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 Betreff des Beitrags: Gericht
BeitragVerfasst: 12.03.12, 04:44 
Ehrenbürger
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Es war schon erstaunlich, wie ruhig die Straßen Brandensteins waren, während er mit dem Pergament in der Hand den Weg von der Burg zum östlichen Wall antrat. Trotz des keimenden Vitamas drang kein Laut, kein Vogelzwitschern oder die üblichen Boten des Frühlings zu ihm. Lediglich den abermals matschigen, nassen Boden bedingt durch das Tauwetter nahm er wahr. So späte Hellzyklen hatten immer etwas besonderes, alleine durch die Straße straucheln, kaum noch eine Menschenseele unterwegs. Vielleicht würde er bald Antworten auf die Fragen bekommen, die ihn quälten.

Die gerechte Strafe erhalten - nackt in völliger Finsternis, mit einem verkehrt herum aufgesetzten Helm aus Kupfer auf dem Kopf - eines musste man dem Ehrwürdigen lassen, er bewies einen Sinn für's Detail, und vielleicht sogar ein wenig Humor. Die bohrenden Blicke der Besucher auf der Haut, begleitet von den dumpfen Stimmen, das klimpern der Münzen auf dem kargen Steinboden. Er schüttelte den Kopf, ging weiter den Weg, vorbei an den Häuserreihen der wie ausgestorben wirkenden Stadt. "Der Kragen.. Ja. Der Kragen." sprach er sinnierend vor sich her, "...den auch noch."

Lächerlich kam es ihm vor, als er das Pergament wieder betrachtete, nun an der Stadtmauer angekommen. Wieviel ist für Verrat nötig? Weit mehr als das. Wie kann man einen Eid schwören, und ihn so leichtfertig wieder brechen? Wussten sie wirklich nicht, auf was sie sich eingelassen hatten? Wieviel Stärke nötig sein würde? Sie sind davongelaufen. Doch ein entkommen gibt es nicht. Der Herr wird urteilen. Schon bald.

So findet sich auf der Felswand kurz vor dem zerstörten Stadttor in Brandenstein ein Schreiben wieder:

Zitat:
An einen alten Freund

Einst warst Du für mich verantwortlich, und nun bist Du für ihr Leben verantwortlich. So Du ihr zurück in ihr Leben helfen möchtest, wirst Du in der Feste der heiligen Bruderschaft erscheinen. Stelle Dich der Verantwortung, und ihr sei durch die heilige Bruderschaft Unversehrtheit garantiert. Tust Du es nicht, so wird der Herr über sie urteilen, und das jeden Tag aufs neue.


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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 12.03.12, 22:53 
Einsiedler
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Zitat:
Nahezu lautlos tropfte das Wachs der niederbrennenden Kerzen in die schmale Auffangschale. Die spärlichen Flammen leckten sich den Doch empor, doch immer mehr entzog sich ihnen die Nahrung. Ein dünner Rauchfaden stieg auf, als der erste kleine Lichtkegel ein letztes Flackern von sich gab und schließlich in einem kläglichen Glimmen verging. Die Schatten wurden länger und diese erdrückende Stille rings herum hämmerte mittlerweile nahezu in den Ohren, wie ein Schmied, welcher unablässig auf glühendes Eisen einschlug. Manchmal kam das Gefühl auf, leises Whispern zu vernehmen.

Kam es von dem schmalen Gang vor der Türe? Oder doch etwas innerhalb der Kammer? Die Betten waren zwar allesamt leer, doch das beklemmende Gefühl beobachtet zu werden, riss nicht ab. Ein Streich ihrer Einbildung, um dieser Stille Herr zu werden?
An Schlaf war nicht zu denken. Zu groß die Sorge, die Angst und zu tief die dunkle Vorahnung, dass alles nur sein Ende in einer Lache aus dunklem, warmen Blut finden würde, welches sich aus unzähligen Wunden auf harten Boden ergoss.. Bis Morsan seine beruhigenden, einschläfernden Arme um einen schloss und jeden Schmerz und jegliche Trauer vergehen lies.

Sie musste raus. Raus aus diesem provisorischen Verlies, weg von der Dunkelheit die hier alles zu umgab und nichtsmehr los lies, wenn sie einen erst erreicht hatte.

Contenance.. Nicht wanken, nicht zweifeln, nicht hinreißen lassen. Die Worten welche man an sie richtete waren wie Eis, dass ihre glühend heiße Haut hinabrann. Sie brannten, dennoch nahm die Kälte nicht Überhand. Lediglich die Angst.. Die Angst um ihn. Und diese vermochten sie wahrlich perfekt zu schüren.

Erneut verlosch eine der Kerzenflammen. Es wurde dunkler. Nurnoch eine brannte, doch.. auch jene würde sich alsbald ihrem Schicksal ergeben und den Raum in völlige Finsternis tauchen.
Viel Zeit blieb ihr nicht. Es war der Moment zu handeln.


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Versteckter Inhalt bzw. Spoiler :
Laudando et vituperando
("durch Loben und Tadeln")

Auszug aus dem Tagebuch eines Gefolgsmannes:


Verflucht, verflucht, dreimal verflucht sei meine Voraussicht in dieser Sache! Es grenzt an seherische Gabe. Was sagte ich? Der Mensch gewöhnt sich an alles, auch an eine Lebenszeit, die er in Tagen bemisst. Was sagte ich ferner? "Achtet den Kerzenständer". Gehorsam war es, der mich davon abhielt, den Blonden darauf hinzuweisen, das wäre in Anwesenheit unseres Gastes überaus unhöflich gewesen.

Und was war geschehen? Unser Gast hatte sich die schönste Mühe gegeben uns allen den Abend reichlich zu verderben. Wie sie es genau angestellt hat, weiss ich auch nicht. Immerhin stand ich mit dem Raven vor der Tür Wache. Ich könnte jetzt natürlich so spitzfindig sein und anführen, dass man ohne Schlüssel kaum eine akzeptable Wache abgibt, andererseits habe ich das Kontingent dessen, inwieweit aufzufallen ich bereit bin, mehr als erschöpft. Der Blonde hatte mehr als nur andere Sorgen und seine noble Absicht ist mir nicht entgangen. Er wollte sie nicht im Kerker halten wie Vieh und das vermag ich ohne Einschränkung nachzuvollziehen.

Dass sie wirklich so mutig und gleichzeitig tollkühn sein könnte, den Raum, in dem sie arrestiert war in Flammen zu setzen, hätten die meisten für unmöglich gehalten. Ich jedenfalls bin gern bereit zuzugeben, dass ich paranoid bin. Wie dem auch sei, hatte sich das Feuer rasch vorangefressen und sie hatte auch den Türschlitz mit einem nassen Tuch verstopft, um den Rauch daran zu hindern, gleich nach außen zu dringen. Den Türschlitz und den Spalt zwischen Decke und Tür hatte sie jedoch vergessen und so wurden wir früher als von ihr wohl beabsichtigt gewarnt. Gewarnt sein, heisst gewappnet sein und zur Hölle mit dem disziplinierten Schweigen. Das hier war Kampf, das hier war Krieg auf seine Weise. Der Rave sprintete von dannen um die anderen zu alarmieren, während ich aus Leibeskräften zum Ort des Geschehens rief.

Derweilen ich erfolglos damit beschäftigt war, die Tür einzurammen, dafür aber sehr erfolgreich damit war, mir die Schulter zu prellen, kam der Blonde. Er riss die Tür auf, suchte nach unserem Gast, der Rave stürzte ebenfalls hinein. Der Rauch war mittlerweile so dicht, dass mir schwindlig wurde und ich kaum noch etwas sehen konnte. Also hielt ich die Türe auf und mich bereit, dort einzugreifen, wo ich gebraucht wurde. Meine Hauptsorge jedoch galt dem Blonden, denn er war ungeschützt, ohne wenigstens ein Tuch vor den Mund zu werfen, in den Raum gestürzt.

Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es der rote oder der Andere war, vermute jedoch den Anderen, trat auf den Plan und befahl mir die Tür zu öffnen. Seine Worte brennen selbst jetzt noch ein wenig. Ich habe nunmal keine Schlüssel und die Tore sind massiver, als selbst die Tür die zu knacken mir nicht möglich war. Also tat er es selbst und ich eilte dem Blonden zu Hilfe um den Gast aus dem Raum zu schleifen.

Das danach verschwimmt leicht. Mit dem Eimer zu den Tränken für die Pferde, Wasser schöpfen, hinein durch den Rauch, hustend und würgend. Hier und da Gestalten, die ebenfalls löschten. Ich hätte mir fast die Seele aus dem Leib gekotzt, so schlecht war mir mittlerweile vor dem Rauch und ich weiss noch, wie ich beim dritten oder vierten Gang zum Wasserschöpfen den Kopf untertauchte um meine brennenden Lungen ein wenig zu kühlen.

Was danach folgte, war Strafe. Die Gefolgsmänner -womit der Rave und ich gemeint waren- waren wohl nachlässig gewesen in ihrer Durchsuchung, kamen der Rote und der Andere schließlich zu ihrer Conclusio. Ich erwähnte den Kerzenständer? Weit gefehlt. Aber es war keine Option für mich, ihm zu wiedersprechen. War ich feige? Nein. Ich glaube es zumindest nicht. Furcht habe ich empfunden, Furcht empfinde ich selbst jetzt noch, wenn ich daran denke, was er mit uns gemacht hat, ohne mit der Wimper zu zucken oder scheinbare Kraft aufzuwenden. Ich war zu wütend zum sprechen, mir wäre beinahe etwas wirklich saublödes hinausgerutscht und das wäre es dann wohl für mich gewesen. Demut und Schweigsamkeit sind genauso schwierige Gesellen wie die Geduld. Eine bittere Erfahrung.

Und doch. Als der schwarzhaarige kam, hatte sich alles beruhigt. Es galt Aufträge zu erfüllen. Aufträge der eher alltäglichen Art. Ein Lastentier zu führen, mit Steinen zu beladen, von den Gefahren des Ritts fernzuhalten und provisorische, rasche Schanzarbeiten zu verrichten, während das Werk des Herren getan war. Ideal für mich, um auf andere Gedanken zu kommen und mich zu beruhigen. Der Rave und ich arbeiteten koordiniert, schnell und vor allem ohne große Worte. Ich glaube, man war leidlich zufrieden mit uns. Jedenfalls wurden wir nicht bestraft, durften sogar gemeinsam ein Gebet aufsagen und meine Worte und die Flammen -obwohl ich eigentlich zur Zeit mehr als nur die Schnauze voll habe, was Feuersbrünste betrifft-, das Umfeld waren wie eine Reinigung von den Strapazen der letzten Zyklen gewesen.

