SYLEETH
Heiß brannte Tare auf das Land herab. Die Luft war so trocken und bar jeglicher Feuchtigkeit, dass es bei jedem Atemzug in der Lunge brannte. `Hoffentlich regnet es bald! Das halbvertrocknete Land hat es bitter nötig, vor allem die Ernte...wenn kein Regen kommt, werden viele im Morsan viele hungern müssen!´, dachte Syleeth schwermütig, die vergebens versuchte mit ihren zierlichen Händen etwas Wasser aus dem kleinen Rinnsal vor sich zu schöpfen, das noch vor gar nicht allzulanger Zeit ein fröhlich plätschernder Bach gewesen war. `...und das Wasser wird auch bald knapp werden! Was solls, meinen Durst kann dieses kümmerliche Rinnsal ja doch nicht stillen! Außerdem steht die Sonne schon wieder viel zu hoch, wenn ich Tiefenbach erreichen will bevor sie in der Dämmerung die Tore schließen muss ich mich beeilen! Und in dieser sengenden Hitze ist der Weg sogar noch mühsamer.´
`Verdammt, die Ritter müssen aber auch immer im falschen Moment auftauchen, dabei wäre ich doch fast schon da! Bis zu dem Waldstück gleich hinter dem Kornfeld da vorne schaffe ich es nicht mehr, ohne Aufmerksamkeit zu erregen...zumindest meine Waffen kann ich in dem Feld verstecken, aber ich muss sie wieder holen, sobald die Reiter vorbei sind und das kostet mich noch mehr Zeit. Ach, möge Morsan sie doch holen!´ Ohne ihre Schritte zu verlangsamen ließ die Elfe mit geschmeidigen, unauffälligen Bewegungen ihren Langbogen samt Köcher von ihren Schultern und weiter in das Feld neben sich gleiten. Danach löste sie mit einer einzigen schnellen Handbewegung die Schalle ihres Gürtels und legte ihr kunstvoll geschmiedetes Schwert ebenfalls in dem Feld ab.
Kurze Zeit später hatten die Reiter sie auch schon eingeholt und der Anführer der Berittenen zügelte seinen Rappen neben ihr. "Haltet ein Elfe! Nennt mir Euer Ziel, sowie Euer Gewerbe!" "Ich grüße Euch Ritter! Ich bin meines Zeichens Händlerin und auf dem Weg nach Tiefenbach." "Händlerin? Wo sind denn Eure Waren oder seid Ihr eine Händlerin, die nichts zu verkaufen hat?" "Ich habe nicht vor etwas zu verkaufen, nicht auf dieser Reise. Ganz im Gegenteil ich reise ausschließlich in unsere schöne Blumenstadt um zu kaufen." "Tiefenbach, sagtet Ihr? Wir sind auch auf dem Weg dorthin, wir werden uns dort sicher noch einmal begegnen, Händlerin!" Ohne eine weitere Antwort abzuwarten gab er seiner Gruppe ein Zeichen und spornte sein Pferd wieder an. Syleeth sah den davonjagenden Recken noch eine Weile nach, ehe sie umkehrte, um ihr Schwert und ihren Bogen aus dem Kornfeld zu holen. Kaum hatte sie ihre Waffen erneut angelegt, eilte sie das kurze Wegstück wieder zurück, um sich zügigen Schrittes nach Tiefenbach zu begeben. Es würde nicht mehr lange hell bleiben.
JAGON
Jagon war so wütend wie schon lange nicht mehr. Der Auftrag, den die Bewahrer ihm gegeben hatten, war einfach gewesen: Finde den Schwarzmagier Baphoman, der eine Abschrift des "Codex Necronomicon" aus dem Tempel der Viereinigkeit gestohlen hat, und bringe den Codex zurück.
Doch nicht deswegen war er so erzürnt; ihn ärgerte vielmehr die Tatsache dass es dem Magier gelungen war, unbemerkt in den Tempel der Paladine einzudringen und das Buch einfach so aus der Bibliothek der verbotenen Bücher zu entwenden. In dieser Bibliothek bewahrte der Orden die grausamsten, götterlästerlichsten Schriften auf die er überall auf Tare beschlagnahmte. Viele dieser Bände waren mit speziellen Schutzzaubern versehen, so dass sie weder durch Feuer noch durch Magie vernichtet werden konnten, darum ruhten diese besonders gefährlichen Bücher tief im inneren des Tempels der Viereinigkeit, an einem geheimen Ort zu dem nur die Bewahrer und einige ausgewählte Ordensbrüder Zugang hatten. Und der Codex Necronomicon war das schlimmste dieser Bücher.
Der Paladin hatte Gerüchte gehört, dass das Buch jedem der es liest den Wahnsinn brachte, ihn aber auch mit unbändiger Macht erfüllte.
Bestürzt hatte der Orden daraufhin den Großteil seiner Paladine, Weißmagier und sogar Novizen ausgeschickt, um Baphoman und das gestohlene Buch wiederzufinden. Da man nicht wußte, wohin Baphoman mit dem Codex verschwunden war, schwärmten die Paladine in alle Richtungen Siebenwinds aus, durchkämmten alle Städte und Regionen, und nahmen dabei sogar die Hilfe der Ritter der Sieben Winde in Anspruch.
Ihm und seinem Ordensbruder Decado war also die Region rund um Tiefenbach zugefallen, doch die beiden hatten sich schon vor einiger Zeit getrennt, um schneller voran zu kommen.
Fröstelnd schlang der angehende Paladin seinen Umhang enger um sich, als er kurz vor Mitternacht an den Stadttoren von Tiefenbach anlangte. Tagsüber brannte die Sonne unerträglich heiss, und des Nachts war die Kälte unerträglich beissend.
Das Tor war natürlich bereits geschlossen, doch in der Wachhütte neben dem Stadttor brannte noch Licht, und so beschloss Jagon eines der Privilegien in Anspruch zu nehmen, die es nun einmal mit sich brachte, wenn man sein Leben in den Dienst der Götter stellte. Mit einen wenigen Handgriffen löste er den Umhang und die Kapuze, und brachte darunter seine volle Ordensrüstung zum Vorschein. Aus diese Weise als Paladin gekennzeichnet machte er sich auf den Weg zur Wachhütte, wo er hoffte als Diener der vier Götter trotz der späten Stunde noch Einlass zu finden.
SYLEETH
Syleeth konnte sich noch immer nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie die Nacht nicht in Tiefenbach selbst, sondern vor dessen Toren verbringen sollte. Als Tiefenbach näher kam machte es sie schon stutzig, dass keine Kinder, wie sonst auch auf den Wiesen im Schatten der Mauern spielten. Außerdem war es ungewöhnlich ruhig gewesen....schließlich stand sie vor dem riesigen, verschlossenem Stadttor. Verschlossen! Dabei hatte es noch nicht einmal zu dämmern begonnen und Tare hatte sich noch kein bißchen ins rötliche verfärbt! `Na wollen wir mal sehen, ob der alte Sed noch immer im Wachhaus Dienst tut. Er kann mir das alles sicher erklären!...Moment mal, das ist aber nicht der alte Sed sondern ein Ritter... Nicht schon wieder! Ob er mich schon gesehen hat? Wenn nicht, dann könnte ich meine Waffen noch zwischen den Ranken da an der Mauer verstecken. Einen Versuch ist es wert, denn wenn er sie sieht werde ich auf alle Fälle verhaftet!´ Daher trat die junge Elfe wieder aus seinem Sichtbereich und versteckte erneut ihre Waffen, schon zum zweiten Mal heute. "Seid gegrüßt Ritter! Seit wann wird ein Kämpfer wie ihr es offensichtlich seid als Torwächter eingesetzt?" "Es geht Euch ja eigentlich nichts an Elfe, aber wir haben hier einen wichtigen Auftrag von oberster Priorität zu erfüllen und bis unsere Aufgabe hier beendet ist, darf niemand die Stadt betreten! Wenn ihr Glück habt, könnt Ihr morgen herein und Eure Geschäfte erledigen. Gute Nacht!" "Aber es ist wichtig.........", da hatte er sich auch schon von ihr abgewendet. Seine Haltung machte deutlich, dass er weder bereit war die Tore vor morgen für irgend jemanden zu öffnen, noch weitere Erklärungen abzugeben. `Herrlich, wieder eine Nacht im Freien! Und wenn ich so schnell wie möglich in die Stadt will, muss ich hier am freien Feld vor den Mauern nächtigen, anstatt mich in den Schutz des Waldes zurückzuziehen! Am Waldesrand könnte ich wenigstens ein Feuer machen, um mich zu wärmen. Die Nächte sind in letzter Zeit in dem selben Maße bitter kalt, wie es unter Tags brütendheiß ist, nur darf man hier kein Feuer machen....grummel....andererseits womit denn auch...?´ Resignierend angesichts der Umstände suchte sie sich ein windstilles Plätzchen an der Mauer aus, von dem aus sie das Tor und das Wachhaus gut in Sicht hatte. Nach Einbruch der Nacht holte sie im Schutz der Dunkelheit ihre versteckten Waffen. Sie hätte auch gerne was gegessen, aber in der sengenden Hitze des Tages war der letzte Rest ihres Proviants verdorben. Also wickelte sie sich fest in ihren Umhang um bald darauf in einen leichten, traumlosen Schlaf zu verfallen. Die Monde hatten den Zenit schon fast erreicht, als sie von einem leisen Geräusch geweckt wurde. Es war der schnelle Schritt eines Reisenden auf der Straße. Die Gestalt, die sie in der Dunkelheit nur schemenhaft erkennen konnte, kam ihr irgendwie vertraut vor. Doch wer außer einem Herumtreiber würde zu dieser Zeit noch auf den Straßen Siebenwinds reisen, ALLEINE reisen? Neugierig was den Reisenden wohl zu dieser späten Stunde noch auf den Straßen hielt, postierte sich die Elfe neben dem Tor gegenüber der Wachstube, in der der Ritter mittlerweile eingenickt war. Sicherheitshalber hatte sie auch ihre Elfenklinge griffbereit neben sich an die Mauer gelehnt. "Es ist zwecklos, Reisender, die Tore wurden für diese Nacht lange bevor es dunkel wurde von den Rittern geschlossen. In der Wachstube sitzt einer der ihren anstatt des alten Sed und dieser wird nicht begeistert sein, wenn ihr ihn weckt...." sprach die Elfe mit einem spitzen Lächeln auf den Lippen den Fremden an.
