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 Betreff des Beitrags: Die Elfe und der Paladin
BeitragVerfasst: 26.12.01, 01:09 
Altratler
Altratler

Registriert: 25.12.01, 23:33
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Wohnort: Wien
SYLEETH
Heiß brannte Tare auf das Land herab. Die Luft war so trocken und bar jeglicher Feuchtigkeit, dass es bei jedem Atemzug in der Lunge brannte. `Hoffentlich regnet es bald! Das halbvertrocknete Land hat es bitter nötig, vor allem die Ernte...wenn kein Regen kommt, werden viele im Morsan viele hungern müssen!´, dachte Syleeth schwermütig, die vergebens versuchte mit ihren zierlichen Händen etwas Wasser aus dem kleinen Rinnsal vor sich zu schöpfen, das noch vor gar nicht allzulanger Zeit ein fröhlich plätschernder Bach gewesen war. `...und das Wasser wird auch bald knapp werden! Was solls, meinen Durst kann dieses kümmerliche Rinnsal ja doch nicht stillen! Außerdem steht die Sonne schon wieder viel zu hoch, wenn ich Tiefenbach erreichen will bevor sie in der Dämmerung die Tore schließen muss ich mich beeilen! Und in dieser sengenden Hitze ist der Weg sogar noch mühsamer.´

`Verdammt, die Ritter müssen aber auch immer im falschen Moment auftauchen, dabei wäre ich doch fast schon da! Bis zu dem Waldstück gleich hinter dem Kornfeld da vorne schaffe ich es nicht mehr, ohne Aufmerksamkeit zu erregen...zumindest meine Waffen kann ich in dem Feld verstecken, aber ich muss sie wieder holen, sobald die Reiter vorbei sind und das kostet mich noch mehr Zeit. Ach, möge Morsan sie doch holen!´ Ohne ihre Schritte zu verlangsamen ließ die Elfe mit geschmeidigen, unauffälligen Bewegungen ihren Langbogen samt Köcher von ihren Schultern und weiter in das Feld neben sich gleiten. Danach löste sie mit einer einzigen schnellen Handbewegung die Schalle ihres Gürtels und legte ihr kunstvoll geschmiedetes Schwert ebenfalls in dem Feld ab.
Kurze Zeit später hatten die Reiter sie auch schon eingeholt und der Anführer der Berittenen zügelte seinen Rappen neben ihr. "Haltet ein Elfe! Nennt mir Euer Ziel, sowie Euer Gewerbe!" "Ich grüße Euch Ritter! Ich bin meines Zeichens Händlerin und auf dem Weg nach Tiefenbach." "Händlerin? Wo sind denn Eure Waren oder seid Ihr eine Händlerin, die nichts zu verkaufen hat?" "Ich habe nicht vor etwas zu verkaufen, nicht auf dieser Reise. Ganz im Gegenteil ich reise ausschließlich in unsere schöne Blumenstadt um zu kaufen." "Tiefenbach, sagtet Ihr? Wir sind auch auf dem Weg dorthin, wir werden uns dort sicher noch einmal begegnen, Händlerin!" Ohne eine weitere Antwort abzuwarten gab er seiner Gruppe ein Zeichen und spornte sein Pferd wieder an. Syleeth sah den davonjagenden Recken noch eine Weile nach, ehe sie umkehrte, um ihr Schwert und ihren Bogen aus dem Kornfeld zu holen. Kaum hatte sie ihre Waffen erneut angelegt, eilte sie das kurze Wegstück wieder zurück, um sich zügigen Schrittes nach Tiefenbach zu begeben. Es würde nicht mehr lange hell bleiben.


JAGON
Jagon war so wütend wie schon lange nicht mehr. Der Auftrag, den die Bewahrer ihm gegeben hatten, war einfach gewesen: Finde den Schwarzmagier Baphoman, der eine Abschrift des "Codex Necronomicon" aus dem Tempel der Viereinigkeit gestohlen hat, und bringe den Codex zurück.
Doch nicht deswegen war er so erzürnt; ihn ärgerte vielmehr die Tatsache dass es dem Magier gelungen war, unbemerkt in den Tempel der Paladine einzudringen und das Buch einfach so aus der Bibliothek der verbotenen Bücher zu entwenden. In dieser Bibliothek bewahrte der Orden die grausamsten, götterlästerlichsten Schriften auf die er überall auf Tare beschlagnahmte. Viele dieser Bände waren mit speziellen Schutzzaubern versehen, so dass sie weder durch Feuer noch durch Magie vernichtet werden konnten, darum ruhten diese besonders gefährlichen Bücher tief im inneren des Tempels der Viereinigkeit, an einem geheimen Ort zu dem nur die Bewahrer und einige ausgewählte Ordensbrüder Zugang hatten. Und der Codex Necronomicon war das schlimmste dieser Bücher.
Der Paladin hatte Gerüchte gehört, dass das Buch jedem der es liest den Wahnsinn brachte, ihn aber auch mit unbändiger Macht erfüllte.
Bestürzt hatte der Orden daraufhin den Großteil seiner Paladine, Weißmagier und sogar Novizen ausgeschickt, um Baphoman und das gestohlene Buch wiederzufinden. Da man nicht wußte, wohin Baphoman mit dem Codex verschwunden war, schwärmten die Paladine in alle Richtungen Siebenwinds aus, durchkämmten alle Städte und Regionen, und nahmen dabei sogar die Hilfe der Ritter der Sieben Winde in Anspruch.
Ihm und seinem Ordensbruder Decado war also die Region rund um Tiefenbach zugefallen, doch die beiden hatten sich schon vor einiger Zeit getrennt, um schneller voran zu kommen.

Fröstelnd schlang der angehende Paladin seinen Umhang enger um sich, als er kurz vor Mitternacht an den Stadttoren von Tiefenbach anlangte. Tagsüber brannte die Sonne unerträglich heiss, und des Nachts war die Kälte unerträglich beissend.

Das Tor war natürlich bereits geschlossen, doch in der Wachhütte neben dem Stadttor brannte noch Licht, und so beschloss Jagon eines der Privilegien in Anspruch zu nehmen, die es nun einmal mit sich brachte, wenn man sein Leben in den Dienst der Götter stellte. Mit einen wenigen Handgriffen löste er den Umhang und die Kapuze, und brachte darunter seine volle Ordensrüstung zum Vorschein. Aus diese Weise als Paladin gekennzeichnet machte er sich auf den Weg zur Wachhütte, wo er hoffte als Diener der vier Götter trotz der späten Stunde noch Einlass zu finden.


SYLEETH
Syleeth konnte sich noch immer nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie die Nacht nicht in Tiefenbach selbst, sondern vor dessen Toren verbringen sollte. Als Tiefenbach näher kam machte es sie schon stutzig, dass keine Kinder, wie sonst auch auf den Wiesen im Schatten der Mauern spielten. Außerdem war es ungewöhnlich ruhig gewesen....schließlich stand sie vor dem riesigen, verschlossenem Stadttor. Verschlossen! Dabei hatte es noch nicht einmal zu dämmern begonnen und Tare hatte sich noch kein bißchen ins rötliche verfärbt! `Na wollen wir mal sehen, ob der alte Sed noch immer im Wachhaus Dienst tut. Er kann mir das alles sicher erklären!...Moment mal, das ist aber nicht der alte Sed sondern ein Ritter... Nicht schon wieder! Ob er mich schon gesehen hat? Wenn nicht, dann könnte ich meine Waffen noch zwischen den Ranken da an der Mauer verstecken. Einen Versuch ist es wert, denn wenn er sie sieht werde ich auf alle Fälle verhaftet!´ Daher trat die junge Elfe wieder aus seinem Sichtbereich und versteckte erneut ihre Waffen, schon zum zweiten Mal heute. "Seid gegrüßt Ritter! Seit wann wird ein Kämpfer wie ihr es offensichtlich seid als Torwächter eingesetzt?" "Es geht Euch ja eigentlich nichts an Elfe, aber wir haben hier einen wichtigen Auftrag von oberster Priorität zu erfüllen und bis unsere Aufgabe hier beendet ist, darf niemand die Stadt betreten! Wenn ihr Glück habt, könnt Ihr morgen herein und Eure Geschäfte erledigen. Gute Nacht!" "Aber es ist wichtig.........", da hatte er sich auch schon von ihr abgewendet. Seine Haltung machte deutlich, dass er weder bereit war die Tore vor morgen für irgend jemanden zu öffnen, noch weitere Erklärungen abzugeben. `Herrlich, wieder eine Nacht im Freien! Und wenn ich so schnell wie möglich in die Stadt will, muss ich hier am freien Feld vor den Mauern nächtigen, anstatt mich in den Schutz des Waldes zurückzuziehen! Am Waldesrand könnte ich wenigstens ein Feuer machen, um mich zu wärmen. Die Nächte sind in letzter Zeit in dem selben Maße bitter kalt, wie es unter Tags brütendheiß ist, nur darf man hier kein Feuer machen....grummel....andererseits womit denn auch...?´ Resignierend angesichts der Umstände suchte sie sich ein windstilles Plätzchen an der Mauer aus, von dem aus sie das Tor und das Wachhaus gut in Sicht hatte. Nach Einbruch der Nacht holte sie im Schutz der Dunkelheit ihre versteckten Waffen. Sie hätte auch gerne was gegessen, aber in der sengenden Hitze des Tages war der letzte Rest ihres Proviants verdorben. Also wickelte sie sich fest in ihren Umhang um bald darauf in einen leichten, traumlosen Schlaf zu verfallen. Die Monde hatten den Zenit schon fast erreicht, als sie von einem leisen Geräusch geweckt wurde. Es war der schnelle Schritt eines Reisenden auf der Straße. Die Gestalt, die sie in der Dunkelheit nur schemenhaft erkennen konnte, kam ihr irgendwie vertraut vor. Doch wer außer einem Herumtreiber würde zu dieser Zeit noch auf den Straßen Siebenwinds reisen, ALLEINE reisen? Neugierig was den Reisenden wohl zu dieser späten Stunde noch auf den Straßen hielt, postierte sich die Elfe neben dem Tor gegenüber der Wachstube, in der der Ritter mittlerweile eingenickt war. Sicherheitshalber hatte sie auch ihre Elfenklinge griffbereit neben sich an die Mauer gelehnt. "Es ist zwecklos, Reisender, die Tore wurden für diese Nacht lange bevor es dunkel wurde von den Rittern geschlossen. In der Wachstube sitzt einer der ihren anstatt des alten Sed und dieser wird nicht begeistert sein, wenn ihr ihn weckt...." sprach die Elfe mit einem spitzen Lächeln auf den Lippen den Fremden an.


JAGON
Jagon hatte schon die ganze Zeit über gespürt, dass ihn jemand beobachtete, und als er die Frauenstimme vernahm wusste er seinen Verdacht bestätigt. Irgendwie kam ihm die zarte Stimme sehr vertraut vor. "Dass das Tor verschlossen ist sollte eigentlich kein Problem sein," sagte er lächelnd, während er sich umdrehte um trotz der Dunkelheit sein Gegenüber zu mustern. Noch immer hatte er das Gefühl einer seltsamen Vertrautheit, als er das leicht gewellte, goldene Haar mit einem Stich ins Rötliche bemerkte. Was machte eine Frau, noch dazu eine so zierliche, um diese Zeit noch vor den Mauern der Stadt?
Als er im schwachen Licht des Mondes die Ohren der Frau sah, wußte er plötzlich wer sie war, und er konnte ein Freudiges "Syleeth!" nicht mehr unterdrücken. Er schritt auf sie zu, um sie zu begrüßen, doch dann zog eine Bewegung hinter der Elfe seine Aufmerksamkeit auf sich. Erst zwei, dann vier und schließlich sechs flammende, rote Lichtpunkte erschienen hinter der Elfe, und Jagon wurde schlagartig bewusst dass Baphoman in der Nähe sein musste. Denn zwei Skelette, grauenhaft entstellt, da noch einige Fleischfetzen an ihren Knochen hingen, torkelten ohne Vorwarnung aus dem Dunkel der Nacht heran und hoben bedrohlich ihre Schwerter. Ein dritter Untoter trug einen Bogen bei sich, und legte einen knöchernen Pfeil auf.
Offenbar hatte Syleeth mit ihren feinen Elfensinnen die drei schwarzmagischen Gestalten noch vor ihm bemerkt, denn anmutig drehte sie sich zu den Kreaturen um, griff in einer fließenden Bewegung nach ihrem Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne.
Auch Jagon warf den Rest seines Umhanges achtlos in die Nacht, und trat mit ein paar schnellen Schritten neben die Elfe, um den Angriff der wankenden Untoten zu erwarten.
"Warum können wir uns nicht wenigstens einmal begegnen, ohne dass du zusammengeschlagen wirst?" raunte die Elfe ihm zu, und obwohl Jagon es in der Nacht nicht sehen konnte, wusste er dass es in Syleeths Augen schalkhaft blitzte.


SYLEETH
Die Antwort des Reisenden nahm Syleeth kaum war. Seit er in Rufweite gekommen war, spürte sie die Aura von etwas Bedrohlichem und Gefährlichem. Anfangs dachte die empfindsame Elfe, dass der Fremde die Quelle dieser Ausstrahlung wäre. Doch je intensiver ihre Empfindungen wurden, desto besser konnte sie die Richtung der Bedrohung ausmachen. Es war nicht einfach nur etwas bedrohlichen, sondern etwas, das durch schwarze Magie erschaffen wurde und es kam hinter ihrem rücken auf sie zu. Gerade als sie sich umdrehen wollte, um der Gefahr ins Auge zu sehen, hörte sie den Fremden ein erfreutes "Syleeth!" ausrufen. Noch in der Drehung konnte sie einen kurzen Blick auf das Gesicht des Fremden, der ihr doch gar nicht fremd war. Ihr entfuhr ein erstauntes "Jagon..." und da kehrte sie ihm auch schon halb den Rücken zu. Vor sich sah sie nun zwei bewaffnete Skelette und einen Untoten zu ihrer linken. Den Untoten, der einen Pfeil in seinen Bogen legte, ließ sie keinen Augenblick aus den Augen, während sie mit einer einzigen fließenden Bewegung nach ihrem Bogen griff und ihrerseits einen Pfeil auf die Sehne legte. Da war auch schon der junge Paladin Jagon auf ihrer Höhe und zückte sein Schwert, um den Angreifern zu begegnen. Sie raunte schelmisch "Warum können wir uns nicht wenigstens einmal begegnen, ohne dass du zusammengeschlagen wirst?" zu, um sogleich mit veränderter Stimme die Worte "Mor Lit" zu murmeln. Ihre Elfenaugen durch den Zauberspruch noch zusätzlich geschärft ließen sie nun auch erkennen, auf wen der Untote zielte. Es war der Mann zu ihrer rechten. Glücklicherweise stand der Zombie in einer Position zu ihr, in der er der Bogenschützin seine Brust zuwandte. Mit einem zielsicheren Schuß durchbohrte der Pfeil die Hand des Untoten und dann dessen Brust - sie hoffte inständigst, dass der Pfeil zwischen den Rippen stecken bleiben und den Zombie dadurch behindern würde. Dass dieser den Pfeil dennoch abschoss konnte sie nicht verhindern und betete darum, dass ihr Freund Vorkehrungen getroffen hatte sich zu schützen. Sie verfolgte den anderen Pfeil mit den Augen und sah mit Erleichterung wie der Pfeil an der, möglicherweise durch einen Schutzzauber wie `Armor Contra´ verstärkten, Rüstung abglitt. Zufrieden legte sie den Bogen beiseite um ebenfalls ihr Schwert zu zücken. Kaum hatte sie es ganz aus der Scheide gezogen, hatten die beiden Skelette sie auch schon erreicht. Erstaunt sah Syleeth mit an, dass sie zielsicher auf Jagon zustürmten und sie gar nicht zu beachten schienen. Der kampferprobte Paladin teilte in schneller Folge kräftige Schläge aus, um die beiden Skelette in Schach zu halten. "Syleeth, willst Du mir nicht mal helfen? Ich bewundere ja Deine Schießkünste, aber dahinten kommt der Dritte....und drei Untote auf einmal zu zerstückeln ist eben nicht so einfach!" "Verzeih, ich hab mich nur über ihre Zielstrebigkeit gewundert..."
Und da hatte auch der Zombie sie schon erreicht. Die Elfe war froh, dass sich ihr Pfeil wirklich in der Brust des Zombies verkeilt hatte. Ihre Schwertstreiche waren zwar nicht so kraftvoll, wie die des Menschen neben ihr, dafür konnte sie sie durch ihre elfische Nachtsicht um so präziser ausführen. Ihre Zielgenauigkeit machte ihre geringere Stärke wett. Fast zeitgleich fielen der Untote und das eine Skelett und die beiden Kämpfer wandten sich nun ihrem letzten verbliebenen Gegner zu. Das Skelett schien sich noch immer nur für den Paladin zu interessieren und so war sich Syleeth sicher es mit einem gekonnten, präzisen Schlag das letze untote Wesen unschädlich zumachen. Sie zielte und holte aus, doch durch eine plötzliche Bewegung des Skelettes wurde ihr Schwert abgelenkt und verhedderte sich hoffnungslos in den Gebeinen dessen. Dieses drehte sich in Erwartung eines wehrloses Opfers zu Syleeth um und holte nun seinerseits zum Schlag aus. Doch sollte der Schlag niemals sein Ziel treffen...die Elfe sah entsetzt wie die Klinge auf sie zusauste, als sie plötzlich zu Boden viel und das Skelett in lauter kleine Knochensplitter zerbarst.


JAGON
Mit einer Routine, wie nur jahrelange Übung sie prägen konnte, ließ Jagon sein Schwert tödliche Kreise ziehen. Schon nach wenigen Hieben und Schlägen war die erste der drei Kreaturen nur noch Staub. Zufrieden sah er, dass Syleeth inzwischen den grauenhaften Bogenschützen dorthin zurückgeschickt hatte woher er hergekommen war. Blieb also nur noch eine der schaurigen Kreaturen, sofern der Schwarzmagier nicht noch weitere erschaffen hatte. Die Zielstrebigkeit, mit der auch das letzte Skelett auf den Paladin zuhielt, war Beweis genug dafür dass Baphoman sie erschaffen und auf seine Verfolger gehetzt hatte.
Jagon wehrte zuerst einmal den wütenden Angriff des Untoten ab, dann war auch Syleeth heran und zertrümmerte einige der Knochen im Rücken der Alptraumgestalt. Doch irgendwie musste ihr Schwert sich verhakt haben, denn plötzlich hörte er die Elfe aufschreien, sie stand ohne Waffe in der Hand da, und das Skelett wirbelte herum um sie mit seinem Schwert zu durchbohren. Fest entschlossen es nicht soweit kommen zu lassen packte Jagon sein Schwert fester, stürmte entschlossen auf die unheilige Kreatur zu und zog sein Schwert von Scheitel bis zur Sohle durch die morschen Knochen, ohne auf die Splitter zu achten, die sich wie kleine Dolche in seine Hand bohrten.
Leblos stürzte das Knochengerüst in sich zusammen und begrub die Elfe förmlich unter sich. Ein hektischer Blick in alle Richtungen zeigte keine direkte Gefahr mehr, und so ließ der Paladin sich auf die Knie fallen und räumte die Reste des Skeletts zur Seite.
Die Elfe war sehr blaß im Gesicht, und als sie zweimal nicht auf ihren Namen reagierte, griff Jagon kurzerhand unter ihren Rücken und ihre Knie und hob sie vorsichtig aus den Knochentrümmern heraus. Ihre Waffen hängte er sich über die Schulter, und wieder einmal wunderte er sich darüber wie leicht die Elfe war, als er sie mühelos die dreihundert Meter bis zu der kleinen Wachhütte trug. Dort erwartete sie ein grauenhafter Anblick. Offenbar hatte der Ritter, der dort Wache geschoben hatte, bereits Bekanntschaft mit den Geschöpfen Baphomans gemacht. Er lag nur wenige Meter von seiner Hütte entfernt, sein ganzer Körper mit Blut bedeckt. Schaudernd betrat Jagon die Hütte, legte die Elfe auf eine der beiden Feldpritschen und ging dann wieder hinaus, um den Toten näher zu betrachten. War der Ritter nur zufällig ein Opfer der Kreaturen geworden, oder gingen diese Monstren gezielt vor?