Letzten Endes lobte der Blonde uns sogar. Man hieß uns, sich frisch zu machen und etwas zu essen. Eine Pause. Kostbare Minuten um den Geist zu klären, herunterzufahren und über das, was passiert war zu reflektieren. Der Rave ruhte sich aus, ich hielt mich für weiteres bereit und bewachte unseren Gast, der mittlerweile umquartiert worden war. Nackt, in der Zelle, bekleidet nur auf das dürftigste mit einem Schlafsack. Während ich mich mit ihr ein wenig unterhielt, sann ich die ganze Zeit darüber nach, ob ich ihr lieber den schlanken Hals umdrehen oder ihr für ihren Mut gratulieren sollte. Ich entschied mich wiederwillig für letzteres. Immerhin hatte sie Mut bewiesen. An ihrer Stelle hätte ganz gewiss nicht jeder so gehandelt. Auch wenn sie mir den Abend so richtig, richtig zur Hölle gemacht hatte, hegte ich nicht mehr als Resignation ihr gegenüber. Sie halt an ihren Meinungen fest, verblendet bis ins Mark. Beinahe treudoof zu einem Verräter stehend, das man Mitleid mir ihr haben wollte.

Doch auch dafür blieb keine Zeit, denn man rief mich zum Waffengang. Es hieß der Rave gegen mich. Ein reiner Übungskampf. Zwei Waffengänge. Beim ersten Mal überrumpelte mich der Rave völlig und man wies mich -sehr sachlich im übrigen- an, schneller zu sein. Erwähnte ich meine geprellte Schulter schon? Die hat er getroffen...zweimal in Folge. Mir fiel beinahe der Arm ab. Beim zweiten Mal, nachdem man sich auf die immer noch sehr, sehr ungewohnte Art und Weise, die ihnen zu eigen ist, um mich gekümmert hatte, lieferte ich einen besseren Kampf ab, obwohl es mir war, als triebe jemand einen glühenden Nagel in mein Gehirn. Vermutlich zuviel Rauch eingeatmet. Na, wen wundert das?

Und dann....nichts. Keine Aufträge mehr für mich, keine Lob, kein Tadel, keine pyromanischen Frauenzimmer mit mehr Mut, als ihnen gut tut, gar nichts. Einfach nur der Schlafraum des Gefolges und vor allem, mein Bett. Ich schlief wie ein Stein. Meine Schulter fühlt sie an, als hätte ein Troll auf ihr herumgetrampelt und meine Stimme klingt wie die meines Vaters, aber was macht das schon?

Ich lebe. Und ich wandle auf dem Pfad.


Zuletzt geändert von La verdad es otra: 20.03.12, 08:10, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 16.03.12, 09:39 
Edelbürger
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Alles Blut wich aus seinen Adern, als er das Schreiben am Nachrichtenbrett las, das dort auf ihn wartete. Bleich und mit zitternden Händen steht er dann davor, bemerkt zunächst nicht einmal, dass er angesprochen wurde.

Zorn ist seine erste innere Reaktion. Zorn auf jenes gewissenlose Gesindel, das sich solch niederer Instrumente bediente, um seiner habhaft zu werden. Zorn auf die angeblich doch so ehrenvolle Bruderschaft, die es nötig hatte, Unbeteiligte zu entführen und zu „richten“, nur weil sie zu schwach waren, ihn selbst aufzugreifen.

Direkt darauf kam die Reue, die sich in den Zorn einflocht wie ein schwarzes Band ins Haar einer Witwe. Reue darüber, dass er selbst vor noch gar nicht langer Zeit dieser Bande von Raubrittern angehörte und ohne mit der Wimper zu zucken genauso gehandelt hätte. Nicht ganz ohne Zweifel vielleicht, aber dem höheren Zweck dienend dennoch ebenso gewissenlos.

Dann ergriff ihn Sorge um sie. Lähmend und belebend zugleich, doch wie eine frostige Hand, die sich gierig um sein Herz, seine Seele schloss. Sorge um ihr Wohlbefinden, ihr Lachen, ihr Leben.

Zuletzt folgte die Panik. Sein eigenes Leben, eben erst zurückgewonnen, gerade erst hatte er gelernt, es zu schätzen. Kein Wissen darüber, dass man in Lebensgefahr schwebt, ist so schrecklich wie die Erkenntnis, dass man nicht nur in Gefahr schwebt, sondern dass es wirklich zu Ende ist.

Widerstand regt sich in ihm. Sein Lebenswille bäumt sich auf, seine Vernunft eilt zur Hilfe, mit vielen Fragen. „Was hilft es ihr, wenn ich tot bin? Wie kann ich ihr weiter zur Seite stehen, wenn ich sterben muss, um sie zu retten? Würden sie ihr wirklich etwas antun, wenn ich nicht erscheine? Wenn ja, was? Könnte ich es verkraften? Könnte sie es verkraften?“ Der Schmerz wuchs ins Unerträgliche in seinem Inneren ob der Erkenntnis, dass er weiterleben wollte sowie der Gewissheit über das Opfer, das damit verbunden war.

„Nein!“ – so sagt er es schließlich der Anwärterin des Bellum und den beiden Vitamageweihten, die um ihn sind. „Ich werde mich nicht stellen!“

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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 16.03.12, 10:56 
Edelbürger
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Natürlich kam es anders. Es kommt immer anders.

Schon einen Zyklus später findet er sich im Tempel wieder, im Schrein des Bellum. Empfängt den Segen und sieht mit leuchtenden Augen zu, wie jene Kleidung von Flammen verzehrt wird, die ihn als letztes noch mit der Bruderschaft verband. Er hatte sich diesen Moment aufsparen wollen für den Tag und die Stunde des Gerichtes der Viere – für solche Spiele blieb nun keine Zeit mehr.

Er richtet seine Worte auch an die anderen der Viere. Sie alle bittet er um ihre Vergebung, ihren Segen. Vitama um seiner einzigen Liebe willen. Er bittet darum, ihr Freude zu schenken, egal was mit ihm selbst geschieht. Astrael für all das, was er für jenen tun wollte, tun hätte können. Die Bitte an Morsan geht weiter – mit seiner Hilfe würde es ihm gelingen, Ruhe zu finden. Dem zu entrinnen, was ihm im Vorfeld bereits angedroht wurde. „Über den Tod hinaus“ – Nein. Er würde nicht als Untoter wiederkehren. Genug war genug. Sein Dienst für Angamon war Geschichte.

Eine fast unerklärliche innere Ruhe erfasste ihn nach seinen Gebeten. Alle Ängste, alle Panik hat er tief in sich verschlossen. Sein Handeln ist systematisch. Nur mehr einige weltliche Dinge sind zu klären, ein Bankfach zu leeren, ein Erbe zu übergeben.

Ein letzter Brief wird geschrieben, in einen Briefkasten geworfen.
Dann macht er sich auf den Weg.

***

Er blickt nicht zurück.

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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 16.03.12, 11:15 
Einsiedler
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Wie ein Peitschenhieb, fuhr das eine Wort in ihre Glieder, traf sie beinahe mit der Wucht eines physischen Hiebes. "Nein!"

Nein. Arn wollte sich nicht stellen. Ihre Gedanken rasten, während sie ihn abschätzig betrachtete. Er war kalkweiß, wen wunderte das auch?
Die Bruderschaft hatte den perfekten Köder gewählt. Einen Köder, der ihm nur die Wahl zwischen Tod und Verdammnis ließ. Warum stellte er sich nicht? Für sie wäre die Antwort nicht minder schwer zu ertragen gewesen und doch hätte sie nicht gezögert. Nicht nach all dem, was sie durchgemacht hatte.
Andererseits hatte Arn gerade erst den Pfad zur Besinnung beschritten, sein Glaube war ihrer Meinung nach ein sehr verwundbares und fragiles Gebilde, während selbst der Schmerz über Maltheos ihren Glauben an die gerechte Sache nur gestärkt, ihre Ehrerbietung Bellum gegenüber gefördert hatte.

"Was soll ich schreiben?" fragte er sie schließlich mit einem Blick, den man nur als verzweifelt deuten konnte. Ein Stich fuhr ihr in die Brust und sie betrachtete ihn mitleidsvoll, ehe sie mit sanfter aber unnachgiebiger Stimme, die einzige Antwort geben konnte, zu der sie fähig war:

"Das kann und werde ich Euch nicht abnehmen Arn. Doch mir blutet das Herz bei Eurer Entscheidung, wenn ich sie auch nachvollziehen kann"
Wie ein Ertrinkender schien er ihr, der verzweifelt nach Halt herumwarf in den Wellen, die über ihn hereinbrachen. Das Gespräch dauerte nicht einmal lange. Ihr kurzer Monolog währte vielleicht Fünf Minuten, zerstreute seine Zweifel, oder auch nicht, und dennoch erfasste er ein wesentliches Kernelement mit kristallener Klarheit. Eine Wahl gab es doch eigentlich nicht oder?

Arn hatte seinen Weg gewählt. Obgleich von den Tardukai als Verräter gesucht, weigerte sich ein starrsinniger Teil von ihm Namen zu nennen, einen Aufenthaltsort zu nennen und das, was er selbst als Verrat betrachtete, zu begehen. Und das, obwohl er sich von ihnen abgewandt hatte. Arn war ein weit besser Mensch oder hätte es werden können, als die Diener des Einen es verdienten.

Und dieser Mann hatte seine Entscheidung geändert. Also nahm sie ihn mit in den Bellumsschrein, denn alleine wollte sie ihn nicht gehen lassen. In ihr tanzten die widersprüchlichsten Gefühle, denn auch wenn er ins Licht zurückgekehrt war, so hatte Arn dennoch einen Eid gebrochen. Doch dafür war kein Platz. Nicht im Lichte dessen, was zu tun er gedachte. Und so betete sie mit ihm und für ihn, rief ihren Herren um Mut und die Viere um ihren Segen an. Zuletzt aber wandte sie sich an jenen, der nur selten angerufen wird. Rorsa, Horwah des Bellum, Schutzpatron der Verzweifelten und Wahrer jener, die sich nobel für andere opferten. Sein Geleit hatte Arn sich verdient, davon war sie unbeirrbar überzeugt.