JAGON
Jagon hatte schon die ganze Zeit über gespürt, dass ihn jemand beobachtete, und als er die Frauenstimme vernahm wusste er seinen Verdacht bestätigt. Irgendwie kam ihm die zarte Stimme sehr vertraut vor. "Dass das Tor verschlossen ist sollte eigentlich kein Problem sein," sagte er lächelnd, während er sich umdrehte um trotz der Dunkelheit sein Gegenüber zu mustern. Noch immer hatte er das Gefühl einer seltsamen Vertrautheit, als er das leicht gewellte, goldene Haar mit einem Stich ins Rötliche bemerkte. Was machte eine Frau, noch dazu eine so zierliche, um diese Zeit noch vor den Mauern der Stadt?
Als er im schwachen Licht des Mondes die Ohren der Frau sah, wußte er plötzlich wer sie war, und er konnte ein Freudiges "Syleeth!" nicht mehr unterdrücken. Er schritt auf sie zu, um sie zu begrüßen, doch dann zog eine Bewegung hinter der Elfe seine Aufmerksamkeit auf sich. Erst zwei, dann vier und schließlich sechs flammende, rote Lichtpunkte erschienen hinter der Elfe, und Jagon wurde schlagartig bewusst dass Baphoman in der Nähe sein musste. Denn zwei Skelette, grauenhaft entstellt, da noch einige Fleischfetzen an ihren Knochen hingen, torkelten ohne Vorwarnung aus dem Dunkel der Nacht heran und hoben bedrohlich ihre Schwerter. Ein dritter Untoter trug einen Bogen bei sich, und legte einen knöchernen Pfeil auf.
Offenbar hatte Syleeth mit ihren feinen Elfensinnen die drei schwarzmagischen Gestalten noch vor ihm bemerkt, denn anmutig drehte sie sich zu den Kreaturen um, griff in einer fließenden Bewegung nach ihrem Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne.
Auch Jagon warf den Rest seines Umhanges achtlos in die Nacht, und trat mit ein paar schnellen Schritten neben die Elfe, um den Angriff der wankenden Untoten zu erwarten.
"Warum können wir uns nicht wenigstens einmal begegnen, ohne dass du zusammengeschlagen wirst?" raunte die Elfe ihm zu, und obwohl Jagon es in der Nacht nicht sehen konnte, wusste er dass es in Syleeths Augen schalkhaft blitzte.
SYLEETH
Die Antwort des Reisenden nahm Syleeth kaum war. Seit er in Rufweite gekommen war, spürte sie die Aura von etwas Bedrohlichem und Gefährlichem. Anfangs dachte die empfindsame Elfe, dass der Fremde die Quelle dieser Ausstrahlung wäre. Doch je intensiver ihre Empfindungen wurden, desto besser konnte sie die Richtung der Bedrohung ausmachen. Es war nicht einfach nur etwas bedrohlichen, sondern etwas, das durch schwarze Magie erschaffen wurde und es kam hinter ihrem rücken auf sie zu. Gerade als sie sich umdrehen wollte, um der Gefahr ins Auge zu sehen, hörte sie den Fremden ein erfreutes "Syleeth!" ausrufen. Noch in der Drehung konnte sie einen kurzen Blick auf das Gesicht des Fremden, der ihr doch gar nicht fremd war. Ihr entfuhr ein erstauntes "Jagon..." und da kehrte sie ihm auch schon halb den Rücken zu. Vor sich sah sie nun zwei bewaffnete Skelette und einen Untoten zu ihrer linken. Den Untoten, der einen Pfeil in seinen Bogen legte, ließ sie keinen Augenblick aus den Augen, während sie mit einer einzigen fließenden Bewegung nach ihrem Bogen griff und ihrerseits einen Pfeil auf die Sehne legte. Da war auch schon der junge Paladin Jagon auf ihrer Höhe und zückte sein Schwert, um den Angreifern zu begegnen. Sie raunte schelmisch "Warum können wir uns nicht wenigstens einmal begegnen, ohne dass du zusammengeschlagen wirst?" zu, um sogleich mit veränderter Stimme die Worte "Mor Lit" zu murmeln. Ihre Elfenaugen durch den Zauberspruch noch zusätzlich geschärft ließen sie nun auch erkennen, auf wen der Untote zielte. Es war der Mann zu ihrer rechten. Glücklicherweise stand der Zombie in einer Position zu ihr, in der er der Bogenschützin seine Brust zuwandte. Mit einem zielsicheren Schuß durchbohrte der Pfeil die Hand des Untoten und dann dessen Brust - sie hoffte inständigst, dass der Pfeil zwischen den Rippen stecken bleiben und den Zombie dadurch behindern würde. Dass dieser den Pfeil dennoch abschoss konnte sie nicht verhindern und betete darum, dass ihr Freund Vorkehrungen getroffen hatte sich zu schützen. Sie verfolgte den anderen Pfeil mit den Augen und sah mit Erleichterung wie der Pfeil an der, möglicherweise durch einen Schutzzauber wie `Armor Contra´ verstärkten, Rüstung abglitt. Zufrieden legte sie den Bogen beiseite um ebenfalls ihr Schwert zu zücken. Kaum hatte sie es ganz aus der Scheide gezogen, hatten die beiden Skelette sie auch schon erreicht. Erstaunt sah Syleeth mit an, dass sie zielsicher auf Jagon zustürmten und sie gar nicht zu beachten schienen. Der kampferprobte Paladin teilte in schneller Folge kräftige Schläge aus, um die beiden Skelette in Schach zu halten. "Syleeth, willst Du mir nicht mal helfen? Ich bewundere ja Deine Schießkünste, aber dahinten kommt der Dritte....und drei Untote auf einmal zu zerstückeln ist eben nicht so einfach!" "Verzeih, ich hab mich nur über ihre Zielstrebigkeit gewundert..."
Und da hatte auch der Zombie sie schon erreicht. Die Elfe war froh, dass sich ihr Pfeil wirklich in der Brust des Zombies verkeilt hatte. Ihre Schwertstreiche waren zwar nicht so kraftvoll, wie die des Menschen neben ihr, dafür konnte sie sie durch ihre elfische Nachtsicht um so präziser ausführen. Ihre Zielgenauigkeit machte ihre geringere Stärke wett. Fast zeitgleich fielen der Untote und das eine Skelett und die beiden Kämpfer wandten sich nun ihrem letzten verbliebenen Gegner zu. Das Skelett schien sich noch immer nur für den Paladin zu interessieren und so war sich Syleeth sicher es mit einem gekonnten, präzisen Schlag das letze untote Wesen unschädlich zumachen. Sie zielte und holte aus, doch durch eine plötzliche Bewegung des Skelettes wurde ihr Schwert abgelenkt und verhedderte sich hoffnungslos in den Gebeinen dessen. Dieses drehte sich in Erwartung eines wehrloses Opfers zu Syleeth um und holte nun seinerseits zum Schlag aus. Doch sollte der Schlag niemals sein Ziel treffen...die Elfe sah entsetzt wie die Klinge auf sie zusauste, als sie plötzlich zu Boden viel und das Skelett in lauter kleine Knochensplitter zerbarst.