SYLEETH
Mit höllischen Kopfschmerzen erwachte Syleeth. Mühsam und ein leichtes Stöhnen unterdrückend richtete sie sich auf und sah sich um.

"Jagon? Was ist passiert?" sprach sie den Mann an, der neben ihrer Pritsche auf einem Stuhl saß. Erst als sie schon zu Ende gesprochen hatte bemerkte sie, dass ihr Freund eingenickt war und bereute es ihn einfach nur aus Unbedachtsamkeit zu wecken. Doch der junge Paladin war so fest eingeschlafen, dass er sie gar nicht gehört hatte.

Auf dem Tisch der Wachstube stand ein Krug klaren Wassers und auf einem Teller lag ein wenig Käse und eine Schnitte trockenen Brotes, offensichtlich die Reste des Abendbrotes des Ritters. `Wo ist der Ritter überhaupt?´
Die Elfe blickte sich noch einmal um, um sicherzugehen, dass sie ihn auch nicht übersehen hatte. Verwundert über seinen Verbleib nahm sie schließlich an dem Tisch Platz, um sich ein wenig u stärken. Während sie das karge Mahl gierig verzehrte, versuchte sie sich daran zu erinnern was geschehen war.
Langsam tauchten die Bilder des Kampfes in ihrem Geiste wieder auf, doch wegen des stechenden Kopfschmerzes fiel es ihr schwer sich zu konzentrieren.

Sie erinnerte sich an die untoten Monster und daran wie sie ihr Schwert verlor. Das letzte an das sie sich sonst noch erinnern konnte war ihr Sturz. Vorsichtig tastete sie ihren Kopf ab und konnte auch bald eine Stelle mit blutverklebtem Haar entdecken. Da sie nicht einschätzen konnte, was ihr in
dieser Nacht noch bevor stehen würde, beschloss sie trotz der Geringfügigkeit der Wunde dennoch einen Heilungszauber zu sprechen. So erhob sie sich wieder, legte vor ihrer Brust die Handflächen zusammen und schloss somit den Kreis. Wegen ihrer Schmerzen dauerte es etwas bis sie sich der genauen
Art ihrer Wunde bewusst wurde, sie musste auf einen Stein oder anderen harten Gegenstand gefallen sein und sich dort den Kopf gestoßen haben. Die in ihr schlummernde Magie sammelnd sprach sie einen einfachen Heilungszauber, bis sie förmlich spürte, wie die Kraft ihrer ureigenen Magie sie durchfloss
und heilte.

Durch die Nähe angewandter Magie mussten die Sinne des Paladins alarmiert worden sein. Denn kaum hatte die Elfe mit dem Zauber begonnen, erwachte Jagon und sofort glitt seine Hand zu seinem Schwertknauf. Doch als er erkannte was vor sich ging lehnte er sich zurück und wartete geduldig
bis die Elfe fertig war. Es faszinierte ihn immer wieder von neuem zu beobachten wie sich Kratzer, Wunden und Brüche durch die schöpferische Kraft der Magie wieder schlossen und binnen Sekunden heilten. "Schön, dass es Dir wieder besser geht, Syleeth! Ich hab mir schon Sorgen gemacht." sprach er
lächelnd zu seiner Freundin und legte ihr anschließend seine Vermutungen über die
Herkunft der Monster dar.







JAGON
Ich freue mich wirklich dich wiederzusehen, Syleeth" sagte er, und schenkte der Elfe sein wärmstes Lächeln. "Es tut mir leid dass du in diese Sache hineingezogen wurdest, das war nicht meine Absicht. Doch lass mich dir erst einmal erzählen was hier überhaupt geschieht."

"Es geht um folgendes," hob der Paladin an, "du erinnerst dich doch sicherlich an diesen Schwarzmagier, der damals in Tiefenbach die Wirtsleute zu Stein verwandelt hat?" Syleeth nickte.
"Sein Name war Baphoman, nicht wahr?" Der Paladin bejahte.
"Wir dachten Baphoman sei besiegt, doch offenbar ist das Gegenteil der Fall. Irgendwie muss es ihm gelungen sein, in den Tempel der Viereinigkeit einzudringen. Dabei hat er ein Buch gestohlen, ein sehr gefährliches Buch. Es heißt "Codex Necronomikon", und man sagt in ihm lauert der Wahnsinn. Doch wer immer das Buch besitzt, verfügt über immense magische Kräfte."
"Wenn dieses Buch so böse und so mächtig ist - warum habt ihr es dann nicht einfach vernichtet?," fragte die Elfe.
"Weil das nicht möglich ist; dieses Buch ist unzerstörbar, obwohl sich die fähigsten Bannmagier meines Ordens daran versuchten. In unserer Bibliothek war dieses Buch am sichersten, glaub mir." "Offenbar nicht sicher genug" seufzte Syleeth und tastete vorsichtig über die Stelle die sie eben geheilt hatte. Als Jagon nichts erwiderte blickte sie ihn durchdringend an.
"Hast du etwas?"
Zögerlich schüttelte der Paladin den Kopf. "Nein, nicht direkt... es ist nur, ich frage mich ob Baphoman in der Nähe ist oder ob er bereits so mächtig ist seine Kreaturen auch aus der Ferne befehligen zu können. Du musst wissen dass der halbe Orden über Siebenwind verstreut ist; zusammen mit den Rittern der Sieben Winde und verschiedenen anderen Leuten sind wir alle auf der Suche nach Baphoman und dem Buch. Er darf es keinesfalls behalten, die Macht die es ihm geben würde wäre eine Katastrophe!" Die Elfe nickte. Auch sie hatte bereits Bekanntschaft mit dem gewissenlosen Schwarzmagier gemacht, und sie konnte sich zur Genügeausmalen was dieser Verrückte mit noch mehr Macht anstellen konnte. Die beiden hingen ihren eigenen Gedanken nach, bis Jagon plötzlich ganz gegen seine sonst ruhige und ernste Art erfreut ausrief: "Oh, ich muss dir noch etwas erzählen! Ich habe alle Prüfungen bestanden und die Weihe erhalten; ich bin jetzt ein vollwertiger Paladin!," verkündete er stolz. Und bevor die Elfe etwas erwidern konnte, fügte er hinzu: "Und man hat mir sogar eine sehr wichtige Aufgabe im Orden übertragen, über die ich aber leider nichts sagen darf. Aber jetzt erzähl erstmal was dich wieder in die Nähe von Tiefenbach getrieben hat!"



SYLEETH
"Hmmm, Baphoman hat also dieses mächtige Buch gestohlen und ist vor seinen Häschern auf der Flucht. Wie konnte er eigentlich in Eure Bibliothek eindringen? Ich dachte sie wird durch mächtige Schutz- und Bannzauber geschützt.". Mit einem solchen Bündel war Syleeth damals aus dem Gasthaus in Tiefenbach aufgebrochen um zusammen mit den anderen Baphomans Auftrag auszuführen. Alle fragten sie, ob sie denn außer dem kleinen Dolch keine Waffen besitze, denn keiner wäre auf die Idee gekommen, dass sie sie in dem unauffälligen Bündel trug.

"Wie er das angestellt hat wüsste mein Orden auch nur zu gern, wir haben nicht die geringste Spur seines Eindringens gefunden. Weder Reste fremder magischer Energien, noch irgendwelche aufgebrochenen Türschlösser oder ähnliches."

"Hört sich an als ob er einen Helfer hatte...nicht dass ich sagen möchte, dass ihr einen Verräter unter Euren reihen habt, aber woher wusste er überhaupt wo sich das Buch befindet?"

"Diese Gedanken haben sich unsere Oberen auch schon gemacht, aber es ist ein sehr heikles Thema und sie würden lieber es lieber sehen wenn es keinen Helfer Baphomans innerhalb des Ordens gibt."

"Wie dem auch sei, auf jeden Fall scheint mir Deine Erzählung ein Erklärung für die Verhaftungswelle der Ritter zu sein. Ich..."

"Verhaftungswelle? Syleeth von was redest Du da?"

"Hast Du noch nichts davon gehört? Seit ca. einer Woche verhaften die Ritter der Sieben Winde magiebegabte aus den fadenscheinigsten Gründen. Du brauchst Dich nur verdächtig verhalten und ein Messer bei Dir tragen und schon schleppen sie Dich zum Verhör! Ich denke, dass das etwas mit dem Diebstahl und Baphoman zu tun haben könnte oder hast Du eine bessere Erklärung?"

"Aber sie arbeiten mit uns zusammen, sie helfen uns bei der Suche und haben sich dem Oberkommando des Ordens unterstellt. Soetwas wurde nie angeordnet!"

"...und wenn sie das Buch für sich selbst haben wollen?"

"Das...das kann und will ich nicht glauben! Syleeth, hör auf so dummes Zeug daher zureden! Erzähl mir lieber erstmal was dich wieder in die Nähe von Tiefenbach getrieben hat!"

"Ich hab Dir doch von meinem Bruder erzählt."

"Dem Nortraven, den Du Bruder nennst? Ja das hast Du. Coren, richtig?"

"Nein, nicht Coren. Ich meine Daeorel meinen leiblichen Bruder." ihr Gesicht nahm einen sehr traurigen Ausdruck an, als sie sich an den Tag zurückerinnerte, an dem sie ihre Eltern tot auf gefunden hatte und ihr Bruder verschollen war. "Ich habe schon öfter Gerüchte über einen Elfen gehört, der auf seinem linken Schulterblatt 2 Tätowierungen tragen soll, doch wirklich beschreiben konnte ihn mir niemand. Vor 3 Wochen traf ich Rodarof wieder und er bestätigte mir die Gerüchte. Er sagte er habe ihn in Tiefenbach gesehen. Am Anfang waren ihm nur seine Augen aufgefallen, sie sollen dieselbe Farbe haben wie die meinen und als er sich lästig abwandte sah er dass der Elf tätowiert war, doch genau erkennen konnte er es nicht, da sein Hemd den größten Teil bedeckte. Ich bin hergekommen um vielleicht eine Spur von ihm zu finden."

"Hoffst Du noch immer mit ihm die Mörder Deiner Eltern zu finden?" fragte der junge Paladin ihr gegenüber besorgt.

Dir Trauer in ihrem Gesicht wich Entschlossenheit und ihr Blick wurde hart und kalt. "Ja!"

Ein langes betretenes Schweigen folgte, dass nach einer geraumen Weile von der nun wieder gewohnt sanften Stimme Syleeths unterbrochen wurde.
"Wir sollten den Tod des Ritters melden!"

"Du hast recht!" Jagon suchte schon seine Sachen zusammen und wollte an Toren Einlass fordern, als die Elfe ihn bat noch zu warten. Sie ging hinaus und holte ihre Decke, die noch immer an der Stelle lag, an der sie geruht hatte. Zurück in dem Wachhaus, breitete sie sie auf einer der beiden Pritschen aus und legte ihren Bogen samt Köcher und ihr Schwert darauf. Jagon musste es gesäubert haben während sie schlief, denn es blitzte nur so im Mondlicht. Sie rollte die Decke mit ihren Waffen darin geschickt ein und band es so zusammen, dass sie es wie einen Seesack auf dem Rücken tragen konnte. Jagon musste ob der Erinnerungen, die dieses Szenario in ihm wach rief schmunzeln. Mit einem solchen Bündel war Syleeth damals aus dem Gasthaus in Tiefenbach aufgebrochen um zusammen mit den anderen Baphomans Auftrag auszuführen. Alle fragten sie, ob sie denn außer dem kleinen Dolch keine Waffen besitze, denn keiner wäre auf die Idee gekommen, dass sie sie in dem unauffälligen Bündel trug.

"Jagon, auch wenn Du meinst, dass das alles purer Zufall und absolut unnötig ist, werd ich nicht einmal unter deinem Schutz, in eine Stadt voll mit Rittern gehen und ihnen durch meine Waffen einen Grund geben mich auch zu verhaften. Ich bin Händlerin....und die Monster da draußen hast alle Du getötet!"

"Wie Du meinst" seufzte er, er versuchte gar nicht erst ihr zu wiederspreche, da er ihre unnachgiebige Sturheit schon des öfteren kennengelernt hatte.




JAGON
Während die Elfe ihr Bündel zusammenschnürte, überdachte Jagon seine nächsten Schritte. Er hatte noch immer den Auftrag, Baphoman zu finden; aber wenn die Ritter der Sieben Winde tatsächlich willkürliche Verhaftungen vornahmen, dann musste er dem nachgehen. Glücklicherweise hatten die Ritter eine Vertretung in Tiefenbach, sodass er direkt zu dem dortigen Kommandanten gehen und ihn zur Rede stellen konnte. Und dann war da noch immer das Problem mit dem Schwarzmagier. Der Vorfall mit den drei Skeletten hatte gezeigt, dass Baphoman sich möglicherweise in der Nähe befand. Er musste ihn finden, und das konnte er nur mit Hilfe der Ritter erreichen; also musste er zuallerst einmal die Gerüchte überprüfen die Syleeth ihm erzählt hatte. Inzwischen hatte die Elfe das Bündel mit ihren Waffen geschultert und lächelte ihn abmarschbereit an. Zusammen machten sie sich auf den Weg zum Tor, wo der Paladin sein Schwert aus der Rückenscheide nahm und mit dem Knauf gegen das Holz des Tores polterte. Es verging eine geraume Weile, bis sich ein kleines Sichtfenster im Tor öffnete. Ein paarbuschiger Augenbrauen starrte heraus, und eine dunkle Stimme fragte aufgebracht: "Was wollt ihr? Seid ihr verrückt? Das Tor ist geschlossen, wartet bis morgen früh wenn ihr in die Stadt wollt! Und überhaupt, wie seid ihr eigentlich an der Wachhütte vorbeigekommen?" Jagon ließ das Schwert wieder unter seinem Mantel verschwinden, dann trat er näher an das Sichtfenster heran. "Der Ritter der dort Wache hielt wurde von Monstern überfallen. Wir haben sie vernichtet, aber es war zu spät um ihn zu retten. Und nun lasst uns ein, guter Mann." Sein Gegenüber war einen Moment sprachlos, dann lachte er unsicher, dann wurde er ärgerlich. "Packt Euch, Bettlergeschmeiß, und erzählt Eure Lügengeschichten woanders!" Syleeth wusste was jetzt kam, aber es faszinierte sie immer wieder, wenn sie mitansah wie aus dem freundlichen, aufgeschlossenen jungen Mann ein ebenso charismatischer wie herrischer Vertreter seiner Götter wurde. Jagon öffnete seinen Mantel; darunter kam seine Rüstung mit dem blutroten Kreuz seines Odens zum Vorschein. Sowohl seine Stimme als auch sein Blick wurden kalt und gebieterisch. "Ihr werdet uns einlassen" sagte er schlicht, aber mit einer Kälte die Feuer zum Erlöschen gebracht hätte. Sein Gegenüber blickte von Jagons Augen zu seiner Rüstung, dann wieder zurück, und schließlich beeilte er sich irgendjemandem hinter sich einen Befehl zuzubellen. Wenig später schwang das große, Eisenbeschlagene Holztor auf und gab dem Paladin und der Elfe den Weg in die Stadt frei. Der Mann der sie hereingelassen hatte war plötzlich die Freundlichkeit in Person. Dennoch musterte die Elfe ihn ablehnend, und ließ den Mann keinen Augenblick aus den Augen. Jagon befahl ihm, den Toten aus der Wachhütte bestatten zulassen und die Überreste ihrer Angreifer verschwinden zu lassen. Da es inzwischen schon weit nach Mitternacht war, beschlossen Jagon und Syleeth, sich in einem der zahlreichen Gasthäuser niederzulassen, wobei sie jedoch um jenes Gasthaus, das ihnen am nächsten gelegen wäre, einen großen Bogen machten. Zu frisch war bei ihnen noch immer die Erinnerung an das was damals dort passiert war. Stattdessen quartierten sie sich in einer Taverne am Hafen Tiefenbachsein. Als das seltsame Paar - eine hübsche junge Elfe und ein Mensch in Bettlerkleidung - den Schankraum betraten, verstummten erst einmal die Gespräche aller Anwesenden.


SYLEETH
Plötzlich verebbte der Lärm in der kleinen Hafentaverne und Schweigen breitete sich aus. Es war so leise, dass man eine zu Boden fallende Nadel hätte hören können. Syleeth musste noch immer jedesmal schmunzeln wenn sie sah, was für eine Wirkung ihr Volk auf die meisten Menschen hatte. Doch heute wurde diese Wirkung noch zusätzlich durch das Erscheinungsbild ihres Begleiters verstärkt. Sie konnte die Gedanken der Menge vor sich förmlich hören, so deutlich waren sie den Gesichtern der Gäste anzusehen: Eine Elfe?.......mit einem Bettler???????????

Der erste der seine Sprache wiederfand war der Wirt. In der Hoffnung eines seiner Zimmer anbringen zu können, schritt er zielstrebig auf die junge Elfe zu, den ärmlich gekleideten Mann an ihrer Seite geflissentlich übersehend.

„Seid gegrüßt, Reisende! Ihr müsst einen langen Weg hinter Euch haben, wenn ihr erst jetzt in unserm schönen Tiefenbach eingetroffen seid. Sucht Ihr ein Zimmer?...mit Blick aufs Meer vielleicht?“

„...2 Zimmer....ihr müsst doch bemerkt haben, dass ich in Begleitung reise!“ Syleeth amüsierte sich noch prächtiger.

Unwillig drehte sich der Wirt nun zu Jagon um und presste eine Entschuldigung hervor, da er ihn offensichtlich übersehen hatte. Dieser winkte nur ab und wollte seine Unterkunft sehen.

Nachdem die beiden Freunde ihr Reisegepäck in ihren Zimmer abgelegt hatten und ihre Kleidung, sowie sich selbst, kehrten sie wieder in den Schankraum zurück um sich etwas zu stärken. Während Jagon bestellte, beobachtete er durch ein Fenster die Elfe, die hinausgegangen war. Mit in der sanften Brise wehendem Haar stand sie dort und begrüßte nach Art ihres Volkes die aufgehende Sonne.

„Wo willst Du denn Baphoman suchen? Ich glaube nicht, dass er so unvorsichtig ist in einer Stadt voller Bewaffneter, die ihn suchen zu bleiben...“

„Ich weiß, aber er war stimmt hier! Ich muss eben eine Spur von ihm finden....außerdem will ich ja noch aufklären, was an den Gerüchten so dran ist, von denen Du mir erzählt hast!“

Schweigend setzten sie ihr Frühstück fort. Die Elfe beschäftigten noch immer die Ereignisse der letzen Nacht. Als ihr plötzlich ein einsehendes „Natürlich...!“ entfuhr wandte Jagon ihr wieder seine volle Aufmerksamkeit zu.

„Letzte Nacht, da hast Du Dich doch die ganze Zeit gefragt ob seine Macht schon so groß sein sollte.....was wenn er ganz in der Nähe war?...es nur ein Ablenkungsmanöver war???“

„... deswegen konnten die Skelette bei dem Ritter so gezielt vorgehen...er hat sie direkt gelenkt!“

Die freudige Erregung des Paladins, die die Erkenntnis der genauen Vorgänge mit sich brachte, verflog schnell wieder. Sein Blick verfinsterte sich wieder und traurig musste er feststellen, dass Baphoman wahrscheinlich schon längst wieder über alle Berge war...

Nach dem Mahl verabschiedeten sie sich von einander, damit jeder seine Besorgungen in Tiefenbach erledigen konnte, am Abend wollten sie sich wieder in der Gaststätte treffen. Jagon ging in Richtung der örtlichen Vertretung der Ritter davon und Syleeth steuerte als erstes den Markt am Hafen an.