Und es schien, als erhörte eine höhere Macht ihr Flehen, denn die die Kohlepfannen dreuten kurz herab, wurden dann durch einen kühlen, reinigenden Lufthauch, der von draussen herankam erneut angefacht. Für sie war es ein Zeichen.

Einige Zeit später kehrte er zurück, übergab ihr zwei Pferde, das eine Beladen mit dem, was er seiner Liebe hinterlassen wollte. Dann verabschiedete er sich und ging. Er blickte nicht zurück, ganz so, wie es sein sollte.

An diesem Abend löste sie den Anwärter, der die Wacht am Schrein hielt freiwillig ab und verbrachte lange Zeit in Kontemplation und Gebet. Für ihn, für sie und auch für sie selbst. Denn ihr Rat hatte ihn just in den sicheren, wahrscheinlich qualvollen Tod geschickt. Und doch wäre sie nicht sie selbst, hätte sie anders handeln können.

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- Aurelia, Novizin der Briseis des Ordo Bellum-
- Lazarus, Gefolgsmann unter dem Wolfsbanner-


"Actio recta non erit, nisi recta fuerit voluntas."


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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 17.03.12, 13:38 
Einsiedler
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Wie Sand rann ihr die Zeit durch die Finger. Unaufhaltsam. Ausharrend. Bangend. Sorgenvoll. Voll Hoffnung und doch gefüllt mit bedauernder Gewissheit. Jegliches Tun vergebens und ins Scheitern gedrängt.
Schwer wie Blei war ihr das Herz und die Angst um ihn war mit jedem Schlag gen ihres Brustkorbs unverkennbar vorhanden. Sie merkte oft nicht, wie einer der Dunklen sich vergewissernd in den Zellentrakt begab und nach dem Rechten sah.
Zu sehr damit beschäftigt ihre Gedanken auf stillschweigende Gebete zu lenken, die Lider soweit herabgesenkt, dass man denken könnte sie würde schlafen. So sie den Weg hinaus aus dieser finstren Hölle fand, würde nichtsmehr so sein wie vorher..

"Egal wer den letzten Schlag tun wird.. Jeder hier hat seine Hand am Griff des Schwertes."

Die Erinnerungen, das Gefühl und den Zusammenhalt konnten sie ihnen nicht nehmen. Das Band des Vertrauens unerschütterlich. Gleichsam wie der brodelnde Kessel in ihr. Wut und Zorn sammelte sich, wie Lava im Inneren eines Vulkans.

Die Uhr tickte bereits. Für sie.


"Sei nahe mir - wenn müd und matt mein Blut - wenn überreizt mein Geist - wenn siech mein Herz - und wenn das Rad des Lebens träg und träger kreist."
"Sei nahe mir - wenn das sinnlich gewebte Band spröde - wenn das Innerste von Schmerz gequält - wenn Vertrauen niedergerungen - und wenn Zeit wie von Sinnen alten Staub verstreut."
"Sei nahe mir - wenn mein Glaube verdurstet - wenn Hoffnung klagenvoll erstirbt - wenn meine Sinne betäubt - und wenn ewig kreisend Gedanken sich verlieren."
"Sei nahe mir - wenn mein Ich verblassend wandert - wenn List und Trug meine Seele täuschen will - wenn die Dunkelheit über den Abgrund tritt - und der Tag in ewig währende Dämmerung rinnt."

Egal wie weit entfernt.. Sie spürte seine Nähe.


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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 18.03.12, 09:29 
Ehrenbürger
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Der Unschuld letztes Gebet


Das Gespräch mit ihr wühlte ihn ehr auf als ihm Lieb wahr. Unruhig wälzte er sich im halbschlaf auf dem schlichten Unterbelag hin und her. Die Worte des Tardukai schon vor langer Zeit gesprochen, doch etwas war nicht richtig - etwas fehlte. Etwas, dass ihn zweifeln ließ an der Gerechtigkeit des letzten Wortes, des näher rückenden Urteils über jenen, den er einst Bruder nannte.

"Brichst du mit diesen Tugenden, dann wird dieses dein Dienst sein. Wir dienen im Leben und darüber hinaus. Und dies geschieht mit jenen, die nicht stark, nicht edel genug sind.. aber auch sie werden ihren Frieden finden. Wenn sein Paradies geschaffen wurde."


Oh er brach mit den Tugenden, kein Zweifel. Der Eidbruch war endgültig, und was folgen würde - noch endgültiger. Dennoch. Das Leid das er geschworen hatte auf sich zu nehmen brach in diesem Moment aus ihm heraus, griff über auf jene, die es zu erretten galt. Die Gemeinsamkeit der heiligen Bruderschaft zerbarst in unzählige kleine Splitter. Das, was übrig was blieb, war wieder diese unendliche Einsamkeit. Die Erkenntnis des eigenen Scheiterns.


"Deine Last, deinen Schmerz will ich tragen, oh dukairy Hor. Hinüber in eine neue Welt, in der dies nicht mehr nötig ist."


Der Krieger erhob sich aus dem Bett, und machte sich noch zu unmöglicher Zeit auf in Richtung des Schreines des Einen. Es war still, kein Geräusch zu vernehmen, in dieser seltsam eigenen, jeglicher Wirklichkeit entrückten Domäne. Er schlug das Zeichen des Gottkönigs auf der Brust, in tiefster Demut kniete er nieder. Ergeben, und doch mit einem Willen erfüllt, der den gerechten Zorn des Gottkönigs herausfordern würde, musste.

Ein Gebet wurde aufgetragen, es sollte folgen:

Angamon, Gottkönig. Bewusst habe ich dir meine Seele geschenkt, und bewusst soll meine Seele auf immerdar Dein sein. Ich will hier und heute für eine Seele beten, die sich erdreistet hat, dir zu versprechen, dir zu gehören. Zu uneinsichtig, zu schwach ist ihr Geist, um Dir, oh höchster Gott, zu folgen, bis Dein Reich erstehen wird auf dieser Deiner Erde. Schmerz bringt diese Einsicht der Schwäche mit sich, aber ebenso auch Hoffnung. Die Hoffnung auf Vergebung, durch das Deine - dein göttliches Urteil. Um nur eine Seele flehe ich Dich an. Schenke ihr die Freiheit, die sie glaubt, erlangt zu haben. Um den Kampf auf dieser Welt zu deinem Vorteil zu vollführen, dieses eine Mal, lass Gnade walten, Angamon. Lasse ihn frei, um die Seelen derer zu gewinnnen, die Wanken auf Deinem Pfade, ihnen ein Zeichen zu setzen. Dieses eine mal. Nur dieses eine mal. Lasse uns nur einmal diese Brücke schlagen, die über die Grenzen des möglichen, des erlaubten hinüberführt. Gib ihm die Gelegenheit, zu erkennen, bevor er endgültig verloren ist. Denn welchen Nutzen hat er, wenn er zu dem wird, was er sein soll.

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Als das Gebet vollzogen ward, erhob er sich. Es verging noch einige Zeit, bevor er schließlich den Schrein verließ. Was blieb war nicht mehr als eine kleine, unbedeutende Hoffnung. Die Aussicht darauf, dieses unmögliche Elend zu überwinden, obgleich auch nur für einen kurzen Augenblick. Sein Urteil war endgültig. Doch diese Frau... Machte es ihm schwer. Es blieb nicht mehr viel Zeit.


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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 18.03.12, 21:34 
Edelbürger
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Sein treuer Wildhengst trägt ihn durch die Ödnis voran zu jenem Ort, der einst seine Heimat war. Erhobenen Hauptes und mit seinen vom Wind etwas zerzausten hellblonden Haaren ohne Verhüllung reitet er in den Hof der dunklen Burg.

Wie so oft herrscht Stille - als er sein Ross jedoch in den Stall bringt, sieht er die Bestätigung für die Worte von Lukas. Der ganze Stall ist voll mit Streitrössern, viele unbekannte Tiere dabei. Also war es wahr. Jene, die seinen ehemaligen Meister und dessen Schüler so lange Zeit allein und im Stich gelassen hatten, waren zurückgekehrt.

Er kümmert sich nicht weiter darum, ebensowenig um den meditierenden ungerüsteten Mann im Burghof. Seine Schritte lenkt er zielstrebig gen Gefängniszelle. Knirschend gibt das Schloss seinem Schlüssel nach, als er ihn hineinsteckt und herumdreht. Er geht langsam, bedacht, zur Zelle und sein Herz geht auf, als er sie dort schlafend liegen sieht. Auch diese Tür öffnet er und tritt hinein, sich durchatmend von innen an die Gittertür lehnend.

Mit sanftem Streicheln über ihre Wange weckt er sie.

***

So viele Worte gab es noch zu sprechen - und so wenig Zeit.

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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 19.03.12, 01:12 
Einsiedler
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Ein letztes Mal..


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Sie spürte sanfte Berührung an ihrer Wange. Gleichwohl von Liebe ummantelt und doch.. eine Geste des Bedauerns. Ein Traum, welchem sie sich hingab. Aus Sehnsucht. Aus Angst. Leise Worte, gewhispert.. Drangen an ihr Ohr. Seine Stimme war es. Warm und dunkel legte sie sich wie Balsam um ihr geplagtes Herz.

Sie wagte nicht die Augen zu öffnen, um nicht den Moment ihrer Einbildung zu zerstören, doch etwas zerrte an ihrem Bewusstsein. Blinzeln. Dann das verschwommene Antlitz von ihm. Sie wollte es nicht glauben. Konnte es nicht. Nicht jetzt. Nicht hier. Doch der Schleier des Schlafes löste sich von ihrem Blick und gleich eines Blitzschlages der in ihr Inneres fuhr, galt ihm die schmerzvolle Miene.

Doch nicht lange, da suchten sich Lippen, Hände, Körper. Zu lange nichtmehr gespürt, gleichwohl wissend, dass es ihre letzten Momente sein könnten.. waren.
Worte wurden gesprochen. Zu wenige in viel zu kurzer Zeit. Wenn sie einen Moment wünschen könnte, welcher ewig währen würde.. Dann dieser. Doch er verging. Zu schnell und voller Hast, als wenn die dunklen Schatten rings herum diesen Augenblick des Lichtes es kaum erwarten konnten jenes zu verschlingen.

