen Welt, wären sie frei von all dem gewesen. Die Vergangenheit ein Traum, längst ausgeträumt, verhangen im fernen Nebel der Erinnerungen, die fernab dessen herrschte, was noch greifbar war. Und die Hoffnung, diesen Traum wieder neu zu beginnen, nur noch schmenenhaft und brüchig. Der drängende Wunsch, das einzige Begehr nach Frieden doch nur das, was nicht sein durfte - nicht geduldet von der höheren Macht, der zu dienen sie einst mit Blut und Seele geschworen hat.

"Ihr solltet..."

"...klarer sehen..."


"...in den Spiegel sehen..."


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Nur Worte, Bedeutungslosigkeit in diesem Leben. Und doch war selten etwas reiner und unschuldiger an Wahrheit gewesen, als in diesen wenigen Momenten. Der hämmernde Nachhall blechernden Stimme im fahlen Licht des toten Landes, der zarten, lockenden Sirene im grau-trüben Meer, der eigenen Rastlosigkeit inmitten grellbunter Farbexplosionen, der zermürbenden Gedanken, wie ein nie enden wollendes, grausames Echo. Und was sie sah, wagte sie nicht anzublicken.

"Und das ist mein Verrat am Herren."

Wieviel ist man bereit zu opfern, für den letzten Rest Menschlichkeit?

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<Solos>Sorania = Spielerin ohne richtige Ahnung nervt irgendwie Alle


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 Betreff des Beitrags: Re: Schwermut
BeitragVerfasst: 2.03.12, 19:58 
Ehrenbürger
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Die schwarze Krone


Dunkle Wolken brechen über die Stadt herein, abermals wuchert das Geschwür der Lügen und der Versuchung von Macht in den Köpfen und Herzen der einst sich rechtschaffen geglaubten. Vergessen die Demut im Angesicht der Machtspiele und der eigenen frevelhaften Erhebung über die Tugenden. Wie wilde Tiere reissen sie sich um Brandenstein, wie um einen fauligen Kadaver der bereits von Maden zerfressen und ausgezehrt wurde. Wieder beweisen sie die Unfähigkeit, sich selbst zu überwinden - wieder brechen die Gräben von einst auf. Sie sehen nur ihren eigenen Vorteil, das voranbringen ihrer niederträchtigen, einfältigen Pläne, gespeist von dem unbändigen Irrsin zu meinen, was Recht und Unrecht sei im Namen des Allmächtigen. Sie sind nicht besser als die Geblendeten, gegen die sie vorzugehen gedenken. Sie sind sich der Schuld bewusst, die sie auf sich geladen haben. Sie verkriechen sich, schmieden ihren Verrat und glauben, dass niemand sie dabei sieht. Doch schon früh wurde das Übel erkannt, und die Zeit des Gerichts rückt näher.

Schwer liegt das Laster, die Verfehlung - eine Reinigung ist nötig. Der aufkeimenden Dekadenz muss Einhalt geboten werden. Die schäbigen Buhler um die Macht des Einen müssen zur Ordnung gerufen werden, ansonsten ist der selbst beschworene Untergang nicht mehr aufzuhalten. Wieder sinkt der Stern, wieder sind wir dabei uns selbst zu vernichten. Diesmal nicht. Doch wie soll der Kampf ein Ende finden? Klar ist nur eines: Auf diesem Wege kann der Sieg in seinem Namen nicht vollzogen werden, niemals. Die Unmöglichkeit der Einigkeit führt erneut in die Schlacht auf eigenem Boden, gegen sich selbst. Ein wahrhaft göttliches Urteil ist notwending, denn sonst werden sich die Gläubigen des Einen abermals zerfetzen - uneins und gespalten, der ewige Kampf zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht in uns selbst währt fort.

Wer wird Recht sprechen im Namen Angamons, auf das endlich Einigkeit herrschen möge?
Werden wir wieder versagen?
Der Griff nach der schwarzen Krone beginnt erneut.

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