JAGON
Jagon hatte es sich nicht anmerken lassen während die Elfe mit ihm sprach, aber er war schon während der Nacht zu derselben Erkenntnis wie sie gelangt, dass der Schwarzmagier nämlich ganz in der Nähe sein musste. Wie hatte Meister Anith stets zu sagen gepflegt? "Wenn du dich vor dem Bären verstecken willst, dann tu das am besten in seiner Höhle, denn dort wird er dich niemals vermuten".
Die Höhle des Bären wäre in diesem Fall das Kastell der Ritter in Tiefenbach, wenngleich Jagon sich nicht vorstellen konnte wie Baphoman es geschafft haben sollte sich dort einzunisten. Andererseits hatte der Paladin auch keinen Grund, an Syleeths Worten zu zweifeln, denn die Elfe gehörte zu den wenigen Personen denen er restlos vertraute. Schon aus diesem Grund wollte er allein zu dem Kastell gehen, denn er wollte die liebgewonnene Freundin nicht in Gefahr bringen. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellen sollte.
Zuerst einmal wollte Jagon sich selbst ein Bild von den Zuständen bei den Rittern machen, danach würde er seine Schlüsse ziehen und entsprechend reagieren. Da das Kastell ein wenig ausserhalb der Stadt lag musste der Paladin zunächst einmal durch eines der Armenviertel der Stadt, wo nicht der Stadtrat, sondern der Hunger das Szepter schwang. Auf seinem Weg blickte Jagon in viele verzweifelte Gesichter, und auch in solche die über das Stadium der Verzweiflung längst hinaus waren und nur noch von einem Tag in den nächsten hineinlebten. Was hätte er gegeben um diesen Leuten helfen zu können!
Hätte der Paladin aufgrund seiner Kleidung nicht den Eindruck gemacht, dass er selbst nichts hatte, so wären ihm sicherlich die Kinder in Scharen nachgelaufen und hätten um ein paar Münzen gebettelt. Nicht dass Jagon irgendetwas von Wert besessen hätte.

Es war am Ende des Armenviertels und gleichzeitig schon fast am Stadtrand, als er sah wie zwei üble Kerle eine Frau bedrängten. Natürlich konnte er da schlecht wegsehen. Zwar war er inzwischen bei weitem nicht mehr so hitzköpfig wie früher, doch auch das Dasein als Paladin brachte eine gewisse Verantwortung mit sich; und dazu gehörte unter anderem auch dass er nicht einfach wegsehen durfte wenn jemand in Not war.
Als die Frau ihn bemerkte riss sie sich von den beiden Kerlen los und lief zu Jagon hinüber, der sich auch sofort beschützend vor ihr aufbaute. "Ich denke die werte Dame hat genug von eurer Gesellschaft" sagte er kühl zu den beiden Männern, die ihn abschätzend ansahen und sich offenbar wunderten warum ein Bettler sich unbedingt mit zwei stadtbekannten Schlägern anlegen wollte.
Es war der größere der beiden Kerle, der den Blick der Frau hinter Jagon suchte, und ihr dann ein Zeichen gab. Noch bevor der Paladin irgendetwas tun konnte, explodierte ein Schmerz auf seinem Hinterkopf und ihm wurde buchstäblich schwarz vor Augen. Bewusstlos sank er zu Boden.
Einer der Kerle grunzte etwas und packte den jungen Paladin unter den Armen, der Größere schnappte sich die Füße und warf der Frau, die einen Knüppel in Händen hielt, eine Handvoll Münzen zu. "Hast du gut gemacht. Aber das hier ist nie geschehen, hast du verstanden?" brummte er. Doch diese Ermahnung bekam sie schon gar nicht mehr mit, flugs hatte die Frau das Geld aufgesammelt und war in einer dunklen Seitengasse verschwunden.
"Der Meister wird zufrieden mit uns sein, Aldar!" sagte der größere, und eilig machten sie sich daran den bewusstlosen Jagon von der Straße zu schaffen.


SYLEETH
Es war ein schöner Sommertag und die vom Meer hereinkommende Brise versprach, dass er nicht so brütend heiß werden würde wie die letzten. Trotz der frühen Stunde war schon der gesamte Marktplatz von dem Geruch der vielen Fische erfüllt. Gemütlichen Schrittes schritt Syleeth die Stände der Händler ab und sah sich erst einmal um. Schließlich begann sie an verschiedenen Ständen sich die Ware näher zu betrachten und in das Feilschen auch Fragen einfließen, ob in letzter Zeit auch noch andere Elfen in Tiefenbach gesehen worden waren. Lange Zeit schien ihre Suche erfolglos, doch dann wurde sie ihrerseits angesprochen. Es war ein kleiner Junge, der neugierig zu ihr hochblickte.
"Seid ihr öfter in Tiefenbach, Herrin?"
"Nun ja, nicht gerade oft, aber manchmal. Warum denn?"
"Ihr...ich...ihr kommt mir so bekannt vor..."
"Bekannt? Glaubst Du mich schon mal gesehen zu haben oder erinnere ich Dich nur an jemanden?" der Knabe hatte sie hellhörig gemacht. Wenn sie in an jemanden erinnerte, hatte er vielleicht ihren Bruder getroffen oder gesehen.
"Ich, ich weiß nicht, Herrin." das Kind wirkte etwas eingeschüchtert ob ihrer vielen Fragen.
"Schon gut, Kleiner!" sagte sie mit einem beruhigendem Lächeln. "hör erstmal auf mich Herrin zu nennen, mein Name ist Syleeth. Was kommt dir..."
"Syleeth? Ich weiß es wieder! Ihr seid eine Freundin von Anina! Wie geht es ihr? Was macht sie so?" Das Kind war vor Freude nicht mehr zu bremsen, doch Syleeth hatte Mühe ihre Enttäuschung hinter einem Lächeln zu verbergen.
Sie unterhielt sich noch einige Zeit mit dem Jungen, bis dieser schließlich zum Mittagessen fort musste. So versuchte sie ihr Glück wieder bei den Marktstände. Natürlich hätte sie es auch in den Tavernen und Schenken versuchen können, doch waren diese mittlerweile so zahlreich in Tiefenbach, dass sie dort nicht Erfolg hoffte.

Auch am Nachmittag erhielt sie keine Informationen, mit denen sie etwas anfangen hätte können. So kehrte sie gegen Abend wieder in ihre Herberge zurück, um auf Jagon zu warten. Nachdem er bis Einbruch der Dunkelheit noch immer nicht erschienen war, erkundigte sie sich über den genauen Standort des Kastells der Ritter.
Wenig später war sie auch schon auf halben Wege dorthin. Zum einen beunruhigte sie die Unpünktlichkeit Jagons, die so gar nicht zu ihm passen wollte und zum anderen der Umstand, dass sie nun ohne Waffen durch das Armenviertel der Stadt musste. Einzig ihren kleinen, versteckten Dolch hatte sie mitnehmen können, mit sichtbaren Waffen zu den Rittern zu gehen wäre eine ausgesprochen schlechte Idee gewesen.
Wie zu erwarten waren die mächtigen Eichentore des Kastells verschlossen, dennoch versuchte sie ihr Glück bei der Wache.
"Seid gegrüßt, Ritter? Ich suche den Paladin Jagon."
"Wen? Den Namen nie gehört!"
"Er wollte heute den Kommandanten des Kastells besuchen." Sie vernahm einige laute Rufe, doch konnte sie diese nicht verstehen.
"Heute sind nur Ritter hier ein und ausgegangen, aber niemand vom Orden!"
Der bis jetzt überraschend freundlich gewesene Ritter schloss mit einem lauten und entschiedenen Knall, die kleine Öffnung im Tor, durch die er gesprochen hatte und ließ die Elfe enttäuscht und noch mehr um ihren Freund besorgt zurück.
`Ach Jagon, in was für Schwierigkeiten bist Du denn nun schon wieder hineingeraten?´ Mit ernstem Gesicht machte sie sich wieder auf den Rückweg. Wie zuvor beäugten sie die Bettler und Obdachlosen des Armenviertels genau, doch wagte sich keiner an die Elfe heran, zu wunderbar wirkte sie auf sie. Syleeth wusste auch, dass diese armen Menschen ihr nicht weiterhelfen würden, wenn sie ihnen nichts dafür anböte. Da kam ihr eine Idee. Schnell legte sie die Strecke zum Marktgebiet zurück und erreichte die Bäckerei an dessen Rande gerade noch, bevor sie schloss. Verwundert über die Eile der Elfe verkaufte der Bäcker ihr noch die letzten Leibe Brot, diese wollte sie an die Kinder im Armenviertel verteilen, um vielleicht Informationen über Jagons Verbleib zu erhalten. Natürlich hätte sie ihnen auch Münzen dafür bieten können, doch sie wusste nur zu genau, dass ihnen diese von den stärkeren Männern abgenommen werden würden, welche sie nur vertranken.

Und tatsächlich einige Kinder hatten wirklich einen jungen Mann gesehen, auf den die Beschreibung zutraf. Sie erzählten ihr auch, dass er überfallen wurde. Durch weiteres Brot zeigten sie Syleeth sogar wohin. Es war ein kleines, halbverfallenes Häuschen, das sich eng an die starken Mauern des Kastells schmiegte. Laut den Kindern war es schon lange nicht mehr bewohnt, da es noch baufälliger war, als die anderen Gebäude in dem Viertel. Dankbar verschenkte die elfe auch noch das restliche Brot, um dann wieder alleine das Häuschen genauer zu inspizieren. Hinein wagte sie sich nicht, noch nicht. Sie wollte erst sehen, ob sie nicht wen finden konnte, der ihr vielleicht mehr über die Handlanger und möglicher Weise deren Auftraggeber erzählen konnte. Die Kinder waren dazu nicht imstande gewesen. Doch wegen der späten Stunde musste das wohl auf morgen warten.




Als er erwachte, fühlte er sich als würde eine Sonne in seinem Kopf explodieren. Sein Geist kämpfte sich aus den Tiefen der Versenkung zurück zu Bewusstsein, aber der Schmerz den er dabei empfand reichte
beinahe aus um ihn wieder bewusstlos werden zu lassen. Stöhnend wollte sich Jagon den schmerzenden Kopf halten, doch irgendetwas verhinderte dass er seine Arme bewegen konnte. Er lehnte an einer Wand oder etwas ähnlichem. Was war passiert? Mühsam gelang es ihm das rechte Auge zu öffnen, das andere konnte er trotz Anstrengung nicht bewegen. Der Paladin musste blinzeln, drei, vier, fünfmal ehe er etwas erkennen konnte. Er befand sich offenbar in einem dunklen, stickigen Raum, nur erhellt durch ein Loch in der Decke durch das rötliches Licht schimmerte. Seine Arme und Beine waren an einen tragenden Balken gekettet; und das so fest dass die Ketten den Blutfluss unterbrachen, wie er an der Kälte seiner Arme unschwer feststellen konnte. Sein Mantel und sein Schwert waren verschwunden.

Von irgendwoher trat eine Gestalt in sein eingeschränktes Sichtfeld und blieb vor dem Gefangenen stehen. Ein Augenpaar starrte dem Paladin forschend in das eine, geöffnete Auge. Jagon starrte zurück, und versuchte soviel Stolz in seinen Blick zu legen wie nur möglich. Es entwickelte sich ein stummes Duell zwischen den beiden, das der Paladin schließlich gewann als der andere seinen Blick abwandte.

Doch der Triumph war nur von kurzer Dauer, denn kurz darauf schoss die Faust des Fremden vor und bohrte sich schmerzhaft in Jagons Magengrube. Sein Gegenüber musste der Schlag gegen die Kettenrüstung des Paladins fast mehr geschmerzt haben als Jagon, doch der Fremde ließ sich nichts
anmerken. Keuchend stieß der angehende Paladin die Luft aus, hustete und sackte ein Stück in sich zusammen, soweit es die Ketten eben zuließen. "Er ist wach, Alrech," verkündete eine kratzige, rauhe Stimme. Kurz darauf vernahm Jagon Schritte, und ein zweiter Mann trat in sein Blickfeld. Erst jetzt erkannte er, dass es sich um die beiden Männer handelte die ihm auf der Strasse aufgelauert hatten.

"Was wollt ihr von mir?" brachte Jagon hervor. Er erwartete nicht ernsthaft eine Antwort, dennoch bekam er sie.

"Unser Meister wünscht deinen Tod. Genaugenommen wünscht er den Tod von allen Diener der vier Götter, doch deinen sollen wir besonders schmerzhaft gestalten." Ein dreckiges Lachen erschall, in das der Andere Mann alsbald mit seiner kratzigen Stimme einfiel. "Aber du kannst dich freuen, Paladin" - er sprach das Wort wie eine Beleidigung, wie etwas Anstößiges aus - "denn ohne die Dummheit deines Ordens wäre der Codex schon lange verloren gegangen. Ohne eure Hilfe wäre es dem Meister nie
gelungen, den Schlüssel nach Sho'kanam zu finden!"

Plötzlich war alle Müdigkeit und aller Schmerz in den Hintergrund getreten. Jagon vergaß sogar die Fesseln und richtete sich ruckartig auf, was mit einer erneuten Straffung der Ketten bestraft wurde. Doch
auch das spürte er kaum. "Sho'kanam? Die verlorene heilige Stadt aller Paladin-Orden?", vergewisserte er sich.

Der Alrech genannte Mann gab seinem Kumpan einen Wink, woraufhin dieser noch einmal ausholte und dem Paladin einen schweren Schlag in den Magen versetzte. Diesmal spuckte Jagon ein wenig Blut, doch er ignorierte es schlichtweg. Sho'kanam! Der Traum jedes Paladins, der Ort wo Bellum
selbst auf Tare herabgestiegen war und die Mönchen des Klosters von Sho'Kanam hieß zum Schwerte zu greifen um die Horden Angamons zurückzuschlagen. Die Wiegestätte des Ordens der Viereinigkeit!

Wieviele Paladine hatten ihr Leben der erfolglosen Suche nach dieser Stadt gewidmet? Doch dann schlich ein furchtbarer Gedanke in seine Aufregung: Was hoffte Baphoman, jene unheiligste aller Kreaturen, in Sho'kanam zu finden? Es war unschwer zu erraten wonach er suchte. Vermutlich war auf
der Jagd nach - ein plötzlicher Knall, gefolgt von einem Schmerzensschrei riss Jagon aus seinen Gedanken. Mittlerweile reichte das wenige Licht das durch das Deckenloch eindrang kaum noch aus um das gegenüberliegende Ende der Hütte auszuleuchten. Darum konnte der Paladin, dessen Sichtfeld wegen seinem linken Auge ohnehin eingeschränkt war, nicht erkennen was dort vor sich ging. Jagon sah nur wie plötzlich ein Loch dort entstand wo bislang die Tür gewesen war. Ein Umriss schälte sich im schwachen rötlichen Abendlich aus dem aufgewirbelten Staub, und Jagon dachte schon Syleeth hätte ihn irgendwie gefunden, doch fast sofort bemerkte er seinen Irrtum. Der Mann - denn um einen solchen
handelte es sich - bewegte sich zwar ebenfalls recht geschickt, der Elfe nicht ganz unähnlich, doch die kraftvollen Schritte mit denen er in die Hütte gestürmt kam ließen jede Ähnlichkeit mit den sanften Bewegungen der Elfe missen.

Seine beiden Wächter waren zuerst völlig überrascht, und bis sie daran dachten sich zu bewaffnen war es schon zu spät. Der Angreifer schlug den ersten der beiden einfach mit der Faust zu Boden, während "Alrech" sich zur Flucht wandte. Doch er kam nicht weit, denn der Fremde hatte mittlerweile ein Schwert gezogen und dem Fliehenden die breite Seite der Klinge gegen den Hinterkopf geschlagen. Mit einem Schmerzenslaut sank der Mann in die Knie und blieb bewusstlos liegen. Jagon aber hatte nur
Augen für die wehenden schwarzen Haare und das blutrote Kreuz auf der Kettenrüstung des Angreifers, der sich nun dem Anketteten zuwandte.

"Decado? Woher wusstest du...?" Doch der Paladin deutete nur auf eine zweite Gestalt die die Hütte mittlerweile betreten hatte. Und diesmal handelte es sich eindeutig um Syleeth, die Elfe...


SYLEETH
Verunsichert darüber wie sie weiter vorgehen sollte, machte sich Syleeth erst einmal wieder auf den Rückweg in den Gasthof. Es war eine laue Nacht und sanft strich eine angenehme Brise durch die engen Gassen Tiefenbachs. Klar und hell standen die Monde Tares am Himmel und leuchteten mit den unzähligen Sternen um die Wette. In dem hellen Schein war es für die junge Elfe leicht ihren Weg zu finden und sie hatte Zeit über die Geschehnisse, seitdem sie Jagon wieder getroffen hatte, nachzudenken. Es beunruhigte sie, dass ein Schwarzmagier und noch dazu Baphoman ein so mächtiges Buch gestohlen hatte. Die Erinnerungen an ihn waren für sie noch immer unangenehm und sie hatte gehofft nie wieder etwas von ihm zu hören.

Sie hatte das Marktgebiet fast erreicht, als eine barsche Stimme aufschreckte. "Was tut ihr noch auf den Straßen?" sprach sie ein überaus stämmiger Mann an. Anfangs verwunderte sie seine breite, doch dann erkannte sie aufgrund der harten Kanten, die sich durch den Stof seines Umhangs abzeichneten, dass er vermutlich eine schwere Rüstung trug. Schon wieder ein Ritter also. "Wie meint ihr?" gab sie erstaunt zurück.
"Der Zapfenstreich ist schon vorüber!" war die knappe Anwort.
"Wie bitte? Von was sprecht ihr? autsch! lasst mich los!" Der Ritter hatte sie ohne ein weiteres Wort am Arm gepackt und wollte sie mit sich in die Richtung zerren, aus der er gekommen war. "Seit ihr völlig von Sinnen?!" rief sie aus und riss sich mit einer schnellen Drehung los, in der ihre Kapuze von ihrem Kopf glitt. "Du verfluchtes Biest, nicht nur, dass du gegen das Gesetz verstößt! Auch noch eine verdammte Elfe!!! Der Kommandant wird heute noch seinen Spaß haben! Wie seid ihr in die Stadt gekommen?"
Erst starrte sie ihn nur verwundert an und wich mit flinken Bewegungen seinen Armen aus, die sie erneut zu packen versuchten. Doch musste sie erkennen, dass sie mit dieser Taktik über längere Zeit keinen Erfolg haben würde. So kehrte sie ihm den Rücken und lief wieder zurück in das Armenviertel, dass sie ihm in jede andere Richtung auch entkommen wäre, dessen war sie sich sicher. Doch bei diesem Viertel hoffte sie, dass der Ritter es sich zweimal überlegen würde bevor er ihr folgte und auch nicht so genaue Nachforschungen anstellen würde, in dem Glauben, dass sie aus dem Viertel ohnehin nicht lebend wieder herauskommen würde. Doch sie sollte gar nicht soweit kommen, um den schlechten Ruf des Armenviertels auszunutzen....einige Ecken weiter rannte sie in einen hochgewachsenen Mann an. Hart prallte sie gegen ihn und das dumpfe Geräusch kam unverkennbar von einer Rüstung. Schnell sprang sie zurück und wollte sich schon in eine andere Richtung wenden, als ihr Blick an den Augen des Menschen hängen blieb. Eigentlich wollte alles in ihr weiterfliehen, vor dem Ritter, der sie beschimpft hatte und auch vor diesem Mann hier, der wegen seiner Rüstung vermutlich auch ein Ritter war, doch sie konnte sich einfach nicht von dessen Augen losreißen! "Ihr.....ihr seid kein Ritter nicht war?" stammelte sie. Der Mensch vor ihr schüttelte nur den Kopf und musterte sie weiter durchdringend. "Ihr kommt mir so bekannt vor, irgendetwas an Euch.......ihr....ihr, nein nicht ihr,...Eure Augen! Decado!" brachte sie weiter hervor. Vielmehr konnte sie auch nicht mehr sagen, denn ein lautes Poltern kam auf sie zu. Der Ritter musste ihr in seiner Wut doch gefolgt sein. Ein schneller Blick auf den Paladin vor ihr sagte ihr, dass er keine Ahnung hatte wer sie war, aber Zeit für Erklärungen blieb ihr auch nicht. Während sie sich an ihm vorbei in die schmale Gasse drückte raunte sie ihm leise zu "Weist ihm einen anderen Weg!....für Jagon" fügte sie noch fast flehend hinzu und eilte mit lautlosen Schritten weiter.