Sie wollte ihn nicht gehen lassen. Zu lange hatte es gedauert, sich zu finden und jetzt.. Jetzt sollte alles wofür sie beide gekämpft hatten zerreißen. Aufs Neue. Doch diesmal für die Ewigkeit. Fest hielten sie sich in den Armen. Unzertrennlich - ein Geste der Verzweiflung.

Doch die Schatten kamen..


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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 19.03.12, 10:08 
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Es spielte keine Rolle mehr - ob der Ehrwürdige nun die Worte aussprach oder seine bepanzerte Faust sich schmerzhaft in ihre Magengrube gebohrt hätte - es war dasselbe.

Der bittere Geschmack auftreibender Magensäure; der bleiernde Schmerz, der sich durch jede Faser ihres Körpers zog; die höhnende Erkenntnis, die sich wie ein schmarotzender Wurm durch ihren Geist fraß und auch die letzte wenige Hoffnung vernichtete.


Er hatte gelogen.

Jedes einzelne Wort war eine Lüge gewesen.

Es gab keine Freiheit, es gab keine Gnade.

Alles, was blieb, war der Tod.

_________________
<Oberon>selbst das wort "Frau" ist ethisch nicht mehr korrekt
<Oberon>das nennt man jetzt "Mensch mit Menstruationshintergrund"


¯\_(ツ)_/¯

<Solos>Sorania = Spielerin ohne richtige Ahnung nervt irgendwie Alle


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BeitragVerfasst: 19.03.12, 11:57 
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Laut hallend klingen die Schritte der schweren Stiefel des Tardukai, der den Zellentrakt betrat. Es werden Worte gewechselt - vergeblich. Sinnlos alle Versuche, Vernunft walten zu lassen, Erklärungen zu geben, Verständnis oder gar Gnade zu erwarten.

Kalte Verachtung ist das einzige Gefühl, das er wecken kann bei diesem Fremden. Jah - ein Fremder Tardukai ist es, der ihn holt. Keine Spur von Lineas - selbst seine Versuche, Zeit zu gewinnen, ein Gericht durch seinen ehemaligen Meister zu verlangen - verhallen ungehört. Der Tardukai verliert an ihm schließlich die Geduld und ruft Verstärkung herbei.

Zwei Feradai und ein Khetai kommen hinzu. Und endlich das erste und einzige bekannte Gesicht. Rufus - wie ein Bruder war er für ihn. Damals. Vor langer Zeit, die angesichts der Wendung der Dinge schon verblasste.

"Als Erinnerung an deine Schande!" ruft er ihm ins Gesicht. "Ehrlos und unwürdig, eine Unschuldige zu entführen, weil ihr zu schwach seid, mich selbst zu fangen. Und das, wo alle Welt weiß, wo ich zu finden war!" Der braungelbe Inhalt des Zellen-Nachttopfes sifft seinem früheren Bruder von Augenbrauen, Wangen und Mundwinkel hinab gen Torso. Ohne Zurückweichen erträgt jener seinen unbeherrschten Angriff, die Augen zeugen eher von Traurigkeit, denn von Zorn.

Auch er selbst empfindet dabei keine Genugtuung. Ausgerechnet Rufus... er hatte so sehr gehofft, bei ihm noch das Verstehen wecken zu können. Seine Augen auch noch öffnen zu können. Doch es war vergebens. Zu tief steckte er fest in den verbohrten Ansichten, die er selbst, Darandor, ihm teilweise eingebleut hatte.

Man trennt ihn schließlich von ihr. Verbringt ihn ins Sanctum, ins Heiligtum des Angamon. Hier, im Angesicht dessen, den er für immer verließ, ist es zunächst Trotz, der ihn aufrecht hält, dann Stolz. Stolz darauf, dass er eines in seinem Leben richtig gemacht hat, nämlich seinen Weg fort von diesem Wahnsinn zu lenken. Hin zu jenen, bei denen er trotz all seines falschen Handelns Vergebung fand und die ihm einen Weg zum Licht zeigten.

Ein weiterer Tardukai kommt hinzu. Was beim ersten Verachtung und Zorn war, war bei diesem hier Traurigkeit. Die Vorwürfe an ihn blieben. Das Urteil, so war er sich sicher, war bereits gefällt, noch lange bevor er überhaupt hergekommen war.

Er schottet sich nach außen ab - kehrt in sich zu seinen Gedanken zurück. Gedanken an Sie in erster Linie. An die ersten Begegnungen, den ersten Kuss. Es sind schöne Gedanken, die ihn zum Lächeln bringen, das ob seiner Situation geradezu grotesk wirken mag. Doch es ist zugleich sein Schild gegen alle äußeren Einflüsse in diesem Moment. Kein körperlicher Schild, dessen mangelhafte Schutzwirkung der ewig mit eloquenter Zunge intonierende Tardukai bei seinem Unterricht für Rufus und die Feradai hervorhebt. Nein - dieser Schild ist die Liebe selbst, und es könnte keinen wirkungsvolleren geben gegen alles, was da kommen mag.

Später, als man ihn allein im Sanctum zurücklässt, versinkt er in Gebete an die Viere.

***
Über allem kehren seine Gedanken stets zu Ihr zurück.

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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 19.03.12, 21:08 
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Felatag, 18. Duler des Jahres 23 n.H.
zu Beginn des achten Dunkels


Dann war es soweit.

Lautlos schwingt die schwere Eisentür auf und der dunkle Raum um die Blutbecken herum füllt sich mit Personen in nachtschwarzer Rüstung. Noch vor einigen Wochenläufen wäre sein Herz vor Freude aufgegangen, eine Sakai, zwei Satai und drei Tardukai in einem Raum zu sehen. Jetzt nahm er es kaum wahr, denn sein Blick galt Ihr, die sie von zwei Feradai flankiert hereingeführt wurde. Ihr Anblick ermöglicht ihm erneut ein Lächeln.

Trotz des nun "belebten" Raumes kühlt sich jener gefühlt drastisch ab. Eisige Stille erfüllt das Sanctum, die kaum Wärme, kaum Hoffnung zulässt.

"Bringt ihn vor!" lautet schließlich der schneidende Befehl des Satai, der hinter dem Altar Stellung bezog.

So wird er vor das Blutbecken gegenüber des Altars geführt und dort auf die Knie gezwungen. Sein Widerstand dagegen wird schnell gebrochen - für Heldentaten war es ohnehin zu spät. Doch aufrecht hält er seinen Kopf, spürt er doch ihren Blick im Nacken und noch immer die Hoffnung gebenden Nachwirkungen des Segens, den er im Bellumschrein erhielt.

Sein Lächeln - sein Schild - erlischt beim Anblick der grausamen Szene für einen Moment. Blut rinnt unentwegt aus dem gleicharmigen Kreuz des dunklen Herrschers an der Wand des Heiligtums, unheilvolle dunkle Schwaden ziehen durch den Raum und das Blut im Becken vor ihm, beginnt wie in durstiger Gier auf den Rand der dunklen Plattform, auf der er steht, zu schwappen.

Dann öffnet er erneut sein inneres Auge - das Sehende, das ihm sein Bekenntnis zu Astrael verlieh. Die bittere Realität verschwimmt und er sieht die Bilder dessen, was er in der kurzen Zeit der Freiheit genießen durfte. Den Tag des Erkennens, die Tage der Reue, die Tage des neu erwachten Lebens. Seine Tage. Ganz allein seine Tage, das erste Mal im Leben. Er konnte darüber bestimmen, wem er sie widmet, er konnte sie in vollen Zügen genießen, jeden einzelnen.

Kaum etwas dringt an seine Ohren - er hat seine äußeren Sinne auf ein Minimum zurückgefahren. Am Rande bekommt er mit, dass er wieder einmal Verräter genannt wird, dass er die schlimmste Schuld auf sich geladen hat, dass es keinen schlimmeren Frevel gäbe, eine ewige Litanei von Vorwürfen, zu denen er nurmehr lächeln kann. Er weiß, dass sie blind sind, dass es für sie nur eine Richtung gibt und dass für ihn hier und jetzt kein Ausweg möglich ist. Denn dies ist kein Gericht, sondern eine Hinrichtung, die nur noch verkündet werden will.

Flüsternd beginnt er schließlich zu beten. Beinahe lautlos bewegen sich seine Lippen dabei.

"Ihr heiligen Viere, ich danke euch für die wenigen Momente, die ihr mir in Freiheit vergönntet
ich danke euch für eure Gnade, die mir, der ich meine Taten bereue, zuteil geworden ist
Meine Demut gilt allein euch. Nicht dieser Farce hier.

Bellum. Deine Kraft wird mich aufrecht und erhobenen Hauptes aus dieser Welt treten lassen.
Astrael.. dank deiner weiß ich um die Falschheit dieses Treibens hier und um den Weg des Lichts, welcher der meine ist."


"Bestreitet ihr dieses Urteil?"

Er unterbricht seine leisen Worte, um den Satai direkt anzublicken, der ihm nach seinem Monolog schließlich diese Frage stellte. Allein das schon ein Frevel, wäre er noch ein Schüler. Aber alle Furcht ist aus ihm gewichen, zu verlieren hat er ohnehin nichts mehr. Zu was hatten sie ihn nun verurteilt? Er hatte es nicht einmal mitbekommen. Einerlei.

"Nein".

Die einzig richtige Antwort. Das Ergebnis wäre in jedem Fall das gleiche.
Leise setzt er gleich darauf sein Gebet fort:

"Morsan. Der du mir Ruhe und Erholung brachtest nach all den Jahren der Pein. Der du ein Ohr fandest für meine Sorgen und der du mir Ruhe versprachst am Ende aller Dinge, das nun bald erreicht ist.
Vitama..."


"Gibt es noch Worte, die ihr zu sprechen wünscht?"

Diesmal lächelt er weit und ehrlich auf. Hätte es einen passenderen Moment geben können, ihn erneut in seinem Gebet zu stören? Er wendet den Blick zur Seite, blickt ihr nun lächelnd, ohne jedes Gefühl der Angst oder Trauer direkt in die Augen. Er sieht ihre Tränen, sieht ihre Gefühle, die kurz davor sind, sie gänzlich zu übermannen. Und doch schenkt auch sie ihm ein kleines Lächeln als die einzige Antwort, die er braucht.