JAGON
Mit einer Routine, wie nur jahrelange Übung sie prägen konnte, ließ Jagon sein Schwert tödliche Kreise ziehen. Schon nach wenigen Hieben und Schlägen war die erste der drei Kreaturen nur noch Staub. Zufrieden sah er, dass Syleeth inzwischen den grauenhaften Bogenschützen dorthin zurückgeschickt hatte woher er hergekommen war. Blieb also nur noch eine der schaurigen Kreaturen, sofern der Schwarzmagier nicht noch weitere erschaffen hatte. Die Zielstrebigkeit, mit der auch das letzte Skelett auf den Paladin zuhielt, war Beweis genug dafür dass Baphoman sie erschaffen und auf seine Verfolger gehetzt hatte.
Jagon wehrte zuerst einmal den wütenden Angriff des Untoten ab, dann war auch Syleeth heran und zertrümmerte einige der Knochen im Rücken der Alptraumgestalt. Doch irgendwie musste ihr Schwert sich verhakt haben, denn plötzlich hörte er die Elfe aufschreien, sie stand ohne Waffe in der Hand da, und das Skelett wirbelte herum um sie mit seinem Schwert zu durchbohren. Fest entschlossen es nicht soweit kommen zu lassen packte Jagon sein Schwert fester, stürmte entschlossen auf die unheilige Kreatur zu und zog sein Schwert von Scheitel bis zur Sohle durch die morschen Knochen, ohne auf die Splitter zu achten, die sich wie kleine Dolche in seine Hand bohrten.
Leblos stürzte das Knochengerüst in sich zusammen und begrub die Elfe förmlich unter sich. Ein hektischer Blick in alle Richtungen zeigte keine direkte Gefahr mehr, und so ließ der Paladin sich auf die Knie fallen und räumte die Reste des Skeletts zur Seite.
Die Elfe war sehr blaß im Gesicht, und als sie zweimal nicht auf ihren Namen reagierte, griff Jagon kurzerhand unter ihren Rücken und ihre Knie und hob sie vorsichtig aus den Knochentrümmern heraus. Ihre Waffen hängte er sich über die Schulter, und wieder einmal wunderte er sich darüber wie leicht die Elfe war, als er sie mühelos die dreihundert Meter bis zu der kleinen Wachhütte trug. Dort erwartete sie ein grauenhafter Anblick. Offenbar hatte der Ritter, der dort Wache geschoben hatte, bereits Bekanntschaft mit den Geschöpfen Baphomans gemacht. Er lag nur wenige Meter von seiner Hütte entfernt, sein ganzer Körper mit Blut bedeckt. Schaudernd betrat Jagon die Hütte, legte die Elfe auf eine der beiden Feldpritschen und ging dann wieder hinaus, um den Toten näher zu betrachten. War der Ritter nur zufällig ein Opfer der Kreaturen geworden, oder gingen diese Monstren gezielt vor?
SYLEETH
Mit höllischen Kopfschmerzen erwachte Syleeth. Mühsam und ein leichtes Stöhnen unterdrückend richtete sie sich auf und sah sich um.
"Jagon? Was ist passiert?" sprach sie den Mann an, der neben ihrer Pritsche auf einem Stuhl saß. Erst als sie schon zu Ende gesprochen hatte bemerkte sie, dass ihr Freund eingenickt war und bereute es ihn einfach nur aus Unbedachtsamkeit zu wecken. Doch der junge Paladin war so fest eingeschlafen, dass er sie gar nicht gehört hatte.
Auf dem Tisch der Wachstube stand ein Krug klaren Wassers und auf einem Teller lag ein wenig Käse und eine Schnitte trockenen Brotes, offensichtlich die Reste des Abendbrotes des Ritters. `Wo ist der Ritter überhaupt?´
Die Elfe blickte sich noch einmal um, um sicherzugehen, dass sie ihn auch nicht übersehen hatte. Verwundert über seinen Verbleib nahm sie schließlich an dem Tisch Platz, um sich ein wenig u stärken. Während sie das karge Mahl gierig verzehrte, versuchte sie sich daran zu erinnern was geschehen war.
Langsam tauchten die Bilder des Kampfes in ihrem Geiste wieder auf, doch wegen des stechenden Kopfschmerzes fiel es ihr schwer sich zu konzentrieren.
Sie erinnerte sich an die untoten Monster und daran wie sie ihr Schwert verlor. Das letzte an das sie sich sonst noch erinnern konnte war ihr Sturz. Vorsichtig tastete sie ihren Kopf ab und konnte auch bald eine Stelle mit blutverklebtem Haar entdecken. Da sie nicht einschätzen konnte, was ihr in
dieser Nacht noch bevor stehen würde, beschloss sie trotz der Geringfügigkeit der Wunde dennoch einen Heilungszauber zu sprechen. So erhob sie sich wieder, legte vor ihrer Brust die Handflächen zusammen und schloss somit den Kreis. Wegen ihrer Schmerzen dauerte es etwas bis sie sich der genauen
Art ihrer Wunde bewusst wurde, sie musste auf einen Stein oder anderen harten Gegenstand gefallen sein und sich dort den Kopf gestoßen haben. Die in ihr schlummernde Magie sammelnd sprach sie einen einfachen Heilungszauber, bis sie förmlich spürte, wie die Kraft ihrer ureigenen Magie sie durchfloss
und heilte.
Durch die Nähe angewandter Magie mussten die Sinne des Paladins alarmiert worden sein. Denn kaum hatte die Elfe mit dem Zauber begonnen, erwachte Jagon und sofort glitt seine Hand zu seinem Schwertknauf. Doch als er erkannte was vor sich ging lehnte er sich zurück und wartete geduldig
bis die Elfe fertig war. Es faszinierte ihn immer wieder von neuem zu beobachten wie sich Kratzer, Wunden und Brüche durch die schöpferische Kraft der Magie wieder schlossen und binnen Sekunden heilten. "Schön, dass es Dir wieder besser geht, Syleeth! Ich hab mir schon Sorgen gemacht." sprach er
lächelnd zu seiner Freundin und legte ihr anschließend seine Vermutungen über die
Herkunft der Monster dar.
JAGON
Ich freue mich wirklich dich wiederzusehen, Syleeth" sagte er, und schenkte der Elfe sein wärmstes Lächeln. "Es tut mir leid dass du in diese Sache hineingezogen wurdest, das war nicht meine Absicht. Doch lass mich dir erst einmal erzählen was hier überhaupt geschieht."
"Es geht um folgendes," hob der Paladin an, "du erinnerst dich doch sicherlich an diesen Schwarzmagier, der damals in Tiefenbach die Wirtsleute zu Stein verwandelt hat?" Syleeth nickte.
"Sein Name war Baphoman, nicht wahr?" Der Paladin bejahte.
"Wir dachten Baphoman sei besiegt, doch offenbar ist das Gegenteil der Fall. Irgendwie muss es ihm gelungen sein, in den Tempel der Viereinigkeit einzudringen. Dabei hat er ein Buch gestohlen, ein sehr gefährliches Buch. Es heißt "Codex Necronomikon", und man sagt in ihm lauert der Wahnsinn. Doch wer immer das Buch besitzt, verfügt über immense magische Kräfte."
"Wenn dieses Buch so böse und so mächtig ist - warum habt ihr es dann nicht einfach vernichtet?," fragte die Elfe.
"Weil das nicht möglich ist; dieses Buch ist unzerstörbar, obwohl sich die fähigsten Bannmagier meines Ordens daran versuchten. In unserer Bibliothek war dieses Buch am sichersten, glaub mir." "Offenbar nicht sicher genug" seufzte Syleeth und tastete vorsichtig über die Stelle die sie eben geheilt hatte. Als Jagon nichts erwiderte blickte sie ihn durchdringend an.
"Hast du etwas?"
Zögerlich schüttelte der Paladin den Kopf. "Nein, nicht direkt... es ist nur, ich frage mich ob Baphoman in der Nähe ist oder ob er bereits so mächtig ist seine Kreaturen auch aus der Ferne befehligen zu können. Du musst wissen dass der halbe Orden über Siebenwind verstreut ist; zusammen mit den Rittern der Sieben Winde und verschiedenen anderen Leuten sind wir alle auf der Suche nach Baphoman und dem Buch. Er darf es keinesfalls behalten, die Macht die es ihm geben würde wäre eine Katastrophe!" Die Elfe nickte. Auch sie hatte bereits Bekanntschaft mit dem gewissenlosen Schwarzmagier gemacht, und sie konnte sich zur Genügeausmalen was dieser Verrückte mit noch mehr Macht anstellen konnte. Die beiden hingen ihren eigenen Gedanken nach, bis Jagon plötzlich ganz gegen seine sonst ruhige und ernste Art erfreut ausrief: "Oh, ich muss dir noch etwas erzählen! Ich habe alle Prüfungen bestanden und die Weihe erhalten; ich bin jetzt ein vollwertiger Paladin!," verkündete er stolz. Und bevor die Elfe etwas erwidern konnte, fügte er hinzu: "Und man hat mir sogar eine sehr wichtige Aufgabe im Orden übertragen, über die ich aber leider nichts sagen darf. Aber jetzt erzähl erstmal was dich wieder in die Nähe von Tiefenbach getrieben hat!"