Ob der Paladin wirklich dem Ritter eine andere Richtung gewiesen hatte, konnte sie nicht sagen. Im Laufen war ihr eingefallen, dass Paladine ja nicht lügen durften, aber einen Verfolger konnte sie allerdings auch nicht hören, so wartete sie noch einige Zeit ab und kehrte dann zu der Stelle zurück, an der sie auf Decado getroffen war. Sie hoffte ihn dort wieder zu treffen. Begegnet war sie ihm vorher noch nie persönlich, aber Jagon hatte ihr schon viel von seinem Freund aus dem Orden erzählt. Zu erkennen war er ja schließlich auch leicht mit seinen äußerst markanten tiefschwarzen Augen.
In der Hoffnung einen Helfer für die Befreiung Jagons gefunden zu haben war sie also in jene Gasse zurückgekommen, doch von dem Paladin war keine Spur, da sie aber sonst keinen Anhaltspunkt hatte beschloss sie zu warten. Das war nun schon fast 2 Stunden her. Die Monde waren zwar noch immer sehr hell, aber ihre Reise näherte sich langsam ihrem Ende. Plötzlich durchbrach eine Stimme die Stille um die Elfe. "Woher kennt ihr meinen Namen?"
Trotz ihrer feinen Sinne hatte sie sein Näherkommen nicht gehört, aber war er denn wirklich erst gekommen? "Wie lange beobachtet ihr mich schon, Decado?" fragte die Elfe in die Dunkelheit.
"Lange genug, um zu wissen, dass ich es bin auf den ihr wartet! Also woher kennt ihr meinen Namen und was wisst ihr von Jagon?" mit ernstem Gesicht trat der Paladin nun aus dem Schatten eines nahen Hauseinganges. "Ich bin Syleeth. Jagon ist schon lange ein Freund von mir, er sprich viel von Euch...."
"Ah, ich habe ebenfalls schon viel über Euch gehört! Ich freue mich Euch endlich mal persönlich kennen zu lernen!" beim Vernehmen ihres Namens hatte sich seine ernste Miene etwas aufgehellt, doch verdüsterte sie sich gleich wieder "Aber sagt, wo ist mein Ordensbruder? Aus Quellen weiß ich, dass er schon angekommen sein müsste, aber er was nicht am vereinbarten Treffpunkt.."
"Er wurde überfallen und gefangen genommen."
"Was? Von wem? Wo? Woher wißt ihr das so genau??? So sprecht doch schon!"
Ein leises fröhliches Lachen entrang sich ihrer Kehle.
"Was ist an dieser Sache den so amüsant?" fragte ihr Gegenüber herrisch.
"Werter Paladin, ihr müsst mich nur einmal zu Wort kommen lassen!" antwortete sie ihm amüsiert. "Folgt mir, auf dem Weg werde ich Euch alles erklären!"

Sowohl die Erklärungen als auch das Wegstück zu dem verfallenen Häuschen dauerten nocht lange.
"Da drinnen soll er also stecken? Warum habt ihr ihn denn nicht befreit?" fragte er sie zweifelnd.
"Hmm, laßt mich überlegen, warum denn gleich? Achja, ich bin bis auf einen Dolch unbewaffnet und weiß zumindest von 2 recht kräftigen und stadtbekannten Schlägern, aber nicht wieviele wirklich dort drinnen sind. Glaub das waren meine Gründe." gab sie ihm schnippisch zurück.
" Jetzt habt ihr ja mich!" Eine Antwort ihrerseits gar nicht erst abwartend war er aufgesprungen und schnell auf das Häuschen zugelaufen. Nachdem er kurz an der Tür gehorcht hatte, trat er sie kurzerhand ein und stürmte in den dunklen Innenraum. Syleeth blieb nichts anderes über, als dem Paladin zu folgen.
Der Anblick der sich ihr bot zauberte ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen, in dem sich senkenden Staub waren zwei niedergeschlagene, doch scheinbar unverletzte, Gestalten zu erkennen. Doch der Anblick ihres Freundes ließ es ebenso schnell verschwinden wie es gekommen war. Schnell eilte sie zu Jagon hinüber und half dem anderen Paladin ihn von seinen Fesseln zu befreien.
"Wir haben Zimmer in einer Schenke unten am Hafen. Dort können wir uns um ihn kümmern!" wandte sie sich an Decado. Dieser nickte zustimmen und hob seinen geschwächten Freund auf seine Schultern.
Als sie wieder draußen im Mondlicht standen, erkannte sie dass Jagon sie anlächelte. Leise flüsterte er die Namen seiner beiden Freunde, bevor er erneut wieder das Bewusstsein verlor.



JAGON
"Sal Hel!" sprach der schwarzhaarige Paladin, und legte beide Hände auf den bewusstlosen Körper seines Freundes. Neugierig stand Syleeth daneben und beobachtete, wie die Platzwunde an Jagons Kopf sich langsam schloss und wie die Schwellung seines Auges abklang. Die Elfe sah nicht zum
ersten Mal diesen Effekt. "Ihr bezieht eure Magie nicht aus der Natur", stellte sie fest. Decado wandte sich ihr müde zu und schüttelte den Kopf, wobei ihn sein pechschwarzes Haar umwirbelte. "Nein. Wir sind keine Magier; wir sind zumeist auch nicht von Geburt an magiebegabt. Ein Paladin bezieht seine Kräfte aus der starken Verbindung zu den Göttern; aus Meditation und Gebet."

Sie befanden sich alle drei in Jagons Zimmer in der Hafentaverne, den Bewusstlosen hatten sie auf das einzige Bett gelegt. War sein Atem zuerst noch bedenklich flach gewesen, so schien er sich allmählich zu
normalisieren. Plötzlich glaubte Syleeth zu hören wie Jagon etwas murmelte. Sie trat näher an das Bett heran um ihn besser zu verstehen.
"Sho'kanam... Stadt... Schlüssel...", glaubte die Elfe zu verstehen. "Wisst Ihr wovon er-" hob Syleeth an, doch Decado hatte sich schon seinen Mantel und sein Schwert umgeschnallt und eilte zur Tür.
"Gebt auf ihn acht, ich bitte Euch. Ich bin bald zurück!" Dann war er auch schon aus dem Zimmer verschwunden, ohne auf das gestammelte "Aber wohin wollt Ihr..." der Elfe zu achten.

Es war ungefähr eine Viertelstunde später als Jagon die Augen öffnete. Ruckartig setzte er sich auf, was mit heftigen Kopfschmerzen bestraft wurde. Mit sanfter Gewalt drückte die Elfe ihn auf das Bett zurück und sagte tadelnd: "Liegenbleiben", begleitet von einem sanften Lächeln. Prüfend betastete der Paladin seinen Körper, machte aber keine Bemerkung über seine Heilung. "Ich dachte ich hätte Decado gesehen... war das nur eine Einbildung?"

"Nein. Er war wirklich da. Er war es auch der dich befreit hat", sagte die Elfe. "Er hätte beinahe die ganze Hütte eingerissen ob dich rauszuholen. Seid ihr alle so impulsiv und wollt mit dem Kopf durch die
Wand?"

"Nein. Decado gehört zu den ruhigsten und ausgeglichensten Menschen die ich kenne," stellte Jagon ernsthaft fest, "aber wenn ein Ordensbruder oder eine Ordensschwester in Gefahr ist würde jeder von uns bereitwillig sein Leben für den anderen geben." Dann erst begann er sich im Zimmer
umzusehen. "Wo ist er überhaupt?"

"Er ist weg - schon seit einer ganzen Weile. Aber keine Angst, er hat gesagt er kommt zurück." Die Elfe zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben den Liegenden. "Erzählst du mir etwas?" fragte sie ihn und suchte seinen Blick.

"Sicher. Was willst du wissen?"
"Wer ist Sho'kanam? Und was hat es mit dem Schlüssel und der Stadt auf sich?" An Jagons Reaktion sah sie dass sie offenbar einen wunden Punkt berührt hatte. Unwillig wand sich der Paladin um eine Antwort herum, und sie konnte förmlich sehen wie es hinter seiner Stirn arbeitete.
"Sho'kanam IST die Stadt," sagte er schließlich. "Oder zumindest könnte sie eine Stadt sein." Unter dem fragenden Blick der Elfe Begann er zu erzählen:

"Der Orden der Viereinigkeit existiert erst seit relativ kurzer Zeit, aber Paladine gab es natürlich schon früher. Über ihre Entstehung gibt es viele Legenden. Eine dieser Legenden handelt von Sho'kanam, der
heiligen Stadt. Es gibt Texte die behaupten, dass vor Hunderten – oder gar Tausenden! - von Jahren die Stadt Sho'kanam von einer unbekannten, dämonischen Armee belagert wurde. Angeblich stieg Bellum selbst damals zu Tare herab, um den Verteidigern der Stadt seinen Segen zu geben. Aus
Kämpfern und Mönchen wurde etwas anderes: kämpfende Mönche, Heilige Krieger im Namen der Götter." "Paladine." fügte die Elfe hinzu, und Jagon nickte.

"Das ist natürlich wie gesagt nur eine Legende. Eine die im Orden noch dazu schwer umstritten ist. Aber meine beiden... 'Freunde' erwähnten Sho'kanam, und sie sagten auch irgendetwas über Baphoman und den Codex, und darüber dass das Buch eine Art Schlüssel sei..."

Syleeth schwieg und überdachte das Gehörte. Sie hatte keinen Grund an den Worten ihres Freundes zu zweifeln, auch wenn sich die ganze Geschichte etwas merkwürdig anhörte. Auch Jagon hing seinen eigenen Gedanken nach, und sie beide erschraken als plötzlich die Tür des Zimmers aufflog und eine schwarzhaarige Gestalt hereingestürmt kam.
"Holt eure Waffen!" raunte Decado den beiden anderen zu. "Wir haben ein
Problem..."


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BeitragVerfasst: 26.12.01, 01:12 
Altratler
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SYLEETH
`Sho´kanam...der Name hatte etwas seltsames an sich, vielleicht lag es auch einfach daran, dass es kein typisch menschlicher Name war...Aber auch diese Legende über diese Stadt war recht merkwürdig, sogar in gewisser Weise beunruhigend. Wenn etwas wie der Codex Necronomicon der Schüssel zu dieser heiligen Stadt sein soll, dann muss dort außer Bellums Wandlung der Mönche in die Paladine noch etwas anderes passiert sein...etwas das diese geheimhalten oder möglicherweise gar nicht wissen...´ Ein dumpfer Knall riss die Elfe aus ihren düsteren Gedanken. Es war die von Decado aufgestoßene Tür, die gegen die Wand schlug. "Holt Eure Waffen!" raunte er. "Wir haben ein Problem..."
"Die Waffen? Aber ich..."
"Geht!" unterbrach der schwarzhaarige Paladin sie barsch. Sie wollte sich seinem herrischen Befehlston schon wiedersetzen, doch Jagons Erzählungen zufolge musste er triftige Gründe für dieses Auftreten haben. Ihr Zimmer lag am anderen Ende des Flurs, das einzige mit Blick aufs Meer - hatte der Wirt ihr stolz erklärt. Die Aussicht war in der Tat herrlich. Die Herberge stand so nah am Wasser, dass bei einem Unwetter die hohen Wellen gegen die Rückseite des Gebäudes brandeten. Laufend legte sie die kurze Wegstrecke zurück, um dann in dem Zimmer fast genauso schnell ihre Sachen zusammenzusuchen. Ihre Waffen befanden sich noch immer in dem gebundenen Bündel und auch sonst hatte sie noch nichts
ausgepackt. Dennoch war sie anscheinend zu langsam. Während sie das Bündel und die Tasche aus weichem Wildleder überstreifte und festzurrte, hörte sie draußen auf dem Gang ein wildes Stimmengewirr. Neugierig, aber dennoch vorsichtig öffnete sie die Tür und lugte auf den gang hinaus. Der Anblick der sich ihr bot entrang ihr ein resignierendes Seufzen. In der Tür zu Jagons Zimmer
standen die beiden Paladine ohne Umhänge, die Ordensrüstungen deutlich sichtbar und vor ihnen eine Gruppe dieser lästigen Ritter.

"Nein, wir beherbergen keine Elfe bei uns und schon gar nicht verbergen wir eine! Aber was interessiert Euch eigentlich so sehr an dieser Elfe?" hörte sie Decado ruhig fragen. Die Antwort der Ritter hörte sie nicht mehr, leise hatte sie die Tür geschlossen und war zum Fenster geeilt, um sich nach einem
Fluchtweg umzusehen...

Hinunterklettern konnte sie an den glatten Wänden nicht, doch das war auch gar nicht nötig, denn das Haus stand nur knapp 1 1/2 m vom Hafenbecken entfernt. Flink packte sie den kleinen Beutel, der an ihrem Gürtel hing, samt der ledernen Stiefel und dem leichten Wams in die Tasche und ließ diese
zusammen mit dem Waffenbündel hinunter auf den schmalen Weg fallen. Danach kletterte sie auf den Fenstersims und sprang in einem weiten Bogen hinunter in das Wasser. `Hoffentlich ist es auch tief genug...´ dachte sie bei sich in dem Moment
als sie eintauchte.


JAGON
"Was in Bellums Namen ist eigentlich passiert?", fragte Jagon den anderen Paladin, während er sich mühsam von dem Bett erhob und mit schmerzenden Muskeln nach seinem Schwert und seinem Umhang griff. "Ich bin den beiden Männern gefolgt die dich angegriffen haben. Ich ging eigentlich davon aus dass sie zu irgendeiner der Verbrecherbanden Tiefenbachs gehören, und dass sie für dich Lösegeld erpressen wollten."

Jagon wandte sich ihm zu und sah ihn prüfend an. "Und war dem nicht so?" Decado schüttelte leicht den Kopf. "Nein. Sie sind geradewegs in die Garnison der Ritter marschiert, und ein paar Minuten später ist ein halbes Dutzend Bewaffneter herausgekommen. Und jetzt beeil dich endlich!"
Nachdem Jagon seine Siebensachen zusammengesucht hatte traten die beiden auf den Flur hinaus um auf die Elfe zu warten. Doch stattdessen hörten sie plötzlich das Gestampfe von schweren Stiefeln die Treppe heraufpoltern. Gehetzt sahen die Paladine sich um, konnten aber keine Fluchtmöglichkeit erspähen.

"Wie haben die uns so schnell gefunden?", fragte Jagon
"Ich weiß es nicht. Die Frage ist, was machen wir jetzt?"

Die Entscheidung wurde ihnen abgenommen als nacheinander sechs Ritter in schwerer Rüstung aus dem Treppenflur quollen und somit den einzigen Ausgang blockierten. Einer von ihnen trat mit übertrieben wichtiger Miene auf die beiden Paladine zu und schlug einen recht unhöflichen Ton
an. "Ah, sieh an! Zwei Betbrüder! Ist das nicht allerliebst Leute?" Ein meckerndes Lachen erklang als Bestätigung: "Wo ist die Elfe? Gebt sie heraus! Der Wir hat uns erzählt dass ihr sie versteckt!"

Decado antwortete schneller als sein Freund: "Nein, wir beherbergen keine Elfe bei uns und schon gar nicht verbergen wir eine! Aber was interessiert Euch eigentlich so sehr an dieser Elfe?", fragte der
Schwarzhaarige, ohne auf den überraschten Blick Jagons zu achten. Mit der linken Hand machte Decado eine Geste hinter dem Rücken, die soviel bedeutete wie „Das ist keine Lüge - nur eine kleine Beugung der Wahrheit“, und Jagon nickte bestätigend.
"Ich glaube euch kein Wort.", kam es als Antwort zurück, und an seine Männer gewandt brüllte der Mann in der Rüstung: "Durchsucht das Zimmer dort hinten, dort muss sie sein!" Sofort machten sich zwei der Ritter auf den Weg um ihren Befehl auszuführen. Jagon wollte ihnen den Weg vertreten, aber Decado vertrat ihm wie zufällig den Weg. "Mach keinen Unsinn" raunte der Schwarzhaarige seinem Freund zu. Natürlich war das auch dem Kommandanten der Ritter nicht verborgen geblieben, denn mit einem triumphierenden Grinsen richtete er sich an seine drei übrigen Männer. "Diese beiden stellen sich der Autorität der Ritter der Sieben Winde in den Weg! Nehmt sie fest!" Wie aus dem Nichts erschienen
plötzlich Schwerter in der Hand der beiden Paladine, und zwei der Ritter, die eben noch mit einem Strick in den Händen versucht hatten die Paladine zu fesseln, spürten nun kalten Stahl an der Kehle. Unsicher
blickten die in Schach gehaltenen Ritter zu ihrem Kommandanten; der jedoch setzte nur ein bösartiges Grinsen auf. "Ihr werdet doch nicht den ersten Schlag führen wollen, ihr zwei?" Ehe Jagon oder Decado etwas erwidern konnten kamen die beiden Ritter zurück und berichteten atemlos: "Keine Spur von der Elfe, Herr. Auch in den anderen Zimmern nicht! Sie muss geflohen sein."

Als nun noch ein Paar Schwerter auf sie gerichtet war tauschten die beiden Paladine einen vielsagenden Blick. "Wir wollen kein Blutvergießen", sagte Jagon schließlich, und wie ein Mann ließen die
beiden Paladine ihre Waffen sinken. Sofort nahm ihnen einer der Ritter die Schwerter ab, während zwei andere Stricke um die Handgelenke der Paladine banden. "Ihr habt kein Recht uns grundlos zu verhaften! Wenn der Kommandant der Garnison davon erfährt-" Ein Faustschlag brachte Jagon zum verstummen. "Der Kommandant weiß nicht nur davon; ER hat eure Verhaftung selbst angeordnet!"

Jagon und Decado wurden die Treppe hinuntergezerrt und auf die Straße gestoßen.
Als draußen der Morgen graute, bot sich den Bewohnern Tiefenbachs ein seltsamer Anblick, als zwei Paladine von einem halben Dutzend Ritter quer durch die halbe Stadt geschleift wurden, bis sich die Tore der Garnison hinter ihnen schlossen.


SYLEETH
Das Hafenbecken war zwar tief genung, um einen Sprung aus dieser Höhe abzufangen, dafür aber immens verschmuzt. Angeekelt von dem Dreck, der in dem Wasser schwamm, kletterte sie schnellst möglich wieder heraus, schnappte sich die Bündel und lief weg von der Herberge. Um die beiden Paladine machte sie sich keine Sorgen, da sie die Zugehörigkeit zum Orden der Viereinigkeit
sicherlich schützen würde. Sie musste sich viel mehr um ihre eigene Sicherheit sorgen.
Einige Gässchen weiter fand sie auf einem kleinen Platz einen Brunnen, an dem sie sich notdürftig säubern konnte. Da es noch sehr früh am Morgen war, war kaum etwas los auf den Straßen Tiefenbachs und bis zum Ende ihrer Katzenwäsche blieb sie unbehelligt. Doch musste sie schnell ein sicheres
Plätzchen finden, denn die Ritter würde schon bald nach ihr suchen. Einfach in eine andere Herberge gehen konnte sie nicht, es musste ein Ort sein, an dem sie niemand vermutet würde...nach langem Überlegen fiel ihr der Junge Kronus vom Vortag wieder ein und Aninas Erzählungen von der großen
Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft dieser Familie. Doch wußte sie nur den Namen des Knaben und dass seine Eltern einen Fischstand am Hafen hatte, so machte sie sich auf den Weg zum Markt, in der Hoffnung Kronus zufällig wieder zu treffen. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, schließlich war sie
noch völlig durchnäßt, hielt sie sich stets im Schatten. Erst in dem der Häuser und dann in dem der großen Schiffe, die im Hafen vor Anker lagen.
In der Nähe des Marktes suchte sie sich ein unauffälliges Plätzchen, von welchem sie aus fast den gesamten Platz überschauen konnte, ohne selbst aufzufallen. Lange musste sie warten, fast bis zu Mittag, bis eine Gruppe Kinder unweit von ihr ein fröhliches Spiel mit einem genähten Ball anfing.
Zufällig war auch Kronus in der Gruppe. Alsbald verschoß eines der Kinder den Ball, der in der Nähe ihrers gewählten Plätzchens zu liegen kam.