"Ich liebe dich, Marnie".

Er vernimmt ein schockiertes Husten des Tardukai, der auf ihn aufpasst. Dies war ihr letzter Moment. Keinen besseren Zeitpunkt könnte es geben für dieses Bekenntnis der wahren Liebe, hier im Heiligtum dessen, der zu jener Liebe schon immer unfähig war.

"Und die Liebe ist es, die auf alle Zeit lebt. Und über die Zeit hinaus."

Sie nickt dazu.. langsam und deutlich, ehe er leise vernimmt: "Ich dich auch".

Er hält den Blick bei ihr, in ihren Augen, die ihm so viel schenken konnten. Sein Lächeln bleibt, obwohl er weiß, was nun geschehen wird. Schon tritt der Tardukai hinter ihn. Er hört, wie die große Klinge blank gezogen wird, er hält den Kopf aufrecht, stolz, trotz der erzwungenden knienden Position. Von beiden Seiten wird er von zwei weiteren Tardukai gepackt und fest gehalten. Der düster rote See im Becken vor ihm beginnt sich zu kräuseln und immer wieder lecken kleine Wellen über den Rand - wie in unstillbarer Gier. Dann in seinem Rücken kalte, verachtende Worte:

"Gottkönig - Bewahrer des Seelenheils. Am heutigen Tage haben wir die Reihen eng geschlossen. Die Treusten der Treuen werden dein Urteil vollstrecken und die Schülerschaft rein waschen. Wir werden die Fehler, die Feigheit und die Blasphemie von Arn Toron weder aufzeigen, noch verstecken. Denn allmächtig und allwissend hast du dein Urteil bereits gesprochen. Wir bringen Dir seinen Körper und werden das Blut fließen lassen, bis auch seine Seele an die Pforten Yedorrons klopft und deinen Urteilsspruch empfängt. Für deinen Propheten, unseren Fürsten, den Verkünder aller Wahrheit. Heil unserem Fürsten und gepriesen sei Angamon. Angamon, Dukairy Hor!"

"Ihr Viere, ich danke euch. Für Sie. Für uns!"

Er kann die Worte gerade noch rufen. Er zweifelt nicht. Er ist voller Hoffnung, dass die letzten Worte des Tardukai sich als eine der vielen Lügen erweist. Was er tun konnte, um seine Seele zu retten, um zu verhindern, dass sie ihn als niederen Untoten in die Welt zurücksenden würden, hatte er getan. Mehr als das. Der Dunkle konnte seine Seele nicht bekommen - denn jene gehörte Ihr.

Dann bohrt sich die eiskalte Klinge unbarmherzig in seinen Rücken, begleitet von der Intonation eines fremdartigen Chorales, der sich tausendfach im Sanctum zu verstärken scheint. Finstere Worte einer längst vergangenen Sprache, die in Mark und Bein gehen und die Wallungen des Blutbeckens verstärken, das lechzend nach seinem Blut leckt, das den Boden davor bedeckt. Die Spitze der grausamen Klinge erreicht schon bald sein Herz und bringt es für immer zum Stehen.

***
Was bleibt, ist Liebe.

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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 20.03.12, 11:20 
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Zitat:
"Geht. Seht es euch nicht mit an, ich bitte euch."

Oft hörte sie diese Worte. Viele sagten es ihr. Doch wie konnte sie gehen, wenn er hier war? Ihre Wege hatten sich schon einmal getrennt.. Die Bruderschaft war der Grund gewesen. Doch diesmal war sie ebenso der Grund, weshalb sie blieb. Viel wurde gesprochen in den vergangenen Tagen. Sie fühlte sich wie ein gefangenes Tier das ausbrechen wollte und doch schon so abhängig war von seinen Fängern, dass es nicht wagte durch die offene Türe zu entfliehen.

Sie wusste um die Beweggründe, weshalb die Bruderschaft so handelte wie sie handelte und weshalb es auch kein anderes Urteil geben konnte, als den Tod. Nicht anders ging man mit.. Verrätern .. auf Seiten der Viere um. Nicht anders handelte man im Namen des Königs mit Fahnenflüchtigen. Aber dieses Ende war nicht gerecht - Sich abzuwenden war die einzige Möglichkeit, wieder Herr seiner Seele zu werden.
Dieser wollten sie habhaft werden, waren vollster Überzeugung, dass sie ihrem Götzenkönig selbst im Tod noch dienlich sein würde. Untot sollte er wandeln, niederstes Tun verrichten in jener Finsterniss, zu welcher man die letzte Lebensessenz senden würde. Konnte das der Wahrheit entsprechen? Hatten die Viere in diesem dunklen Ort wirklich keinerlei Einfluss? Mit jedem Augenblick der verstrich, wurde diese Ungewissheit immer mehr zur Angst, welche die Hoffnung auf ein Entkommen vor dem letzten Schlag niederzwang. Die Sätze kreisten immer und immer wieder in ihrem Kopf herum, während sie voller Unruhe ausharrte. Wartete, bis sich alle Dunklen gesammelt hatten, um den Weg in ihr Heiligstes anzutreten. Zu seinem Ende.

Alles was sie tun konnte, war bei ihm zu sein. Den letzten Schritt gemeinsam zu gehen, bis der Herzschlag verstummt und sie alleine zurückblieb und sie dereinst, nicht heute, folgen würde.
Was sie nicht bemerkte, war, wie sich alle in Bewegung setzten. Es war soweit. In die Mitte der zwei Feradai genommen, erklangen nurnoch die schweren Schritte der Gerüsteten. Ihre eigenen verklangen im Staub der Zeit, die rasend vorüberzog. Nur eines störte dieses Bild, diese Geräuschkulisse. Das Krächzen eines Raben, welcher sich auf einer der Burgzinnen niedergelassen hatte und mit seinen dunklen Augen das Geschehen im Hof verfolgte.

Vögel, hier an diesem Ort..? Dieser.. Sphäre?

***


Das Sanctum zu betreten war, als würde ihr das Blut in den Adern gefrieren, jegliche Wärme entzogen werden und einige Momente lang konnte sie sich kaum rühren. Dickflüssiges Blut waberte teils an den dunklen Wänden herab. Ein unheilvoller Strom, der den ganzen Raum einzunehmen schien. Ebenso wie der durchdringende Geruch nach Kupfer, welcher dem roten Fluss rings herum anhaftete, sich in ihre Geruchszellen bohrte.
Die Dunkelheit schien bis in ihr Innerstes zu kriechen. Langsam. Unaufhaltsam. Und doch nahm sie ihren Geist nicht gänzlich ein. Worte wurden gesprochen, die sie nur dumpf, wie fernes Gemurmel wahrnahm. Sie sah zu Arn. Sah nur ihn. Keiner konnte ihnen nehmen was sie hatten. Niemals. Selbst nicht im Tod, denn auch dort würden sie sich wieder finden.
Einzig seine Worten brannten sich in ihr Gedächtnis. Sie wollte, musste stark sein. Für ihn und für sich selbst. Das Letzte was sie ihm noch geben konnte, war Gewissheit. Ein unbändiger Strom aus Gefühlen durchdrang ihre Glieder, als der Stahl sich in seinen Nacken bohrte. Geführt von der Hand des Blonden.
Ihr Körper versagte ihr jegliche Kraft. Die Feradai verhinderten mit festem Griff, dass sie gänzlich in sich zusammensank, wie der Körper des Mannes, der nun vornüberglitt in das blutgefüllte Becken. Es war, als würden begierige Glieder sich aus dieser unheilvollen Masse heben und ihn an sich reißen.
Der Blick verschwamm in einem Moment aus glühendem Schmerz, der sich um ihr Herz legte..

***


Die nicht enden wollende Blutspur aus dem Allerheiligsten heraus, führte bis in den Burghof. Sie hatten seinen Körper hinausgezerrt. Wie Abfall lag er in sich zusammengesunken auf dem harten Stein. Nurnoch eine leere Hülle.
Doch auch wenn sie gänzlich von Trauer erfasst das Treiben im Hof kaum wahrnam, so hob sie dennoch den Blick. Eine Bewegung in dem nachtschwarz umgebenden Himmel dieses dämonischen Werkes wo sie sich befand. Etwas, jemand, zog dort seine Kreise. Leises Flügelschlagen, und das kräftige, große Tier erhob sich immer mehr, bis es mit der Dunkelheit verschwand.

Sie spürte wie sich eine beruhigende Stille in ihren Körper legte und wusste.. Der Rabe war nicht allein und sein Weg führte an einen Ort, wo alles Leid sein Ende fand und jegliche Furcht durch die schützend ummantelnden Arme Morsans in Nichts schwand.

Dann sank ihr Blick wieder herab, streifte einen einen nach dem anderen, wie sie sich auf ihre Pferde begaben, als wäre nichts geschehen. Auch sie würden ihr Urteil erhalten. Eine Aufgabe, ein Ziel.

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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 21.03.12, 14:47 
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Jegliches Blut war aus dem toten Körper gewichen. Einem nassen Sack gleich, vergessen und unbeachtet, war er in die Schlafräume der Schüler geworfen worden. Süßlicher Verwesungsgeruch durchzog die schwarzen Mauern, als die Feradai den Corpus packten und ihn durch die langen Korridore nach draussen trugen.

Kurz vor den Toren der Burg warfen sie ihn wieder auf die Erde zurück. Lebloses Fleisch schlug dumpf auf die Steine auf, widerstandslose Knochen knackten in einem ekelerregenden Geräusch. Mit Seilen verschnürt, in seiner letzten Pflicht auf dieser Sphäre.

Hämmern tönte über die Zinnen, das Echo weit hinabgetragen in das Tal der Heiligen Stadt, einen halben Zyklus lang. Erst danach kehrte wieder Stille inmitten der Ödnis ein.

Und wie ein Mahnmal prangt des Verräters Leiche, als Zeichen, als Erinnerung für all Jene, die ihre Treue gaben.

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Denn das war es, was er sie als Erstes lehrte. Gebunden, bis in die Ewigkeit.