SYLEETH
"Hmmm, Baphoman hat also dieses mächtige Buch gestohlen und ist vor seinen Häschern auf der Flucht. Wie konnte er eigentlich in Eure Bibliothek eindringen? Ich dachte sie wird durch mächtige Schutz- und Bannzauber geschützt.". Mit einem solchen Bündel war Syleeth damals aus dem Gasthaus in Tiefenbach aufgebrochen um zusammen mit den anderen Baphomans Auftrag auszuführen. Alle fragten sie, ob sie denn außer dem kleinen Dolch keine Waffen besitze, denn keiner wäre auf die Idee gekommen, dass sie sie in dem unauffälligen Bündel trug.
"Wie er das angestellt hat wüsste mein Orden auch nur zu gern, wir haben nicht die geringste Spur seines Eindringens gefunden. Weder Reste fremder magischer Energien, noch irgendwelche aufgebrochenen Türschlösser oder ähnliches."
"Hört sich an als ob er einen Helfer hatte...nicht dass ich sagen möchte, dass ihr einen Verräter unter Euren reihen habt, aber woher wusste er überhaupt wo sich das Buch befindet?"
"Diese Gedanken haben sich unsere Oberen auch schon gemacht, aber es ist ein sehr heikles Thema und sie würden lieber es lieber sehen wenn es keinen Helfer Baphomans innerhalb des Ordens gibt."
"Wie dem auch sei, auf jeden Fall scheint mir Deine Erzählung ein Erklärung für die Verhaftungswelle der Ritter zu sein. Ich..."
"Verhaftungswelle? Syleeth von was redest Du da?"
"Hast Du noch nichts davon gehört? Seit ca. einer Woche verhaften die Ritter der Sieben Winde magiebegabte aus den fadenscheinigsten Gründen. Du brauchst Dich nur verdächtig verhalten und ein Messer bei Dir tragen und schon schleppen sie Dich zum Verhör! Ich denke, dass das etwas mit dem Diebstahl und Baphoman zu tun haben könnte oder hast Du eine bessere Erklärung?"
"Aber sie arbeiten mit uns zusammen, sie helfen uns bei der Suche und haben sich dem Oberkommando des Ordens unterstellt. Soetwas wurde nie angeordnet!"
"...und wenn sie das Buch für sich selbst haben wollen?"
"Das...das kann und will ich nicht glauben! Syleeth, hör auf so dummes Zeug daher zureden! Erzähl mir lieber erstmal was dich wieder in die Nähe von Tiefenbach getrieben hat!"
"Ich hab Dir doch von meinem Bruder erzählt."
"Dem Nortraven, den Du Bruder nennst? Ja das hast Du. Coren, richtig?"
"Nein, nicht Coren. Ich meine Daeorel meinen leiblichen Bruder." ihr Gesicht nahm einen sehr traurigen Ausdruck an, als sie sich an den Tag zurückerinnerte, an dem sie ihre Eltern tot auf gefunden hatte und ihr Bruder verschollen war. "Ich habe schon öfter Gerüchte über einen Elfen gehört, der auf seinem linken Schulterblatt 2 Tätowierungen tragen soll, doch wirklich beschreiben konnte ihn mir niemand. Vor 3 Wochen traf ich Rodarof wieder und er bestätigte mir die Gerüchte. Er sagte er habe ihn in Tiefenbach gesehen. Am Anfang waren ihm nur seine Augen aufgefallen, sie sollen dieselbe Farbe haben wie die meinen und als er sich lästig abwandte sah er dass der Elf tätowiert war, doch genau erkennen konnte er es nicht, da sein Hemd den größten Teil bedeckte. Ich bin hergekommen um vielleicht eine Spur von ihm zu finden."
"Hoffst Du noch immer mit ihm die Mörder Deiner Eltern zu finden?" fragte der junge Paladin ihr gegenüber besorgt.
Dir Trauer in ihrem Gesicht wich Entschlossenheit und ihr Blick wurde hart und kalt. "Ja!"
Ein langes betretenes Schweigen folgte, dass nach einer geraumen Weile von der nun wieder gewohnt sanften Stimme Syleeths unterbrochen wurde.
"Wir sollten den Tod des Ritters melden!"
"Du hast recht!" Jagon suchte schon seine Sachen zusammen und wollte an Toren Einlass fordern, als die Elfe ihn bat noch zu warten. Sie ging hinaus und holte ihre Decke, die noch immer an der Stelle lag, an der sie geruht hatte. Zurück in dem Wachhaus, breitete sie sie auf einer der beiden Pritschen aus und legte ihren Bogen samt Köcher und ihr Schwert darauf. Jagon musste es gesäubert haben während sie schlief, denn es blitzte nur so im Mondlicht. Sie rollte die Decke mit ihren Waffen darin geschickt ein und band es so zusammen, dass sie es wie einen Seesack auf dem Rücken tragen konnte. Jagon musste ob der Erinnerungen, die dieses Szenario in ihm wach rief schmunzeln. Mit einem solchen Bündel war Syleeth damals aus dem Gasthaus in Tiefenbach aufgebrochen um zusammen mit den anderen Baphomans Auftrag auszuführen. Alle fragten sie, ob sie denn außer dem kleinen Dolch keine Waffen besitze, denn keiner wäre auf die Idee gekommen, dass sie sie in dem unauffälligen Bündel trug.
"Jagon, auch wenn Du meinst, dass das alles purer Zufall und absolut unnötig ist, werd ich nicht einmal unter deinem Schutz, in eine Stadt voll mit Rittern gehen und ihnen durch meine Waffen einen Grund geben mich auch zu verhaften. Ich bin Händlerin....und die Monster da draußen hast alle Du getötet!"
"Wie Du meinst" seufzte er, er versuchte gar nicht erst ihr zu wiederspreche, da er ihre unnachgiebige Sturheit schon des öfteren kennengelernt hatte.
JAGON
Während die Elfe ihr Bündel zusammenschnürte, überdachte Jagon seine nächsten Schritte. Er hatte noch immer den Auftrag, Baphoman zu finden; aber wenn die Ritter der Sieben Winde tatsächlich willkürliche Verhaftungen vornahmen, dann musste er dem nachgehen. Glücklicherweise hatten die Ritter eine Vertretung in Tiefenbach, sodass er direkt zu dem dortigen Kommandanten gehen und ihn zur Rede stellen konnte. Und dann war da noch immer das Problem mit dem Schwarzmagier. Der Vorfall mit den drei Skeletten hatte gezeigt, dass Baphoman sich möglicherweise in der Nähe befand. Er musste ihn finden, und das konnte er nur mit Hilfe der Ritter erreichen; also musste er zuallerst einmal die Gerüchte überprüfen die Syleeth ihm erzählt hatte. Inzwischen hatte die Elfe das Bündel mit ihren Waffen geschultert und lächelte ihn abmarschbereit an. Zusammen machten sie sich auf den Weg zum Tor, wo der Paladin sein Schwert aus der Rückenscheide nahm und mit dem Knauf gegen das Holz des Tores polterte. Es verging eine geraume Weile, bis sich ein kleines Sichtfenster im Tor öffnete. Ein paarbuschiger Augenbrauen starrte heraus, und eine dunkle Stimme fragte aufgebracht: "Was wollt ihr? Seid ihr verrückt? Das Tor ist geschlossen, wartet bis morgen früh wenn ihr in die Stadt wollt! Und überhaupt, wie seid ihr eigentlich an der Wachhütte vorbeigekommen?" Jagon ließ das Schwert wieder unter seinem Mantel verschwinden, dann trat er näher an das Sichtfenster heran. "Der Ritter der dort Wache hielt wurde von Monstern überfallen. Wir haben sie vernichtet, aber es war zu spät um ihn zu retten. Und nun lasst uns ein, guter Mann." Sein Gegenüber war einen Moment sprachlos, dann lachte er unsicher, dann wurde er ärgerlich. "Packt Euch, Bettlergeschmeiß, und erzählt Eure Lügengeschichten woanders!" Syleeth wusste was jetzt kam, aber es faszinierte sie immer wieder, wenn sie mitansah wie aus dem freundlichen, aufgeschlossenen jungen Mann ein ebenso charismatischer wie herrischer Vertreter seiner Götter wurde. Jagon öffnete seinen Mantel; darunter kam seine Rüstung mit dem blutroten Kreuz seines Odens zum Vorschein. Sowohl seine Stimme als auch sein Blick wurden kalt und gebieterisch. "Ihr werdet uns einlassen" sagte er schlicht, aber mit einer Kälte die Feuer zum Erlöschen gebracht hätte. Sein Gegenüber blickte von Jagons Augen zu seiner Rüstung, dann wieder zurück, und schließlich beeilte er sich irgendjemandem hinter sich einen Befehl zuzubellen. Wenig später schwang das große, Eisenbeschlagene Holztor auf und gab dem Paladin und der Elfe den Weg in die Stadt frei. Der Mann der sie hereingelassen hatte war plötzlich die Freundlichkeit in Person. Dennoch musterte die Elfe ihn ablehnend, und ließ den Mann keinen Augenblick aus den Augen. Jagon befahl ihm, den Toten aus der Wachhütte bestatten zulassen und die Überreste ihrer Angreifer verschwinden zu lassen. Da es inzwischen schon weit nach Mitternacht war, beschlossen Jagon und Syleeth, sich in einem der zahlreichen Gasthäuser niederzulassen, wobei sie jedoch um jenes Gasthaus, das ihnen am nächsten gelegen wäre, einen großen Bogen machten. Zu frisch war bei ihnen noch immer die Erinnerung an das was damals dort passiert war. Stattdessen quartierten sie sich in einer Taverne am Hafen Tiefenbachsein. Als das seltsame Paar - eine hübsche junge Elfe und ein Mensch in Bettlerkleidung - den Schankraum betraten, verstummten erst einmal die Gespräche aller Anwesenden.