Inständig hoffte die Elfe, dass der junge Kronus in holen würde und tatsächlich, da kam er auch schon näher. Als er nahe genug heran war rief sie ihm zu. "Nicht erschrecken Kronus! Nein dreh Dich nicht um..." Folgsam und etwas furchtsam hob er den Ball langsam auf und versuchte unauffällig einen Blick auf die Frau zu werfen, die ihn da angesprochen hatte. "..ich bin’s, Syleeth. Die Elfenfreundin von Anina.." Ein erleichtertes Lächeln huschte über das Gesicht des Kindes. "Ich brauche Deine Hilfe!" Mit einem leichten Nicken gab er zu erkennen, dass er sie verstanden hatte und eilte zurück zu seinen Freunden. Syleeth beobachte neugierig weiter das Spiel der Kinder. Nach einiger Zeit begann, sie sich allerdings zu fragen, ob sie sich das Nicken des Jungen nur eingebildet hatte. Erstaunt beobachtete sie, wie der Junge sich von den anderen verabschiedete und dann im Getümmel des Marktes verschwand. Mit einem resignierenden Seufzen ließ sie sich zurück in die Schatten sinken und überlegte, an wen sie sich sonst noch wenden könnte...als sie plötzlich jemand ansprach. Erleichtert erkannte sie den Jungen Kronus, der ihr kurz erklärte, dass er das Einverständnis seiner Eltern hatte sie in ihr Haus zu bringen und sie dann mit Fragen überschüttete was denn geschehen sei. Zwar war ihre Kleidung während des
Wartens getrocknet, doch war ihr noch immer anzusehen, dass sie im schmuzigen Wasser des Hafens gewesen war. Die Katzenwäsche auf dem Platz war nicht sehr gründlich gewesen. Mit einem freundlichem Lächeln erwiederte sie, dass sie sich gern erst waschen und vielleicht stärken würde und ihm dann in Ruhe alles berichten würde.

Erfrischend und wohltuend war das Bad gewesen, dass ihr Kronus Mutter bereitet hatte. Nun saß sie in ihren Umhang gehüllt, ihre ausgewaschenen und gesäuberten Kleider mussten erst trocknen, und löffelte eine heiße Suppe. Nun war sie dem Jungen und der Frau eine Erklärung schuldig: "Ihr habt doch sicherlich von den Verhaftungen Magiebegabter durch die Ritter gehört?"
"Gewiß" antwortete die Frau "doch bis heute schienen sich die Verhaftungen in Grenzen zu halten...aber heute Morgen, geschah etwas, dass allen Leuten hier Sorgen bereitet!"
Verwundert blickte die Elfe sie an, ihr war nichts aufgefallen, aber wann denn auch...sie hatte sich die ganze Zeit versteckt. So fuhr die Mutter des Jungen fort: "Heute Morgen wurden zwei Paladine verhaftet, jetzt fürchten alle hier weitere Verhaftungen...die Ritter scheinen ihre Grenzen nicht mehr zu
kennen..."
"WAS?" für die Elfe stand fest, dass es sich um Decado und Jagon handeln musste, trotzdem ließ sie sich eine kurze Beschreibung geben, bis sie alle Zweifel ausschließen konnte. "Wahrlich, die Ritter haben ihre Grenzen weit überschritten..." schnell erzählte sie, dass der Orden bestohlen worden war
und diese beiden Paladine das Raubgut wiederbringen sollten, doch verschwieg sie was genau gestohlen wurde. Weiter erzählte sie, dass die Ritter bei der Suche nach den Räubern helfen sollten, aber wohl in eigener Sache handelten. Sie offenbarte auch, dass sie ebenfalls von den Rittern gesucht wurde. Auf
dies erwiderte die Frau mit einem warmen Lächeln "aber das wissen wir doch schon! Wie ein Lauffeuer hat sich verbreitet, dass die Paladine verhaftet wurden und die Ritter nun nach einer Auenelfe suchten. Leider sieht man wahrlich selten jemanden Eures Volkes hier auf Siebenwind...so vermuteten
wir gleich, dass ihr es seid. Doch habt keine Angst, unsere Hilfe ist Euch gewiß!"

Dankend nickte Syleeth der Frau zu und wandte sich dann an den Jungen, der staunend dem ganzen Gespräch gefolgt war. "Kannst Du vielleicht ein paar Besorgungen für mich machen?" und an dessen Mutter gewandt "sofern ihr nichts dagegen habt." "Nein, nein, soll er nur, so steht er mir wenigstens
nicht im Weg rum..." und mit einem wohlwollenden Lächeln begab sie sich in die Küche. "Ihr habt einen Auftrag für mich?" fragte das Kind eifrig und stolz strahlte sein Gesicht. "Ja, ich brauche ein langes, gutes Seil; einen Wiederhaken aus Eisen..." bei dem Klang dieses Wortes verzog sie etwas ihr Gesicht, doch kehrte sie schnell zu dem heiteren Lächeln zurück, das meist ihre Lippen umspielte. "...eine Hose aus möglichst dunklem, weichem Leder samt Wams. Hast Du meine Kleidung gesehen? Von der Stärke dieser ähnlich.

Einen dunklen, dünnen Schal - er soll nicht wärmen, sondern nur meine Haare bändigen. Hmmm, glaubst du du kannst dir das merken?" Das Kind nickte und wiederholte langsam die Aufzählung. Syleeth ging hinüber zu ihrer Tasche und holte zwei kleine Beutel hervor. Der eine war leer, der andere schwer und
prall gefüllt. Mit der Vermutung, dass sie eine längere Reise machen würde, hatte sie viele ihrer fein gearbeiteten Instrumente in Brandenstein verkauft. Die gefragten Arbeiten hatten eine ansehnliche Summe eingebracht.

Im Kopf überschlug sie rasch, was die Besorgungen wohl kosten würden, legte großzügig noch einiges drauf, damit der Junge einen Spielraum hatte und füllte die Münzen in den leeren Beutel. Mit großen Augen hatte das Kind sie beobachtet und die vielen Münzen bestaunt. "Ach ja und zwei lange Kerzen
brauche ich auch noch und einen Schwamm, wenn du einen findest."
"..Kerzen..Schwamm" wiederholte der Junge. "Bevor Du auf den Markt gehst, hole einen guten Freund dem Du vertraust. Er soll Dir beim Tragen der Sachen helfen, aber auch dabei sein, damit Du nicht alleine bist, mit soviel Geld herumzulaufen kann sehr gefährlich sein! Wenn Dir etwas übrig bleibt
kauf doch für Deine Mutter einen schönen Kuchen, sie wird sich freuen..." In der freudigen Erwartung auf etwas so köstliches begangen seine Augen zu strahlen. "vielleicht ist ja genug da, dass du dir und deinem Freund eine Zuckerstange kaufen kannst." Sie ließ noch ein paar Münzen mehr in den
Beutel wandern und wandte sich dann wieder dem Jungen zu. Freudestrahlend fiel er ihr um den Hals und versprach, alles in bester Qualität zu besorgen!

Als Kronus schwer beladen zurückkehrte, war der Abend schon angebrochen. Er hatte alles zufriedenstellend besorgt und sogar etwas Geld wieder zurückgebracht. Erstaunt fragte ihn die Elfe, ob er sich denn gar nichts Süßes zur Belohnung gekauft hatte. "Doch, doch...und für Mutter auch etwas!"
Freudestrahlend holte er eine große Zimtstange aus seiner Tasche hervor und deutete dann auf eine leichte Schachtel. In dieser war ein feiner Kuchen, den die Elfe und das Kind sogleich in die Küche brachten. Mit einem breiten Grinsen überreichte er die Schachtel seiner Mutter, die sich auch riesig
über den kleinen Luxus freute. Sie waren keine arme Familie, doch solche Ding leisteten sie sich selten.

Als sich die gastfreundschaftliche Familie zu Bett begeben wollte, bedankte sich Syleeth für ihre Großzügigkeit, aber mehr als nur ihre dankbaren Worte wollten die Fischerleute nicht annehmen. Sie verabschiedeten sich von der Elfe, da diese noch im Schutze der Dunkelheit aufbrechen wollte.
Kaum war sie allein beendete sie die letzten Vorbereitungen. Als erstes zog sie sich um. Der Junge hatte einen guten Einkauf getätigt, die dunklen Gewänder waren aus gutem, geschmeidigen Leder, das sogar etwas gefüttert war, sodass sie keinen Umhang für die Nacht brauchte...er wäre auch nur hinderlich gewesen. Geübt band sie mit dem schwarzen Tuch ihre Haar eng an den Kopf, da auch ihre Ohren darunter versteckt waren, würden alle Geräusche zwar etwas gedämpft, aber noch immer sehr deutlich für sie zu hören sein.

Sie musste sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass die Sinne der Elfen außergewöhnlich gut waren und die meisten Menschen noch viel schlechter hörten als sie jetzt. Dann entrollte sie ihr Waffenbündel, nur um es zusammen mit ihrem Umhang und ihrer gewöhnlichen Hose wieder zu verschnüren. Fest band
sie es zusammen, damit es sich auch ja nicht lockerte. Nachdem sie alles sonstige in der Tasche verstaut hatte und beides festgezurrt hatte, befestigte sie den Widerhaken noch an dem Seil. Aufgerollt warf sie sich auch dies um die Schulter. Zufrieden verließ sie alsbald das Haus dieser so hilfsbereiten Familie.
Das einzige, was noch von ihrer Anwesenheit zeugte, waren einige Münzen, die sie auf dem Tisch als Dank für die Gastfreundschaft zurückließ.


JAGON
Die Garnison der Ritter war ein mächtiger, aus riesigen Steinquadern zusammengesetzter Bau am westlichen Ende der Stadt. Eine sehr schwer einzunehmende Festung, wie Jagon im Vorübergehen bemerkte. Die Ritter führten ihre Gefangenen quer über den Innenhof zu einem großen, vergitterten Loch im Boden, vielleicht fünfzig auf fünfzig Meter breit.

Von unten stieg ein bestialischer Gestank auf und verschlug den beiden Paladinen schier den Atem. Auf einen Wink des Anführers hin eilten zwei der gepanzerten Ritter los um das Gitter über der Grube zu entfernen. Jagon schielte vorsichtig über den Rand hinweg, doch unten war es zu dunkel um etwas zu erkennen.

Der Hauptmann der Ritter schien einen Moment unschlüssig zu sein, dann deutete er auf Decado und sagte: "Diesen da!" Ohne sich wehren zu können wurde der gefesselte Paladin von zwei der Gepanzerten ergriffen und mit Schwung in die Grube gestoßen. Ein lautes Platschen von Wasser,
begleitet von dem wilden Gelächter der Ritter erschall.

Kurze Zeit später wurde Jagon von seinen Bewachern ziemlich unsanft zu einem Gebäude ungefähr im Zentrum der Garnison getrieben. Schon auf den ersten Blick erkannte der Paladin dass es sich um die Arbeitsräume des Garnisonskommandanten handeln musste, und wie sich herausstellte sollte
er recht behalten. Der Anführer der Ritter und zwei seiner Getreuen betraten, den gefesselten Paladin vor sich her stoßend, das Gebäude; während die restlichen Ritter aus Jagons Blickfeld verschwanden. Die ganze Zeit über hatte er schon verstohlen nach Syleeth Ausschau gehalten, doch offenbar war sie ihren Häschern entkommen, wie er erleichtert zur Kenntnis nahm.

Als die vier Männer vor einer Kunstvoll geschnitzten Tür standen befahl der Anführer seinen Untergebenen draussen zu warten, während er selbst, nach kurzem Anklopfen eintrat. Wenig später kam er zurück, und mit einer herrischen Geste bedeutete er seinen Männern, den Paladin in das Zimmer
zu schaffen.

Aus dem Verhalten seiner Wächter schloss Jagon dass es sich um das Arbeitszimmer des Kommandanten handeln musste; und tatsächlich, er wurde nicht enttäuscht. Der Raum war erstaunlich spartanisch eingerichtet. Ein einfacher Fußboden durchzog den Raum, die Wände waren bis auf ein
kleines Wandbild völlig kahl. Ein wuchtiger Schreibtisch nahm das hintere Drittel des Zimmers in Beschlag, und hinter diesem Schreibtisch saß ein Mann von beeindruckender Statur. Auf einen Wink des Kommandanten zogen sich die beiden einfachen Ritter zurück, während der Anführer der
Häscherbande respektvoll in den Hintergrund trat.

Eine Weile starrten sich der fremde Mann und Jagon einfach nur an. Es war ein stummes Duell mit Blicken, das mit einem ehrenhaften Unentschieden endete. "Mein Name ist Durgan, ich bin der neue... Leiter dieser Garnison. Und du bist also einer der beiden Paladine die unseren Meister bedrohen," hob der Fremde an. Seine Stimme war merkwürdig schrill, fast schon ein wenig heiser, doch Jagon beschloss dass es das beste wäre gar nichts zu erwidern. Das war auch gar nicht nicht nötig, denn der Fremde - Durgan - erhob sich hinter seinem Schreibtisch und trat näher zu dem gefesselten Paladin.

"Ihr habt einen großen Fehler begangen, als ihr euch gegen unseren Meister erhoben habt," stellte der Kommandant sachlich fest. Wie ein tadelnder Vater zu einem unmündigen Kind wedelte er mit dem Zeigefinger und grinste hämisch. "Glaubt mir, schon bald wird Baphoman die Stadt Sho'kanam gefunden haben, und wenn es soweit ist bedeutet das die Wiedergeburt des dunklen Gottes!"

"Ihr seid verrückt," sagte der Paladin ruhig. Der Anführer der Häscherbande wollte nähertreten um den Gefesselten für seine Äußerung zu bestrafen, aber ein eiliger Wink des Kommandanten hielt ihn davon ab. "Auch mein Vorgänger nannte uns verrückt... sieh was es ihm eingebracht hat: Er sitzt im Keller der Garnison, hat sich mit den letzten seiner Getreuen dort unten verschanzt... tststs Unser Meister hat mir die Macht gegeben andere zu beeinflussen, um in seinem Sinne diese Garnison zu leiten; und im Moment ist es ganz in Baphomans Sinne, dass du und dein Freund für eure Verbrechen gegen ihn bestraft werdet..."


SYLEETH
Schnell fand Syleeth ihren Weg zurück zu der baufälligen Hütte, die sich an eine Seitenwand der Garnison schmiegte. Nachdenklich blieb sie vor dem unregelmäßigen Loch stehen, das einmal eine hölzerne Tür gewesen war.
>>Wie's den beiden wohl jetzt geht? Sicher nicht viel besser als Jagon in der Hütte..."
An vielen Stellen war das Dach eingestürzt, so daß die Oberkanten der Ziegelmauern teilweise frei lagen und somit eine gute Auftrittsfläche bildeten. Schnell kletterte die Elfe hinauf und begutachtete nochmals die steilen Mauern des Kastells. In mühevoller Arbeit mußten sie geglättet worden sein, denn keine Ritze oder Fuge konnte sie entdecken, aber damit hatte sie auch nicht gerechnet gehabt. Während Syleeth das Seil und den Widerhaken entrollte bemerkte sie, daß das Dach völlig mit Moos überwuchert war und als der Mond neuerlich zwischen den Wolken hervorlugte kannte sie auch kleine rote Kügelchen auf diesem erkennen. Ein Schmunzeln huschte über ihr Gesicht und sogleich begann sie diejenigen Kügelchen, die in ihrer unmittelbaren Reichweite waren vorsichtig zu pflücken.
>>Ihr werdet mir noch sehr hilfreich sein!<< dachte sie bei sich und mußte schon wieder schmunzeln. Noch vorsichtiger als sie sie gepflückt hatte verstaute sie nun die Kugeln in ihrer Tasche.
Geschickt warf sie das Seil über die Mauer zog daran bis sich er Widerhaken verfing und kletterte flink hinterher. Kurz vor der oberen Kante hielt sie inne und lauschte in die Stille ob sich etwas oben bewegte. Im selben Moment als der Mond wieder hinter einer Wolke verschwand schwang sie sich über die Brüstung. Im Hof unter ihr konnte sie 2 patrouillierende Wachen sehen, allerdings niemanden in ihrer Nähe. Sie beeilte sich über eine der gewundenen Treppen hinunter auf den Boden zu kommen, da sie dort von den Schatten der Mauern und der Gebäude besser Schutz finden würde. Kein Laut war bei ihren Bewegungen zu hören und durch die dunkle Kleidung wirkte sie selbst fast wie ein Schatten.

In er Mitte des Hofes war eine große Grube verschlossen mit einem schweren Gitter. Erstaunt fragte sie sich, was sich wohl darin befinden mochte, vor allem weil die beiden Wachen wegen dieser in dem Hof stationiert worden zu sein schienen. Doch ohne eine offene Konfrontation wäre sie an den beiden nicht vorbei gekommen, um zu sehen was so wichtiges da drinnen war.

Mit den dunklen Schatten der Mauern fast verschmelzend schlich sie an diesen weiter. Sie wollte das verhältnismäßig kleine Haus an der gegenüberliegenden Seite erreichen. Nach den Beschreibungen von Kronus Mutter sollte es das Haus des Kommandanten sein und eine eigenen Zugang zu den Verließen unterhalb der Garnison haben. Syleeth hoffte auf diesem Wege an möglichst wenig Wachen vorbei zu müssen.
Wann immer der helle Mond wieder hinter einer Wolke hervorkam, blieb sie stehen und wartete, bis sein Licht hinter der nächsten wieder verschwand. Sie wollte um jeden Preis verhindern, daß die Ritter im Hof sie entdeckten. Plötzlich hörte sie ein leises Klicken hinter sich, gefolgt von einem schabenden Geräusch, das unangenehm in ihren Ohren klang. Während die Elfe noch versuchte herauszufinden woher es genau kam, spürte sie einen warmen Luftzug. Erschrocken wollte sie sich umdrehen doch sie konnte nichts mehr erkennen. In ihrem Kopf explodierten bunte Farben, wohingegen die Welt um sie herum in tiefster Dunkelheit versank.


JAGON
Während sie den jungen Paladin durch enge Gänge und Treppen nach unten führten, überdachte Jagon noch einmal das was er eben gehört hatte. Der Schwarzmagier Baphoman (das einzige Wesen dass Jagon jemals wirklich GEHASST hatte) stahl den Codex Necronomicon aus der verbotenen Halle des Ordens der Viereinigkeit, um mit Hilfe des Buches die verlorene Stadt Sho’kanam zu finden. Und um sich die Verfolger vom Halse zu halten hatte das Ungeheuer kurzerhand die Kontrolle über ein Kastell der Ritter der Sieben Winde an sich gerissen – das perfekte Versteck, wo ihn niemand je vermutet hätte.
Jagon war sich noch nicht ganz sicher was sich hier wirklich abgespielt hatte, aber aus den Äußerungen von Durgan hatte er entnommen dass Baphoman irgendwie einige der Ritter kontrollierte; während die verbliebenen Treuen irgendwo im Keller des Kastells gefangen waren.

Ein Stoß in den Rücken ließ ihn taumeln, doch der Paladin achtete kaum auf das gebrüllte „Beweg dich!“. Seine Eskorte bestand nur aus drei Männern; und wäre er bewaffnet gewesen so hätte Jagon vielleicht einen Fluchtversuch gewagt. Doch nun, ohne sein Schwert und mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen, hatte er wenig Aussichten Widerstand zu überleben. Daher ließ er sich einfach nach unten führen, tief hinein in das Herz des Kastells.

Vor einer wuchtigen, eisenbeschlagenen Tür endete der Weg, und während der eine seiner Bewacher ächzend die Tür aufzog, stießen die anderen beiden den jungen Paladin hindurch. Krachend schloss sich der Durchgang, und Jagon fand sich in völliger Dunkelheit wieder, die nur von einigen schwachen Strahlen des Mondes von oben durchbrochen wurde..

„Bist du das, Bruder?“ vernahm er eine Stimme irgendwo vor ihm, und erleichtert erkannte er Decados Stimme. „Ja, ich bin es...“. Jagon hörte ein plätscherndes Geräusch, und erst jetzt bemerkte er dass er bis zu den Knöcheln in schmutzigem Wasser und Unrat stand. Im selben Maße wie sich seine Augen an die Dunkelheit und das schwache Mondlicht gewöhnten – Jagon vermutete dass über ihnen das Gitter war, welches er zuvor auf dem Hauptplatz des Kastells erblickt hatte – erkannte der junge Paladin auch die Einzelheiten des Raumes in dem er sich befand. Er war vielleicht zwanzig mal zwanzig Schritt breit; und, abgesehen von einigen Ketten an der Wand, völlig leer.