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<Oberon>selbst das wort "Frau" ist ethisch nicht mehr korrekt
<Oberon>das nennt man jetzt "Mensch mit Menstruationshintergrund"


¯\_(ツ)_/¯

<Solos>Sorania = Spielerin ohne richtige Ahnung nervt irgendwie Alle


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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 24.05.12, 20:17 
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Das letzte Versprechen

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Schweißgebadet schreckt er auf. Schwarze, samtene Kissen um ihn herum und dieser penetrante Geruch nach verbrannten, einschläfernden Kräutern der Messen. Wieder eine alptraumreiche Nacht war es gewesen. Die drei Wochen im Ödland haben seine Spuren hinterlassen. Dazu der modrige, versucht überdeckte Geruch nach Verwesung, welcher aus der Krypta strömte.


Jede Nacht hörte er die Geräusche des Ödlandes in seinem Kopf. Das Schlurfen von untoten Leibern über den Boden. Schmatzend, wenn sich die fauligen Stummel, welche sich einmal Zähne nannten, in das Fleisch einer Beute bohrten. Das Fleisch hinaus rissen, um es dann gurgelnd zu verschlingen. Oftmals musste er in den Nächten zu seiner Klinge greifen, um fauliges Fleisch zu durchtrennen. Doch auch wenn die Nahrung knapp wurde und die Umstände immer härter für ihn, so fühlte er sich an eben jenem Ort fast heimisch. Der Wind, der durch die Mauerlöcher pfeifte, hatte etwas von Freiheit. Hier hatte er eine Aufgabe und wandelte nicht heimatlos durch riesige Straßen.


Alsbald fingen ihn die Kissen wieder auf. Wo, wenn nicht an diesem Ort sollte er Schlaf finden? Er sah in die Flammen der Kohlebecken. Wie sie sich empor hoben und die Kohlen unter ihnen zu silbrig-grauen Stücken versengten.


Vorbereitungen wurden getroffen. Kleidung, Haare und Statur. Nichts durfte mehr ihm gleichen. So wurden die Haare immer länger, der Bart zotteliger. Nur das Minimum an Nahrung hatte er zu sich genommen und schon bald wurde er immer untersetzter und schwächer. Die Kleidung musste gut gewählt werden. Die Farben durften ihn nicht verraten, sondern ihn mit der Umgebung dort verschmelzen lassen. Eine Täuschung musste her. Doch wie bekommt man ein Mahnmal entwendet, ohne dass es auffällt? Leiche für Leiche hieß das Prinzip in diesem Fall. Ein Zombie musste es richten. Und seine ausgesuchte Umgebung lieferte genug davon. Er wusste, dass er eine Art der Leichenschändung beging, als er einen der Untoten, durch identische Wunden des Zieles seiner Täuschung, niederstreckte. Den aufgedunsenen und verwesten Leichnam in einfache Kleidung packte und ihn für das große Vorhaben präparierte. So war es vorbereitet. – Zumindest zu einem Teil.

Es hätte wohl nicht ohne Hilfe geklappt. Doch wie es immer gepriesen wird, kann „dein Feind auch dein bester Verbündeter werden. “
Sie war verloren, das wusste er. Ihre Seele konnte niemals Ruhe finden und er war auch nicht der, der ihr jenes ermöglichen wollte. So hatte Sie es sich vor langer Zeit selbst ausgesucht. Und doch waren sie sich nicht sehr verschieden. Beide verband ein Versprechen, welches sie auf hartnäckige Weise einhalten wollten. Die gewisse Distanz von vorherigen Tagen wich allmählich, als sie sich noch nicht einmal den Rücken zukehren wollten in ihren Planungen und Treffen. Stete Fassaden von Unnahbarkeit wurden aufrechterhalten und man kam niemals vom Ziel ab. Doch auch Sie schien etwas an diesem Ort zu verspüren, an dem Sie gezwungener Maßen mit ihm verweilen musste. Rausgeholt aus ihrer gewohnten Umgebung wich die Aufmerksamkeit für einander. Das Gefühl wich, sich mit dem jeweils „Bösen“ einzulassen und verraten zu werden. Und die Gespräche schweiften von ihrem Versprechen ab. Zogen sie aus der Realität und ließen sie kurzzeitig das Vorhaben vergessen.


Und wieder wachte er aus einem seiner Träume auf. Dieses mal war es die Fratze des Todes, welche in seinem Kopf erschienen ist. Eitrige Rückstände und Säfte der Verwesung sprenkelten in sein Gesicht, als die Fratze hämisch lachte. Auf welch verfluchten Ort hatte er sich nur eingelassen, wenn selbst im Schreine Morsans ihn diese Bilder noch jagten.


Schnell musste es gehen, fast gehetzt. Und obwohl die Planungen über Wochen verliefen und alles klar war, fühlte er sich nicht vorbereitet genug. Dieser von ihm stets gemiedene Ort wäre über die Tage verlassen hieß es. Doch wie verlassen kann ein Ort sein, an dem eine abstruse Gottheit wohnt? Sie stellte sein Vertrauen erneut auf die Probe, als Sie ihn mit verbundenen Augen durch die Sphären lotste. Geradewegs in die Hochburg des Übels, welche er seit Götterläufen bekämpfte. Er merkte wie sich sein Magen bei jedem neuen Riss zusammen zog und die brodelnde Galle nach oben presste, seine Speiseröhre verätzte. Sein Körper zitterte und die Beine wurden immer schwerer je näher sie kamen. Und auch wenn er kein äußerst gläubiger Mensch war, oder den Vieren näher stand als jeder beliebige Freie, so spürte er die Macht des gefallenen Sohnes ihn immer weiter zu Boden ringen. Doch er musste weiter. Sein Ziel war so nah wie nie zuvor und Verlorene schien recht zu behalten. Die schwarzen Mauern sahen verlassen aus. Gewaltige Mahnmale zu den Schwellen des Ungenannten. Zielgerichtet führte Sie ihn durch die Bauten und überall fühlte er sich, als wenn tausende Blicke auf ihn gerichtet wären. Hinter jeder Ecke vermutete er jemanden zu sehen, der seinen Plan vereiteln könnte. Doch dem war nicht so. Gar friedliche wirkte jener Ort für einen Moment lang. Er sah aus wie jede andere Stadt auf dieser Insel, wären da nicht die abstrusen Symbole, Banner und das unablässige Gefühl, als wenn ihm etwas im Nacken sitzen würde. Zeigte ihm seinen Fluchtweg und schlussendlich den Grund für seine Taten.

Dort hang er also. Der regungslose Körper seines Freundes. Auf gehangen als Zeichen all jener, die dem gefallenen Sohn absagten. Doch vergessen hing er dort schon seit Monden. Der Körper wirkte aufgedunsen und gleichzeitig verfallen. Die Kleidung wurde schon von der Witterung angefressen und wies unzählige Flecken der Flüssigkeiten auf, welche bei einer Verwesung entstehen. Das Gesicht war eingefallen, kaum mehr zu identifizieren und von getrockneten Blutflecken entstellt. Die Schlinge um den Hals des Toten zeigte ebenfalls die Achtlosigkeit, welche diesem Mann gezeugt wurde, da sie sich langsam aber stetig in das faulende, nachgebende Fleisch frass und schon bald den Kopf vom Rumpf zu trennen schien. Einzig die zu erahnende Statur des Mannes und die vereinzelten, blonden Haare, die noch in der Kopfhaut gehalten wurden, machten den Toten als Arn Toron identifizierbar.
Und auch hier musste es wieder schnell gehen. Der Ort seiner öffentlichen zur Schaustellung lud förmlich dazu ein, ihr Vorhaben zu entdecken. Der präparierte Untote wurde von dem Packpferd geladen und in ihre Arme gedrückt. Er selbst machte sich da dran, die feinen Leichentücher für den toten Körper auszubreiten. Die dann folgenden Minuten vergingen für ihn wie ein paar Zyklen. Ausharrend stand er unter dem schwarzen Tor, der Blick immer wieder paranoid um ihn herum geworfen, ehe er wieder den baumelnden Toten fixierte. Jeden Moment, wie Sie auf die Zinnen stapfte, um den Austausch zu beginnen, hätte nur ein Schaulustiger die ganze Vorbereitung beenden können und ihn in arge Schwierigkeiten bringen können. Dann ging es jedoch ganz schnell. Sie durchkappte das Seil, an welchem der Tote hing und jener fiel genau auf ihn zu. Die Arme empor gestreckt landete das menschliche Mahnmal in seinem halb verwesten Zustand in seinen Armen. Die Wucht, mit welcher der Tote in seinen Armen landete, lies ihn in die Knie gehen und gen Boden sinken. Für mehrere Augenblicke, die er so in die Fratze des Todes blickte und die Verwesungsreste sich auf ihm verteilten, spürte er, wie sich eine eigene Schlinge um seinen Hals zog. Ihm wurde die Luft geraubt und er fühlte sich der Ohnmacht nahe, als er die menschliche Mahnung in den Händen hielt, die so viel Hass, Zorn und Abscheulichkeit für die Bewohner dieses Ortes darstellte. Doch schon bald wurde er aus jenen Gedanken gerissen, als über ihm der präparierte Zombie über die Zinnen geworfen wurde. Die Kleidung glich exakt die, des Leichnams in seinen Händen und, durch den Verwesungsgrad war auch nicht ohne größeres studieren und vergleichen der beiden zur Schau gestellten, ein eindeutiger Unterschied festzustellen. Eiligst wurde der Körper in die feinen Leichentücher eingewickelt und fest auf dem bereitgestellten Packpferd verschnürt. Als seine Komplizin dann wieder von den Zinnen zurück war, machten sie sich auf den Weg zurück. Er spürte nun, wie sich Krallen nach ihm austreckten. Ihn und seine Fracht ergreifen wollten und nicht einverstanden waren mit dem Fortgang des unheiligen Mahnmals. Und noch einmal betrat er ein abscheuliches Symbol auf dem Boden, Sphären wurden durchschritten und er fand sich alleine mitten im Ödland wieder, in welchem er keine Zeit mehr bleiben wollte. So führte er sein Packpferd ungesehen durch den Falkenwall in Richtung Falkensee.