SYLEETH
Plötzlich verebbte der Lärm in der kleinen Hafentaverne und Schweigen breitete sich aus. Es war so leise, dass man eine zu Boden fallende Nadel hätte hören können. Syleeth musste noch immer jedesmal schmunzeln wenn sie sah, was für eine Wirkung ihr Volk auf die meisten Menschen hatte. Doch heute wurde diese Wirkung noch zusätzlich durch das Erscheinungsbild ihres Begleiters verstärkt. Sie konnte die Gedanken der Menge vor sich förmlich hören, so deutlich waren sie den Gesichtern der Gäste anzusehen: Eine Elfe?.......mit einem Bettler???????????
Der erste der seine Sprache wiederfand war der Wirt. In der Hoffnung eines seiner Zimmer anbringen zu können, schritt er zielstrebig auf die junge Elfe zu, den ärmlich gekleideten Mann an ihrer Seite geflissentlich übersehend.
„Seid gegrüßt, Reisende! Ihr müsst einen langen Weg hinter Euch haben, wenn ihr erst jetzt in unserm schönen Tiefenbach eingetroffen seid. Sucht Ihr ein Zimmer?...mit Blick aufs Meer vielleicht?“
„...2 Zimmer....ihr müsst doch bemerkt haben, dass ich in Begleitung reise!“ Syleeth amüsierte sich noch prächtiger.
Unwillig drehte sich der Wirt nun zu Jagon um und presste eine Entschuldigung hervor, da er ihn offensichtlich übersehen hatte. Dieser winkte nur ab und wollte seine Unterkunft sehen.
Nachdem die beiden Freunde ihr Reisegepäck in ihren Zimmer abgelegt hatten und ihre Kleidung, sowie sich selbst, kehrten sie wieder in den Schankraum zurück um sich etwas zu stärken. Während Jagon bestellte, beobachtete er durch ein Fenster die Elfe, die hinausgegangen war. Mit in der sanften Brise wehendem Haar stand sie dort und begrüßte nach Art ihres Volkes die aufgehende Sonne.
„Wo willst Du denn Baphoman suchen? Ich glaube nicht, dass er so unvorsichtig ist in einer Stadt voller Bewaffneter, die ihn suchen zu bleiben...“
„Ich weiß, aber er war stimmt hier! Ich muss eben eine Spur von ihm finden....außerdem will ich ja noch aufklären, was an den Gerüchten so dran ist, von denen Du mir erzählt hast!“
Schweigend setzten sie ihr Frühstück fort. Die Elfe beschäftigten noch immer die Ereignisse der letzen Nacht. Als ihr plötzlich ein einsehendes „Natürlich...!“ entfuhr wandte Jagon ihr wieder seine volle Aufmerksamkeit zu.
„Letzte Nacht, da hast Du Dich doch die ganze Zeit gefragt ob seine Macht schon so groß sein sollte.....was wenn er ganz in der Nähe war?...es nur ein Ablenkungsmanöver war???“
„... deswegen konnten die Skelette bei dem Ritter so gezielt vorgehen...er hat sie direkt gelenkt!“
Die freudige Erregung des Paladins, die die Erkenntnis der genauen Vorgänge mit sich brachte, verflog schnell wieder. Sein Blick verfinsterte sich wieder und traurig musste er feststellen, dass Baphoman wahrscheinlich schon längst wieder über alle Berge war...
Nach dem Mahl verabschiedeten sie sich von einander, damit jeder seine Besorgungen in Tiefenbach erledigen konnte, am Abend wollten sie sich wieder in der Gaststätte treffen. Jagon ging in Richtung der örtlichen Vertretung der Ritter davon und Syleeth steuerte als erstes den Markt am Hafen an.
JAGON
Jagon hatte es sich nicht anmerken lassen während die Elfe mit ihm sprach, aber er war schon während der Nacht zu derselben Erkenntnis wie sie gelangt, dass der Schwarzmagier nämlich ganz in der Nähe sein musste. Wie hatte Meister Anith stets zu sagen gepflegt? "Wenn du dich vor dem Bären verstecken willst, dann tu das am besten in seiner Höhle, denn dort wird er dich niemals vermuten".
Die Höhle des Bären wäre in diesem Fall das Kastell der Ritter in Tiefenbach, wenngleich Jagon sich nicht vorstellen konnte wie Baphoman es geschafft haben sollte sich dort einzunisten. Andererseits hatte der Paladin auch keinen Grund, an Syleeths Worten zu zweifeln, denn die Elfe gehörte zu den wenigen Personen denen er restlos vertraute. Schon aus diesem Grund wollte er allein zu dem Kastell gehen, denn er wollte die liebgewonnene Freundin nicht in Gefahr bringen. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellen sollte.
Zuerst einmal wollte Jagon sich selbst ein Bild von den Zuständen bei den Rittern machen, danach würde er seine Schlüsse ziehen und entsprechend reagieren. Da das Kastell ein wenig ausserhalb der Stadt lag musste der Paladin zunächst einmal durch eines der Armenviertel der Stadt, wo nicht der Stadtrat, sondern der Hunger das Szepter schwang. Auf seinem Weg blickte Jagon in viele verzweifelte Gesichter, und auch in solche die über das Stadium der Verzweiflung längst hinaus waren und nur noch von einem Tag in den nächsten hineinlebten. Was hätte er gegeben um diesen Leuten helfen zu können!
Hätte der Paladin aufgrund seiner Kleidung nicht den Eindruck gemacht, dass er selbst nichts hatte, so wären ihm sicherlich die Kinder in Scharen nachgelaufen und hätten um ein paar Münzen gebettelt. Nicht dass Jagon irgendetwas von Wert besessen hätte.
Es war am Ende des Armenviertels und gleichzeitig schon fast am Stadtrand, als er sah wie zwei üble Kerle eine Frau bedrängten. Natürlich konnte er da schlecht wegsehen. Zwar war er inzwischen bei weitem nicht mehr so hitzköpfig wie früher, doch auch das Dasein als Paladin brachte eine gewisse Verantwortung mit sich; und dazu gehörte unter anderem auch dass er nicht einfach wegsehen durfte wenn jemand in Not war.
Als die Frau ihn bemerkte riss sie sich von den beiden Kerlen los und lief zu Jagon hinüber, der sich auch sofort beschützend vor ihr aufbaute. "Ich denke die werte Dame hat genug von eurer Gesellschaft" sagte er kühl zu den beiden Männern, die ihn abschätzend ansahen und sich offenbar wunderten warum ein Bettler sich unbedingt mit zwei stadtbekannten Schlägern anlegen wollte.
Es war der größere der beiden Kerle, der den Blick der Frau hinter Jagon suchte, und ihr dann ein Zeichen gab. Noch bevor der Paladin irgendetwas tun konnte, explodierte ein Schmerz auf seinem Hinterkopf und ihm wurde buchstäblich schwarz vor Augen. Bewusstlos sank er zu Boden.
Einer der Kerle grunzte etwas und packte den jungen Paladin unter den Armen, der Größere schnappte sich die Füße und warf der Frau, die einen Knüppel in Händen hielt, eine Handvoll Münzen zu. "Hast du gut gemacht. Aber das hier ist nie geschehen, hast du verstanden?" brummte er. Doch diese Ermahnung bekam sie schon gar nicht mehr mit, flugs hatte die Frau das Geld aufgesammelt und war in einer dunklen Seitengasse verschwunden.
"Der Meister wird zufrieden mit uns sein, Aldar!" sagte der größere, und eilig machten sie sich daran den bewusstlosen Jagon von der Straße zu schaffen.