Decado kam näher an seinen Ordensbruder heran, und Jagon bemerkte dass sein ehemals rein weißes Ordenshemd über seiner Kettenrüstung nun völlig verdreckt und unkenntlich war. Ausserdem war da noch... dieser Geruch!
Trotz der Ernsthaftigkeit der Situation konnte Jagon es sich nicht verkneifen zu sagen: „Du stinkst!“ Decado und Jagon sahen sich einen Moment lang ernsthaft in die Augen, dann tat Decado so als würde er an seiner Kleidung riechen und meinte: „Da hast du recht.“ Beide brachen in schallendes, befreiendes Gelächter aus.

Kurze Zeit später war Jagon von seinen Fesseln befreit und rieb sich die schmerzenden Handgelenke. „Was machen wir jetzt?“ fragte er den an die Wand gelehnten Ordensbruder, doch Decado zuckte nur mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht. Vermutlich können wir gar nichts tun“.
„Wir können doch nicht einfach nur hier rumsitzen! Wir sollten... wir sollten... ach, ich weiß auch nicht was wir sollten, aber IRGENDETWAS müssen wir doch unternehmen können, in Bellums Namen!“
Decado schüttelte leicht den Kopf. „Wir können nur auf die Götter vertrauen, Bruder“.

Unbefriedigt schlug Jagon mit der Faust gegen die Kerkerwand. Auf die Götter zu vertrauen war schön und gut; es war sogar sein GLAUBE, aber er wusste auch dass die Götter meist jenen beistanden, die sich selbst halfen. Frustriert schlug er ein weiteres Mal gegen die Wand, als Decado ihm bedeutete ruhig zu sein. „Hörst du das?“

Jagons erster Impuls war es, entnervt mit „Nein!“ zu antworten, doch dann vernahm auch er es: Ein schabendes, kratzendes Geräusch drang von – nein, AUS – der gegenüberliegenden Wand. Gebannt sahen die beiden Paladine zu, wie ein Stück der Wand sich zuerst bewegte und dann zur Seite schwang. Aus dem Durchgang, der nun sichtbar wurde, drang das flackerndes Licht einer Fackel, die von einer kaum zu erkennenden Gestalt getragen wurde...


SYLEETH

Kalt und hart spürte sie den steinernen Boden unter sich. Rasende Schmerzen durchzuckten ihren Kopf. Ihre tastenden Finger fanden leicht die Stelle von der die Schmerzen ausgingen, die Haare mit getrocknetem Blut verklebt. Mühsam rang sie sich durch den Nebel der Schmerzen, um sich zu erinnern was passiert war. Langsam und anfangs noch verschwommen stiegen die Bilder vor ihrem geistigen Auge wieder auf: da waren die Moosknospen...die Wachen im Hof....ein leisen Klicken, gefolgt von einem schrillen Schaben....warme Luft. Abrupt richtete sie sich auf, sie wollte wissen wo sie sich befand und wer sie da niedergeschlagen hatte, doch ihr Wissensdurst wurde nur mit einem neuerlichen Peitschenschlag aus Schmerz entlohnt. Mit einem unterdrückten Schrei sank sie wieder zurück. Während der Schmerz langsam wieder verebbte nahm sie eine sanfte Stimme war. "Ruhig, bleibt ruhig liegen. Ihr seid in Sicherheit bei uns!" In dem Halbdunkel das den Raum erfüllte war der, ihr weiterhin gut zuredende Sprecher nur schwer zu erkennen. "Hier nehmt einen Schluck, es wird Euch helfen..." Gierig trank sie die Flüssigkeit, in dem Glauben es wäre Wasser, doch hinterließ es ein unangenehmes Brennen in ihrer Kehle. Instinktiv wollte sie es wieder ausspucken, aber der Sprecher hielt sie davon ab, als ob er ihre Reaktion erwartet hätte. "Es ist ein Trank, der Euren Kopf wieder klar werden läßt...habt keine Angst!" Und tatsächlich ein wohlig warmes Gefühl breitete sich von der Mitte ihres Körpers aus und spülte dann die Schmerzen weg, als ob sie nie da gewesen wären. "Was ist das?" "Ein Hausrezept" erwiderte der Fremde schmunzelnd, doch wurde er schnell wieder ernst und sagte in einem fast betretenen Ton "Seht es als Wiedergutmachung für den Schlag..." Erstaunt wandte Syleeth sich ihm zu "Wo bin ich und wer seid ihr? Weshalb habt ihr mich niedergeschlagen, doch sicherlich nicht nur um mich wieder zusammen zu flicken." "Verzeiht, es geschah nicht mit Absicht. Ich werde Euch alles erklären, aber wohl besser an einem angenehmeren Ort" seine Stimme hatte den freundlichen Ton von zuvor wiedererlangt. Sanft half er ihr auf, noch immer staunte die Elfe über die Wirkung des Trankes. Kurz strich sie wieder über die verkrustete Stelle an ihrem Kopf, nur um sicher zu gehen, daß sie sich die Wunde nicht eingebildet hatte. Der Raum war nur klein und schnell durchschritten, danach führte sie der Fremde, einige enge gewundene Gänge entlang, bis sie eine großen Raum erreichten. Dieser war im Gegensatz zu den dunklen Gängen hell erleuchtet und mit dicken alten Wandteppichen ausgehängt. Auf der anderen Seite des Raumes saßen 3 Männer in an einem langen Tisch, zwischen ihnen ausgebreitet lagen mehrere Schriftrollen. In ihre Diskussion vertieft nahmen sie die Eintretenden gar nicht wahr. Syleeths Führer machte durch das Salutieren eines Soldaten auf sich aufmerksam. Sogleich wandten sich ihnen alle Kopf erstaunt zu. "Ah, Meron! Ist das unser neuer Gast?" der jüngste der drei versammelten Männer hatte gesprochen und kam nun mit schnellen Schritten auf die beiden zu. Freundlich begrüßte er die Elfe und stellte sich als Kommandant der Garnison Tiefenbachs, Netrol Kortrim, vor. Nachdem er auch die übrigen als seinen Stab vorgestellt hatte, entschuldigte er sich noch einmal bei der Elfe, wobei er sie gleichzeitig ebenfalls an den Tisch bat. Bevor Syleeth noch irgendwelche Fragen stellen konnte, um ihre offensichtliche Verwirrung über das eben gehörte zu klären, erzählte ihr der Kommandant auch schon, daß ein Teil seiner Leute rebelliert hätten und er sich mit einigen Treuen in den geheimen Räumen, die noch unter dem Keller lagen, verschanzt hatte. Er erklärte ihr auch, daß die gesamte Burg mit Geheimgängen durchzogen war und durch welche er und seine Getreuen die Rebellen einen nach dem anderen überwältigen wollten. Doch hatten sie offensichtlich bei ihrem ersten Versuch jemand falschen erwischt. Freundlich hatte er ihr das alles ausgeführt, doch dann straffte er seine Haltung und forderte mit befehlsgewohnter Stimme nun ihrerseits eine Erklärung. "Selten sieht man eine Eures Volkes auf Siebenwind und noch seltener innerhalb der Mauern eines Kastells der Ritter! Was sucht ihr hier, daß ihr Euch des Nachts so gut ausgerüstet in meine Festung begebt?" Durchdringend musterte er sie. Noch immer sehr verwirrt über das gehörte zwang sie sich ruhig und ohne stocken zu antworten. "Mein Name ist Syleeth und ich bin auf der Suche nach meinen Freunde, zwei Paladine." Ein erstauntes Murren war von den beiden Offizieren hinter dem Kommandanten zu hören, mit einer knappen Geste brachte er sie zum Schweigen. Unschlüssig was die Reaktion bedeuten sollte fuhr sie einfach fort "Es muß Euch gewiß aufgefallen sein, daß heute Vormittag zwei Paladine gefangen genommen wurden, obwohl ihr euch mit den Euren im Untergrund befindet! Sie wurden von ihrem Orden ausgeschickt um ein von einem Schwarzmagier gestohlenes Buch wieder zu finden." Je mehr sie erzählt hatte, desto tiefer hatte sich ein senkrechte Falte in die Stirn Netrol Kortrims gegraben. "Wie heißt dieses Buch?" "Den Codex Necronomicon" Syleeth hatte es nicht für möglich gehalten, daß sich die Falte noch tiefer einfurchen könnte, doch genau dies tat sie. Allerdings hätte sie gelogen, wenn die Reaktion des Kommandanten nicht einen Funken Hoffnung in ihr aufkeimen hätte lassen. Ruckartig drehte er sich zu seinem Stab und befragte sie über den Verbleib der beiden Gefangenen, deren Ankunft seinen Spähern natürlich nicht entgangen war. Erleichtert hörte die Elfe, daß es den beiden gut ging. Wenig erfreut über den Bericht gab er Meron den Befehl die beiden aus dem Loch zu befreien und sie ebenfalls zu ihm zu führen. Mit einem Zwinkern fügte er noch hinzu, daß sicherlich genug Zeit für einen Umweg sei. Syleeth verstand diese Anspielung nicht freute sich aber über die Erlaubnis den Soldaten begleiten zu dürfen.

Gespannt hatte sie beobachtet wie Meron mehrere Mechanismen betätigte, vernahm erneut dieses Klicken gefolgt von dem schabenden Geräusch. Sie erwartete schon nach der leicht modrigen Luft der Gänge wieder ihre Lungen mit guter frischer Luft erfüllen zu können, da ihr Führer ihr berichtet hatte, daß das "Loch" die Grube unter dem Fallgitter im Hof sei. Doch statt der erwarteten Reinheit wehte ihr nun der Gestank einer Kloake entgegen. Angewidert hielt sie sich schnell die Nase zu. Erst vorsichtig und mißtrauisch, dann jedoch schneller näherten sich die Gestalten der beiden Paladine, ein freudiges Lächeln umspielte ihre Lippen. Syleeth war es angesichts der Umstände unter denen die beiden eingesperrt worden waren gar nicht fröhlich zu mute. Mit zugehaltener Nase brachte sie nur ein "Ihr stinkt hervor!" hervor. Das mit einem schallenden Gelächter der beiden quittiert wurde und die Elfe abermals verwirrte.


JAGON
Durch die unerwartete Befreiung mit neuem Mut erfüllt folgten die beiden Paladine ihrem schweigsamen Führer und der Elfe (die im übrigen darauf bestanden hatte dass die beiden mindestens fünf Schritte Abstand hielten). Jagon konnte es ihr nicht verdenken; schließlich war der Geruch des Kerkers ja für menschliche Nasen bereits eine Beleidigung; für den überlegenen Geruchssinn der Elfe musste er jedoch buchstäblich unerträglich sein.

Wenig später erfuhr Syleeth auch, was der Kommandant des Kastells mit dem „kleinen Umweg“ gemeint hatte, als Meron an einer Wand hantierte die kurz darauf ebenfalls zur Seite schwang. In der kleinen Kammer auf der anderen Seite standen einige Waschschüsseln und Zuber bereit, und mit sanfter Gewalt schob die Elfe die beiden Paladine hinein. Mit zugekniffener Nase brachte sie ein „Wascht euch, bei den Göttern!“ hervor, ohne auf das Grinsen der beiden jungen Männer zu achten.

Während Jagon und Decado damit beschäftigt waren ihre Haut und Kleidung zu reinigen hielten Syleeth und ihr Führer Wache an der Tür des kleinen Waschräumes. Bei dieser Gelegenheit erkundigte sich die Elfe bei Meron nach den Geheimgängen.

„Sie durchziehen das gesamte Kastell. Nur der jeweilige Kommandant weiß wo sich alle geheimen Türen und Gänge befinden. Man kommt durch sie an fast jeden Punkt des Baus, und wie Ihr seht hat sich diese Voraussicht ausgezahlt.“ Syleeth nickte verstehend, und wenig später setzte die kleine Gruppe ihren Weg fort. Decado und Jagon hatten es zwar nicht geschafft den Gestank völlig abzuwaschen, doch zumindest war er nicht mehr gar so penetrant wie zuvor; und so hatte Syleeth die Gelegenheit den beiden Paladinen zu erzählen wie sie ins Kastell hineingelangt war. Wenig später erreichte die kleine Gruppe jenen Raum, in dem die Elfe zuvor auf Netrol Kortrim getroffen war.

Ohne Umschweife oder Begrüßung bedeutete der Kommandant den Dreien sich zu sezten. Dann ließ er sich von Jagon und Decado die Geschehnisse der letzten Stunden nochmals erzählen. Als Jagon den neuen „Kommandanten“ Durgan erwähnte sah der Paladin wie Kortrims Augen zornig aufblitzten; und nachdem die beiden Paladine mit ihren Ausführungen geendet hatten lehnte Kortrim sich auf seinem Stuhl zurück und zog die Stirn in Falten. „Ihr meint also,“ hob Kortrim an, „dass dieser Schwarzmagier... Baphoman? Dass also dieser Baphoman verantwortlich ist für die Revolte unter meinen Männern? Nun, das würde einiges erklären...“ Kortrim machte eine Pause und massierte sich mit Zeige- und Mittelfinger die Schläfen. „Seht ihr, der Aufstand kam völlig unerwartet und ohne Grund... vor knapp zwei Wochen tauchte dieser Durgan eines nachts hier auf und verkündete dass er das Kastell im Namen seines Meisters übernehmen würde. Ich hielt ihn für einen einfachen Verrückten und hieß meine Männer ihn hinauszuwerfen, aber sie gehorchten mir nicht. Stattdessen war ich gezwungen mich mit einigen Getreuen hier unten zu verstecken.“ Wütend schlug der junge Mann mit der Faust auf den Tisch, der bedrohlich ächzte.

„Habt ihr nicht versucht nach draußen zu kommen um Hilfe zu holen?“ wollte die Elfe wissen, doch Kortrim schüttelte nur den Kopf. „Drei von meinen Männern haben es versucht. Leider führt keiner der Geheimgänge nach draussen; dieses Risiko wäre einfach zu groß. Meine Leute sind Durgans Häschern nicht entkommen...“ Kortrim ließ den Satz unvollendet, aber alle Anwesenden konnten sich denken was mit den Dreien passiert war.

Decado war derjenige der das darauffolgende Schweigen beendete. „Wieviele Leute stehen unter Durgans Kommando? Und wie viele folgen Euch?“
„Wir sind nur noch zehn, und nichtmal alle von uns sind Soldaten oder Ritter, zwei von meinen Leuten waren die Köche des Kastells. Über die restlichen dreiundvierzig Mann gebietet Durgan... aber vielleicht war es ja der Wille der Götter dass ihr drei zu uns gestoßen seid. Wir werden nämlich einen verdammt guten Plan brauchen um diesen Durgan zu besiegen und das Kastell zurückzuerobern...“


SYLEETH
Als der Kommandant die Geschichte der Elfe, die unter so fragwürdigen Umständen zu ihnen gestoßen war, durch die Schilderungen der beiden Paladine bestätigt fand, entspannten sich seine harten Gesichtszüge für einen Moment wieder und freundlich begrüßte er die Gefährten in seinem Exil. Doch nur kurz dauerte der Moment dieser entspannten und auch ein wenig freudigen Situation an, schnell kehrten Kortrims Gedanken wieder zum Ernst ihrer Lage zurück und neuerlich legte sich seine Stirn in Falten.
Die langen auf dem Tisch ausgebreiteten Schriftrollen, die Syleeth schon zuvor bemerkt hatte, stellten sich als detailliert gezeichnete Baupläne heraus. Verwirrend wirkte das Netz aus unterschiedlich starken Linien auf die Neuankömmlinge. Deutlich erkennbar war, daß es Pläne von zahlreichen Räumen und Gängen waren, aber zu welchem Gebäude sie gehörten war nicht ersichtlich. Nerol Kortrim, der die offensichtliche Verwirrung der Gefährten bemerkte erklärte schließlich:
"Um möglichen Mißbrauch der Pläne zu verhindern wurden sie nicht beschriftet - offensichtlich zumindest", ein wissendes Lächeln huschte über sein Gesicht. "Natürlich sind sie für denjenigen, der sie zu lesen vermag eindeutig markiert. Weiters bilden immer 3 Rollen zusammen eine Ebene des Kastells ab."
Während er redete, legte er die Rollen so aneinander, wie sie zusammen gehörten. Nun waren auch die Umrisse der Burg deutlich zu erkennen. Doch war damit die Verwirrung der Drei noch nicht vollständig behoben, denn insgesamt lagen nun 9 Ebenen vor ihnen...das Kastell mußte also weiter in die Erde hinein gebaut worden sein, als es von außen ersichtlich hoch war!
"Sagt, werter Nerol, sind alle befestigten Stützpunkte so angelegt?" fragte Syleeth mit einem leicht skeptischen Unterton.
"Dies bin ich nicht befugt Euch zu offenbaren..." ließ er sie kurzerhand abblitzen.
Bis zum Morgengrauen erklärten der Kommandant und sein Stab den beiden Paladinen und der Elfe viele Einzelheiten der Pläne und der Burg selbst - daß sie so viele ihrer Geheimnisse verrieten machte ihre mißliche Lage nur all zu deutlich. Viele Pläne wurden in dieser Nacht geschmiedet und ebenso viele verworfen. Die drei Gefährten beteiligten sich viel an den teils heftigen Diskussionen, denn für sie war das Kastell ebenso zu einer Mausefalle geworden, wie für die Ritter.
Unterbrochen wurden sie erst, als einer der Soldaten Kortrims den Raum betrat und meldete, daß die Köche mit der Zubereitung des Frühstücks fertig sein. Obwohl der Eßsaal nur klein war, konnten die versammelten Ritter ihn nicht einmal zur Hälfte füllen.

"Ihr scheint ja eine vollständige Burg noch unterhalb der eigentlichen zu haben!" bemerkte Decado anerkennend zum Komandanten dieser.
"Wir sind eben auf so ziemlich alles gefaßt...es gibt ein eigenes Belüftungssystem und Wasserversorgung, sowie...."
Mit einem verschmitzten Lächeln wurde er von Jagon unterbrochen: "Wie ihr sagtet `...auf so ziemlich alles gefaßt´ - nur nicht auf Meuterei..."
Entsetzt und sichtlich verdutzt wirbelte Kortrim zu dem Paladin herum, doch als er dessen schelmisches Lächeln bemerkte, klopfte er diesem auf die Schulter. Begleitet von einem herzhaften Lachen, in das alle übrigen alsbald einstimmten.

Karg war das Essen, hauptsächlich aus getrockneten Früchten und eingesalzenem Fisch bestehen, doch nicht minder schmackhaft. Neugierig wurden die 3 Gefährten das ganze Mahl hindurch von des Kommandanten Gefolgsmännern gemustert. Schnell hatte sich die Nachricht von ihrer Ankunft verbreitet, doch waren sie zu gut ausgebildet worden und diszipliniert, als daß sie die 3 mit ihren Fragen und Neugier bestürmt hätten - aber dazu blieb ihnen ja noch genug Zeit.
Die Zeit eine Lösung zu finden drängte, allerdings wußte Nerol Kortrim nur zu gut, daß ein erschöpfter Geist sie nicht schneller dahin führen würde. So ließ er seinen "Gäste" erst einmal eine, von seinen Männern, etwas abseits gelegene, Schlafstätte zuweisen.


Durch eine schmale Öffnung knapp unter der Decke des geräumigen, wenngleich auch wenig gemütlichen, Raumes den sich die Gefährten teilten. Es mußte das Ende eines Belüftungsschachtes oder ähnlichem sein, denn aus der Öffnung drang ein matter, heller Strahl. Sehnsüchtig verfolgten Syleeths Augen den Verlauf des Mondlichtes, daß sich durch die dicken Mauern den Weg zu ihr herunter gekämpft hatte. "Was hast Du?" die Elfe war so in das Spiel der Staubkörnchen in dem Lichtstrahl versunken, daß sie gar nicht bemerkte hatte, daß Jagon von seinem lager aufgestanden war. "Ich fühle mich nicht wohl...beengt...so als wollten mich die Mauern erdrücken..." antwortete sie traurig.