Der Sarg, welcher in der Krypta schon bereit stand, wartete nur auf seine wertvolle Fracht. Das feinste Holz wurde für jenen benutzt, geschwärzt und auf Hochglanz poliert. Feine Ornamente und Gravuren zierten ihn mit Zeichen der vier Göttlichkeiten. Der Innenraum war gepolstert mit rotem Samt. Und so bettete er ihn in jenem, bis zu der Zeit, bis Sie ihn bekommen sollte.



Sie war es, für welche er das ganze tat. Ihr gab er ein Versprechen, in der Hoffnung ihre Vergangenheit abschliessen zu können. Vieles hatte er schon dafür getan. Sie befreit aus vielen Lagen, ihr Ballast abgenommen und Leben geschenkt. Stets fühlte er sich ihr für ihre alten Taten verpflichtet. Doch nun war es damit beendet. Das letzte Versprechen war eingehalten und ihre Reaktion, ihr ausbleibendes Interesse für ihn, lies ihn verstehen.
Noch einmal führten ihn seine Wege in das Haus. In dieser lieblosen Stadt, die niemals sein Zuhause sein sollte. Doch es war leer. Keine Zukunft lag in diesem Gebäude für ihn. Nichts, was ihn binden wollte. Ein Neuanfang? – Nein. Es war Zeit zu gehen


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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 29.05.12, 12:15 
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Gnade

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"Ich will folgen deinem Pfad, auf daß er der Meine wird."


Die Dunkelheit hatte sich bereits über die Berge hin abgesenkt. Wind, wie ein leises Flüstern, strich über den weißen Stoff der Robe, schlug immer wieder Falten im verschlissenen Stoff und verlor sich schliesslich über die Klippen ins Nichts, weit hinunter ins Tal, wo gerade noch die Baumkronen des Südfaller Waldes zu erkennen waren. Der getrübte Blick wanderte immer wieder unruhig über das eigentlich harmonische Bild der trügerischen Idylle etliche Fuß unter ihr. Wie lange sie schon dort stand, wusste sie nicht genau - und es spielte auch keine Rolle mehr, nicht jetzt und vor Allem nicht hier.

Erst, als die leisen, nahenden Schritte die Stille durchbrachen, fuhr Regung in die Berobte. Der Kopf drehte sich langsam zur Seite, als die schwarze Silhouette sich langsam in ihr Blickfeld stahl...

---


"Zieht Euch aus." War das sein ernst? "Nekra, das werde ich nicht tun. Auch wenn ihr..." Weiter kam sie nicht. Unbarmherzig schmetterte er die bepanzerte Faust mitten in ihr Gesicht. Ein leises, kaum wahrnehmbares Knacken, als ihre Nase das zweite Mal binnen weniger Tage brach. Sie spürte den Schmerz schon gar nicht mehr, als der Aufschlag ihr kurz jegliche Atemluft nahm und ihr Blickfeld sich in der nahenden Ohnmacht zusammenzog. "Ich habe Euch einen Befehl gegeben, Khetai!" Seine Stimme war mittlerweile zu einem donnernden Schreien angeschwollen, welches nur dumpf an ihr Ohr klang. Sie taumelte beiseite, Blut schoss aus der gepeinigten Nase und besudelte die Kleidung wie ein Sprühregen an einem warmen Astraeltag.

In diesem Moment hasste sie ihn wie noch nie zuvor.


---


Kein einziges Wort wurde gesprochen, als er sich neben sie stellte. Und auch der hasserfüllte Blick der Anderen durchbohrte sie eine ganze Weile, ehe sie sich abwandte und auf das hölzerne Gefängnis blickte, wo der Tote aufgebahrt war. Noch war es Zeit, bis der stumme, einvernehmliche Frieden endete. Seine Nähe in diesem Moment, direkt neben ihr, barg eine seltsame Sicherheit, genau wie damals schon, als sich die Dunkelheit nur ganz langsam mit dem Aufgehen Felas weit am Horizont brach - und ein leises Echo sich seinen Weg zum Abhang bahnte. Er war wiedergekommen. Flügelschlagen.

Wenn nur...

---


Wieviele Tage hatte sie schon dort ausgeharrt? Zwei? Drei? Die Zeit in der Öde stand still, wenn man sich zu lange in ihr bewegte. Und selbst das musste ihm klar gewesen sein, als er sie dorthinschickte. Das leise Prasseln des Lagerfeuers, welches das Lager in flackerndes Licht tauchte, wurde immer wieder vom Kratzen, Schaben, widerlichem Schmatzen gestört, von all den Dingen, die sich unweit des kleinen Lagers auf der Suche befanden, nach jenen Verlorenen, die den Weg nicht in die Sicherheit des Götzenlandes zurückfanden. "Habt ihr Hunger?" Was für eine Frage. Eigentlich hatte sie ihn nicht, aber sie wusste auch, was ihr blühen würde, wenn sie dieses notwendige Übel auch hier vernachlässigen würde.
Die Schale, die er ihr brachte, war ein ekelerregnder Sud aus Tierfett, Wasser, blanken Knochen und kleinen Knödeln, die er wohl mitgebracht haben musste in dieses karge Land. Aber es war egal - und wenn ihr erneut die Galle hochkam nach dem Mahl, so hatte sie ihre Pflicht erfüllt. Wieder einmal.
Und doch war es ein Stück Heimat, so fern von Allen Dingen, die sie unrettbar voneinander trennten. Für den Rest ihrer Existenz.


---


Mit einem Knirschen gab der Schnee unter ihren Stiefelsohlen nach, als sie herumwirbelte und die schartige Klinge erneut anhob. Ihr war entsetzlich kalt, so weit Oben auf dem Berg, doch auch dieses Gefühl schien langsam zu verebben, als die Wut durch jede Pore nach Oben kroch und sich auf die Frau gegenüber richtete. Blutspritzer durchzogen das perfekte Weiss des Schnees, der sich auf dem Kampfplatz verteilte.
Lauerndes Pirschen, wie zwei Wölfe, die nur darauf warteten, daß der Andere eine Schwäche preisgab um danach zu schnappen und zu zerfleischen. Schweiß rann ihr, trotz des schneidenden Windes, von der Stirn, als sie federnd in die Knie ging und nach Vorne stiess - der ganze Hass in einem einzigen, zornigen Schrei manifestiert.

Klirren. Metall auf Metall.

---


"Vielleicht war es besser so. Ihr ward nicht in der Lage, auf ihn aufzupassen. Wo er ist, geht es ihm sicher besser als bei Euch."
Ihre Hand verkrampfte sich, verborgen in ihrem Schoß. Was wagte es diese Frau, über Dinge zu sprechen, von denen sie absolut Nichts wusste? Auch wenn ihr klar war, daß sie mit ihr spielte - Niemand erdreistete sich, ihr die Schuld für Magnus' Fehl zu geben. Schmerzhaft presste sie die Zahnreihen aufeinander, während Stich für Stich die Worte der Roten auf sie niederprasselten.
Und als sie aufsprang, den Stuhl beiseite trat - war da nur noch der Trieb, das Verlangen, sie mit eigenen Händen zu töten - und ihn.


---


"Ich sagte dir, ich liebe dich - du hast die Worte erwidert. Gelten sie immer noch?" Auch wenn sie wusste, daß es falsch war - in diesem Moment konnte sie seine Frage nur mehr als bejahen. Sie waren allein, in dem großzügigen Raum, der wenig zum Zwecke so eingerichtet war, sie als "Gast" zu beherbergen. Die tiefen Wunden schmerzten, auch wenn der Umhang als provisorischer Verband zumindest den Blutfluss gestoppt hatte.
"Ich fürchte mich nicht." Die Worte kamen ihr nur schwer über die Lippen - und doch so leicht, hier, in dieser einsamen Vertrautheit. Noch vor wenigen Monden, als alles noch Anders schien, wären sie sich niemals so nahe gewesen wie in diesem Moment. Sacht legte er ihr die Hand an den Hinterkopf, an das klamme, verschwitze und halb gelöste Haar und zog sie dicht an sich heran.
"Aber ich."
Sie vergrub das Gesicht an seiner Schulter, an der dunklen Weste und für einen Herzschlag lang war jeder Zweifel getilgt. Vertrauen, Hoffnung, Zuversicht dort, wo einst nur Hass, Zorn und Verzweiflung ihren Weg fanden. Nicht nur gebunden an das Blut, welches sie in sich trugen, wurde ihr klar, daß es mehr als darüber hinaus ging - und daß es Alles war, was sie für das Jetzt und Hier brauchte.
Ein leises, schabendes Geräusch - doch sie hörte es schon nicht mehr - als er den Dolch aus seiner Halterung zog und die Spitze auf ihre Brust setzte.
"...ich vergesse dich nicht."
Kein Schmerz, Nichts, kein einziges Gefühl, welches sie durchzog, als die unbarmherzige Klinge sich in ihr Herz bohrte. Sein klammernder Griff, sie haltend, wie ein weinendes Kind in den Armen, daß Trost bei dem geliebten Vater sucht - und ihn fand.

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<Oberon>selbst das wort "Frau" ist ethisch nicht mehr korrekt
<Oberon>das nennt man jetzt "Mensch mit Menstruationshintergrund"


¯\_(ツ)_/¯

<Solos>Sorania = Spielerin ohne richtige Ahnung nervt irgendwie Alle


Zuletzt geändert von Sorania: 29.05.12, 14:42, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 29.05.12, 13:03 
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Es war ein weiter Weg. Der Weg zu seinem letzten Ort der Ruhe. Dort, wo alles begann und dort, wo alles endete. Trauer hatte ihr Herz vom ersten Augenblick an erfasst und nur selten gelang ihr der Ausbruch aus den unzähligen Gedankengängen, die nur wieder zu ihm führten. Tage hatte sie neben dem Sarg im fahlen Licht der Kerzen in der Krypta ausgeharrt, war sogar auf dem blank poliertem Holz eingeschlafen und unter Tränen wieder aufgewacht. Immer wieder verließen leise Worte ihre Lippen, die sich in die Leere des Raumes richteten, an ihn. Ungehört verklangen sie, doch mit jedem Korn, das durch die ewige Sanduhr der Zeit rann, konnte sie sich lösen. Er war Zuhause. Er war in Sicherheit. Er war bei ihr. Für immer.
Es war an der Zeit, Abschied zu nehmen und ihm einen Ort zum Verweilen zu geben.. In kleinem Kreis waren sie beisammen. Verbunden durch ihn und doch jeder für sich und getrennt durch so viele unterschiedliche Dinge. Das Krächzen eines Raben drang an ihr Ohr und riss sie aus ihren Gedanken, nachdem die letzten Worte des Abschieds gesprochen waren. Lautlos sank eine schwarze Feder herab, tanzte und flirrte ein wenig im Wind, bis sie in kleinen Spiralen in der Dunkelheit des ausgehobenen Grabes versank..