SYLEETH
Es war ein schöner Sommertag und die vom Meer hereinkommende Brise versprach, dass er nicht so brütend heiß werden würde wie die letzten. Trotz der frühen Stunde war schon der gesamte Marktplatz von dem Geruch der vielen Fische erfüllt. Gemütlichen Schrittes schritt Syleeth die Stände der Händler ab und sah sich erst einmal um. Schließlich begann sie an verschiedenen Ständen sich die Ware näher zu betrachten und in das Feilschen auch Fragen einfließen, ob in letzter Zeit auch noch andere Elfen in Tiefenbach gesehen worden waren. Lange Zeit schien ihre Suche erfolglos, doch dann wurde sie ihrerseits angesprochen. Es war ein kleiner Junge, der neugierig zu ihr hochblickte.
"Seid ihr öfter in Tiefenbach, Herrin?"
"Nun ja, nicht gerade oft, aber manchmal. Warum denn?"
"Ihr...ich...ihr kommt mir so bekannt vor..."
"Bekannt? Glaubst Du mich schon mal gesehen zu haben oder erinnere ich Dich nur an jemanden?" der Knabe hatte sie hellhörig gemacht. Wenn sie in an jemanden erinnerte, hatte er vielleicht ihren Bruder getroffen oder gesehen.
"Ich, ich weiß nicht, Herrin." das Kind wirkte etwas eingeschüchtert ob ihrer vielen Fragen.
"Schon gut, Kleiner!" sagte sie mit einem beruhigendem Lächeln. "hör erstmal auf mich Herrin zu nennen, mein Name ist Syleeth. Was kommt dir..."
"Syleeth? Ich weiß es wieder! Ihr seid eine Freundin von Anina! Wie geht es ihr? Was macht sie so?" Das Kind war vor Freude nicht mehr zu bremsen, doch Syleeth hatte Mühe ihre Enttäuschung hinter einem Lächeln zu verbergen.
Sie unterhielt sich noch einige Zeit mit dem Jungen, bis dieser schließlich zum Mittagessen fort musste. So versuchte sie ihr Glück wieder bei den Marktstände. Natürlich hätte sie es auch in den Tavernen und Schenken versuchen können, doch waren diese mittlerweile so zahlreich in Tiefenbach, dass sie dort nicht Erfolg hoffte.
Auch am Nachmittag erhielt sie keine Informationen, mit denen sie etwas anfangen hätte können. So kehrte sie gegen Abend wieder in ihre Herberge zurück, um auf Jagon zu warten. Nachdem er bis Einbruch der Dunkelheit noch immer nicht erschienen war, erkundigte sie sich über den genauen Standort des Kastells der Ritter.
Wenig später war sie auch schon auf halben Wege dorthin. Zum einen beunruhigte sie die Unpünktlichkeit Jagons, die so gar nicht zu ihm passen wollte und zum anderen der Umstand, dass sie nun ohne Waffen durch das Armenviertel der Stadt musste. Einzig ihren kleinen, versteckten Dolch hatte sie mitnehmen können, mit sichtbaren Waffen zu den Rittern zu gehen wäre eine ausgesprochen schlechte Idee gewesen.
Wie zu erwarten waren die mächtigen Eichentore des Kastells verschlossen, dennoch versuchte sie ihr Glück bei der Wache.
"Seid gegrüßt, Ritter? Ich suche den Paladin Jagon."
"Wen? Den Namen nie gehört!"
"Er wollte heute den Kommandanten des Kastells besuchen." Sie vernahm einige laute Rufe, doch konnte sie diese nicht verstehen.
"Heute sind nur Ritter hier ein und ausgegangen, aber niemand vom Orden!"
Der bis jetzt überraschend freundlich gewesene Ritter schloss mit einem lauten und entschiedenen Knall, die kleine Öffnung im Tor, durch die er gesprochen hatte und ließ die Elfe enttäuscht und noch mehr um ihren Freund besorgt zurück.
`Ach Jagon, in was für Schwierigkeiten bist Du denn nun schon wieder hineingeraten?´ Mit ernstem Gesicht machte sie sich wieder auf den Rückweg. Wie zuvor beäugten sie die Bettler und Obdachlosen des Armenviertels genau, doch wagte sich keiner an die Elfe heran, zu wunderbar wirkte sie auf sie. Syleeth wusste auch, dass diese armen Menschen ihr nicht weiterhelfen würden, wenn sie ihnen nichts dafür anböte. Da kam ihr eine Idee. Schnell legte sie die Strecke zum Marktgebiet zurück und erreichte die Bäckerei an dessen Rande gerade noch, bevor sie schloss. Verwundert über die Eile der Elfe verkaufte der Bäcker ihr noch die letzten Leibe Brot, diese wollte sie an die Kinder im Armenviertel verteilen, um vielleicht Informationen über Jagons Verbleib zu erhalten. Natürlich hätte sie ihnen auch Münzen dafür bieten können, doch sie wusste nur zu genau, dass ihnen diese von den stärkeren Männern abgenommen werden würden, welche sie nur vertranken.
Und tatsächlich einige Kinder hatten wirklich einen jungen Mann gesehen, auf den die Beschreibung zutraf. Sie erzählten ihr auch, dass er überfallen wurde. Durch weiteres Brot zeigten sie Syleeth sogar wohin. Es war ein kleines, halbverfallenes Häuschen, das sich eng an die starken Mauern des Kastells schmiegte. Laut den Kindern war es schon lange nicht mehr bewohnt, da es noch baufälliger war, als die anderen Gebäude in dem Viertel. Dankbar verschenkte die elfe auch noch das restliche Brot, um dann wieder alleine das Häuschen genauer zu inspizieren. Hinein wagte sie sich nicht, noch nicht. Sie wollte erst sehen, ob sie nicht wen finden konnte, der ihr vielleicht mehr über die Handlanger und möglicher Weise deren Auftraggeber erzählen konnte. Die Kinder waren dazu nicht imstande gewesen. Doch wegen der späten Stunde musste das wohl auf morgen warten.
Als er erwachte, fühlte er sich als würde eine Sonne in seinem Kopf explodieren. Sein Geist kämpfte sich aus den Tiefen der Versenkung zurück zu Bewusstsein, aber der Schmerz den er dabei empfand reichte
beinahe aus um ihn wieder bewusstlos werden zu lassen. Stöhnend wollte sich Jagon den schmerzenden Kopf halten, doch irgendetwas verhinderte dass er seine Arme bewegen konnte. Er lehnte an einer Wand oder etwas ähnlichem. Was war passiert? Mühsam gelang es ihm das rechte Auge zu öffnen, das andere konnte er trotz Anstrengung nicht bewegen. Der Paladin musste blinzeln, drei, vier, fünfmal ehe er etwas erkennen konnte. Er befand sich offenbar in einem dunklen, stickigen Raum, nur erhellt durch ein Loch in der Decke durch das rötliches Licht schimmerte. Seine Arme und Beine waren an einen tragenden Balken gekettet; und das so fest dass die Ketten den Blutfluss unterbrachen, wie er an der Kälte seiner Arme unschwer feststellen konnte. Sein Mantel und sein Schwert waren verschwunden.
Von irgendwoher trat eine Gestalt in sein eingeschränktes Sichtfeld und blieb vor dem Gefangenen stehen. Ein Augenpaar starrte dem Paladin forschend in das eine, geöffnete Auge. Jagon starrte zurück, und versuchte soviel Stolz in seinen Blick zu legen wie nur möglich. Es entwickelte sich ein stummes Duell zwischen den beiden, das der Paladin schließlich gewann als der andere seinen Blick abwandte.
Doch der Triumph war nur von kurzer Dauer, denn kurz darauf schoss die Faust des Fremden vor und bohrte sich schmerzhaft in Jagons Magengrube. Sein Gegenüber musste der Schlag gegen die Kettenrüstung des Paladins fast mehr geschmerzt haben als Jagon, doch der Fremde ließ sich nichts
anmerken. Keuchend stieß der angehende Paladin die Luft aus, hustete und sackte ein Stück in sich zusammen, soweit es die Ketten eben zuließen. "Er ist wach, Alrech," verkündete eine kratzige, rauhe Stimme. Kurz darauf vernahm Jagon Schritte, und ein zweiter Mann trat in sein Blickfeld. Erst jetzt erkannte er, dass es sich um die beiden Männer handelte die ihm auf der Strasse aufgelauert hatten.
"Was wollt ihr von mir?" brachte Jagon hervor. Er erwartete nicht ernsthaft eine Antwort, dennoch bekam er sie.
"Unser Meister wünscht deinen Tod. Genaugenommen wünscht er den Tod von allen Diener der vier Götter, doch deinen sollen wir besonders schmerzhaft gestalten." Ein dreckiges Lachen erschall, in das der Andere Mann alsbald mit seiner kratzigen Stimme einfiel. "Aber du kannst dich freuen, Paladin" - er sprach das Wort wie eine Beleidigung, wie etwas Anstößiges aus - "denn ohne die Dummheit deines Ordens wäre der Codex schon lange verloren gegangen. Ohne eure Hilfe wäre es dem Meister nie
gelungen, den Schlüssel nach Sho'kanam zu finden!"