JAGON
Gerne hätte der junge Paladin etwas gesagt oder getan um die Freundin aufzumuntern, doch es lag nun mal in der Natur der Elfen dass sie sich in dicken Steinmauern, noch dazu Tief unter der Erde, unwohl fühlten. Ungeschickt rappelte er sich auf und stemme sich hoch. Die „Schlafstätten“ die Kortrim ihnen zugewiesen hatte waren wenig mehr als mit Stroh gefüllte Säcke, doch Luxus war ohnehin noch nie Jagons Sache gewesen. Aufgewachsen auf einem Bauernhof zwischen Schweinen und harter Feldarbeit blieb gar keine Zeit für das Verlangen nach weichen Daunenfedern und Seidenkissen.

Mit einem leichten Ächzen ließ er sich neben der Auelfe nieder, hob den Kopf und folgte ihrem Blick nach oben. Der Mond musste sich gerade genau über ihnen befinden, denn der schmale Schacht führte fast senkrecht hinauf und endete vermutlich auf einem der kleinen Türme im Hinterhof des Kastells.
„Was hat es mit dieser Stadt... Sho’kanam... auf sich?“ Obwohl sie sehr leise sprach, um den schlafenden Decado nicht zu wecken, klang die Stimme der Elfe klar und deutlich. Es dauerte einige Herzschläge lang ehe Jagon sich ihr zuwandte und langsam, jedes Wort abwägend, erwiderte:
„Sho’kanam ist eine Legende... bei eurem Volk gibt es doch viele Geschichten und Lieder aus alter Zeit, oder?“ Die Elfe nickte heftig. „Mehr als ein Einzelner je auswendig lernen könnte!“

„Und Sho’kanam ist sozusagen eine Legende unter uns Paladinen...“ ohne es zu merken verfiel Jagon in diesen leicht hochtrabenden, leicht begeisterten Tonfall der jedes Mal ein Leuchten in seine Augen zauberte, als er mit ungeübter Stimme die Geschichte von Sho’kanam vortrug:

„Meinen Orden, den Orden der Viereinigkeit gibt es erst seit einigen Jahrzehnten. Aber natürlich gab es schon vorher Paladine. Heute weiß keiner mehr woher die ersten von uns kamen, oder von welchem der vier Götter sie als erste dessen Macht verliehen bekamen. Darum gibt es viele, sehr viele Legenden über die Entstehung der ersten Paladine in Falandrien. Welche dieser zahllosen Erzählungen nun stimmt ist nicht bekannt; auf jeden Fall erzählt eine davon von einer Stadt die vor langer Zeit von einem Dämonenheer belagert wurde. Die Stadt hieß Sho’knam, und sie hatte eine Garnison und ein Kloster. Als die Stadt kurz davor war, von den unheiligen Angreifern überrannt zu werden, hatte der Vorsteher des Klosters eine Vision: Man sagt, Bellum selbst sei ihm erschienen, und er habe den Abt und alle seine Brüder aufgerufen, zu den Waffen zu greifen und die Stadt und ihre hilflosen Bürger in seinem Namen zu verteidigen. So kam es, dass schlecht bewaffnete Klosterbrüder, ohne jede Erfahrung im Kampfe, Seite an Seite mit den regulären Truppen der Stadt Sho’kanam kämpften und sie gegen eine große Übermacht grauenhafter Kreaturen verteidigte.

Wie gesagt, es ist nur eine Legende,“ schloss Jagon seine Erzählung ab, doch eine ruhige Stimme aus dem hinteren Teil des Raumes entgegnete: „Es ist mehr als eine Legende. Ich glaube fest daran dass die Geschichte von Sho’kanam wahr ist.“ Jagon fuhr überrascht herum und sah dass Decado ebenfalls aufgewacht war und wohl den letzten Teil des Monologs seines Ordensbruders mitbekommen hatte. Syleeth wandte sich nicht um, vermutlich hatte sie mit ihren scharfen Ohren ohnehin Decados erwachen längst bemerkt. Ihr Blick war noch immer auf das silberne Mondlicht gerichtet, und Jagon beschloss sie eine Weile allein zu lassen. Mehr oder weniger behände ging er zu seinem Ordensbruder hinüber und beugte sich zu ihm hinab. „Das wird ein anstrengender Tag morgen.“ Decado nickte. „Aber egal was wir morgen tun werden – als aller erstes ich mir mein Schwert zurückholen.“ Wieder nickte Decado einfach. Er wusste dass es sinnlos war Jagon das ausreden zu wollen, denn er wusste wie sehr sein Freund an dem schartigen, alten Katana hing. Und auch Decado selbst wollte sein Schwert zurückbekommen – das war eine Sache der Ehre. Die Frage war nur: Wie sollten sie an die Waffen herankommen...?


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BeitragVerfasst: 26.12.01, 01:13 
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Ganz gleich wie viele Pläne die kleine Gruppe um Kortrim entwarf und diskutierte, keiner davon war gut genug, als das sie es hätten wagen können ihn umzusetzen. Jedesmal stellte sich nur allzu schnell heraus, daß irgendein Detail nicht realisierbar war oder zu viele glückliche Zufälle nötig wären. Mitunter wurde die Diskussion hitziger und die Stimmen lauter, nur um sich bald wieder zu einem Flüstern herab zu senken, während die Gefährten versuchten etwas neues zu ersinnen.
Syleeth hatte sich schon seit einiger Zeit nicht mehr an dem Meinungsaustausch beteiligt oder auch nur zu gehört. Mit geschlossenen Augen saß sie zurückgelehnt in dem hohen Stuhl und konzentrierte sich voll und ganz darauf die erdrückenden Mauern und die meterdicke Schicht aus Stein und Erde über ihr zu vergessen. Stattdessen dachte sie sich zurück in die Wälder und Auen ihrer Heimat, sowie die weiten Fluren die sich dahinter weit in den Süden erstreckten...
Bohrend traf sie der kühle Blick Kortrims, als sie wieder die Augen öffnete. Stets musterte er sie durchdringend, fast so als misstraute er ihr zu tiefst. Doch dieses mal nahmen seine Augen einen überraschend sanften Ausdruck an, als er in den ihren die Qual die sie litt widergespiegelt sah.

„Vielleicht wäre eine Pause angemessen...“, wandte sich der Burgkommandant wieder an die Runde. „Dann kannst Du auch gleich eine gezeichnete Skizze anfertigen, Gerol!“
Jetzt erst bemerkte die Elfe, daß die unzähligen Karten einem einfachen flachen Sandbett gewichen waren. Dünne zittrige Linien durchzogen den feinen Sand und formten, mit allerhand Markierungen den Haupthof der Burg.
„Guten Morgen, Spitzohr! Dann laß uns mal mit dem Nachhilfeunterricht beginnen...“ mit einem breiten Grinsen beugte sich Jagon über das Sandbett und erklärte ihr nach und nach die Vorgehensweise auf die sie sich schlußendlich geeinigt hatten.

„...da oben sollst Du mit dem Bogen Deinen Posten beziehen – es gibt nur zu den unteren Ebenen des Turmes einen Zugang von den Geheimgängen, aber die Mauern der Burg waren ja auch kein Hindernis für Dich! Natürlich wirst Du mehr Pfeile brauchen, sonst wirst Du uns nicht lange Deckung geben können...“
„Es wird sich eh zeigen müssen, wie viel Pfeile gegen die Rüstungen der Ritter da oben ausmachen werden. Der Mond ist im abnehmen, ihr werdet beim Kämpfen nicht viel sehen, wenn ihr in der nacht angreift und bei Tage haben wir kaum Chancen.“
„Deswegen diskutieren wir ja und schlafen weniger!“ antwortete er spitz.

Bei den weiteren Besprechungen war die versammelte Runde nicht wieder zu erkennen. So unmotiviert sie in den Stunden davor waren, mit desto mehr Elan waren sie nun dabei – die Lawine war durch den rechten Anstoß ins Rollen gekommen! Trotz der allgemeinen Begeisterung und dem steigenden Tatendrang zwang Kortrim sie durch seine besonnene Art, es immer wieder und wieder Punkt zu Punkt durchzugehen, ob sie auch ja nichts übersehen hatten, denn sie würden bei einem Fehlschlag keine zweite Chance bekommen. Doch es schien wirklich so, als könnte es funktionieren und schließlich entlaß er sie.

***

Tief atmete sie die salzige Luft ein. Endlich war sie befreit von der niederdrückenden Mächtigkeit der Gemäuer, hier oben auf ihrem Posten fühlte sie sich beinahe so frei und leicht wie ein Vogel. Aber nicht sie würde heute fliegen, sondern nur ihre Pfeile.


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BeitragVerfasst: 27.12.01, 06:00 
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„Wahnsinnig. Verrückt. Völlig vom guten Herrn Astrael verlassen!“ Der dickliche Mann, der mit seiner Fackel dicht vor Jagon und Decado auf allen Vieren durch den engen Gang kroch, wurde es nicht müde, seiner Fassungslosigkeit über die beiden Narren hinter ihm Ausdruck zu verleihen.
„Er hat Recht, weißt du?“, versuchte Decado abermals seinen Freund zum Umkehren zu bewegen, doch in seiner Stimme lag wenig Zuversicht. Er wusste dass Jagon sehr schnell einlenkte wenn ihm etwas nicht sonderlich wichtig war; doch wenn es um eine Sache ging die er sich zu Herzen nahm, dann gehörte der junge Paladin wohl zu den stursten Männern die unter Tares Sonne wandelten.
Als eine Antwort auf seine Worte ausblieb seufzte Decado götterergeben und konzentrierte sich wieder darauf, auf allen Vieren durch den Geheimgang zu kriechen. Der Mann vor ihnen – einer der beiden Köche von denen Kortrim gesprochen hatte – führte sie durch zahlreiche Biegungen und Windungen, sodass die beiden Götterkrieger schon bald jegliche Orientierung verloren. Schließlich hielt der Koch so abrupt an, dass das Gesicht des unmittelbar hinter ihm kriechenden Jagon unsanfte Bekanntschaft mit seinen Stiefeln schloss. Ein unwilliges Knurren unterdrückend erkundigte sich der Paladin warum es nicht weiterging, doch ihr Führer bedeutete ihnen rasch still zu sein. Einige Herzschläge lang horchten die drei auf die Geräusche um sie herum, bis der Koch das Schweigen durchbrach. „Wir sind hier jetzt ganz in der Nähe von Kortrims... nein, mittlerweile sind es Durgans Privaträume. Wahrscheinlich haben sie eure Sachen hier untergebracht; aber nur ein Narr würde wegen ein paar Schwertern und Krimskrams dieses Risiko eingehen!“ Im schwachen Fackelschein war es kaum zu erkennen, doch noch ehe der Koch zu Ende gesprochen hatte, wurde ihm bewusst, WAS er da gerade zu Dienern der Kirche gesagt hatte. Entschuldigend fügte er hinzu: „Ich meine, ist doch wahr... der Herr Kortrim hat den beiden Herren ja angeboten ihnen andere Waffen zu geben für’s Erste; also warum dieses Wagnis hier eingehen, ich meine, das ist doch reiner Wahnwitz... aber was sage ich da, niemand hört ja auf Zathras den Koch...“ Der dickliche Mann murmelte noch einiges mehr in seinen nicht vorhandenen Bart, bis er plötzlich Jagons Hand auf seiner Schulter spürte.
„Es ist gut,“ sagte der Paladin, „Ihr könnt umkehren, von hier ab werden mein Bruder und ich uns alleine durchschlagen. Habt dank für Euren Mut, guter Mann.“ Der Koch schüttelte nochmals missbilligend den Kopf, dann zwängte er sich an den beiden Jüngeren vorbei und kroch davon. Jagon und Decado blieben in schummriger Dunkelheit zurück; glücklicherweise drang vom Ende des Ganges ein wenig Licht herein.
„Warum gehst du nicht weiter“, fragte Decado.
„Wegen vorhin...“, hob sein Ordensbruder zögerlich an, „Ich weiß warum du so fest an die Legende der Heiligen Stadt glaubst. Du hoffst, dass ER noch am Leben ist, und es nur die Geheimnisse und Wunder der Stadt sind, die IHN den Wunsch vergessen ließen zurückzukehren.“
Decado wählte seine Erwiderung mit bedacht; wie fast alles was der hagere junge Mann mit dem pechschwarzen Haar tat. „Natürlich hoffe ich das. Und dir geht es genauso. Du glaubst dass du ein Mensch bist der schwer zu durchschauen ist, Jagon, und vielleicht hast du damit sogar Recht. Aber ich kenne dich zu gut inzwischen. Tief in dir glaubst auch du, dass Meister Escalimahs Fahrt nicht umsonst war, und dass er die Heilige Stadt gefunden hat.“
Einige Augenblicke lang wurde es still. Dann lachte Jagon leise und heiser. „Bruder?“
„Ja?“
„Habe ich dir heute schon gesagt dass du ein kluger Mistkerl bist?“
Decado grinste. „Nicht so oft wie du das für gewöhnlich tust, nein.“
„Dann hole ich das hiermit nach, kluger Mistkerl.“ Sie lachten beide. „Und jetzt komm, wir haben nur noch zwanzig Minuten bevor die anderen mit dem Plan beginnen, und sie werden damit nicht auf uns warten!“

Die beiden brachten die wenigen Meter bis zum Ende des Ganges hinter sich, und Jagon, der als erster dort anlangte, lauschte kurz nach draußen. Seine Finger streiften ein seltsames Material, das sich anfühlte wie Holz. Schulterzuckend übte er ein wenig Druck darauf aus, und stellte erstaunt fest dass der Widerstand fast sofort nachgab. Mit einem dumpfen Geräusch öffnete sich der Gang vor ihnen und ließ hektisch flackernden Fackelschein herein. „Bellum, Herr des Krieges und der Ehre, ich hoffe dass das gut geht...“ mit Schwung sprang Jagon hinaus, und wäre um ein Haar gestolpert als er ungeschickt auf dem weichen Teppichboden des Raumes landete. Gleich hinter ihm kam Decado – wesentlich umsichtiger und geschickter - aus dem Loch in der Wand geklettert, das bislang von einem gewaltigen Schlachtengemälde verdeckt wurde.
„Die Götter sind wahrlich mit den Tapferen! Siehst du das, Dec? Hier sind keine Wachen, und da drüben liegen unsere Schwerter!“ Jagon deutete auf ein nahestehendes Tischchen an der Wand, auf dem die beiden Waffen achtlos abgelegt waren.“
„Du, Jagon...“
„Was denn?“ der blonde junge Mann machte einige Schritte auf sein geliebtes Katana zu, bis Decados Griff sich um seinen verschmutzen Waffenrock schloss. „Was ist denn,“ wiederholte Jagon die Frage.
„Du hast doch gesagt hier wäre niemand,“ erwiderte sein Bruder.
„Natürlich, wenn hier jemand wäre hätten sie uns doch längst bemerkt. Was soll die dumme Frage?“
„Also wenn du mich so fragst... ich schätze DIE dort hinten SIND ganz eindeutig jemand.“
Ganz langsam wendete Jagon den Kopf und sah geradewegs in das erstaunte und verärgerte von vier Wachsoldaten, die am anderen Ende des Raumes hinter ihnen ein Würfelspiel gespielt hatten und nun völlig verdutzt zu den beiden Eindringlingen herüberstarrten.
„Uh-oh,“ machte Jagon.
„Uh-oh ist noch gar kein Ausdruck“, erwiderte sein Freund. Und wie von wilden Hunden gehetzt spurteten die beiden los in Richtung des Tischchens, während hinter ihnen die vier Wachen unter erbosten Schreien ihre Schwerter zogen und ihnen nachstürmten.


Zuletzt geändert von Jagon: 27.01.02, 18:44, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 30.12.01, 02:20 
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Plötzlich zerrissen die schrillen Alarmglocken die Stille. Schmerzhaft hallte es in den Ohren der Elfe wieder. „Jagon! Verdammt, was hat uns der Paladin mit seiner Sturheit nur wieder eingebrockt?!“ Unschlüssig musterte sie die Reihen, der an den niedrigen Zinnen, fein säuberlich aufgestellten Pfeile. Sie hatte sich nach dem Erklimmen der Turmspitze nicht eilen brauchen. Großzügig war die Zeit bemessen worden, damit wirklich alle auf ihrem Posten waren, wenn der Kampf begann...doch es war zu früh!!!
Mit einem leichten Schulterzucken entzündete sie die drei Pfeile zu ihrer Linken. Lange waren die feuchten Lappen in Öl getränkt worden, so daß es ihr schien sie würden schon alleine durch die Wärme der kleinen Öllampe entzunden, noch bevor sie die Flamme selbst berührten. „Was auch immer sie verbockt haben, etwas Ablenkung kann sicher nicht schaden!“ und mit einem fast vergnügten Lächeln spannte sie ihren Bogen.

Die Flammen des ersten Pfeiles sprangen schnell auf die Dachschindeln des Burgstalls über und verzehrten das ausgetrocknete Holz gierig. Die beiden anderen galten der angebauten Scheune und listiger Weise der Holzwinde des Brunnens. Der Schein der Flammen erleuchtete hell den dunklen Hof und mit Genugtuung beobachtete die Elfe weit unter sich wie kleine Gestalten aus den übrigen Gebäuden stürmten. Während das wenige Gesinde hektisch versuchte eine Wasserkette zu bilden, sich aber nicht einigen konnte welchen Brand sie zuerst löschen sollten, versuchten Durgans, im Hof versammelten, Ritter herauszufinden was den Alarm ausgelöst hatte und woher genau eigentlich der Angriff kam. Angestrengt hielt sie nach einem Zeichen von Kortrims Leuten Ausschau, die sicher ebenfalls den Alarm gehört hatten – inständig hoffte sie, daß sie sich davon nicht abschrecken hatten lassen, sondern schnell ihre Aufgaben ausführten.

Erneut hallten die Alarmglocken über die Festung und dieses Mal war für die versammelten Ritter eindeutig bestimmbar aus welchem Teil der Burg, dem Kommandantenhaus. Sofort stürmte der Großteil von ihnen in Richtung des hinteren Tores, denn die Stallungen, Wirtschaftshäuser und Soldatenunterkünfte lagen in dem schmalen, langgezogenen Vorhof; der Burgfried, das Herzstück der Festung, mit den Gemächern des Kommandanten und der höheren Offiziere jedoch separat im Haupthof.
„Achherrje, nur nicht zu viele!! Eigentlich gar keiner!!!“ Syleeth biß sich nervös auf die Lippe, es war wichtig für das Gelingen ihres Vorhabens, daß der Großteil von Durgan’s Leuten in diesem Teil der Burg blieben. „...und von hier kann ich nicht mal einen Warnschuß abgeben!“ Unfähig etwas zu tun, daß die Ritter aufgehalten hätte, hielt sie noch angestrengter nach einem Zeichen ihrer Verbündeten Ausschau...

Tief gruben sich die Eisenspitzen des Tores in den Boden, als es dumpf auf die Erde prallte, plötzlich vom Zug der Ketten befreit. „Endlich!!!“ die Elfe schlug sich die Hände vor den Mund – sie hatte vor lauter Erleichterung laut gerufen. Doch abgesehen von dem Tumult wegen der Brände, waren die Soldaten viel zu verblüfft, daß sie gar nicht mehr vor dem verschlossenen Tor abbremsen konnten und geradewegs hineinrannten, als daß sie irgendetwas gehört hätten.
Ungläubig hämmerten sie auf das Eisen, daß ihnen den Weg versperrte, bis eine von oben kommende Stimme sie ablenkte. Auf der, zum nächsten Hof erhöhten, Mauer über ihnen erschienen nacheinander zehn dunkle Gestalten. Allesamt verhüllt und gerade außerhalb des Feuerscheins, so daß nichts außer ihren Silhouetten und der spitzen Schatten gespannter Bögen zu erkennen waren.
Einer der verhüllten trat vor und schlug den Mantel zurück - hell erstrahlte der goldene Greif auf blauem Grund im Feuerschein. „Wir sind Kortrim’s Mannen und gekommen den rechtmäßigen Kommandanten der Burg wieder einzusetzen!!! Legt Eure Waffen nieder, so wird Euch nichts geschehen!“

Wenig eingeschüchtert in ihrer Verblendung unter Baphoman’s Bann erwiderten die mutigsten der Ritter: „Ihr seid allesamt Schwindler! Auf welch meuchelmörderische Art seid ihr an diese Rüstung gekommen?“ „Durgan ist unser und Tiefenbachs einziger Kommandant!“
„Wir sind Euch zahlenmäßig weit überlegen, also ergebt Ihr Euch lieber gleich, bevor ich Euch eigenhändig den Gar aus mache!“ laut übertönte, der offensichtlich Dreisteste die anderen, während er sich einen Weg an die Spitze des Trupps bahnte. Statt Gerol antworteten seine Männer – zwei Pfeile bohrten sich direkt vor seinen Fußspitzen in den Boden.

