Langsam trottete die junge Stute schnaufend durch den Schnee, während auf ihrem Rücken die Reiterin, die Nase vergraben hatte in eine große Karte.
„Wenn Elamio mich so sehen würde, eine Brandensteiner Reiterin, die keinen Weg nach Brandenstein findet ...“, immer wieder dreht sie die Karte, als würde das auch nur im entferntesten irgend einen Nutzen bringen. Alle ihr bekannten Wege waren zu, verschlossen nicht passierbar. Vielleicht hätte sie doch jemanden fragen sollen. Wobei das wohl recht nutzlos gewesen wäre, denn entweder hätte ihr man gesagt, man verrät es ihr nicht aus Sorge um sie, oder sie wäre gleich eingesperrt worden „zu ihrem eigenen Schutz“.
Sie war nun schon sehr viel länger unterwegs als geplant und es war verdammt nochmal zu kalt für lange Reisen im freien, ohne jemanden dabei zu haben, der in der Lage ist ein Feuer zu machen, oder ein Lager zu errichten. Ein tiefer Seufzer und ein weiteres mal drehte sie die Karte um 180 Grad, als sie aus der Ferne einen Schatten am Himmel bemerkte, der auf sie zuraste und einen Wimpernschlag später, ihr die Karte aus den Händen riss.
Fehler eins, den Weg nicht kennen.
Fehler zwei, keine Übernachtung im Freien eingeplant.
Fehler drei ... Falsches Pferd gewählt.
Es war durchaus interessant wie viele Gedanken einem durch den Kopf gehen konnten während des Fallens vom Rücken eines sich aufbäumenden Pferdes. Fast so interessant wie genau das interessant zu finden.
Nun … zumindest bis man, Morsan sei dank, mit dem Hintern voran in einer Schneewehe landet. Das Gesicht vor Schmerz verzogen dachte sie einen Moment daran das Solos in dieser Situation einen eindeutigen Vorteil gehabt hätte, ehe das Krächzen eines Raben's, das wie Gelächter klang, sie dazu brachte sich zu eben jenem umzusehen.
Da saß der Übeltäter und zerfetzte gerade mit seinem Schnabel ihre Karte, ehe er mit einem Krächzer wieder zu ihr sah und näher heran hopste. Seltsam intelligent wirkende schwarze Knopfaugen starrten sie an und erst ihr heftiges Gezappel, mit dem sie sich aus der Schneewehe kämpfte brachten das schwarze Federvieh dazu doch etwas Abstand zu ihr zu nehmen.
Neugierig beäugte es sie wie sie sich den Schnee abklopfte und äugte dann zu der Schneewehe, in der die Frau mit dem Gezappel die Konturen einer Schneeharpye formte, wie es Kinder aus Spaß zu tun pflegen.
Wieder das Krächzen, ehe der Rabe mit den Flügel schlug.
„Bist du zufrieden? War das genug Spaß für dich blödes Federvieh?“, gerade zu ungnädig der Blick der Frau auf den Raben, der daraufhin nur den Kopf schräg legte und weiter leise krächzte. Was jedoch an Lautstärke wieder zunahm, als sie sich einfach abwandte um den Spuren ihres getürmten Pferdes im Schnee zu folgen.
„Hau ab und lass mich in Frieden!“, sich durch den Schnee kämpfend, versuchte sie immer wieder den Raben zu verscheuchen, der ihr unablässig folgte.
Jener jedoch lies sich nicht abwimmeln und als sie das Pferd gefunden und beruhigt hatte, stand er wieder neben ihr, ein Stück der Karte im Schnabel zu ihr aufsehend.
„Sag mal, was willst du eigentlich von mir?“, das Kartenstück legte der Vogel vor sich ab und sah wieder zu ihr auf. Wieder das nervige krächzen und dieser seltsam direkte Blick zu ihr hin. „Du willst mir doch nicht etwa … sollst du mein Begleitschutz sein?“, eine Augenbraue zuckte verdächtig, ehe sie nach einem Reiben über die rot gefrorene Nase, dann wie ergeben seufzte und sich auf den Rücken des Pferdes schwang. „Dann zeig mir doch mal den Weg, den ich nicht finden kann und lass dir gesagt sein, findest du ihn auch nicht, bist du mein Abendbrot!“
Er hatte ihn gefunden …
Er hatte sie sicher nach Brandenstein gebracht ...
Ein letzter Blick zurück zu dem davon fliegenden Raben und ein Schauer fuhr ihr über den Rücken, ehe sie die Türen der Kapelle öffnete.
So fühlt sich ein Zuhause an
Sicherheit
Wärme
ruhige Geborgenheit
Lang bevor ihr körperlich warm wurde, durchflutet die Wärme des Ortes ihre Seele.
Das kurze Gespräch mit Iycheas war aufschlussreich, doch blieb noch viele unbeantwortet, doch dafür würde später Zeit bleiben..als erstes galt es....
„Verzeiht Bruder, doch die Reise war anstrengend, ich werde mich etwas ausruhen bevor wir weiter reden.“, das Lächeln hierbei, entschuldigend und doch auch aussagend das nicht sie davon jetzt abhalten würde und so wandte er sich gen Morsanschrein, als sie sich im Schrein Vitama niederließ.
Der Duft der Rosen in voller Blüte.
Der Blick hinaus zur verschneiten Stadt.
Nachdenkliches herum spielen mit winzigen Phiole in ihrer linken Hand.
„Natürlich habe ich Angst Dummerchen ...“
"Und weil ich diese habe... wird es wohl Zeit dich zu mir zu führen", leise die Worte nur, ehe sie die kleine Phiole entkorkt und den Inhalt mit einem Schluck leert. Zurück sinkt an die Wand des Schreines, an der sie sitzt und nach einem tiefen durchatmen die Augen schließt, erstarrend zu einer Statue, als die Seele die übliche Wanderung gen Jhera antritt.