Plötzlich war alle Müdigkeit und aller Schmerz in den Hintergrund getreten. Jagon vergaß sogar die Fesseln und richtete sich ruckartig auf, was mit einer erneuten Straffung der Ketten bestraft wurde. Doch
auch das spürte er kaum. "Sho'kanam? Die verlorene heilige Stadt aller Paladin-Orden?", vergewisserte er sich.
Der Alrech genannte Mann gab seinem Kumpan einen Wink, woraufhin dieser noch einmal ausholte und dem Paladin einen schweren Schlag in den Magen versetzte. Diesmal spuckte Jagon ein wenig Blut, doch er ignorierte es schlichtweg. Sho'kanam! Der Traum jedes Paladins, der Ort wo Bellum
selbst auf Tare herabgestiegen war und die Mönchen des Klosters von Sho'Kanam hieß zum Schwerte zu greifen um die Horden Angamons zurückzuschlagen. Die Wiegestätte des Ordens der Viereinigkeit!
Wieviele Paladine hatten ihr Leben der erfolglosen Suche nach dieser Stadt gewidmet? Doch dann schlich ein furchtbarer Gedanke in seine Aufregung: Was hoffte Baphoman, jene unheiligste aller Kreaturen, in Sho'kanam zu finden? Es war unschwer zu erraten wonach er suchte. Vermutlich war auf
der Jagd nach - ein plötzlicher Knall, gefolgt von einem Schmerzensschrei riss Jagon aus seinen Gedanken. Mittlerweile reichte das wenige Licht das durch das Deckenloch eindrang kaum noch aus um das gegenüberliegende Ende der Hütte auszuleuchten. Darum konnte der Paladin, dessen Sichtfeld wegen seinem linken Auge ohnehin eingeschränkt war, nicht erkennen was dort vor sich ging. Jagon sah nur wie plötzlich ein Loch dort entstand wo bislang die Tür gewesen war. Ein Umriss schälte sich im schwachen rötlichen Abendlich aus dem aufgewirbelten Staub, und Jagon dachte schon Syleeth hätte ihn irgendwie gefunden, doch fast sofort bemerkte er seinen Irrtum. Der Mann - denn um einen solchen
handelte es sich - bewegte sich zwar ebenfalls recht geschickt, der Elfe nicht ganz unähnlich, doch die kraftvollen Schritte mit denen er in die Hütte gestürmt kam ließen jede Ähnlichkeit mit den sanften Bewegungen der Elfe missen.
Seine beiden Wächter waren zuerst völlig überrascht, und bis sie daran dachten sich zu bewaffnen war es schon zu spät. Der Angreifer schlug den ersten der beiden einfach mit der Faust zu Boden, während "Alrech" sich zur Flucht wandte. Doch er kam nicht weit, denn der Fremde hatte mittlerweile ein Schwert gezogen und dem Fliehenden die breite Seite der Klinge gegen den Hinterkopf geschlagen. Mit einem Schmerzenslaut sank der Mann in die Knie und blieb bewusstlos liegen. Jagon aber hatte nur
Augen für die wehenden schwarzen Haare und das blutrote Kreuz auf der Kettenrüstung des Angreifers, der sich nun dem Anketteten zuwandte.
"Decado? Woher wusstest du...?" Doch der Paladin deutete nur auf eine zweite Gestalt die die Hütte mittlerweile betreten hatte. Und diesmal handelte es sich eindeutig um Syleeth, die Elfe...
SYLEETH
Verunsichert darüber wie sie weiter vorgehen sollte, machte sich Syleeth erst einmal wieder auf den Rückweg in den Gasthof. Es war eine laue Nacht und sanft strich eine angenehme Brise durch die engen Gassen Tiefenbachs. Klar und hell standen die Monde Tares am Himmel und leuchteten mit den unzähligen Sternen um die Wette. In dem hellen Schein war es für die junge Elfe leicht ihren Weg zu finden und sie hatte Zeit über die Geschehnisse, seitdem sie Jagon wieder getroffen hatte, nachzudenken. Es beunruhigte sie, dass ein Schwarzmagier und noch dazu Baphoman ein so mächtiges Buch gestohlen hatte. Die Erinnerungen an ihn waren für sie noch immer unangenehm und sie hatte gehofft nie wieder etwas von ihm zu hören.
Sie hatte das Marktgebiet fast erreicht, als eine barsche Stimme aufschreckte. "Was tut ihr noch auf den Straßen?" sprach sie ein überaus stämmiger Mann an. Anfangs verwunderte sie seine breite, doch dann erkannte sie aufgrund der harten Kanten, die sich durch den Stof seines Umhangs abzeichneten, dass er vermutlich eine schwere Rüstung trug. Schon wieder ein Ritter also. "Wie meint ihr?" gab sie erstaunt zurück.
"Der Zapfenstreich ist schon vorüber!" war die knappe Anwort.
"Wie bitte? Von was sprecht ihr? autsch! lasst mich los!" Der Ritter hatte sie ohne ein weiteres Wort am Arm gepackt und wollte sie mit sich in die Richtung zerren, aus der er gekommen war. "Seit ihr völlig von Sinnen?!" rief sie aus und riss sich mit einer schnellen Drehung los, in der ihre Kapuze von ihrem Kopf glitt. "Du verfluchtes Biest, nicht nur, dass du gegen das Gesetz verstößt! Auch noch eine verdammte Elfe!!! Der Kommandant wird heute noch seinen Spaß haben! Wie seid ihr in die Stadt gekommen?"
Erst starrte sie ihn nur verwundert an und wich mit flinken Bewegungen seinen Armen aus, die sie erneut zu packen versuchten. Doch musste sie erkennen, dass sie mit dieser Taktik über längere Zeit keinen Erfolg haben würde. So kehrte sie ihm den Rücken und lief wieder zurück in das Armenviertel, dass sie ihm in jede andere Richtung auch entkommen wäre, dessen war sie sich sicher. Doch bei diesem Viertel hoffte sie, dass der Ritter es sich zweimal überlegen würde bevor er ihr folgte und auch nicht so genaue Nachforschungen anstellen würde, in dem Glauben, dass sie aus dem Viertel ohnehin nicht lebend wieder herauskommen würde. Doch sie sollte gar nicht soweit kommen, um den schlechten Ruf des Armenviertels auszunutzen....einige Ecken weiter rannte sie in einen hochgewachsenen Mann an. Hart prallte sie gegen ihn und das dumpfe Geräusch kam unverkennbar von einer Rüstung. Schnell sprang sie zurück und wollte sich schon in eine andere Richtung wenden, als ihr Blick an den Augen des Menschen hängen blieb. Eigentlich wollte alles in ihr weiterfliehen, vor dem Ritter, der sie beschimpft hatte und auch vor diesem Mann hier, der wegen seiner Rüstung vermutlich auch ein Ritter war, doch sie konnte sich einfach nicht von dessen Augen losreißen! "Ihr.....ihr seid kein Ritter nicht war?" stammelte sie. Der Mensch vor ihr schüttelte nur den Kopf und musterte sie weiter durchdringend. "Ihr kommt mir so bekannt vor, irgendetwas an Euch.......ihr....ihr, nein nicht ihr,...Eure Augen! Decado!" brachte sie weiter hervor. Vielmehr konnte sie auch nicht mehr sagen, denn ein lautes Poltern kam auf sie zu. Der Ritter musste ihr in seiner Wut doch gefolgt sein. Ein schneller Blick auf den Paladin vor ihr sagte ihr, dass er keine Ahnung hatte wer sie war, aber Zeit für Erklärungen blieb ihr auch nicht. Während sie sich an ihm vorbei in die schmale Gasse drückte raunte sie ihm leise zu "Weist ihm einen anderen Weg!....für Jagon" fügte sie noch fast flehend hinzu und eilte mit lautlosen Schritten weiter.
Ob der Paladin wirklich dem Ritter eine andere Richtung gewiesen hatte, konnte sie nicht sagen. Im Laufen war ihr eingefallen, dass Paladine ja nicht lügen durften, aber einen Verfolger konnte sie allerdings auch nicht hören, so wartete sie noch einige Zeit ab und kehrte dann zu der Stelle zurück, an der sie auf Decado getroffen war. Sie hoffte ihn dort wieder zu treffen. Begegnet war sie ihm vorher noch nie persönlich, aber Jagon hatte ihr schon viel von seinem Freund aus dem Orden erzählt. Zu erkennen war er ja schließlich auch leicht mit seinen äußerst markanten tiefschwarzen Augen.
In der Hoffnung einen Helfer für die Befreiung Jagons gefunden zu haben war sie also in jene Gasse zurückgekommen, doch von dem Paladin war keine Spur, da sie aber sonst keinen Anhaltspunkt hatte beschloss sie zu warten. Das war nun schon fast 2 Stunden her. Die Monde waren zwar noch immer sehr hell, aber ihre Reise näherte sich langsam ihrem Ende. Plötzlich durchbrach eine Stimme die Stille um die Elfe. "Woher kennt ihr meinen Namen?"