„Und wir in der besseren Position!“
Syleeth hatte angespannt den Atem angehalten. Sie konnte zwar nichts von dem was da unten gesprochen wurde hören, aber auch wenn sie Gerol’s Part bei dem Ganzen nicht gekannt hätte, wäre die Körpersprache der versammelten doch eindeutig gewesen. Zischend entließ sie ihn nun, „Tevra, hilf! Stehe uns bei, daß sie es glauben....!“


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BeitragVerfasst: 31.12.01, 17:41 
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Der drahtigere Decado langte schneller an der kleinen Kommode an. Hastig griff er nach den beiden daraufliegenden Waffen und warf Jagon das schartige Katana seine Großvaters zu. Der Paladin fing die Scheide mit der Linken, und mit einer fließenden Bewegung glitt das Schwert in seine Rechte. Keinen Moment zu früh, wie das gequälte Kreischen von Metall auf Metall bestätigte, das nur Sekundenbruchteile später den Raum erfüllte. Fast schon liebevoll umfasste Jagon den Griff des Katanas und schenkte den drei Kerlen vor ihm ein eisiges Lächeln. Sicher, die Waffe die er von seinem Großvater zum Abschied erhalten hatte war alt, und das sah man ihr an ihren vielen Scharten auch an, und doch hatte Jagon das magische Meisterschwert Fangweih dafür aufgegeben. Für einen kurzen Augenblick irrten seine Gedanken zurück zu seinen ersten Wochen auf der Insel, und zu den Gefährten von einst, mit denen er das erste Mal ausgezogen war um Baphoman zu bekämpfen; doch der ungestüme Angriff zweier Wachsoldaten riss ihn in die Wirklichkeit zurück. Mit eingeübten Bewegungen glitt er zwischen den beiden Klingen hindurch und schlug die eine davon zur Seite. Dann sank er hastig in der Hocke, um der zweiten auszuweichen die nach seinem Kopf züngelte. „Wieso muss ich hier mit zweien Kämpfen und du nur mit einem?“, rief er Decado nach einem kurzen Seitenblick zu.
„Du wirkst eben anziehender auf Männer als ich,“ kam die gefeixte Erwiderung.

Der Kampf dauerte nicht lange, denn zum einen waren Jagon und Decado kampferprobte Diener des Rohehafener Tempels, und zum anderen wirkten die Bewegungen der Wachen sehr langsam, fast wie die eines leicht Angetrunkenen. Doch ob die drei nun wirklich Getrunken hatten, oder ob Baphomans grausige Beherrschungsmagie daran schuld war, auf jeden Fall waren sie schnell überwunden ohne schwere Verwundungen davonzutragen.
„Wo ist der Vierte geblieben?“ Decado deutete wortlos zur einzigen Tür des Raumes, und sein Ordensbruder nickte verstehend. Mit vorgestreckten Waffen huschten sie zum Ausgang und lauschten an der Tür. Jagon vernahm gedämpften Lärm von draußen. Vermutlich hatten die Aufrührer unter Kortrim ihr Vorhaben früher als geplant umgesetzt. Auch Decado schien das anzunehmen, wie seine Frage bestätigte: „Denkst du dass sie auf die List hereinfallen werden?“
Jagon zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur dass wir da draußen bei den anderen sein sollten um diesen Durgan zu finden und unschädlich zu machen.“ In seiner Stimme schwang etwas mit, das Decado überrascht eine Augenbraue hochziehen ließ. „Du machst dir Sorgen um sie, nicht wahr?“
Jagon warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, erwiderte jedoch nichts mehr sondern legte die Hand auf die Klinke der Tür und drückte sie kraftvoll herab. Ungestüm wollte der junge Paladin hindurchstürmen, und nur Decados blitzschnellem Griff um die Schultern seines Bruders war es zu verdanken, dass die beiden Bolzen ihn um Haaresbreite verfehlten.
„Narren! Ihr habt sie verfehlt! Ich will dass ihr sie tötet; dass ihr sie alle tötet! Baphomans Zorn soll über euch alle kommen wenn ihr versagt!“, keifte eine Stimme im anderen Raum, die Jagon mit gefletschten Zähnen als die von „Kommandant“ Durgan erkannte. Die beiden Paladine hatten sich links und rechts des Türrahmens mit dem Rücken an die Wand gepresst. Decado beugte sich abrupt vor, spähte in den nächsten Raum und ging blitzschnell in Deckung als ein weiterer Bolzen nur knapp an seinem wehenden schwarzen Haar vorbeipfiff. „Vier. Davon zwei mit Armbrüsten. Und dazu noch so ein komischer Kerl der vor dem Balkon steht.“
Jagon sah ihn fragend an. „Wie machen wir’s?“
Auf das Tischchen deutend, auf dem ihre Waffen gelegen hatten, sagte Decado: „Erinnerst du dich an die Scheune in Brandenstein?“
Jagon verzog unwillig das Gesicht. „Meinetwegen – aber diesmal bekommst DU den Pfeil ab, und ICH rette das Mädchen.“
„Vergiss es“, grinste Decado sein Schwert wegsteckend und lief zu dem Tischchen hinüber, hob es auf und hielt es prüfend vor sich. Quer genommen würde es reichen, bemerkte er zufrieden als er seinem Ordensbruder ein Zeichen gab. Jagon hatte inzwischen das große Schlachtengemälde mit dem Schwert in zwei Teile gespalten. Als Decado bei ihm angelangt war, hielt der Paladin ein Teil des Gemäldes in den Türrahmen. Sofort zischte es, und zwei Pfeile durchschlugen die Leinwand. Beinahe gleichzeitig stürmte Decado durch die Tür, den Tisch wie einen Schutzschild vor sich haltend. Jagon war direkt hinter ihm und versuchte sofort sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Der Raum, in dem sie sich befanden, war derselbe, in dem Durgan ihn Tags zuvor verhört hatte. Noch immer waren der wuchtige Schreibtisch und das kunstvolle Wandbild die einzigen Verzierungen des Raumes. Die beiden Armbrustschützen waren nur wenige Schritte entfernt und fieberhaft damit beschäftigt, einen neuen Bolzen aufzulegen. Ihnen zur Seite stand jeweils ein ledergerüsteter Ritter mit gezogenem Schwert. Und ganz am anderen Ende des Raumes entdeckte der Paladin den wahren Feind: Durgan stand vor zwei Gläsernen Türen, die auf den Balkon hinausführten, und geiferte seinen Leuten Befehle zu. Von draußen drang Feuerschein herein, offenbar hatten die Aufständischen tatsächlich bereits mit ihrem Plan begonnen. Und obwohl es nicht geplant gewesen war, bot sich den beiden Paladinen hier durch glückliche Fügung die Möglichkeit, Durgan auszuschalten, ohne sich erst mühsam den Weg ins Zimmer des Kommandanten freizukämpfen, wie es Kortrim und seine Leute nun taten. Die Frage war nur, ob Decado und Jagon diese „glückliche Fügung“ überleben würden...


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BeitragVerfasst: 8.01.02, 11:17 
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Auch Gerol betete darum, daß die Ritter zu seinen Füßen sich einschüchtern ließen. Aufmerksam beobachtete er die Gruppe und sieh da, einige wenige Einzelne traten, das wilde Gebrüll des Rädelsführers nicht beachtend, zur Seite. Seltsam ungelenk schienen ihre Bewegungen dabei, so als ob sie gegen eine unsichtbare Wand ankämpfen müßten oder einem hindernden Zwang unterlägen.
Schließlich fiel das erste Schwert klirrend zu Boden. „Vitama, sei Dank! Mögen auch die anderen folgen...“, Gerols Gedanken wurden von einem grellen Schrei, der in einem gurgelnden Laut erstickte, jäh unterbrochen. Der selbst erkorene Anführer des Trupps stand neben einer in sich zusammen gesackten Gestalt. Der übrigen Schar zugewandt und das blutige Schwert drohend erhoben, rief er: „Wer von Euch will noch Verrat üben? Verrat an unserem Kommandanten Durgan?“ Schneidend scharf, wie seine Klinge, sprach er. Aufs Neue wiederholte er seine Frage, während die Gruppe ein wenig vor ihm zurückwich.
Doch waren es allesamt auch Soldaten. Ausgebildet zu kämpfen und zu töten, aber vor allem treu zu dienen und zu gehorchen. So als ob sie sich an etwas erinnern würden, straften sie alle samt ihre Haltung, faßten die Schwerter fester und formierten sich erneut um ihren neuen Anführer.
„HA! Was sagt ihr nun, Greife? So leicht machen wir es Euch Schwindlern nicht! Hier habt ihr es mit echten Rittern zu tun!!“
Starr blickte Gerol auf die Gruppe am Fuße der Mauer, „...ich kann sie doch nicht einfach erschießen lassen! Ich muß sie irgendwie hinhalten, bis die anderen so weit sind....aber wie nur?“.

* * *

Auch in den schmalen, geheimen Gängen, welche die ganze Burg durchkreuzten, waren die Alarmglocken zu hören. Beständig dröhnten sie zu der kleinen Gruppe, die sich in einem der breiteren Gänge zusammen drängte, um sich zu beratschlagen.
„Sollten wir nicht doch besser, wie geplant in der Halle beginnen?“ hielt einer seiner Stabsleute Kortrim abermals entgegen. Als die beiden Paladine entdeckt wurden und den Alarm auslösten, hatten sie ihre vorgesehene Position noch nicht erreicht. Mit dem Großteil seiner Leute sollte Kortrim die Eingangshalle des Kommandantenhauses einnehmen und die Tür verriegeln, auf daß Durgan keine Verstärkung erhielte. Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht. Der Großteil seiner Leute....er musterte die sieben ihm verbliebenen Ritter; bitter war der immer wiederkehrende Gedanke „Gering ist die Zahl der Treuen!“
Unwirsch schüttelte er den Kopf, „Unser Vorhaben war von Anfang an eine reine Glückssache! Wir wollten das nur nicht wahrhaben...so werden wir auch jetzt auf unser Glück bauen, daß Gerol erfolgreich die Verstärkung abgeschnitten hat! Wir lassen die Halle außen vor und beginnen im 1. Stock und sei es nur, um die beiden Paladine zu holen.“ und noch eindringlicher an den vorigen Sprecher gewandt „Wir brauchen jedes zusätzliche Schwert!“

Abermals zwängte sich die Gruppe durch zu eng angelegte Gänge und schlängelte sich halsbrecherische Wendeltreppen hinauf, um en ersten Stock des Gebäudes zu erreichen. Als Kortrim mit seinen Mannen endlich auf den breiten Korridor hinaustrat stellte er erleichtert fest, daß offenbar auch die übrigen sich vom Alarm nicht abschrecken hatten lassen, sondern ihre Aufgabe erfüllten.
Die wurden nicht von einer Übermacht an Bewaffneten begrüßt, wie er es schon fast erwartet hatte. „So hatte Gerol also Erfolg...“, und als er den roten Schein, der durch die Fenster hereindrang bemerkte, flößte ihm der bisherige Verlauf der Dinge doch wieder etwas mehr Zuversicht ein.


* * *

Immer weiter fraß sich das Feuer durch das hölzerne Gebälk der entflammten Häuser, während das Burggesinde, mit zu wenig verfügbarem Wasser, nur ohnmächtig zusehen konnte. Je heißer es wütete, desto lauter wurde auch das Knacken von splitterndem Holz. Bis die Stallungen schließlich in einem ohrenbetäubenden Krachen in sich zusammenstürzten. Flammen schossen weit in die Höhe und ließen so den Hof bis in die letzten Winkel in einem beinahe blutroten Schein erstrahlen. Aber zu lange währte dieser doch eigentlich so kurze Augenblick und gab in der aufblitzenden Helligkeit auch die Männer hinter Gerol den Blicken ihrer Gegner preis.

Puppen! “ kreischte der Rädelsführer und als er sich befehlend umwandte „Leitern! Sucht etwas die Mauern zu erstürmen! Wir lassen uns nicht weiter von diesem Schwindler und seinen Schießbudenfiguren in die Irre führen!!!“ Mit gezogenem Schwert deute er auf die einzigen beiden lebendigen Kämpfer in der Reihe hinter dem Greifenritter und schrie abfällig „Was können zwei, die sich derart unehrenhaften Waffen bedienen schon gegen uns wahre Ritter ausmachen?“

Entsetzt über die Wendung trat Gerol einen Schritt zurück. „...es war doch schon fast vorbei...!“, straffte doch seine Haltung wieder und hob den rechten Arm.
Gebannt hatten die, unterhalb der Mauer versammelten Männer, auf die größtenteils nur aus Holz und Stofffetzen bestehenden Gestalten über ihnen geblickt. Sie brauchten eine Weile, um zu begreifen was sie sahen und ihr Anführer ihnen entgegen brüllte. Während einige sich schon gesammelt hatten und sich unschlüssig im Hof umschauten, waren die übrigen noch immer gebannt was noch passieren würde, als Gerol seinen Arm wie bei einem wortlosen Schießbefehl wieder senkte.
Ein hohes Zischen war kurzzeitig dicht über ihren Köpfen zu hören und kurz darauf war es an ihnen sich dem Entsetzen zu stellen. Lautlos und mit geweiteten Augen sank ihr Anführer, tödlich getroffen, erst auf die Knie und dann vollends zu Boden. Aus seinem Nacken stakte das gefiederte Ende eines Pfeils, während seine Kehle von dessen Spitze zerfetzt war. Bedrücktes Schweigen legte sich über jene Gruppe, während sie sich nach dem Schützen suchend umwandte.
Leicht fanden ihr Blicke zu den Zinnen des Wehrturmes hinauf. Wo sich nun deutlich, gegen den hellen Schein der nicht mehr verdeckten Öllampe, die schlanke Gestalt Syleeths abzeichnete.


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BeitragVerfasst: 27.01.02, 18:39 
Altratler
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„Tötet sie endlich! Ich will ihr Blut sehen!“ Durgans Stimme überschlug sich beinahe als er seinen Männern Befehle zukeifte, derer diese ohnehin nicht bedurften. Während die beiden Schwertkämpfer die Paladine daran hinderten weiterzugelangen, legten die beiden Armbrustschützen bereits neue Bolzen auf. Und zu allem Überfluss hatten sie nun Durgan in ihrem Rücken, wie Jagon feststellte als er das Langschwert seines Gegners an der gebogenen Klinge seines Katanas abgleiten ließ und zugleich einen Schritt zur Seite machte. Der selbsternannte Kommandant stand - durch den Balkon von dem Schein des draußen wütenden Feuers imposant beleuchtet - vor zwei blutroten Kerzen an einem Tisch, auf dem zugleich auch ein dickes Buch lag. Das Buch! Hatte das alte Knochengesicht etwa dieses mächtige Buch in die Hände dieses Wahnsinnigen gegeben?!
„Ich werde euch lehren was es heißt, sich gegen Durgan zu stellen! Ihr werdet leiden wie noch niemand auf Tare je zuvor gelitten hat!“ Der „Kommandant“ begann damit, irgendetwas in einer völlig fremden Sprache aus dem Buch vorzulesen. Keiner der beiden Paladine konnte die Worte verstehen; doch wenn sie sie statt mit Worten mit einem Gefühl hätten beschreiben sollen, hätten beide es mit „blasphemisch“ getan. Doch so sehr der Klang von Durgans kratziger Stimme ihnen auch in den Ohren schmerzte; zuerst mussten sie mit den vier Rittern vor ihnen fertigwerden, und das war schwer genug. Trotz Baphomans seltsamen Beherrschungsfluches waren die Bewegungen der Kämpfer so schnell und präzise, dass sie Jagon und Decado in ernstliche Gefahr brachten. Ein horizontal geführter Hieb seines Gegners hätte Jagon beinahe das Leben gekostet. Nicht weil der Schlag ihn wirklich berührt hätte – sondern weil in just diesem Augenblick auch noch ein Bolzen auf ihn zuzischte. Mit dem Mut der Verzweiflung ließ der Paladin sich auf den Boden fallen, nahm das Protestieren seines linken Armes, der das gesamte Gewicht seines Körpers auffangen musste gleichgültig zur Kenntnis, und rollte gerade noch rechtzeitig zur Seite damit das Schwert seines Gegners ihn nur einige Strähnen seines Haares anstelle seines ganzen Kopfes kostete. Herr Bellum, das nimmt kein gutes Ende, durchzuckte es ihn. Doch da er es nun mal nicht ändern konnte, sprach er götterergeben ein stummes Gebet der Entschuldigung an den Gott des ehrenhaften Kampfes – und trat, noch immer am Boden liegend – seinen stehenden Kontrahenten in die Männlichkeit. Mit einem erstickten Keuchen ließ der Kerl sein Schwert fallen und sank zu Boden, wo er sich schmerzerfüllt herumwand. Jagon nutzt die kurze Verschnaufpause um sich einen Herzschlag lang umzusehen. Decado kämpfte noch immer mit seinem Gegner, doch irgendwie war es dem hageren jungen Mann gelungen einen der beiden Bogenschützen mit gerissener Sehne und einem üblen Bluterguss im Gesicht zu Boden zu schicken. Von irgendwo erschall durch Durgans unheilige Intonierung ein dumpfes Dröhnen; nicht zum ersten Mal, doch jetzt erst nahm der Paladin das Geräusch bewusst wahr. Woher?
Erneut legte der verbliebene Bogenschütze einen Pfeil auf die Sehne, doch unvermittelt hielt er inne und sah sich völlig verstört um, so als wundere er sich wo er sich überhaupt befand. Auch Decados Gegner mit dem Schwert riss plötzlich erstaunt die Augen auf; Millisekunden bevor der Paladin ihm die Waffe aus der Hand schlug. Und dann ging alles sehr schnell.

Mit einem ohrenbetäubenden Krachen zerbarst die große, Eichenhölzerne Tür des Kommandantenraumes. Dahinter glaubte Jagon mehrere Gestalten ausmachen zu können, doch er konnte nicht sagen ob die Verstärkung ihnen oder Durgans Leuten galt. Ihm blieb auch gar keine Zeit darüber nachzudenken, denn die Stimme des „Kommandanten“ wurde immer lauter und drängender; und schließlich, wie aus dem Nichts, floss ein waberndes, purpurnes Licht von dem vor ihm liegenden Buch auf seine Hände zu; hüllte sie ein, umgab sie, schien sie zu verzehren. Mit einem triumphierenden Geheul riss er die Hände über den Kopf und schleuderte sie dann in Richtung der Tür. Ein unmenschlicher, zutiefst schockierender Schrei durchdrang den Raum und begleitete die brennende Kugel aus Licht zu ihrem Ziel. Jagon stand glücklicherweise weit genug von der Flugbahn der Lichtkugel entfernt; Decado jedoch musste sich mit letzter Kraft auf seinen ehemaligen Gegner werfen, damit beide zu Boden gingen und es gerade noch schafften davon zu rollen. Dann aber war das Licht heran; es hüllte die beiden Türflügel ein, und unter markerschütternden Schreien sanken zwei Gestalten, die nicht schnell genug wegkamen, auf die Knie und – verschwanden einfach! Durgan lachte hämisch, und in seiner Stimme lag wenig Menschliches, während immer noch mehr purpurnes Wabern allmählich begann ihn von oben bis unten einzuhüllen.
„Herr Bellum steh uns bei“, hauchten Jagon und Decado beinahe gleichzeitig, und auch die verbliebenen Ritter – Kortrim und seine Männer, wie sich nun zeigte – konnten nicht anders, als entsetzt den wahnsinnigen Kerl und das vor dunkler Lebenskraft pulsierende Buch anzustarren.


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