***


"Bringen wir es zu Ende."


***


Eisig zerrte der Wind durch die zerklüftete Felsenlandschaft und ihrem Haar. Der Nieselregen, der es zuvor noch tränkte, gefror zu kleineren Kristallen und lies ihre Erscheinung recht starr wirken. Nur die Geräusche ihrer Schritte, die geradewegs den beschwerlichen Weg hinauf durch den Schnee führten, begleiteten ihren Weg und der leise, rasselnde Atem. Was sie dort oben letzten Endes erwarten würde war egal. Es musste getan werden, auf die eine oder andere Weise. Es gab kein Zurück und das Schicksal beider war schon vor einer Ewigkeit festgelegt worden.
Was sie mit hinauf nahm war ihre Zuversicht, ihre Stärke und ihr Schwert.

Schließlich blieb sie stehen. Der Ausblick von hier oben war atemberaubend schön. Man konnte nahezu die ganze Insel überblicken. Ins Tal von Südfall, nach Falkensee, wo die Fahnen wehten, zur hohen Burg Seeberg und bis zu den Zinnen der Mauer von Brandenstein..
Der Blick richtete sich nun auf die Frauengestalt, die nahe des Abgrundes stand und hinabsah. Mager war sie geworden. Narben zierten den angespannten Körper und geschunden wie sie äußerlich wirkte, war gewiss auch ihr Inneres. Woher kam all diese Wut? Die Frage würde ihr wohl nie beantwortet werden..

Langsam wendete sie und der Hass in ihrem Blick mehrte stetig wie eine wachsende Welle, welche drohte die Küstenlandschaft unter ihren Wogen mit Nachdruck zu glätten.

Worte wurden gesprochen, welche die Ehre forderte und die Annahme der Herausforderung war der entscheidende Teil des ineinandergreifenden Werkes, welches sie hier oben zu beenden gedachten. Ihre Hand umfasste den schwarzen, ledernen Griff ihres Schwertes, welches sie langsam aus der Scheide zog. Für ihn.. Für sich selbst. Für alles, was das Tun der Ketzer vernichtet hatte. Es würde ein ausgeglichener Kampf werden. Sie beide waren nicht beseelt davon, in schwerer Rüstwehr zu agieren, es behinderte nur. Beide getrieben von Dingen, die der jeweils andere nur im Ansatz zu verstehen mochte und doch war der Wille gleichermaßen stark, dass Sturm gegen Sturm wetterte.

Der erste Schlag. Geräuschvoll donnerten die Klingen aneinander und ein angenehmes Beben ging bei dem Aufprall durch ihren Körper. Es war etwas anderes gegen Monströsitäten vorzugehen und deren Fleisch zu durchtrennen, oder einem aus gleichem Volk gegenüber zu stehen, welcher sich selber Dinge bediente. Jede Faser der Körper bis zum Zerreißen gespannt. Erstes Blut floss nach einer Unachtsamkeit und spritzte kleine Tropfen im weiter geführten Schwung des Schwertes auf das reine, unangetastete Weiß des Schnees. Doch der Schmerz war unwichtig, wurde verdrängt und das rasende Herz in ihrer Brust trieb sie nur wieder vorwärts. Weitere Wunden wurden geschlagen. Man geriet ins Taumeln, verließ seine Deckung und ging schließlich nurnoch auf Konfrontation. Bis..

Sich wieder Stille nach dem niederhagelnden Gewitter der Schwerter auf die Erhöhung legte. Leises Keuchen durchbrach jenes und die ausgestoßenen Dampfwolken verloren sich alsbald in der eisigen Luft. Auch sie würden vergehen. Beide. Es wäre ein schöner Ort zu sterben..
Der liegende Körper wurde gewendet. Es war noch nicht vorbei. Der Schnee, welcher den leicht bekleideten Leib erfasst hatte, schmolz rasch unter der Hitze, die die Anstrengung forderte und vereinte sich mit dem dickflüssigen Blut, das unaufhaltsam die Wunden verließ. Ihre eigene Hand war zittrig, als sie die Spitze des kühlen Stahls geradewegs auf die Kehle der Darniederliegenden richtete. Ihr Brustkorb hob und senkte sich rasch, um wieder beherrschte Ruhe zurückkehren zu lassen. Der Sieg gebührte ihr, aber es fühlte sich nicht wie einer an. Erneut stand sie vor einer Entscheidung. Leben oder Tod. Aber was wäre es für ein Leben? Noch ein Feind, welcher sich scheinheilig weiter unter den Leuten bewegte, um irgendwann den finalen Dolchstoß auszuführen? Oder der Tod, welcher so endgültig war und die Ungewissheit über den Verbleib ihrer Seele sie bis zum eigenen Dahinscheiden plagen würde?

"Weißt du.. Weißt du was Gnade ist?"


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Sólo que a veces no lo vemos.

Manchmal sehen wir es nur nicht.


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 Betreff des Beitrags: Re: Gericht
BeitragVerfasst: 16.01.15, 19:10 
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Wie schon einige Jahre zuvor, bahnte sich eine in dunklen, warmen Pelz gehüllte Gestalt ihren Weg zum Südfaller Gebirge. Tiefe Schluchten hatte das große Unglück vor einem Götterlauf geformt. Spitz und schroff ragten die Überreste des einstigen Gipfels empor, welcher zum Großteil zerbarst und ins nahe Meer glitt. Von Eis und Schnee umhüllt, wirkten die hohen und schmalen Felsen wie knöcherne Finger, die sich aus dem Herz des Berges gruben - hilfesuchend, doch es gab keinen Halt in dieser Trostlosigkeit. Ein drohendes Mahnmal der jüngeren Vergangenheit der Insel und doch mit so vielen Erinnerungen behaftet, dass selbst sein Verschwinden Gedanken wieder näher brachte, welche man verloren glaubte.
Die Pfade waren mittlerweile überwuchert vom Grün, dass sich den viele Jahre lang getrampelten Pfad zurückeroberte und nun unter dicken Schneeschichten verborgen lag. Geschmälert durch die nahen Tiefen war es zu einem gefährlichen Weg geworden, der nurnoch auf wenige Anhöhen führte.

Und auf einem dieser verbliebenen Aussichtspunkte kam sie zum Stehen. In seiner Mitte barg der Schnee einige unförmige Gebilde und langsam ging sie vor diesem auf ihre Knie. Der Schnee knirschte leise, als sich ihr Gewicht senkte und seine unterschiedlich harten Schichten in sich zusammen drückte und wieder zur festen Ruhe kam.
Behutsam öffnete sie die obersten 2 Knöpfe ihres dunklen Mantels, welcher schwer auf ihren Schultern lag und dennoch die behütende Wärme in sich sammelte.
Darunter verborgen ward eine sorgsam ausgesuchte Rose. In tiefem Rot erschien ihre Blüte, umhüllt von einem satten Grün der Pflanze selbst. Gerade erst im Begriff sich zu öffnen, ihren wahrscheinlich durchdringend angenehmen Duft Preis zu geben.. Doch diese Gelegenheit würde jene Rose nie erlangen.

"Ihr solltet nicht gar so trostlos dreinschauen. Ein Mensch ohne Frohsinn ist wie eine Rose ohne Duft", raunte er nah an ihr Ohr und als sie, allein geglaubt, verdutzt den Blick wandte, sah sie in seine klaren Augen, die ein verschmitztes Lächeln an sie trugen. In seiner Hand hielt er ihr darbietend eine Rose entgegen und in diesem Moment vermochte sie nichtmehr ihre Mundwinkel im stillen Ernst zu bewahren.


Mit wehem Blick betrachtete sie den zum Großteil eingeschneiten, schmucklosen Grabstein. Kein Name, kein Wort war eingraviert. Nur eine Raute, schlicht und einfach, zierte in zusammengeführten, tiefer eingegritzten Bahnen das harte Grau. Niemand sollte erfahren, wer hier seine letzte Ruhestätte gefunden hatte. Zu groß war die Gefahr, dass sich die Dunkelheit seiner Überreste bediente, um seiner Seele doch noch irgendwie habhaft zu werden.

"Ich schenke dir ein Herz,
ein Herz voller Freude und ohne Traurigkeit,
ein Herz voller Sanftmut, Glück und Behaglichkeit,
es soll Dir Glück bringen, es soll Dir Deine Tränen trocknen,
und es soll bei Dir sein in den schweren und schönen Tagen.

Es fühlt Dank, es fühlt Freundschaft und Verbundenheit,
aber auch Sanftmut und die Fähigkeit, zu erkennen,
daß das Herz das Einzige ist,
was die Irrungen und Wirrungen
überlebt in dieser so kalten Zeit."



Ihre Sehnsucht war in den Götterläufen nicht weniger geworden, doch die Akzeptanz der Dinge hatte die Überhand gewonnen. Sie konnte wieder lachen, momente des Glücks erleben und langsam.. Ja, auch die Nähe zu anderen wieder zulassen und die Wärme spüren.
In ruhiger Bewegung legte die Rose auf das reine Weiß nieder, die ihrer sicherlich bald habhaft wurde und Morsans Vergänglichkeit anheim fiel. Wie alles, das auf Tare wandelte, doch..

Nie würde ihr Herz einen Schlag tun, ohne das ein Gedanke bei ihm wäre. Nie würde ihre Liebe zu ihm sich schmälern oder enden. Nie würde sie den Augenblick vergessen, der sie beide trennte. Und nie würde sie ihren Hass verringern gegen die, die dafür verantwortlich waren. Auch nicht nach den Jahren, die auf dieser Insel eine halbe Ewigkeit bedeuteten. Gnade war ein Wort, dass sie nach diesem Tage nurnoch ein einziges Mal gebrauchte.

"Egal wer den letzten Schlag tun wird.. Jeder hier hat seine Hand am Griff des Schwertes."



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Sólo que a veces no lo vemos.

Manchmal sehen wir es nur nicht.


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