Trotz ihrer feinen Sinne hatte sie sein Näherkommen nicht gehört, aber war er denn wirklich erst gekommen? "Wie lange beobachtet ihr mich schon, Decado?" fragte die Elfe in die Dunkelheit.
"Lange genug, um zu wissen, dass ich es bin auf den ihr wartet! Also woher kennt ihr meinen Namen und was wisst ihr von Jagon?" mit ernstem Gesicht trat der Paladin nun aus dem Schatten eines nahen Hauseinganges. "Ich bin Syleeth. Jagon ist schon lange ein Freund von mir, er sprich viel von Euch...."
"Ah, ich habe ebenfalls schon viel über Euch gehört! Ich freue mich Euch endlich mal persönlich kennen zu lernen!" beim Vernehmen ihres Namens hatte sich seine ernste Miene etwas aufgehellt, doch verdüsterte sie sich gleich wieder "Aber sagt, wo ist mein Ordensbruder? Aus Quellen weiß ich, dass er schon angekommen sein müsste, aber er was nicht am vereinbarten Treffpunkt.."
"Er wurde überfallen und gefangen genommen."
"Was? Von wem? Wo? Woher wißt ihr das so genau??? So sprecht doch schon!"
Ein leises fröhliches Lachen entrang sich ihrer Kehle.
"Was ist an dieser Sache den so amüsant?" fragte ihr Gegenüber herrisch.
"Werter Paladin, ihr müsst mich nur einmal zu Wort kommen lassen!" antwortete sie ihm amüsiert. "Folgt mir, auf dem Weg werde ich Euch alles erklären!"
Sowohl die Erklärungen als auch das Wegstück zu dem verfallenen Häuschen dauerten nocht lange.
"Da drinnen soll er also stecken? Warum habt ihr ihn denn nicht befreit?" fragte er sie zweifelnd.
"Hmm, laßt mich überlegen, warum denn gleich? Achja, ich bin bis auf einen Dolch unbewaffnet und weiß zumindest von 2 recht kräftigen und stadtbekannten Schlägern, aber nicht wieviele wirklich dort drinnen sind. Glaub das waren meine Gründe." gab sie ihm schnippisch zurück.
" Jetzt habt ihr ja mich!" Eine Antwort ihrerseits gar nicht erst abwartend war er aufgesprungen und schnell auf das Häuschen zugelaufen. Nachdem er kurz an der Tür gehorcht hatte, trat er sie kurzerhand ein und stürmte in den dunklen Innenraum. Syleeth blieb nichts anderes über, als dem Paladin zu folgen.
Der Anblick der sich ihr bot zauberte ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen, in dem sich senkenden Staub waren zwei niedergeschlagene, doch scheinbar unverletzte, Gestalten zu erkennen. Doch der Anblick ihres Freundes ließ es ebenso schnell verschwinden wie es gekommen war. Schnell eilte sie zu Jagon hinüber und half dem anderen Paladin ihn von seinen Fesseln zu befreien.
"Wir haben Zimmer in einer Schenke unten am Hafen. Dort können wir uns um ihn kümmern!" wandte sie sich an Decado. Dieser nickte zustimmen und hob seinen geschwächten Freund auf seine Schultern.
Als sie wieder draußen im Mondlicht standen, erkannte sie dass Jagon sie anlächelte. Leise flüsterte er die Namen seiner beiden Freunde, bevor er erneut wieder das Bewusstsein verlor.
JAGON
"Sal Hel!" sprach der schwarzhaarige Paladin, und legte beide Hände auf den bewusstlosen Körper seines Freundes. Neugierig stand Syleeth daneben und beobachtete, wie die Platzwunde an Jagons Kopf sich langsam schloss und wie die Schwellung seines Auges abklang. Die Elfe sah nicht zum
ersten Mal diesen Effekt. "Ihr bezieht eure Magie nicht aus der Natur", stellte sie fest. Decado wandte sich ihr müde zu und schüttelte den Kopf, wobei ihn sein pechschwarzes Haar umwirbelte. "Nein. Wir sind keine Magier; wir sind zumeist auch nicht von Geburt an magiebegabt. Ein Paladin bezieht seine Kräfte aus der starken Verbindung zu den Göttern; aus Meditation und Gebet."
Sie befanden sich alle drei in Jagons Zimmer in der Hafentaverne, den Bewusstlosen hatten sie auf das einzige Bett gelegt. War sein Atem zuerst noch bedenklich flach gewesen, so schien er sich allmählich zu
normalisieren. Plötzlich glaubte Syleeth zu hören wie Jagon etwas murmelte. Sie trat näher an das Bett heran um ihn besser zu verstehen.
"Sho'kanam... Stadt... Schlüssel...", glaubte die Elfe zu verstehen. "Wisst Ihr wovon er-" hob Syleeth an, doch Decado hatte sich schon seinen Mantel und sein Schwert umgeschnallt und eilte zur Tür.
"Gebt auf ihn acht, ich bitte Euch. Ich bin bald zurück!" Dann war er auch schon aus dem Zimmer verschwunden, ohne auf das gestammelte "Aber wohin wollt Ihr..." der Elfe zu achten.
Es war ungefähr eine Viertelstunde später als Jagon die Augen öffnete. Ruckartig setzte er sich auf, was mit heftigen Kopfschmerzen bestraft wurde. Mit sanfter Gewalt drückte die Elfe ihn auf das Bett zurück und sagte tadelnd: "Liegenbleiben", begleitet von einem sanften Lächeln. Prüfend betastete der Paladin seinen Körper, machte aber keine Bemerkung über seine Heilung. "Ich dachte ich hätte Decado gesehen... war das nur eine Einbildung?"
"Nein. Er war wirklich da. Er war es auch der dich befreit hat", sagte die Elfe. "Er hätte beinahe die ganze Hütte eingerissen ob dich rauszuholen. Seid ihr alle so impulsiv und wollt mit dem Kopf durch die
Wand?"
"Nein. Decado gehört zu den ruhigsten und ausgeglichensten Menschen die ich kenne," stellte Jagon ernsthaft fest, "aber wenn ein Ordensbruder oder eine Ordensschwester in Gefahr ist würde jeder von uns bereitwillig sein Leben für den anderen geben." Dann erst begann er sich im Zimmer
umzusehen. "Wo ist er überhaupt?"
"Er ist weg - schon seit einer ganzen Weile. Aber keine Angst, er hat gesagt er kommt zurück." Die Elfe zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben den Liegenden. "Erzählst du mir etwas?" fragte sie ihn und suchte seinen Blick.
"Sicher. Was willst du wissen?"
"Wer ist Sho'kanam? Und was hat es mit dem Schlüssel und der Stadt auf sich?" An Jagons Reaktion sah sie dass sie offenbar einen wunden Punkt berührt hatte. Unwillig wand sich der Paladin um eine Antwort herum, und sie konnte förmlich sehen wie es hinter seiner Stirn arbeitete.
"Sho'kanam IST die Stadt," sagte er schließlich. "Oder zumindest könnte sie eine Stadt sein." Unter dem fragenden Blick der Elfe Begann er zu erzählen:
"Der Orden der Viereinigkeit existiert erst seit relativ kurzer Zeit, aber Paladine gab es natürlich schon früher. Über ihre Entstehung gibt es viele Legenden. Eine dieser Legenden handelt von Sho'kanam, der
heiligen Stadt. Es gibt Texte die behaupten, dass vor Hunderten – oder gar Tausenden! - von Jahren die Stadt Sho'kanam von einer unbekannten, dämonischen Armee belagert wurde. Angeblich stieg Bellum selbst damals zu Tare herab, um den Verteidigern der Stadt seinen Segen zu geben. Aus
Kämpfern und Mönchen wurde etwas anderes: kämpfende Mönche, Heilige Krieger im Namen der Götter." "Paladine." fügte die Elfe hinzu, und Jagon nickte.
"Das ist natürlich wie gesagt nur eine Legende. Eine die im Orden noch dazu schwer umstritten ist. Aber meine beiden... 'Freunde' erwähnten Sho'kanam, und sie sagten auch irgendetwas über Baphoman und den Codex, und darüber dass das Buch eine Art Schlüssel sei..."
Syleeth schwieg und überdachte das Gehörte. Sie hatte keinen Grund an den Worten ihres Freundes zu zweifeln, auch wenn sich die ganze Geschichte etwas merkwürdig anhörte. Auch Jagon hing seinen eigenen Gedanken nach, und sie beide erschraken als plötzlich die Tür des Zimmers aufflog und eine schwarzhaarige Gestalt hereingestürmt kam.
"Holt eure Waffen!" raunte Decado den beiden anderen zu. "Wir haben ein
Problem..."
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